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DIM M WhkMei» A»)NUI Tageb lakt. Nr. 220 Donnerstag, den 2 Oktober 101Ä 40, Jahrgang > ,'.^»««GW»UN Sie TaWW der Sächsischen Lehrer. s. Chemnitz. 80. Sept. Am Nachmittage des zweiten Verhand- lungstages wurden «roch verschiedene Nebcnversammlungen abgehalten. Zunächst fand im Palast-Theater eine Vorführung voir Schu'lfilms statt. Der aus Volksschulteitern und Lehrern vestehende amtliche Slus'chuß zur Prüfung der Schul- Kino-Fragc hatte unter freundlicher Mitwir- tung des Veroins der Kiiw-Theater-Besitzer mehrere geographische Films, darunter einen Non der Sächsischen Schweiz, ausgewählt, der unter Mitwirkung eines Chemnitzer Schul mannes, Herrn Engelmann, ausgenommen worden war, und erbat nun die Kritik der anwesenden Lehrerschaft. Das meiste von dem Porgeführten fand inan sehr beachtlich, be sonders die lebensvollen Einzelbilder von Scotts Südpolarreise „Seehunde bei ihrer Arbeit" und „Pingpine beim Spiel am Strande". Aus der Vilderserie Sächsijche Schweiz fpnd besonderen Anklang die „Fa nt durch die Edmundsklamm", also Dinge, in denen von Natur schon Bewegung und Le den- ist. — Die Versammlung wurde im Nm meu des Ausschusses durch Herrn Schuldire - tor Thierig begrüßt. Der genannte Herr stattete ebenso dem Vereine der Kinobesitzec den schuldigen Dank ab und bezeichnete wei ter gute Films auch als entschieden bedeu tungsvoll für Bildungszwecke. Herr Engel mann erläuterte die Films. Eiu Herr aus Plauen berichtete über die dortigen Erfahrun gen mH dein Jugend-Kino. Herr Schularzt Dr. Thiele erkannte im U ebermaß des Kino besuchs eine Gefahr fürs Nervenleben der Großstadtkinder. Herr Rektor Lembke sah in dem Chemnitzer Wege des Zusammenarbeiteus der beteiligten Faktoren den Weg zum Ziele. Herr Schnalle, Vorsitzender des Vereins der Chemnitzer Kinobesitzer, skizzierte kurz, w-e sich die Chemnitzer Kinobesitzer ihrerseits die Herausbildung eines Jugcndkinos dächten. Halb drei Ubr fand eine Versammlung der an der Jugendpflege interessierten Lehrer un ter Leitung von Oberlehrer Barth statt. Cs wurde beschlossen, an den Sächsischen Lehrer- Verein den Antrag zu ri hten, einen Ausschuß für Jugendwohlfahrt eiuzusetzen und ihm eine Unterabteilung für Jugendpllege anzugliedern. Darauf nimmt die Abteilung für Jugendfür sorge nochmals Stellung zur Frage der Or gansiation der Jugendfürsorge und der Er richtung einer pädagogischen Zentrale sich Jugendfürsorge im Sächsischen Lehrerverein und beschließt im gleichen Sinne. Die Freie Vereinigung für philosophische Pädagogik veranstaltete am selben- Tage zwei Vorträge. Im ersten, Wahrheit und Welt-" auschauung, wollte Herr Bergfeld-Zwickau zeigen, wie er sich selbst eine Weltanschauung gebildet habe und wie jeder sich seine eigene bilden könne. Herr Hübsch-Bautzen behandelte das Thema: „Weltbild und Weltanschauung" und führte aus, wie Weltbild und Welt anschauung vereint sind. Religion formte die ursprünglichen Weltbilder, und die Philoso phie regte an, uns eine Weltanschauung zn erringen. — In der Versammlung der Espe ranto-Vereinigung Sächsischer Lehrer hielt' Herr Lel rer Hahn-Schönau eine Lektion in Esperanto und Herr Dr. Haller-Leisnig sprach über „Esperanto, sein Wesen und seine Bedeutung". J-n Verbindung mit der 17. Hauptver sammlung des Sächsischen Lehrervereins fand am Abend des zweiten Verhandlungstages eine recht gut besuchte Volksversammlung statt, in der Herr Reichstagsabgoordneter Dr. Friedrich Naumann über das Thema sprach: „Weltwirtschaft lind Schule". Der Redner zeigte, wie mit der Durchdringung der Erde, durch den Verkehr, die Völker in Beziehung zu einander treten müssen. Jedes Volk Hal seine Aufgabe klar zu erkennen. Das deutsche Volt hat die Aufgabe, in der Weltwirtschaft das Technisch-Wissenschaftliche und Künstler - sche zu übernehmen, um das Ideal zu ver wirklichen, das technischste Volk zu sein und das Volt des eigenen Geschmackes. Daran hilft die Schule jetzt schon mit, aber sie muß noch praktischer werden, damit unser Volk die ihm zufallende besondere Aufgabe in der Weltwirtschaft erfüllen kann. Noch unter dem Eindrücke der machtvollen Ausführungen des geistvollen Redners ver ¬ zichtete die Versammlung einmütig auf eine weitere Aussprache. 3. Berhandlungstag. Unter Leitung feines zweiten Vorsitzenden, des Herrn Beyer-Leipzig, beginnt die Ver handlung mit der Lesung des Antworttele gramms Sr. Majestät des Königs: Herrn Paul Sättler, Vcnsitzcnden des Sächsischen Lehrervereins, Chemnitz. Seine Majestät der König taffen für den Allerhöchst Ihm von der 17. Hauptversamm lung des Sächsischen Lehrervereins übersaa - ten Huldigungsgruß bestens danken. v. Metzsch, Major und Flügeladjutant. Im geschäftlichen Teil fordert Herr Krötzsch-Leipzig zu lebhafter Beteiligung an der nächstjährigen- Leipziger Schulausstollung auf, die in- Verbindung mit der Internatio nalen Ausstellung für Buchgewerbe und Gra phik staitfindet. Herr Winkler weist nochmals auf die in dem neuen Gebäude der Fortbil dungsschule untergcbrachte Ausstellung hin, die unter größtem Entgegenkommen der Schul verwaltung, auch der Chemnitzer, zustande- gelommen ist. Sie bleibt bis Donnerstag ge öffnet. Herr Schierfand-Cl emnitz teilt mit, das: eine Zentrale für a-lle Lehrer, die Kiv- choi, Schul und Gemeindeverwaltungen an- gehören, geschaffen worden sei mit dem Sitze in Chemnitz. Er fordert alle in diesen Ver waltungen tätigen Lehrer zum Beitritt auf. Hierauf behandelt Herr Landtagsabgoordneter Rechtsanwalt Dr. Zöphel-Leipzig das Thema: „Die Trennung von Kirche und Schule". Der Redner, der schon in der Deputation und im Plenum der 2. Ständekammer bei der Bera tung des gescheiterten Bolksschulgesetzes ener- Infolge der ständig steigenden Auflage unseres Blattes müssen wir, um die rechtzeitige Ausgabe zu ermöglichen, bereits mittags mit dem Druck beginnen und ersuchen deshalb unsere geschätzten Inserenten wiederholt, Inserate möglichst frill^eitig autzugeben. Alle nach ff Ubr vormittags eingebenden Anzeigen müssen für die nächste Bummer znrückgestellt werden. Dio Geschäftsstelle. gisch für zeitgemäße Fortschritt eingetreten war, ging von dem Kamps um das Säch sische Volksschulgefetz im letzten Landtag aus und wies nach, daß die konsorvativ-orchodoxe Partei der ersten Kammer dadurch das Gesetz zum Scheitern gebracht hatte, daß sie die Be rechtigung jeder anderen kirchlichen Richtung iir den Religionsunterricht in der Schule nicht gelten ließ. Er teilte danach den Stoff in drei Abschnitte: die christliche Kirche und die Volksbildung, die Schule im heutigen Staa'e und der kirchliche Einfluß-, dsi Lösung der Schule von der Kirche. Km ersten Teile wies er nach, daß die katholische Kirche durch Entwicklung einer l-es^^deren Priester-Theolo gie im kirchlichen Dogma sich von der Mög lichkeit, eine Volksbildung zu vermitteln, aus geschlossen habe. Der im Zeitalter der Re formation geborene Jesuitenorden-, der es ver sucht habe, die Kultur jener Kirche der Be völkerung zu übermitteln, habe in allen Ge- wässcrn Schiffbruch erlitten. Er wies dann darauf hin, daß die protestantische Orthodoxie dieselben Bildungsbestandteile überuvmme-n labe, und ebenso in L-rem Schulwesen banke rott gemacht habe. Jin zweiten Teile bewies er die Vorherrschaft des kirchlichen Einflusses trotz dieses Mißerfolges durch den Hinweis der überragenden Gewalt der katholischen Kirche im Mittehalter, die sich bis in die Ge genwart und auch in die protestantische Kirche hinüber gerettet habe. Der kirchliche Einfluß mache sich im Bildungswescn entscheidend da- tn geltend, daß er keine wisscnseba'lliche Er kenntnis gegen die von ihm gepredigten Wahr heiten zugebe. Aus diesem Grunde müsse der Staa-t um seiner Kultursendung willen das Band mA der Kirche auf dem Gebiete der Bildung lölcn. Jni dritten Teile wies der Redner die pädagogisch unhaltbaren Elemente nach, die die Kirche in den Unterricht ge bracht habe, und zeigte an dem Beispiel Sach sens, daß jeder Fortschritt verhindert bleibe, solange Kultus und Unterricht in einem Mi nisterium verbunden wären. Er schloß mit der Feststellung, daß kein Schulgesetz cinge- bracht werden dürfe, ehe nicht die Trennung voit Kultus und Unterricht vollzogen sei und mit dem Ausblick darauf, daß nach Beseiti gung der kirchlichen partikularistischeu Einflüsse sowohl eine deutsche Glaubensgemeinschaft wie eine deutsche Schule dem deutschen Volke ge geben sein werde. Es erfolgt eine lebhafte Aussprache. Herr Janetz-Dresden betont, daß die Lehrerschaft aus inneren Gründen eine kirchenfreie Schule fordern müsse, und daß die Kirche ihre we- iemliche Aufgabe i-n der Seelsorge setzen und wieder Anschluß an das GegenwartslVen ge winnen müsse. Herr Barth-Leipzig weist dar auf hin, daß die Schule vor allem Beziehun gen zum Leben gewinnen müsse und daß sich keine einheitliche Schulerzietzu-ng aufbauen Sturmvögel. Ein Schiffsroman aus dem Nordland von A u n y Woth e. 15. Forts. (Nichd I ck verboten.) „Herr Martin? Na, das ist eben Herr Marti»-! Mei-n Golt, ich glaube, Architekt ist er, irgendein B-amnensch, olnc Geld natür- tich, glaube ich. Er heißt Dietmar. Ist das nicht ein hübscher Name?" „Ja, schlaf wohl, Kleine, sehr hübsch." Bpld verkündigen Penn auch Astrids regel mäßige Atemzüge, daß sie est sckMef. Rita aber sah durch das kreisrunde Fcn- per der Kabine noch lange hinaus auf das leuchtende Meer, über welches der Mond sein Sillerlicht warf. In tausend Funken sprühte es auf, und -um das alte Kastell der stotzen Feste da olcv, weit über dem Meer, spannen sich lichte Silbevschleier. Da schloß auch Rita die von Tränen müden Augen. Zum echten Male nach langer, trüber Zeit schlief Rita traumlos bis zum Morgen in dem schimmernden Haus, das sich still und fricdsam zu Füßen der alten Köisigssta-dt auf den Wellen wiegte. Der nächste Morgen entführte schon wie der die Passagiere der Ozea-na nach dem be rühmten Edinburg. Rita Gerstenberger hatte sich von den El lern die Erlaubnis erwirkt, an Bord bleiben zu dürfen. Sie wollte den stillen Tag auf der Ozeana gang für sich genießen. Im geheimen beglückte sie auch der Ge danke, obwohl sic es sich nicht eingeiland-, daß sie nun nicht nötig hatte, heute wieder die sem Dr. Zähringer zu begegnen. Sie hatte wohl gesehen, wie er heute früh als einer der ersten den Tender bestieg, der die frohe Schar nach der schottischen Hauptstadt führte. Nun war es so märchenhaft still in dein weiten, weißen Schiffspalast, der wie bezau bert auf den blauen, goldumsäumten Wellen ruhte. Die vielen stützen Schiffe, die kamen und gingen, die kleinen Boote, die das wetz e Schiff umkreisten, erregten Ritas lebhaftes Interesse. Zuerst hatte sie apathisch in ihrem Faulenzer gelegen, und wenn ihr Gustav, der Teelsteward, nicht einige Orangen aufge nötigt, so hätte sie. auch nichts genossen, ob wohl es ihr Frau Lena auf die Seele ge bunden. Rita hatte immer nur still dage legen und nichts gedacht. Wie ein Traum war es über sie gekommen. Aber plötzlich batte sie sich doch aus die sem Dsinmerungszustand herausgcrissen. Erst zaghast und unlustig, dann mutiger und leb- ha'ter war sie an den Bordrand getreten, die herrliche Stadt dort über dem Wasser im Sonnonglanze zu bewundern. lind dann war sie langsam das Prome nadendeck rundum geschritten. Wie seltsam das war. So still und stumm alles um sie her. Sic ganz allein auf dem weiten Schifi. Nur ei» Schiffsjunge hantierte da drüben mit LKsc» und Putzlappen, sonst keine mensch liche Seöle ringsum. Etwas wie Beklemmung legte sich ans Ritas Seele. War sie wirklich ganz allein zurückgeblieben? Sie schritt weiter, hastig, als suche sie etwas. Am Achterdeck vorüber trachtete sie, die anderc Seite des Schisses zu gewinnen, da trat Plötzlich aus dem Rauchsalon eine dicke, weibliche Gestalt auf das Promenaden deck und watschelte auf Rsia zu. Schon von wettem streckte sie dem jungen Mädchen die fetten, ringgeschmückten Hände theatralisch entgegen und rief mit strahlendem Lächeln: „Mein liebes, süßes Kind, wie herr lich, daß auch Sie zurückgeblieben siud. Ich konnte mir denken, daß es Ihrer feinfühli gen, sensiblen Natur widerstrebt, an diesen Massenvergnügungon teilzunehmen. Kommen Sie doch, Liebste, lassen Sie uns ein wonlig plaudern." Die dicke Dame zog, ehe Ritla anllworten konnte, einen Liegestuhl herbei, in den sie Rita energisch niederdrückte, sorglich eine Decke um ihre Füße hüllend. „Denken Sie, Sie wären moin Töchter chen, ich habe leider nie eine Tochter gehabt." Die Dicke, welcher auf dem starken Baffen eine schwere, von Brillanten funkelnde Gold- kette läng, seu-zte elegisch und zog Uren wei ßen Gazeschleier fester um die rotblonde Perücke. „Frau Gräfin sind sehr gütig," murmelte Nita, noch ganz benommen von dem Ueber- fall und bemüht, sich wieder aus der Woll decke berauszuarbeiten, „ich habe mir vorge nommen, do» heutigen Dag für notwendige Briefe auszunutzen." „Briese," bemerkte die Gräfin Dombrowsky mit einer großartigen Handbewegung, als wäre Brisieschreiben überhaupt für jeden ge bildeten Menschen ein längst überwundener Standpunkt. „Lasten Sic doch das, mein lie bes Kind, und lassen Läe uns ein wenig plaudern. Mein Sohn wollte mich ja eigent lich inchlt beute schon wieder allein lasse» — ack>, er ist so rücksichtsvoll gegen seine Mut ter, Sie glauben es gar nicht — aber ich bestand darauf, daß er ging. Für mich sind die Touren zu anstrengend. Meine Aerzte, Kapazitäten na'ürAch, habe» mir die Seereise als Heilmittel für meine Nerven empfohlen. Der gute Junge opert sich ganz für mich auf, denn ich weiß, er wäre sieber in die Berge gegangen." Hier hob die Gräfin ihre lebensdurstigen, blauen Augen und ihre etwas spitze Nase dankbar zum Himmel empor, während sie, an Ritas Seite Platz nehmend, behaglich die Hände über dem starken Leib faltete. „Söhne, die ilre MMer rücksichtsvoll be handeln," bemerkte sie mit Nachdruck, der keine Widerrede gelton ließ, „werden auch gauz vorzügliche Ehemänner, ganz gewiß, mein kleines Fräulein, vorzügliche Ehemänner." Rita kam nun so langsam wieder zu sich. Die uur zu deutliche Anspielung gab dem jungen Mädchen ihre Sicherheit zurück. Langsam stand sie auf, und don seegrü- neu Schleier fest um ihr blauschwarzes Haar schlingend, das die marmorblasfe Stirn wuch tig umbauschte, sagte sie mit einer leichten Verbeugung: „Verzeihen Sie, Frau Gräfin, I daß ich Ihre liebenswürdige Unterhaltung und Fürsorge jetzt alffgeben muß, die Pflicht rutt mich doch zu meinen Briefen." Sie beugte sich tief über die dargeroichte fette Hand, an der die Brillanten nur so funkelten, ohne sie mit don Lippen zu bcrüh ren. Dann schritt sie stolz aufgerichtet nach der anderen Seite des Promenadendecks hin über. Sonst war Rutas Gang schwer und schlep pend, heute ging sie leicht und sicher. Die Gräfin Dombrowsky mit dem geschminkten Gesicht und dem gemacht jugendlichen Getue war il>r in tiefster Seetle zuwider, und die Erinnerung an die Lobpreisungen des opfer freudigen Sohnes zauberte sogar auf Ritas Antlitz ein leises Lächeln. Und während sie stehen bleibend über die weite Wasserfläche sab, hinüber nach dem Haien, gewahrte sie plötzlich eine Dampfbar kasse, die in eiligem Tempo an Nie Ozeana heransauste. Ueber Bord gelehnt, blickte Rita inter essiert auf das kleine Falrzeug, das soeben an der Ozeana anlegte. Wen mochte es bringen? Die Hände, die den grünen Schleier leicht zusammcnhielten, lösten sich plötzlich in jähem Schreck, und der Wind entführte das zarte Gewebe im Augenblick. Rita beugte sich weit über Bord, da stand Dr. Zähringer, -er die Barkasse verlassen, soeben auf der untersten Stute der Schiffs treppe und sah, wie eine Siegestrophäe den grünen Gazeschleier schwenkend, den er er hascht, mit leisem Lächeln zu ihr auf. (Fortsetzung folgt.)