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ÄüM WHMeiii-KuiitthnIn Aipign Tageblstk. !«-—S-SLK!«L — '»'» » —^.. .... Nr. 247. Donnerstag, den 23 Oktober 1813 48. Jahrgang Sic Bestattung der Opfer des »L. 2" mit vorhergehendem Trauergottesdienst in der evangelischen Garnisonkirche Berlins im Bei sein des Kaisers und der in Berlin anwesen den kaiserlichen Söhne wurde za einer ern sten, eindrucksvollen Feier. Die Särge, die unter einer Unzahl von Kränzen säst ver schwanden, waren im Altarraum ansgebahrt worden, in der Mitte standen die Särge der Offiziere, links and rechts die der UnterofI- ziere and anderen Mannscha'ten. Vor dem Chor hingen die Kriegsflaggen der Marine, anter denen drei Seesoldaten and drei Ma- rinein'antcristen die Ehrenwache hielten. Im Laue des Vormittags erschien Prinz Adalbert von Preußen, am im Auftrage des Kaiser- Paares an jedem Sarge einen Kranz nieder zulegen. Außerdem waren von anderen deut schen Bandesfürsten Blumenspenden gesandt worden. Aus den Särgen lagen schwarze Samtkissen, die die Orden und Ehrenzeichen der Verstorbenen trugen. Von den zahlreichen Abordnungen hoher Behörden erschien als erster der französische Marineattachee mit einem riesigen Kranz, der eine Schleife in den fran zösischen Farben weiß-rot-blau zeigte. Vevtre- ten waren in der Trauerversammlung: die gesamte Admiralität und die gesamte Gene ralität Berlins, alle Offizierkorps der Berliner und Potsdamer Garnison and die in Berlin anwesenden Marineoffiziere. Der Kaiser Ivar mit seiner hohen Gemah lin erschienen. Ihnen folgten der Kronprinz mit seiner Gemahlin, die Prinzen Eitel-Fried rich, August Wilhelm, Adalbert und Joachim. Der Königliche Domchor eröfsne'c die Feier mit dem Gesang: „Selig sind die Toten." Dann- trat Oberpfarrer Konsistorialrat Goers zu Häuptcn der Särge und hielt die Tokcn- rede- Er hob das mutige Einsehen der Per son für den großen Gedanken der Bezwin gung der Luft besonders hervor. „Es gi t," so sagte der Geistliche a. a., „zaghafte Da turen genug, die warnend uns zurufen: „Es ist genug! Laßt die Luft den Vögeln!" Man könnte gerade so gut sagen: „Laßt das Was ser den Fischen." Nein! „lind machet sie euch untertan — die ganze Erde mit den sie um- sp''lenden Elementen, das ist Gottes Befehl an die Menschen und die Sehnsucht im Men swen! Wir lassen unserem Adler nicht mehr die Schwungfedern fesseln!" Zur Trauerfeier war auch Gras Zeppelin erschienen, die Beerdigung erfolgte unter höch sten militärischen Ehren. Nor der Kirche hatte, während die Särge einzeln aus dem Gotteshanse getragen wurden, eine Eskadron Garde-Kürassiere Aufstellung genommen, deren Trompeterkorps unter dem dumpfen Wirbel der Kesselpauken den Choral „Jesus, meine Zuversicht" blies. An die Spitze hatte sich das zur Trauerparade kommandierte Batail lon des Königin-Augusta-Regiments mit Fahne und Mufikkorps gesetzt, und alsbald trat un ter den Klängen des Chopinschen Trauermar sches der Zug in Bewegung. Unmitlell ar hinter dem .Kranzwagen, der den sieben Lei chenwagen' folgte, schritten die Söhne des Kai sers. Dann schloß sich das schier endlose Trauergefolge an. Am Eingang zum Fried- bo' hatte wieder eine Kompagnie des 3. Garde-Regiments Posto gefaßt. Durch Sol daten des Luftschif'er-Bataillons wurden die Särge von den Wagen gehoben und zur Gruft getragen. Soldaten vom Kraftfahrer-Bataillon senkten Sarg für Sarg unter lautloser Stille hinab, während die kaiserlichen Prinzen und alle Umstehenden salutierten. Als der letzte hinabgelassen war, sprach Pfarrer Goers noch einige kraftvolle Worte über das Schicksal der liier nun Gebetteten nnd schloß daran das Vaterunser. Dann sprach noch der katholische Geistliche ein kurzes Wort und als das Amen erklang, ertönte der Trauersalut der Truppen. Erst nachdem die Kränze neben der Gruft aulgeschichtct waren, verließen die kaiserlichen Prinzen den Gottesacker. Eingesandt Ter Neubau des Warenhauses Tietz. In wenigen Tagen wird das neue Waren Haus der Firma Tietz an der Post, Wiesen- und Moritzstraße in Chemnitz seine Pfor en ö snen. Schon das Acnf crc des nach einem Entwürfe von Professor Kreis ausgeführten Banes, der sich in monumentaler Wirkung I präsentiert, zeigt, das: er dem Stadtinnern eine Zierde und in seiner Größe eine der ersten Sehenswürdigkeiten von Chemnitz sein wird. Der großartigen, stilvollen Anlage des Anßenbanes entspricht auch das Innere des Danses. Hier walten gleichfalls künstlerischer Geschmack und vornehmer Lurus, verbunden mit durch alle Mittel der Technik erreichter Zweckmäßigkeit. Keine Erfindung der moder neu Wissenschaft und Technik ist unbenutzt ge blieben, wenn es gegolten hat, den Neubau zu einem musterhaften Kaufhaus einzurichten-. Alle Künste haben dazu beigetragen, daß die Modell- und' Verkaufsräume einen Nahmen erhielten, der ihrer Bestimmung entspricht. Ein Meisterwerk monumentaler Baukunst ist das Innere in seiner Gesamtheit. Das Hauptportal an der Wiesenstraße führt den Besucher sofort in den großen Lichthof. Eine Fülle von Sonnenlicht, das durch die mäch tige Glaswölbung sich hereingießt, erhellt die sen Teil des Hauses am Tage, und Tages helle verbreitet abends die große, kunstvolle Beleuchtungsanlage, die mehrere tausend elek trische Glühlampen und ein paar hundert Bogenlampen umfaßt. Die beiden Portale an der Post- und Moritzstraße führen uns in die beiden seitlichen, kleineren Lichthöfe, die weniger riesig, aber gleichfalls mit der auch im kleinsten zu erkennenden großzügigen Auf lassung ausgestattet sind. Von den Parterre- ränmlichkeitcu wird der Verkehr mit den 4 oberen Stockwerken durch 9 große Treppen häuser und 13 Fahrstühle ermöglicht. Aus der ersten Etage verdienen vor allem die Putz und Modellsalons für Damen Er wähnung. Hier sind die schaßenden Künstler mir besonderer Liebe ans Werk gegangen, und es ist ihnen auch gelungen, stimmungs- reiche und mit viel künstlerischem Geschmack ausgestattete Räumlichkeiten hcrzurichten, in denen sich unsere Damen bald wohl fühlen werden. Ein besonders hervorragendes Schmuckstück unter den Damensalons stellt der Hutsalon dar. Von den Sehenswürdigkeiten der zweiten Etage ist zuerst der Erfrischungs raum zu nennen. Die hervorragend künstle rische und luxuriöse Einrichtung wird diesem Naum zweifellos viele Besucher zuführen, de nen an Getränken und Leckerbissen weniger liegt. Die Wandbekleidung in ihrem Hellen Birkenholz mit Nußbaumverzierung breitet die heitere Stimmung' froher Daseinssreude über den Raum; und zu den zweifarbiaen Wänden bilden die schmucken Handmalereien an der Decke eine schöne Ergänzung. Auch das Bü fett ist eine sehr kunstvolle Arbeit. Ein an deres Dokument für die künstlerische Einsicht, die bei Anlage der Verkaufsräume gewaltet hat, ist der Orient-Teppichsalon in der zwei ten Etage, ein Ivettes Gemach mit Eichenholz bekleidung und einer durch feine Handschnitzc- rei gezierten orientalischen Decke. Die dritte Etage enthält neben den Abteilungen für Glas-, Porzellan-, Holz-, Korbwaren usw. auch die Lebensmittelabteiluug, die zweifellos eine der stärkstbesuchten sein wird. Die Betriebsräume, deren ein solches Rie senkaufhaus natürlich viele gebraucht, sind in der vierten Etage untergebracht. Bei ihrer Besichtigung kommt es eigentlich erst recht zum Bewußtsein, wie groß die Aufgaben sind, die kaufmännischem und architektonischem Or ganisationstalent gestellt wurden. Da finden wir nicht nur Polsterei, Schneidereien, Anser- tigungsatelier für Aussteuern; auch eine eigene Plakatmalerei befriedigt den großen Bedarf des Warenhauses an Plakaten, eine Druckerei be'orgt die wesentlichsten Druckarbeiten, in einer Einrahmerei werden die Einrahmungen von gekauften Bildern für die Kundschaft vor- genommen. Weiter sei noch der Tischlerei und Schuhmacherwerkstatt Erwähnung getan- In einer geräumigen Kantine wird den An gestellten, deren Zahl sich auf ca. 1000 be ziffert, für geringe Preise Eßbares und Ge tränke, für die Auswärtswohnenden sogar ein gutes und preiswertes Mittagsmahl verab folgt. Die Kontorräume und die Telephon- zentrale, an die zahlreiche Leitungen ange schlossen sind, befinden sich gleichfalls in der vierten Etage. Die Lagerräume, in denen zum Teil riesige Warenvorräte aufgespeichert sind, sind in der fünften Etage. Im Parterre befinden sich u. a. die Abteilungen für Her ren- und Damenartikel, Kleiderstoffe, Wäsche, Drogen, Lederwaren, Bücher und Musikalien, sowie die etwa 6000 Bände umfassende Leih bibliothek. Zum Schluß seien noch einige Zahlen ge nannt, in denen sich die riesigen Verhältnisse eines modernen Warenhauses widerspiegeln. Der nutzbare Flächeninhalt sämtlicher Etagen beträgt 25 000 Quadratmeter, die Gesamtfas- sadenfront ca. 205 Meter. Verbraucht wurden für den Bau etwa 2500 .Kubikmeter Marmor, 20 000 Kubikmeter Beton, 500 000 Kilogramm Eisen, 45 000 Meter Rohre für elektrische Lei- tungen. Das Haus wird erleuchtet durch 8600 Glühlampen und 400 Bogenlampen. 85 Haus- telephone sorgen für rasche Verständigung Zfarochke St. Frkuktatis z« Hoyeuffeia Srnklt-al. Donncrstaa abends 8 Uhr Bibclstundc im Gcmcindehaus- saal („Wohin?"). Aon Wüstenvrand. Donnerstag, den 23. Oktober, ab'nds viertel 9 Uhr Bibclsiundc der landcckirchl. Gemeinschaft im Pfarrhausc Luppen eben «lock clis bssten! Oss UrtSsS iNKLZEt: Sturmvögel. Ein Schiffsroman aus dem Nordland von A n n h Wot h e. 3t. Forts (Nachdruck verboten.) Und Fran Sigrun und ihr blonder Bru- der standen, während der Fremde die Dichter Worte mit beschwörender Gebärde zitierte, Ivie unter einem seltsamen Bann. Eine erschütternde Tragik zitterte in der seltsam vibrierenden Stimme des Mannes, und ein Schauer rann dabei über Sigruns Herz. Angstvoll flüchtete sie sich wieder an Mar nes Arm. „Ich habe Furcht," flüsterte sic mit hastig an cinandcrllaPPeruden- Zähnen, „der Mensch muß wahnsinnig sein. Immer ist er da, immer ist er mir nahe, ich ertrage es nicht mehr." Da flog ein merkwürdiges Lächeln um des fremden Mannes Mund, als hätte er die l astig hervorgestoßenen Worte verstanden, und als Marne zu ihm herübersah. war er ebenso lau los verschwunden, wie er gekommen. Sigrun- atmete wie oeTeit aus, aber Mar nes Ange erhellte sich nicht. Gedankenschwer stieg er, die Schwester stützend, die schmale Schiffstreppe hinab, die zum Promenadendeck führte. Sie schritten langsam das Deck ent lang. Lang ausgestreckt in den Liegestühlen ruhen die Passagiere und sehen die wunder vollen, wechselnden Szenerien der großartigen Gebirgslandschaften an sich vorüberzieben. Die Musikkapelle spielt. Hier und da wandeln ein zelne oder Gruppen auf und nieder und hal ten Ausschau über das Meer, aus dem die weiten Schnee- und Eisfelder der Gletscher w gigantisch aussieigcn. Dem schönen Geschwisterpaar folgt mancher ewnndernde Blick. Marne war der erklärte Liebling der ganzen Damenwelt, und die Männer sa-en Sigruns distinguierte Erschci nung voll Neugier und mit einem leisen Bc - ge rcn, das Sigruns Umiahbarkcit noch steigerte. Der ausmerksame Steward bietet Sigrun, als sie soeben am Büfett vorüberschritlen, das an den Vormittagen auf Deck errichtet ist, eine Tasse Fleischbrühe an, und Marne nö tigt ihr einige belegte Brötchen auf- Sie nimmt auch alles mechanisch, aber ihr Auge hängt schon wieder an dem fremden Mann, der da drüoen, wie er glaubt, durch andere Personen verborgen, an der Reeling lehnt und zu tz;r herüberstarrt. Olas von Bodenbrmgk tritt zu Sigrun und sagt ihr einige höli-be Worte. Sic nickt nur zerstreut, sie hat ihn nicht verstanden, und er sicht sie forschend und grübelnd an. Marnes Blick meidet er. Seit gestern nach der eigentümlichen Unterredung hält ihn ein seltsamer Druck umfangen. Sein schüchternes Wünschen, das ihn im mer heimlich quälte und öfter in ein heißes BraBren ansbrach, indem es ihn in dem blonden Jungen ein Weib ahnen ließ, war ihm sei- gestern kein Wünschen mehr. Es war ihm fast zur Gewißheit geworden, daß diele herrlichen Glieder sonst weiche, lang herab wallende Gewänder umschlossen, daß dieser wundervolle, sonnige Knabe ein Weib sein müßte. Aber diese Erkenntnis hatte ihm keine Seligkeit gebracht, sondern nur ein Gefühl schöner Angst und Beklemmung. Er wagte gar nicht, Marne anzuschen, und es war s ihm, als miede auch Marne seinen Blick. Ein Geiübl dumpfer, schwerer, banger Sorge um krallte immer fester Olafs Seele. Umsonst batte er schon wiederholt verflicht, diese» er stickenden Druck abzuschütteln. Je näher er der isländischen Küste kam, je banger wurde sein Gemüt. Und nun schritt doch plötzlich wieder der Knabe, den er seit gestern gemieden hatte, ihm zur Seite — Frau Sigrun war im Ge spräch mit einigen Damen stehen geblieben — und riß all sein Denken und Fühlen wieder in einen wilden Taumel hinein. Marnes Antlitz hatte sich wieder aufge- hcllt. Er tauschte Gruß und Handschlag hier und da mit einem Begegnenden. Er warf bald Astrid Gerstenberger ein Scherzwort zu oder er engagierte hastig im Vorüberschreiten eine der schöne» Französinuc» für de» mor gigen Ball, oder er sagte der lustigen, ewig lachende» Engländcri» Miß Mabel Wood ver wegene Elogen über ihre blanke» Zähne. Kaum aber hatten Olaf und Marne, von gleichem Impuls getrieben, das Hinterdeck er reicht, Ivo es ziemlich menschenleer war, da schwand das Lächeln von dem blühenden Ge sicht des Jungen, und ärgerlich die brcnmmdc Zigarette aus dem Munde nehmend und sie lästig mit den Füße» zerstampfend, sagteMarne mißmutig: „Wie mir das alles zuwider ist, ich kann cs gar nicht sagen." Olaf sah erstaunt auf den blonde» Knaben. „Ich glaubte, es sei Ihnen Lebensbedürf nis, so hcrumzuflirten," meinte er sarkastisch. „Sic haben eins nonchalante Art, mit allen Mcnschcu umzufpringen, daß man meint Sie machten sich über die ganze Gesellschaft lustig, I und nnn zeigen Sie sogar schlechte Laune, I das erstemal, solange ich Sie kenne, Marne i Jensen." Hatte er wirklich den Namen besonders betont? Ein dunkler Schein glitt über das junge Gesicht. Mit einer imnachahmlich stolze» Bewegung warf er den Kopf zurück, und dann sagte er, die Augen groß und kühl auf Olaf gerichtet: „Sie zürnen mir seit gestern. Ich weiß und fühle es, und doch habe ich nichts getan, als Sie uni Ihren Schutz gebeten und Ihnen anvertraut, daß ich ein anderer bi», als ich scheine. Ist mein Vertrauen des Mißtrauens wert?" Er sagte es ruhig, mit einem leisen, wehen Klang in der Stimme. Olaf schüttelte ernst de» Kovf. „Nein, mein junger Freund. Sic mißver stehe» mich. Ich zürne Ihne» nicht, daß Sie mir vertraut, sondern ich bin traurig, ja wohl, traurig, daß Sie mir nicht völlig ver tranten. Jawohl, bitte werden Sie nicht rot, ich weiß, ich fühle es, daß Sic mir noch vie les zu sage» hätten, und daß Sic cs dennoch I nicht taten, das schmerzt mich." „Nicht weiter," ries Marne mit leichtem Stirnrunzeln, und sein Blick wurde kühl und hart. „Vorzeitiges Vertrauen oder ein Er zwingen dieses Vertrauens ist nichts anderes, als wenn ein Kind mit spitzen Fingern in einer Knospe wühlt, um sie schneller zum Blühen zu bringen. Ich habe Ihnen gesagt, was ich sagen durfte. Mehr lag nicht in mei ner Macht. Genügt Ihnen das nicht, so niache ich Sie natürlich von Ihrem Verspre che»' frei, uns in unser Vaterland zu ge leiten." (Fortsetzung folgt.)