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VMM M ßuhtttrili-ErnUtzlürl Ayngn Tageblatt. Nr. 214 Sonntag, den 14 September 1V13 4V. Jahrgang Der Ges-llschastsdieb. Kriniinal-Novelle von H- M i l g o. Nachdruck verdien. Da kreuzte das junge Paar bereits wieder ihren Weg!. — , Die Detektvin Mary Howoldt verlang samte ihren Schritt. Verstohlen schaute sie den beiden nach. Wie immer, weim sie Ger eon Neuhösers Tochter sah, klang m ihr eine schmerzliche Erregung nach! Noch immer. . . verbesserte die Beobachterin tn Selbstver- spottung. Darm tef ete sich ihr Blick auf den Be gleiter der jungen, sehr anmutigen Dame ;est. Eine junge Reckengestalt mit einem schö nen, brünetten Nassegesicht. Die Charme des vornehmen Mannes lag über dieser frappie renden Persönlichkeit ausgegossen. „Nun mit diesem Schwiegersohn, und dies wird der junge Herr Wohl demnächst werden, kann Gereon Neuhöfer ja recht glänzen . . murmelte Mary Howoldt. Gereon Neuhöser . . . Von diesem Namen stieg es heraus aus verrauschter Zeit — der kurze, süße Liebes- srühling, den die jetzt 38jährige Detektivin einst erlebt. Mary Howoldt war die Tochter eines Kri minalisten. Vom Vater harte sie das Talent für diesen Beruf geerbt, der ihr später, als Jugend und Liebe vorbei, die Eltern gestor ben und die Verhältnisse sie zwangen, sich ihr Brot selbst zu verdienen, zur Lebensaufgabe geworden. Die gute Bildung, die sie genossen, wie ihre gewandten Umgangswrmen waren ihr sehr förderli ch in ihrem Berus. Sie hatte sich «Ls Detektivin bereits einen großen Ruh er worben und ward in den vornehmsten Kreisen der Gesellschaft viel beschäftigt. Damals, in der Zeit ihres Lebenslenzes und ihrer Liebe zu Gereon Neuhöfer, einem intelligenten jungen Bankbeamten, hatte sie freilich nicht gedacht, das; aus jenem Wege ihre Laufbahn sein werde. Neuhö'er war ein Streber und so feurig er auch damals die hübsche Mary liebte und von ihr wieder geliebt ward, so siegte doch die Aussicht aus eine Geldheirat, als diese sich ihm plötzlich bot, über seine Liebe. Kurz entschlossen bat er die Geliebte, ihm sein ihr gegebenes Treuwort zurückzugebcn und da durch seiner Karriere nicht hinderlich zu sein. Die Tochter seines Chefs, des Bankdirektors, batte zu Neuhöfer eine tiefe Liebe gefaßt und der Vater, der sein Kind glücklich ^ei en wollte, hatte dem jungen Mann dies angedeu et und es ibm nahegelegt, daß, wenn er sein Schwie gersohn werden wollte, er für dessen Avan cierung sorgen werde. Der so sprach, aber war nicht allein ein hochgestellter Beamter, er war auch ein hochbegüterter Mann. So kam es, daß Gereon Neuhöfer die ungeliebte Frau seiner jungen Liebe vorzog. Und diese? So wild und heiß auch der Schmerz in Mary tobte, sn heiß bäumte sich auch der Stolz in ihr auf, und unverzüglich und ohne ein Wort der Anklage willigte sie in Neuhöfers Bitte ein. So waren diese zwei voneinander geschie den. Daß sie in Nächten schrie und weinte um ihr verlorenes Glück — was wußte der Urheber dieser Tränen davon? Er heiratete das reiche Mädchen und avancierte tatsächlich überraschend schnell. Jetzt war er bereits seit einer Reihe von Jahren selbst Dire.'tor der Bank. Die Detektivin fuhr aus ihren Grübeleien auf — ihr Ziel, das Gebäude der Kriminal polizei, lag vor ihr. Indes batte Fräulein Rose Neuhöfer und ihr schöner und eleganter Begleiter einen Be kannten getroffen, bei dem sie plaudernd stan> den. Dadurch war das Paar wieder in die Nähe der Detektivin gekommen. Jetzt trennte inan sich. Mit tiefherabgezogenem Hut stand der junge Recke da. — Die Detektivin, im Begriff, ins Haus zu gehen, sah es. Hierbei mußte ilr irgend et was auffallen denn sic stand plötzlich wie festgewurzelt. Eigentümlich fixierend hastete ihr Blick aus dem entblößten jungen Männer köpf fest, dessen Bildung sich silhouettenhast scharf von dem klaren Liebt dieses September morgens abzeichnete. Nachdenklich schritt sie darauf in das Po lizeigebäude. „Es ist ein Auftrag an Sie gekommen, zu heute abend, Fräulein Howoldl," empfing sie der Herr Polizeikommissar und reichte ihr einen geöffneten Brief. Sie las: Die Unterzeichnete wünscht zu dem von ihr veranstalteten letzten d esjährigen großen Gartenfest heute abend 8 Uhr die Anwesen heit der Detektivin Fräulein Howoldt. Das Fräulein hat in Gesellschaftstoilette zu er scheinen. Ina, Gräfin v. D ollecman-Adlerfeldt. Hunderte von farbigen Lampions schmück ten den herrlichen Park, in dessen Mitte Schloß Rdßrfeldt ragte. Elektrische Glühlampen be strahlten die lohe Freitreppe, dunkle Pyra midenhaine und weiße Marmorbilder. In Regenbogenfarben erschimmerte in dem Glüh- licht der Fontänenstrah', der mit leisem Plät schern ins Sandsteinbecken zurücksank. Ueber den Schwarm der Gäste, der sich in den Park ergoß, blitzten die Lichter Hin, über vau- 'chende Seidengewänder, über Weiße, duftige Spitzenkleider, über Uniformen und ordenge- ßbmückte Fracks. Der erste Gast, der heute im Schloß er schienen, war eine stattliche Dame in elegan ter, fliederfarbiger Seidenrobe gewesen. So fort war sie in das Boudoir der Frau Grä fin geführt worden, worauf zwischen den bei den Damen ein kurzes, leises Wechselgespräch stattgefundcn. Beendet wurde dieses Gespräch mit der Bemerkung der Gastgeberin: „Solche Gesellschaftsdiebe sind zumeist durch Spiel schulden in eine verzweifelte Lage geraten, die man ihnen aber nicht anmcrkt, da sie sich un gezwungen und elegant benehmen. Sie steh len, weil sie keinen anderen Ausweg wissen. Weih man jeden Skandal vermeiden will, so unterstützt- man die gerichtliche Verfolgung, wenn solche Verbrecher überführt sind — zum Schaden anderer natürlich. Daher eben wende ich gern Vorbeugungsmaßregeln an. — Also, bitte, seien Sie wachsam — üben Sie Ihre o't gerühmte Beobachtungsgabe. — Für meine Gäste sind Sie meine Freundin Frau von Keller." Eine Viertelstunde später waren d'e Ge ladenen fast vollzählig versammelt. Als einer der zuletzt erschienenen Gäste wurde „Frau von Ketter" der Baron von Holldegg vorge- stellt. Eine junge Reckengestalt mit einem schönen, brünetten Rafsegesicht und der Char me des vornehmen Mannes. Mit der gelassenen Freundlichkeit, welche die Detektivin in den vornehmen Kreisen zur Schau trug, hatte sie auch diesen Gast be grüßt. Es war ihr besonders interessant, den zukünftigen Schwiegersohn von Gereon Neu höfer kennen zu lernen. Eine sehr vornehme Gesellschaft war es, die Träger und Trägerinnen alter, hochade liger Namen, welche die weiten, herrlichen Räume des Schlosses füllten, in dem kostbare Sammlungen und Wertgegenstände das Auge des Beschauers fesselten. Das solenne Souper war vorüber. Die Klänge von Gounods „Faustwalzer", die von draußen her tönten, lockten diie Gäste in den Park. Beld schwebte die Jugend, die jungen Aristokratinnen am Arm ihrer jungen Stan- desgcnossen, aus dem weiten Rasenplatz im Dreivierteltakt dahin. Rauschende Klänge, blühende Lust erfüllte den Park, über den sich der Sternenhimmel wölbte, zu dessen Zelt jetzt Rakete um Rakete leuchtend ausstieg. Trotz der feenhaften Beleuchtung war es unmöglich, jeden einzelnen Gast im Park zu erkennen. Nun, das war auch nicht nötig, denn dunkle Existenzen waren sicher nicht dar unter: wer dazu gehörte, benutzte die Zeit, wo die Gesellschaft und die Gastgeber im Garten, die Dienerschaft neugierig nachspähte und das Schloß fast einsam dalag. Tas gedämpfte, träumerische Licht euer Milchglasampel lag in dem sogenannten Sammlungszimmer, dem interessantesten Rau me im Schlosse. Lebensgroße Marmorstatuen schmückten die Nischen des sechseckigen Ge maches, dessen Wände aus Spiegelglas be standen. Es war, als seien die steinernen Götter hier aufgestellt a's Hüter der Kostbar- » s Allerlei Kurzweil. O « » Dentsprüche. Was heute nicht geschieht, Ist morgen nicht getan. Und keinen Tag soll man verpassen; Das Mögliche soll der Entschluß Beherzt sogleich am Schopfe fassen. * * Mit einem Groschen Frohsinn Vertreibt man einen Zentner Sorge. Rätselecke. Rätsel. Dreizehn sind wir, eng^verbuuden, Tragen eine Liverei, Nehmt uns vierfach, heitre Stunden Schaffen wir euch schnell herbei. Aber unter uns sind Buben, Und ein jeder ficht und sticht, Jeder grübt dem andern Gruben, Sicher sind die Herrscher nicht. Dennoch, ist die Schlacht geschlagen Auf dem grünen Schlachtgefild, Haben schnell wir uns vertragen, Und die Kampflust ist gestillt. Zweisilbige Scharade. Mein. Erstes diente einst zur Wehr, Jetzt trägt es Baum und Strauch, Vielleicht vermißt man diese auch; Doch Nutzen shats nicht mehr. Mein Zweites ist ein edles Tier, Zu jedem Dienst bereit. Am Pflug bewährt, im Kampfesstreit, Jetzt ratel's Ganze mir. Ihr trefft cs in der Eisregiou, Beherrschend dort das Meer, Gefürchtet und gesucht dort sehr. Ich denk, ihr habt es schon. Vogogriph. Das „Wort mit S" ist angenehm. Drin ruhst du aus, machst dirs bequem, Doch „das mit F" muß schwer bedrücke», Den, der sich unfrei ihm un s; bücken, Es schaffte ihm Kummer nur und Bangen, Denn, ach, er ist darin gefangen! Rätselfrage. Welches Land ist am wärmsten? Bilder-Rätsel. Vexierbild. Da liegt ein Hut! Wo ist der Junge, dem er gehört? (Auflösungen in nächster Nummer.) UuflSsunge»« aus Nummer 36. DeS Rätsels: Stiefmutter — Stiefmütterchen. Der Scharade: Kreuzzug. Des Palindroms: Gitter — Rettig. Des Zifferrätsels: Unruh — Uhr. Des Anagramms: Roma, Omar, Amor, Maro. Des Kapsel-Rätsels: Donegal — Onega. Des Scherz-Rebusses: Großmama. Des Bilderrätsels: Blinder Eifer schadet nur. KiMr-Zeitsuß. Nr. 37. I Redaktion, Druck und Verlag vor Horn L Lebmann, Hohenstein-Ernstthal. 1913. Hirtenlied. Hirte sein, o welche Lust! — Ueber Berg und Heiden, Unter weitem Himmelszelt Seine Herden weiden. Auf der Flöte blase ich Lustig meine Lieder. — Gastlich, wo ein Plätzchen winkt, Lasse ich mich nieder. Mir zu Füßen liegt das Land, Ich bin wie ein König, Kühe, Lämmer, allesamt Sind mir untertänig. Koch und Mundschenk hab ich auch Dienstbar gleich zur Stelle; Beeren gibt mir Busch und Wald, Kühlen Trunk die Quelle. Und wenn ich vom Tagewerk Müde schließ die Augen, Mag zum treuen Hüter dann Wohl mein Hündchen taugen. Hälts die Ohren steif und spitz, Wagt kein Feind zu schleichen, Es wird keinen Finger breit Je vom Posten weichen. Also darf gar wohlgemut Ruhen ich im Rasen; Kühe, Lämmer, weit und breit, Dürfen sorglos grasen! Darum blas ich froh mein Lied Auf der grünen Weide. — Herrlich ists, ein Hirte sein, König auf der Heide! Prinz Ein Märchen von Es war einmal ein armer Holzhacker, der wohnte mit seinem mutterlosen Kinde in einen; großen Walde. In diesem Walde hauste auch die greuliche Hexe. Als die eures Tages dem Holzhacker mit seinem Töchterchen begegnete, da begehrte sie, er solle ihr das Mädchen überlassen. Der Mann aber wurde grob und ging mit seiner kleinen Nosalinde schnell fort. Bald danach kochte das Mädchen für ihren Vater ein Hagebuttengericht. Kaum aber hatte der Mann davon gekostet, so sank er leblos auf seinen Stuhl zurück. Die Tochter sprang erschreckt herbei und geleitete ihn mit Mühe zu seinem ärmlichen Bett. Dort streckte der gute Holzhauer sich lang aus, und dann rührte er sich nicht mehr. Die böse Hexe hatte die Hagebutten verhext. Drei Tage lang saß Nosalinde weinend am Bette ihres Vaters; endlich müße sie ihn als tot betrauern. Sie holte grüne Zweige, deckte den Schläfer zu, und ging dann betrübt fort. In die Welt wollte sie wandern. Rabe. Klaus Döhne. (Nachdruck verboten.) Aengstlich sah sie sich im Walde um, ob nicht etwa die böse Hexe ihr begegne. Statt ihrer aber trat eine wunderschöne Frau aus einem Haselbusch und redete das einsame Kind an: „Wo willst du hin, meine Tochter?" Rosa linde sah der Frau ins Gesicht, und da sie so schön war, glaubte das unschuldige Kind, sie müsse auch gut sein. „O, wie freundlich bist du," sagte sie. „Siche, ich habe weder Vater noch Mutter und will in die Welt gehen, mir einen Dienst zu suchen." „Da brauchst du nicht weiter zu wandern, mein Kind," sprach die schöne Fran. „Komm zu mir, du sollst es gut haben." Da ging denn Nosalinde mit ln r Fremden und ließ sich in ein Waldhänschen führen. Sic mußte vor der Fran die Schwelle über schreiten, und als sie sich dann umwandle, stand die greuliche alte Hexe hinter ihr. Die hatte sich für ihren Ausgang in eine liebliche Frauengestalt verwandelt; im eigenen Hause aber dürfte sie nur in ihrer eigentlichen Gestalt,