Volltext Seite (XML)
VMM W WMÜmBrMMn APügtt Tageblatt. > ,> > — . "-SS—S--M---" ----- Nr. 183. Sonnabend, den S August 1313 4V. Jahrgang Schwere MorbsMatastWhe i« Swiuemwe. 17 Mensche« umgelommen. Der Draht brachte gestern zu später Nach Mittagsstunde die Kunde von einem schreck- lichcn Unglück, das sich vor dem Swinermin- der Strande zugetragen hat. Es kenterte dort das Motorsege-lboot „Friedrich Karl"', das dem Bootsbesitzer Bauer gehört. Bei dem Unglück sind nach den bisherigen Ermittlungen sieb zehn Personen ums Leben gekommen, unter denen sich auch der oben genannte Besitzer Bauer beüntdet. Wir lassen die einzelnen Depeschen hier folgen. Zunächst meldete der Draht, wie schon durch Aushang an unserer Depeschentafel be kannt gegeben: Swincmünde, 7. Aug. Heute nachmit tag kentevte vor dem Swinemünder Strande infolge einer Böe das Motorsegelboot „Fried rich Karl". Don den 22 Insassen konnten nur fünf gerettet werden. 16 Personen und der Führer sind ertrunken. Das Konzert der Ka pelle der Kaiseojacht „Hohenzollern" auf der Seeplätte wurde sofort abgebrochen. Unter dem Badepublikum, das zu Tausenden den Strand umlagerte, herrschte eine furchtbare Erregung. Kurz vor dem Unglück war der Kaiser im Automobil am Strand entlang nach Ahlbeck gefahren. — Die Namen der Verunglückten sind bis zur Stunde noch nicht bekannt. An der Unfallstelle. Ewinemiinde, 7. Aug. Als erster Er- trunkener wurde LaUbaerichtsrat Franke-Berlin ans Land gespült. Trotz Inständiger Wieder belebungsversuche, die die Matrosen der „Ho- benzollern" und Badegäste anstellten, gelang es nicht, den Ertrunkenen ins Leben zurückzu- rufcn. Vermißt wird weiter sein 12 fahriger Sobn, während seine 15jährige Tochter geret tet ist. Ferner werden vermißt Hauptmann Goldemann-Berlin und sein Sohn, der Refe rendar ist, Kaufmann Brann-Berlin und sein Sohn, ebeufoills Referendar. Drei Ungarn wurden gerettet, ein vierter befindet sich im Krankenhause. Der Bürgermeister von Swine münde, Badegäste u-nk sonstiges Sanitätsper ¬ sonal befinden sich am Strande. Regierungs dampfer sowie Motorboote sind in See ge gangen, da man annimmt, daß einige Boots insassen von Fischerbooten gerettet sind. Bis her sind aber nur die fünf bezeichneten Bade gäste eingetroffen. Der Bootsbefltzer Hauer mit ertrunken. Swinemünde, 7. Aug. Das gekenterte Boot gehörte dem Bootsbeisitzer Bauer, der ebenfalls ertrunken ist, während sein Sohu ge rettet wurde. Das Unglück geschah zwischen -1 und 5 Uhr nachmittags. Die Angaben über die Zahl der Toten schwanken noch. * * Noch ein schweres Bootsunglück. Bei einer Bootspartie auf dem Schwielow- see bei Berlin während stürmischen Wetters stürzten der Oberlehrer Wassermann, dessen Sohn und der Lehrer Sommer ins Wasser und eckran.en, wä rend eine Beblingcin und vier mitfahrende Kinder gerettet werden konn ten. Das Unglück entstand durch die Ueber- lastung des Bootes. Die KohleNmSte de; Deutschen Reicher. Seit einigen Fahren wird das Bestreben der einzelnen Länder, sich über ihre Mineral schätze Rechenschaft zu geben, immer offenkun diger. In der Bergt- und Hüttenmännischen Zeitschrift „Glückauf", Essen-Ruhr, hat soeben Bergassefsor H. E. Böker von der Geologischen Landesanstalt in Berlin, die von ihm und an deren deutschen Fachleuten für diese Kongreß- enquete ermittetten Mengen der Kohlenvorräte des Deutschen Reiches zufammengestellt und durch übersichtliche graphische Darstellungen i bildlich erläutert. Auf dieser Zusammenstel lung baut Böker eine außerordentlich ein gehende statistische Untersuchungs auf, die zu sehr interessanten und für das deutsche Wirt- schattsleben loch erfreulichen Ergebnissen kommt. Uebrigens handelt es sich dabei nur um erste Mitteilungen; ein umfangreiches Werk wird im nächsten Jahre von der Geologischen Landesanstalt lerausgegeben werden. Nach Bökers Angaben beträgt der in heute sicher bauwürdigen (als Gruppe A bezeich neten) Flözen enthaltene Steinkohlenvorrat von der Oberfläche bis herunter zu 2000 Me tern, bis zu welcher Endtiefe die Einzelberech nungen durchgessührt worden sind, rund 2 9 0 Milliarden Tonnen oder, wenn man die heute erst zum Teil ausbeutbaren Flöze bis zu 30 Zentimeter Mächtigkeit hinab be rechnet — was aber nur in den beiden Gebie ten mit besonders regelmäßigem Aushalten der Flöze in Westfalen und Oüerschlesien ge- scheben ist — sogar rund 410 Milliarden Ton nen (als Gruppe B bezeichnet). Von den vier verschiedenen Teufenstusen 0—1000, 1000 bis 1200, 1200-1500 und 15-2000 Metern birgt die erste und zunächst wichtige Teufenstufe et wa 34 v. H. oder rund 100 Milliarden Ton nen des gesamten deutschen Steinhohlenvorrats; die zweite von 1000—1200 Metern reichende Stue dagegen sogar 10 v. H. Ws 1500 Me ter — über diese Teufe soll voraussichtlich der Steinkohlenbergbau in Deutschlaird in den nächsten Jahrzehnten nicht herausgehen können — birgt Deutschland an heute schon sicher bau würdigen Kohlen 194 Milliarden Tonnen, und wenn man die geringmächtigeren Flöze mit berücksichtigt, 272 Milliarden Tonnen. Diese Kohlenvorräte der beiden Gruppen A und B sind noch in die drei Vorratsklassen der „siche ren", „wahrscheinlichen" und „möglichen" Vor räte unterteilt worden. In der letzteren un sicheren Klasse sind solche Gebiete enthalten, die zwar mit Bestimmtheit Kohlen führen, aber heute noch nicht so genau bekannt sind, daß eine zahlenmäßige Berechnung jetzt schon möglich ist. Infolgedessen sind die Steinlah lenvorräte noch größer, als es nach den mit- geteillcn Zahlen erscheint. Auf die mit größ ter Zuverlässigkeit berechenbare Vorratsklasse der „sicheren" Vorräte entfallen allein 26 v. H. oder 75 Milliarden des Gesamtwertes (d. i. 290 Milliarden!) in Gruppe A. Aus die außerordentlich umfangreichen und interessanten statistischen Spezialtabellen, in de nen Böker die PorraWmengen der einzelnen Steinkohlenbezirke untersucht, kann hier nicht eingegangen werden; es sei nur erwähnt, daß die verhältnismäßige Bedeutung W e st f a - lens von Teufenstufe zu Teufenstufe zu nimmt, wenn man diesem Vergleich den Ge- samtvorrat aller Vorratsklassen zugrunde legt. Birgt Westfalen von 0—1000 Metern nur fast ein Dribul, nämlich 30 (Gruppe A) bez. 45 Milliarden (Gruppe B) des deutschen Gesamt Vorrats in dieser Teufeuhöhe von 100 bez. 141 Milliarden Tonnen, so enthält es in der Teufenstufe 1500—2000 Meter über zwei Drit tel davon, nämlich rund 70 v. H. oder, wenn man die Gesamtheit der Teufenstusen von 0 bis 2000 Meter ins Auge faßt, mit seinen 148 (Gruppe A) bez. 214 Milliarden Tonnen (Gruppe B) etwas mehr als die Hälfte des deutschen Gesamtvorrats. Umgekehrt verringert sich Oberschlesiens Bedeutung im Rah men von ganz Deutschland immer mehr, je tiefer man kommt. Während es von 0—1000 Metern allein 60 v. H. des gesamten deut schen Steinkohlenvorrats, also einen fast genau doppelt so großen Vorrat wie Westfalen in dieser Teufenstufe enthält, mithin weitaus das reichste Kohlenbecken Deutschlands in der heute im Abbau befindlichen Teufenstufe ist, weist es in der untersten Teufenstufe nur noch des deutschen Gesamtvorrats auf, sodaß der obevschlesifche Bezirk in der Summe aller: Teu- fenstufen von 0—2000 Metern am Gesamtvov rat des Deutschen Reiches überhaupt nur noch mit drei Fünftel statt mit drei Fünftel wie in Teufenstufe 1 beteiligt ist. Während also Oberschichten bis 1000 Meter doppelt soviel Kohlen birgt w»e Westfalen, enthält es bis zu der tiefsten Grenze der Vorratsermittlung, also von 0—3000 Metern, nur rund vier Fünftel des westfälischen Gesamtsteinkohlenvorrats. Das drittgrößte deutsche Steinkohlenbecken, der Gesamt-Saarbezirk (einschließlich baysri scher Pfalz und Lothringen), ist mit seinem von 0—1000 Mcktern annähernd 8, bez. von 0— 2000 Metern fast 17 Milliarden Tonnen betragenden Kohlenvorrat am deutschen Gesamt vorrate mit rund 8 v. H. bez. 'ast 6 v. H. beteiligt. Eine ähnliche Rolle spielt der links- theinische Steinkoblenbezivk. Die übrigen Stein kohlenbezirke: Niederschlesien. Wälderton-Koh lenbezirk und die des Königreichs Sachfen haben für den Vorrat erheblich geringere Be deutung; am meisten noch der niederschlesische Bezirk, der in den einzelnen Teufenstusen durch schnittlich wenigstens noch mit 1 v. H. an dem Deutschen Gesamtvorrat beteiligt ist. Irgend welche zahlenmäßige Angaben über Bernhard von der Mche Roman von Baronin Gabriele v. Schlippenbach. 2^) (Nachdr. verb.) Kalter Aufschnitt, Brot, Butter und Käse standen aus dein Tisch, dazu ein großer Kraig vraunen Bieres. Teller und Schüssel waren ans schadhafter Fayence und die Gabeln und Messer von der einfachsten Sorte. — Thea Schönhausen schien es nicht zu bemerken; sic war es nicht anders gewohnt. Ihrer Freun din entging nichts von der Misere dieses ge nialen Künstlerheims; ich verwöhnter Geschmack lvar der der reichen Frau. — Alfredo Man del stellte sich auch ein. Er trug ein braunes Samtjackett und eine hellblaue lose Krawatten schleife a la Lord Byron. Seine Locken hat ten einen kühien Schwung und das kleine, uhwarze Bärtchen war unternehmend nach oben gestrichen!. Während des Esseils sprachen Thea und ihr Kamerad lebhaft aus Herta ein. Sie mieten ihr, in die Akademie des Professors Beyer- stein einzutreten, der es mit „Anfängern" ver suchte. Obgleich Herta wußte, daß sie eine Anfängerin war, wurde das Wort recht ost und nachdrücklich betont. Alfredos schwarze Augen boltten sich in Krau von Randens Gesicht; sie errötete und ärgerte sich darüber. „Morgen zeche ich Dir mein Atelier," ver- sprach Tbea aus eine diesbezügliche Frage Hertas. „Was malst Du eben, Thea?" „Eine Herbstlandschaft aus dem bayerischen Alpenlande. Ich war vorigen Sommer mit Mandel einige Wochen in einem reizenden Dörfchen." „So sind Sie auch Landschaftsmaler?" sragte Herta, aus Höflichkeit sich an Alfredo wen dend, der die Katze neckte und dabei eine kurze Pfeife mit einem nicht eben wohlriechenden Tabak rauchte. Sie hatte den kleinen Maler bisher ignoriert, was Thea Schönhausen übel zu nehmen schien, denn sie wurde immer küh ler und die Unterhaltung stockte. „Nein, ich bin Porträtmaler," entgegnete Mandel, „ich male besonders gern schöne Frauen." Ein schräger Blick traf Frau von Randen lei diesen Worten. Thea fing ihn auf. „Und dralle Baue-rnmädel im Dorf," sagte sie spöttisch, „so a la Defregger; das heißt, er möchte und kann nicht." Alfredo war empfindlich, und es entspann sich zwischen ihm und Thea ein Wortgefecht, in dem sie sich gegenseitig Schnödigkeiten sag ten. Die Katze strich schnurrend um Hertas Knie. Sie hatte von jeher einen Widerwillen gegen diese Sorte Tiere gehabt, und der ge- tigerte Kater Prinz war ihr grauenhaft. „Ich bin heute todmüde, Thea, gute Nacht," sagte Fran von Randen, sich erbebend. Sie übersah Mandels ausgestreckle Hand und neigte kaum merklich den Kopf gegen ihn. Thea begleitete sie die Stiege zur Man saroe hinaus. Als sie Herta so blaß sah, mit den dunklen Ringen unter den Augen, kam die angeborene Gutmütigkeit der Malerin zum Vorschein. Sie umarmte die junge Frau und l ißte sic berzlich. „Schlafe Dich gut aus," sagte sie freundlich. „Morgen bist Du wieder frisch und hast neuen Lebensmut." Nun Ivar Herta endlich allein. Sie setzte sich auf den Stuhl am Fenster und stützte den Kopf in die Hand. Es hatte aufgehört zu regnen. Der Mond schien hell aus die nassen Dächer und die S'ernlein standen am dunklen Himmelszelt. Der laute Wortwechsel in Theas „Salon" drang beraub Man unterschied deutlich ihre sonore Stimme und das Organ Alfredos, das dazwischen im hohen Dis'ant überschlug; sie schienen sich über etwas zu zanken. Aber Herta war zu müde, um darauf zu achten; sie schloß das Fenster und entkleidete sich. Bleierne Mü digkeit warf sie auf das dürftige Bett, und sie schlief sofovt ein. — — — " Zu derselben Stunde stand ein einsamer Mann fern von der Jsarstadt am Fenster eines Zimmers in Schloß Randenhagen. Auch hier schien der Mond und warf die Silber schleier über die schlafende Welt. Friedrich von Randen hatte eine schwere Arbeit getan. Er hatte eben das Boudoir seiner Frau betreten, hatte eigenhändig die weißen Bezüge über die Pfirsichsarbenen Sei denmöbel gezogen, die Bilder verhängt und die kostbaren Nippsachen, Prachtalbums und Mann orsta? netten weggeräumt. Eine seine Stickerei, von Herta angefangen, lag aus dem Tisch. Randen hob sie auf. Ein feiner Veil- chenduft haftete ihr an; die junge Frau be- vorzugie dieses diskrete Parfüm. Wie er sie vermißte! Sie hatte ihm so wenig gegeben. Randen barg die Stickerei in seiner Brusttasche; seine Lippen bewegten sich leise. „Solltest Du je enttäuscht und flügellalim werden, so erwarte ich Dich." So schrieb er ihr, als sie von ihm ging. So sprach er auch heute in Gedanken mit der großen, tiefen Liebe, die nichts töten kann. Er ging hinaus. Seine Hand schloß die Tür zu ichem Zimmer. Niemand sollte es betreten; es war ihm, als sei es ein Grab, in dem sein Liebstes ruhte. Zwischen Frau Geravd und Ines war eine große Freundschaft entstanden. Fast täglich saben sie sich, bald aus einem Spaziergänge, bald in Mon Repos, oder Irmgard holte das junge Mädchen in ihrem Pounywagen ab. Auch beim Generaldirektor kam man zusam men. Müllers liebten es, gemütliche Abende in ihrem gastfreien Hause zu veranstalten. Zuweilen kam auch Bernhard dorthin oder er holte die Schwester ab. Es gab heiße Ar beit au' dem Hochofenwerk; neue Assisfenten mußten in den Betrieb eingeführt werden. Die Erze, aus Frankreich bezogen, eigneten sich besser zum Schmelzen, und die Produktion wuchs. Müller rieb sich vergnügt die Hände. Er saß, daß er in der Wahl des Hochofen chefs einen Griff in den Glückstopf getan batte, und Frau Gerard, die Hauptbeteiligte, merkte es an dem Steigen der Aknen. Wenn sie mit Bernhard bei Müllers zu sammentraf, verkehrten sie als gesellschaftlich gebildete Menschen in sehr verbindlicher Art. Nur jemand, der scharf blickte, konnte erretten, daß eine gewisse Kühle beide beherrschte, wenn sie sich notgedrungen anredeten. Ines war viel zu harmlos, um etwas zu merken, und auch Müllers schienen nichts Außergewöhnliches in dem Verkehr der beiden zu finden. Nie mals sprachen sie über ihr kurzes Beisammen,- sein in den Bergen; es war, als sei diese Episode ausgelöscht. Eines Abends war man wieder beim Ge neraldirektor Müller versammelt. Auch der Amtsrichter rmd seine Frau, ein älteres Ehe paar, und der Doktor mit seiner Mutter wa ren da. Ines hatte einige ihrer hübschen Volksliedchen gesungen, die Fräulein Elfriede begleitete. Jetzt bat die Tochter des Hauses Grau Gerard, zu spielen. Sie tat es in so dringender Art, daß es unhöflich gewesen wäre, nein zu sagen. „Was soll ich spielen?" fragte Irmgard etwas verlegen, denn Bernhard stand neben dem Flügel und sie wußte durch seine Schwe ster, daß er ein feinsinniges Verständnis Mr Musik hatte. Er spielte selbst das Klavier und blies sehr schön das Kornett. Oft waren die weichen Töne in der Stille der Nacht chs hinauf nach Mou Nepos gedrungen. „Ach bitte, spielen Sie etwas von Sibe lius!" rief Frau Müller vom Sofa herüber. „Diefer schwedische Komponist sollte auch in Deutschland mehr Beachtung finden." Frau Gerard erfüllte den Wunsch ihrer Wirtin. Sie spielte erst „Valse triste," jene eigenartige, schwermütige Tondichtung, in der grelle Disharmonien mit sehnsüchtigen Klagen abwechseln. In lautlosem Schweigen hörte die kleine Gesellschaft zu. Nebe» brillanter Tech nik besaß Irmgard einen sehr weichen An schlag und vevtieffe Auffassung. Es lag etwas Persönliches in ihrem Spiel; es packte und ergriff. Bernhard saß im Schatten der hohen Steh lampe; er war ganz von dem Genuß dieser schönen Musik hingerissen. Konnte diese schein bar so kalte Frau so spielen? Lag nicht ein warmes, pulsierendes Herz in der Sprache der Töne, öffnete sich ihre stolz verschlossene Seele unter dem Zauber? Einmal blickte er zu ich hinüber, nur einige Sekunden. Er sah, daß ihr schönes Gesicht wie von einem inne ren Licht erstrahlte. Die schlanke Gestalt war leicht vornübergebeugt, und die weißen Fin ger, an denen die kostbaren Ringe blitzten, eilten mit müheloser Geläufigkeit über die Tasten. Nach der „Valse triste" spielte Frau Gerard noch Sibelius' Elegie und Romanze, beides Stücke, die ihren Zuhörern bekannt waren und die denselben Charakter wie „Valse triste" ha ben. Und unvermittelt, kaum daß der letzte Akkord der melancholischen Romanze vevklun- gen war, schwirrten die neckischen Töne des „Papillon" von Grieg durch das Zimmer. Das perlte und flatteckte unter den Fingern. Man glaubte, den bunten Falter von Blüte zu Blüte huschen zu sehen, man atmete den Duft der Rasen, bei denen der kleine Gast einkehrte, um gleich dar,auf sein loses Spiel weiter zu treiben, Irmgard erhob sich vom Klaviersessel. Alle dankten ihr begeistert. Fräulein Elfriede erging sich in überschweng lichen Ergüssen, Ines umarmte die Freundin. „Du spielst so, daß man nicht weiß, ob man weinen oder lachen soll!" rief sie, Irm gard das traute Du gebend, das sie seit eini gen Tagen benutzten. Nur Bernhard sagte nichts, er blätterte in einem Album. Fürchtete er zu viel, fürchtete er zu wenig zu sagen? An diesem Tage zogen wieder die weichen Klänge des Kornetts durch Rößlingen. Sie zoaen auch zum Schlößchen Frau Gerards hinauf. Diese stand in der Loggia und hörte sie, aber noch ehe das Instrument verstummt war, ging sie ins Zimmer, mit fester Hand die Tür schließend. — — — „Weis t Du, Hardy, Freitag ist Irmgards Geburtstag," erzählte Ines nach einigen Ta gen, „wir müssen gratulieren." (Fortsetzung folgt.)