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VMM M WMMNUMMU APklgrr 4O. Jahrgang Nr Ä16 Mittwoch, den 17 September 1V1Ä Sturmvögel. Ein Schiffsroman aus dem Nordlnnd von Anny Wot l e. 2. Jo ls. (N^chd > ck vervolen.) Seltsam. Was wohl der Fremde an ihrer Tur gewollt? Sie sah ihn zwar noch, wah rend sic die Tür schloß, wesenlos, wie ein Schaden, die Waird enstanggleiten. aber die Tatsache Ivar doch osfenkuudig, das, er an ihrer Tür gestanden und augenscheinlich auf das Oeffmeu derselben gewartet hatte. In fliegender Hast wusch Sigrun die schlanken Hände und glättete ihr blondes Haar, das, einen Schein dunkler als das der Schwester, in einem rötlich metallischen Glanz gleißte. Dann klopfte sie gegen die dünne Kabinenwand. „Thit, bist Du fertig?" „Ja," kam es übermütig zurück, „und zu allen Schandtaten anigelegt. Herr Marne Pensen und seine Schwester, Frau Thomsen, geb. Jensen, gehen sein zu Tisch Wie köst lich ist das!" „Darf ich Dir meinen Arm reichen?" 'Jagte Thit gleich daraus, in die Kabine tretend, „ach, Sigrun, ich glaube, wir sind ein wun dervolles Paar!" Und in der vollendeten Haltung eines ans- mertsanicn Kavaliers sühnte der jnngc Mann seine Danie in den mit frischen Rosen ge schmückten Speijesaal. Gerade, als sic ein,traten, verstummte die Mufü, aber es war, als das schöne, junge Mensckenpaar über die weichen, roten Tep piche schritt, als fliege ein Jauchzen und Klinge» durch den festlichen Raum, just wie ein Frühlingslied. ^o dachte wenigstens Olaf von Böden bringt, an dessen Seite der junge Mann mst der schönen, jungen Frau Plaß nahm, wäh rend aller Auge» sich auf die Zufpätgekom- mcnen richtete». Thit Oddurson, oder Marne Jensen, wie er ans dem Schiffe hieß, ließ sich dadurch acht im geringsten irritiere». Er nannte sei nem Nachbar und den Gegenübersitzenden mit einer knappe», kurze» Verbeugung seinen Na men, dann stand er auf und schritt zum Ka pitän, welcher diesem Tisch, man speiste an kleine» Tischen zu ungefähr 10 20 Personen, präsidierte, und stellte sich auch diesem mit einer etwas tiefere» Verbeugung vor. Alles geschah elegant und ungezwungen, in gewin- nendem Zauber einer berückenden Liebens würdigkeit. Der Kapitän, angenehm über rascht von der oinnehmenden Höflichkeit des Jünglings, die eigentlich eine Selbstverständ lichkeit war, die aber die meiste» außer acht lief e», reichte Thit die Hand und wechselte ei» paar Worte mit ihm, die deutlich zeigten, ivie wohl ihm die froie und offene Art des setönen Knabe» gefiel. „Welch ei» entzückender Mensch," flüsterte» sieh ei» paar Backfische strahlend zu, „der muff ja geradezu entzückend tanzen." „Ja, das konnte Thit auch, aber jetzt zeigte er, daß er auch sehr gut zu reden verstand. Er 'ülrte eine sprühende Unterhaltung, ohne Aufdninglichkeit, nach allen Seite». Wider Wille» zwang er auch Sigru», sich a» dieser Unterhaltung zu beteilige». Nur sei» nächster Nachbar, der Man», i» dessen Augen Thit vorhin so tief hinemgcsehen, als er so hastig die Schisfstreppe tinaiffeilte, blieb einsilbig und verstockt, wie Thu meinte. Pal, mochte er doch, dieser blonde Hüne ne ml Thil gar nicht. Es war sicher ei» Gmsbesitzer, der daheim seine» Kohl baute und mm hier »rat ausspainite der wir Ic pcmiß nichts Gescheites zu sage». Sigru», die sich »ach der andere» Seite j loeoen mit einem Professor aus Hale lebhaft s unterhielt, stockte mitte» im Gespräch, den» f am andere», »och leeren Ende der Tafel »ahm soeben der blaubebrillte Herr Platz, der sie vorhin vor ihrer Kabinentür so er schreckt hatte. Es war Lügrun, als funkelten ihr seine Augen hinter den dunklen Brillengläser» feind selig ew.gegen, als er sich nnt leiser Vernei gung in den Drehsessel, den ihm der Ste ward zurechtrückte, niederließ. Er wandte sich aber gleich eifrigst den die Speist» austragenden Stewards zu und ent zog sich dadurch Sigruns Beobachtung. Merkwürdig, wie ihr Herz klopfte. Was ging sie eigentlich dieser fremde Mensch an? Und doch suchten ihre Augen ihn schon wie der in scheuer Angst. Sie überhörte ganz die Frage des jungen Hakleschen Professors, ob sie Norwegerin sei der Professor entfaltete eine außerordent liche Virtuvsität, unbequeme Frage» zu stel len — und mühte sich, einen Laut der Stim me des Fremden aufzufangen. Aber sie wartete vorgeblich. Er sprach nicht. Die Tafel dünkte ihr endlos. Die kulina rische» Genüsse des erlesenen Menus ließ sic achtlos Vorübergelen. Ihr ganzes Denken und Empfinden konzentrierte sich auf den fremden Mann, dessen Anblick ihr die Ta- z vischensitzenden immer wieder entzogen. „Tlit muß ev'ahre», wer er ist," dachte Sigrun, mechanisch eine Orange schälend. „Wie alt ist Ihr Bruder?" sragte der Professor wohlwollend dazwischen. „Zwcnuidzwauzig," gab Sigrun lächelnd zurück, ohne zu wissen, was sie sagte. „Was ist er denn?" forschte der Hallen ser weiter. „Er? Wer? Ach jo, mein Bruder? Stu dent!" sagte sie, sich gewaltsam fassend. „Woll Medizin?" „Astin, Phi!wogst." „Schade!" Sigrnn hörte nicht mehr. Die Tafel war zu Ende. An Thits Arin verließ sst tief a-ufalmend und leicht grüßend den Spckisc- saal. Wieder folgte ihnen e»n beifälliges Ge- nnirmel und ein Heer von bewundernden Blicken. Die junge Fran stützle sich fest auf Thits Arm, als sie langsam die breite, aus röt lichem Mahagoniholz gezimmerte Schisfstreppe zuin Promenadendeck Hinanstieg. Verfolgten sie nicht wieder die dunkle» Brillengläser des Fremden! Ja, gewiß, sie hatte es ganz deZchich bemerkt, wie sie ihr funkelnd nachblickten. Am Deck erst atmete Sigrun wie befreit aus. Ihre blauen Augen öffnete» sich weit und strahlte» auf, als sie weithin über das Meer blickten. Da hob sich im liesviolette» Schimmer das Felseneiland Helgoland aus den dunklen Wel le» empor. Die sinkende Sonne warf einen Rvsenschimincr über das leuchtende Gestein, das so truHig da drüben aus dem Meere aufstieg. Alles glühte, alles strahlte. Das Meer zuckte plötzlich in tausend Farben. „Wie ist das schön," seufzte Sigrun glück- >elig auf, als Thit sie jetzt sorgfältig .» einen bequemen Liegestütz! beitete, ihr eine dicke Pelzdeckc um die Füße wickelte und einen seinen, weis en Schleier um -ihr blondes Haar ichlaiig, inn es gegen den Wind zu schützen. „Ich atme schon Heimatlust, Thit, hier, sichle ich, werde ich gefunden." „Du mußt Dir abgewöhnen, mich immer Thit zu nennen, Sigrun. Hier heiße ich Marne und bi» ei» Junge, verstanden'?" Er machte der Schwester eine chevalereske Verbeugung, dann schlenderte die hohe, kräf tige Jünalingsgestalt langsam zum Achter deck zm (Fortsetzung folgt.)