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ÄUM»m Hchei>Ütii>-Eu»S!h>i!er AiMißk» Tageblatt. »MMWMWW,«WW«WIIW««»IMIIEIMMII«IWIW»»WM««IWWIIWIWIIMI«IIIMIW»IMI«IWIWMIIIM»W»»»M»IWWIIWW»^I«»WIWWIIWWIMW»I«WWII>»»WIWI^ ««»I II«» Rr 113 Dienstag, de« 20 Mai 1N13 4V. Jahrgang Heide« der Pflicht. Ein Roman nu-S dem Lande der Mitternachtssonne Von Erich Kriese«. bl. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Erik, a tcr Junge! Ehe ich weiter spreche, beantworte mir eine Frage: ist die junge Dam«, nach der Du so eifrig forschtest, und Frau Je persen ein und dieselbe Person?* „Ja, Doktor." „Sie ist von hier verschwunden. Ist sie in Deiner Obhur? Oder —" „Ja, sie ist bei mir in sicherer Obhut. Ich bandelte als Bevollmächtigter ihrer gesetzlichen Beschützerin, als Vertreter de ö Fräulein Sigrid Arnoidsen. Ich beschuldige Lorenz Jesper sen —" „Halt ein!" unterbricht ihn der Arzt feier lich. „Lorenz Jespersen ist — tot!" Ein eigentümliches Gefühl pflegt den Men schen zu beschleichen, wenn er plötzlich erfährt, der Mann, gegen den sein Herz soeben noch mit Hast und Rachegedanken erfüllt war, weilt nicht mehr urrter den Lebenden. Auch Erik erzittert unter dieser Empfin dung. Fest umspannen sein« Finger die Lehne eines Sessels, während seine Lippen wie mechanisch wiederholen: .T ot -?" „Ja, mein Junge — Lorenz Jespersen ist tot. Komm, laß uns gemeinsam einen letzten Bliu aus die Leiche des Mannes wer en, den »vir einst Freund nannten!" Schweigend begeben die beiden Männer sich ins Nebenzimmer, wo auf dem Sofa, m Decken eingehüllt, der Körper Lorenz Jesper, sens liegt. Still blicken sie in die starren Züge, die jetzt im Lode weniger abstoßend erscheinen, als vorher im Leben. Es ist, als ob im Todeskampf d«r Engel des Friedens sich aus diese irrende, schwache Menschenseeie herabgesenkt hab« . . . „Er hat kurze Zeit noch schwer gelitten," sagt Dr. Nicolas voll tiefen Ernstes. „Er wollte durchaus nicht sterben. Erst als er schwach und immer schwächer wurde, ergab er sich darein. Seine letzten Worte waren ein Bekennen seiner Schuld. Soll ich sie Dir mit teilen?" Erik macht eine zustimmende Bewegung. Das Herz ist ihm zu voll zum Sprechen. Wird er nun endlich den Schlüssel zu Inge borgs seltsamem unerklärlichen Verschwinden finden? Jetzt, nachdem der Mann, der all dies Unglück verschuldet, nicht mehr uniter den Lebeirden weilt? „Vergiß bei allem, was Du hören wirst, nicht, daß Lorenz bereut hat, daß Du nicht in Haß seiner gedenken darfst, mein Junge!" Und nun erzählt der Arzt alles, alles. Und Erik hört in stummem Entsetzen zu. Welch ein Abgrund von Schlechtigkeit tat sich vor ihm auf! Barmherzigkeit! . . . „Wenige Minuten, bevor er die Sprache für immer verlor, bevor die Schatten des To des sich über seine Züge breiteten," schließt Dr. Nicolas seine Mitteilungen, „da faßte er meine Hand und sagte in abgebrochenen Sätzen und mit ersichtlicher Anstrengung: „Doktor, ich danke Gott, daß es so gekommen ist. Ich muß aus Versehen anstatt ihrer den vergifteten Tee getrunken haben und sterbe als Opfer meiner Sünde. Aber — ich bin glücklich dar- über — so wahr mir Gott Helse!" Dann lemzte er tief auf — und alles war vorbei." In stiller Ergriffenheit stehen die beiden Männer noch eine Weile vor dem Toten. Auch in Eriks Augen schimmert es feucht. „Nur Du und ich, wir kennen das fürch terliche Geheimnis seines Lebens," murmelt er bewegt. „Laß es mit ihm zu Grabe gehen! Ich kann nicht vergessen, daß er Gerdas Bru der war." Schweigend nickt der Arzt Zustimmung. Noch einmal blicken beide ernst, fast feier lich, in die fahlen Züge des Toten. Dann verlassen sie gemeinsam das Sterbezimmer. 25. Kapitel. Mehr denn eia Jahr ist vergangen. Inmitten der grandiosesten Felseneinsamkeit, unter einem blühenden Rausch duftender Blu men, umsungen von buntgefiederten erstächen Vögeln, ihren kleinen Lieblingen — schlum mert Ingeborg Baletti den ewigen Schlaf. Die Gemütsaufregungen des letzten Jahres waren zuviel für ihren zarten Körper. Ein halbes Jahr nach ihrer Heimkehr aus Schloß Sandsgaard ging sie hinüber in jenes Reich, in dem es keinen Kummer, keinen Schmerz mehr gibt. Diese letzten Monate waren die glücklichste»» ihres ganzen jungen Daseins. Wieder wie ehe dem, umgeben von der sorgenden Liebe der Tante, im Andenken an Erik Niels und seine treue Hingabe für ihr Wohl, lebte sie ruhig und zufrieden dahin. Ob sie Lorenz Jespersen und die mit ihm in Verbindung stehenden Ereignisse vergessen, ob sie dieselben nur für einen bösen Traum gehalten — niemand weiß es. Sie selbst hat nie darüber gesprochen, und sowohl Sigrid wie Erik hüteten sich, jemals das Gespräch darauf zu bringen. Allmonatlich kam Erik auf die Bitten der Schloßherrin für ein paar Tage nach Schloß Sandsgaard, und hier verlebte»» die drei in ungestörter Harmonie herrliche, unvergeßliche Stunden. Ob es in dem Herzen jedes dieser "wei vortrefflichen Menschen wirklich so ruhig aus sah? Oder ob sie es nur verstanden, ihre eigenen Wünsche und Hoffnungen zum Schwei gen zu bringen — aus Liebe zu den be'Sen andern? . . . Ach, nirgends auf der Welt nimmt man das Leben so schwer, wie droben im Norden, in» Lande der Mitternachtssonne. Nirgends aber auch ist das Pflichtgefühl so stark ausge prägt, wie dort. „Sich selbst bekämpfen, ist der schönste Siegl!" Wer wollte die Wahrheit dieses Spruchs wohl leugnen? Als Ingeborg immer schwächer wurde, als der alte Hausarzt andeutete, sie könne nur noch wenige Tage leben — da telegraphierte Sigrid ! an Erik, er möge schort kommen und jo » lange bleiben, bis Ingeborgs Geist dein ge brechlichen Körper entschwebt sei. Und so, in den Armen der gelebten Tante, den Blick voll unaussprechlicher Zärtlichkeit auf Erik gerichtet — so, umgeben von den beiden Menschen, die ihr das Teuerste auf Erdei» waren, so starb Ingeborg Valetti, die blei- chen Züge verklärt von überirdischem Lächeln. Auch in das Leben der übrigen Personen dieses Dramas hat die Zeit mächtig einge- grisfen. Dr. Nikolas folgte vor kurzem einem ehrenvollen Ruf als leitender Arzt einer Irren anstalt nach Brasilien. Konsul Sven Daland hat sich von seinen Geschäften zurückgezogen und eine auf meh rere Jahre berechnete Reise um die Welt an getreten — wie man munkelt, aus Aerger über einen Korb, den er sich bei einer reichen und schönen Dame oben im stoben Nord:»» geholt. Der Bettler Iakob ist dem Arm der irdi schen Gerechtigkeit nicht entgangen — trotz aller Schliche, die er anwandte . . . Nachdem er an jene»»» verhängnisvolle»» Abend mit feinem Raube das kleine Haus JonaS-Gehölz Nr. 5 verlassen, hat er sich nicht mehr lange seiner Freiheit erweut. In» Ha fen, kurz bevor er an Bord eines Auswan- dererdamp'ers geben wollte, wurde er von der Polizei, die schon lange auf seiner Spur war, verba le: und bereits zwei Monate darnach des Raubmordes an Madame Fredensborg in Drontbeim überführt. Auf Schloß Sandsgaard ist es noch ün- samer geworden. Madame Worse ist einer Einladung ihrer Kinder gefolgt und vor kurzem nach Indien abgereist. Zwar wohnt die Schloßberrin noch dort: aber die Dienerschaft ist auf das Aeus erlte beschrankt. Sigrid lebt nach wie vor in streng ster Zurückgezogenheit, nur ihren Büchern und dem Andenken an ihre verstorbene Nichte. (Fortsetzung folgt.)