Volltext Seite (XML)
Jahre, nicht zur Hand genommen,! Wahrlich ein Zeichen, daß es mir nicht schlecht gegan gen ist! Und jetzt titulieren mich die Leute sogar schon „Frau Professor"! Altweibersom- mevfade», ihr habt mir Glück gebracht! An der Seite des geliebten Gatten habe ich alück- liche Jahre durchlebt. Eines Mar immer schö ner und reicher als das andere. Jeder Tag wurde uns zum Feste stillen, seligen Genie- Hens. Wohl dem, der ein solches Leben füh ren darf und zu führen vermag! Ich weih, bah das nicht allen Menschen vergönnt ist. Um so dankbarer will ich dafür dieser seltenen Gabe sein, an die ihr mich immer wieder er mahnt, Altweibersommerfäden! 11. September 1906. Altweibersommerfäden schwingen sich wie der einmal durch den köstlichen Herbsttag und um das Glück meines Hauses. Meins Toch ter, meine Zweitgeborene, ist Braut! Wie rasch sind doch die Jahre dahingeflogsn! Nicht so langsam flatterten sie, wie ihr Fäden des Alt weibersommers! Und wie unendlich viel Freuden habe ich in diesen Jahren an meinen beiden Kindern erlebt! Ja, ich bin wahrhaft glücklich, und eine unendliche Dankbarkeit erfüllt mich, daß ich dieses Glück empfangen und genießen durfte! Beide — mein Gatte und ich — sind wir in unseren Kindern beglückt worden, ha ben unsere eigene Jugend zum zweiten Male durchlebt, haben Veranlagungen keimen und wachsen gesehen, und den Flügelschlag seliger Hoffnungen rauschen gehört. Zu rechten und braven Menschen sind unsere Kinder geworden, die imstande sein werden, dermaleinst im reich sten Maße Glück um sich zu verbreiten. Und ein größeres Glück als dieses gibt es sicherlich nicht! 4. September 1908. Jetzt paht ihr aber zu mir, Altweibersom- »rersäden, denn jetzt, just in diesen Tagen, bi» ich Großmutter geworden. Nun werde ich, so es der Himmel mir noch einige Zeit vergönnt, mein Leben zum dritten Male durch kosten! Doch wie ganz anders schaue ich es jetzt an! An euch, Altweibersommerfäden, muß ich immer denken. Ihr schwebt in den mattgoldenen Tag hinaus, ihr bewegt euch mit leiser Beschaulichkeit, wie Träume, die alles Ungestüm der lenzlichen Jugendtage von sich abgestreüt haben ... Da wird man in seinen alten Tagen fast zum Poeten und Worte fließen einem in die Feder, wie etwa die folgenden, die ich hier niederschreiben will: Altweibersommerssäden ziehen Nun durch die stillen Lande. Sie gleiten aus ein letztes Blüh'n Der Welt im Herbstgewande. Altweibersommevfäden weh'n Nun durch die klaren Lüste . . . Ein Hauch von Sterben und Vergeh'» Trögt zu mir Herbstesdüfte! Altweibersommersläden spinnt Das Schicksal nun dem Jahre: Ein Glockenläuten klingt im Wind, Der mir zerzaust die Haare . . . Mein Haar wird grau, mein Haar wird« weiß, Doch so geschieht's für jeden! Was ist des Lebens Lohn und Preis? Altweibersommorfäden . . . Gerichtssaal. § S ch a uf e n st e r r e k I a m e als V e rk e h r s st ö r u n g. Das Spielwarenge schäft der Firma L. auf der Annaberger Straße in Chemnitz bringt alljährlich zur Weihnachts zeit eine besonders originelle SchausenftevDe- koralion — so z. B. eine große Gebirgsbahn, eine Feuerwebr-Uebung u. a. — und verur sachte dadurch namentlich mittags und abends eine Masssnansammlung von Schaulustigen und infolgedessen eine Verkehrsstörung. Das Publikum nabm nicht nur das Trottoir, son dern sogar die Straße bis zu den Straßen bahngleisen ein. Zunächst muhte zur Aufrecht- erhaltuug der Ordnung ein Schutzmann aus gestellt werden, schließlich genügten auch zwei Schutzleute nicht mehr, die Firmeninhaber wur den ausgefordert, für Abhilfe zu sorgen; als - diese AiMorderung nichts half, erhielten die zwei Firmeninhaber Polizeistrafen von je 30 Mark. Dagegen wurde von den Bestraften gerichtliche Entscheidung angeruse», das Schöf fengericht Chemnitz sprach sie frei. Der Amts anwalt legte Berufung ein. Die Berufung wurde verworfen. Nun legte die Staatsan waltschaft gegen das Urteil der Strafkammer Berustlug ein, und die Sache kam vor das Dresdner Oberlandesgericht, das das angefoch tene Urteil aufhob und die Sache an das Landgericht Chemnitz zurückverwies. Nunmehr hatte sich die dritte Strafkammer Chemnitz abermals mit der Sache zu beschäftigen; die Beklagten wurden nach längerer Verhandlung wegen Uebertretung der Straßenpolizei-Ord- »ung der Stadt Chemnitz zu je 30 Mk. Geld strafe und zur Tragung aller Kosten des ge samte» Verfahrens verurteilt. Das Gericht führte aus, daß eine Verkehrsstörung auch durch eine Handlung, die an und kür sich er laubt ist, verursacht werden könnte. Das Aus üben einer an sich berechtigten Handlung fin det dann seine Grenzen, wenn das Gebiet öf fentlicher Interessen angegriffen werde. Die Polizei sei dazu berufen, die öffentliche Ver kehrssicherheit usw. aufrechtzuerhalten, aber nur so lange, als sie unter den gegebenen Verhält nissen in der Lage ist, ihren Aufgaben völlig gerecht zu werden. Hier sei dies nicht mög lich gewesen, deshalb hätte die Firma Abhilfe schaffen müssen. Der Einwand, daß das Her ausnehmen der Schausensterausstellung der Firma Nachteile brachte, könne nicht einschla gen, denn unter allen Umständen habe der Privatmann dem öffentlichen Interesse der All gemeinheit sein Privatinteresse zum Opfer zu bringen. Sprachecke ves Allg. Deutschen Sprachvereins Zur Bergmauusspruche. Man verwendet den Ausdruck Trum oder Trumm im heutigen Kohlenbergbau vornehm lich in Zusammensetzungen wie Fahrtrumm, Fördertrumm, Gegentrum u. a. für verschie dene Abteilungen eines Schachtes. Rascher aber kommen wir über den Sinn drs Wortes ins klare, wenn wir uns dem Erzbergbau, der ja weit älter ist als jener, zuwenden und hier die Bezeichnung Trumm für einen vou einem Gange sich abtrennenden Seitenzweig, der sich ins Nebengestein verliert, ins Auge fassen. Man sagt auch: ein Gang trummt, zertrüm mert oder vertrümmert sich, er scheidet sich in mehrere wenig mächtige Triimme oder Trüm mer. Hier ist uns das letzte Wort sowie das Zeitwort „zertrümmern" ja auch aus unserer Schriftsprache wohlbekannt; dieser sehlt aber die Einzahl, die sich eben in der Bergmanns sprache erhalten hat. Die Grundbedeutung des Wortes ist: Ende, Endstück; dann ist es Bruch stück, Splitter. In der Volkssprache, nament lich in Süddeutschland, kommt die Einzahl auch sonst noch vor; so spricht man dort von einem Baumtrumm, einem Trümmchen Licht, einen Trumm Brot u. a. und gebraucht Re densarten wie „das geht in einem Drumm" (ununterbrochen), „desch der Drumm" (das ist das Ende der Sache) u. a. Man denke auch an das Lied von der Pinzgauer Wallfahrt, worin es heißt: „Die Fahnenstang' is broche, Jetzt gängens mit dem Trumm." Von den Webern wird übrigens das abgeschnittene Ende des Aufzugs Trumm genannt. In der Bergmannssprache kannte man früher auch die Bezeichnung Seiltrumm oder Trummseil für jeden der beiden bei der sogenannten zwei- trümmigen Schachtförderung im Schachte ab wechselnd auf- und niedergehenden Teile des Gewächs, ^06/760/. 2 3 dem Königsthron auf ganz merkwürdige Weise. Er wollte weder gekochtes Fleisch noch gekochten Fisch essen und befahl, daß ihm beides roh vorgesetzt würde, er ließ sämt lichen Hunden im Königreich die Schwänze abschneiden und vertrieb alle Singvögel, denn er behauptete, sie machten einen unangeneh men Lärm. Seine Untertanen behandelte er schlecht, es fehlte ihnen an Nahrung, und sie durften nur ganz grobe Kleidung tragen. Bei dem kleinsten Vergehen wurden sie geschlagen und eingesperrt, und der angebliche König lachte über ihre Qualen. Endlich sagten die Leute: „Dieser Zustand ist nicht mehr zum aushalten. Das kann nicht unser guter König sein, irgend ein böser Feind muß ihn vertrie ben und sich auf den Thron gesetzt haben." Und die Weisen des Reiches überlegten, was zu tun sei, und wie sie den bösen Geist vertreiben und ihren geliebten König wieder zurückholen könnten. „Vor allen Dingen", sagte einer der klugen Räte, „müssen wir herausfinden, woher der Zauberer eigentlich kommt." „Ja, aber wie?" wurde ihm geantwortet. Man überlegte noch, da erklärte einer der Diener, der König habe seit vielen Monaten niemals ein Bad genommen, während er dies doch früher jeden Tag zu tun pflegte." „Dann ist es ein Feuergeist," rief einer der Räte. Und nachdem sie lange miteinander berat schlagt hatten, drangen sie in der Nacht leise in das Schlafgemach ein, wo der Zauberer fest schlief, und banden ihn mit starken Stricken. Dann schleppten sie ihn an einen Teich, denn sie wußten, daß Feuergeister kein Wasser ver tragen können. Als er die Nähe des Wassers fühlte, wachte er auf und erhob ein fürchter liches Geschrei. Aber die weisen Männer drohten, ihn ins Wasser zu werfen, wenn er ihnen nicht verriete, wo ihr wirklicher König sich befinde. Zuerst weigerte er sich hartnäckig, aber als er sah, daß es ihnen ernst war mit der Drohung, gestand er ihnen alles, was ge schehen war, erklärte aber, er wisse nicht, wo der König sei. Da warfen sie ihn in den See, wo er mit fürchterlichem Geschrei ver sank. Als sie dann im Schlafgemach den juwelenbesetzten Gürtel fanden, ahnten sie, daß es damit wohl irgend eine geheimnis volle Bewandtnis haben müsse. Einer der Räte band ihn um und sagte: „Wäre doch unser guter König jetzt hier, er könnte uns sagen, was es mit dem Gürtel auf sich hat." Zum größten Erstaunen aller Anwesenden stand im nächsten Augenblick der König vor ihnen, vor dem sie sich tief verneigten. Er wurde sofort wieder in seine Würden einge setzt, und er nahm den kostbaren Gürtel wie der an sich, ohne jedoch seinen Räten zu ver raten, welche Wunder der Talisman wirken könnte. Aber von jetzt an hütete er das kost bare Gut noch sorgfältiger als vorher. Das rechte Kreuz. Es war einmal ein Mann, der war mit seinem Los auf Erden niemals zufrieden, und gar oft murrte er über das schwere Kreuz, das Gott ihm auferlegt hatte. Oft sagte er zu seiner Frau: „So schwer wie ich hat doch keiner zu tragen! Warum nur gebt es gerade mir so schlecht?" Die Frau suchte ihn zu trösten und sagte: „Mein lieber Mann, jeder Mensch auf Erden hat sein Kreuz zu tragen, und du kannst mir glauben, der liebe Gott hat sie so ans gewählt, daß sie immer gerade für den recht sind, dem er sie gegeben hat. Aber der Mensch ist einmal so, er ist immer geneigt zu glauben, daß er schwerer zu tragen hat als andere" „Nun, ich habe auch schwerer zu tragen," erwiderte der Mann, „das wirst du mir nicht ausreden." Und er ließ sich von seiner Ueber- zcugung nicht abbringen, daß es ihm immer schlechter ginge, als seinen Nachbarn. Eines Tages hatte er wieder einmal weid lich über das Schicksal gebrummt und ge knurrt, und als er sich abends zu Bett legte, konnte er lange nicht einschlafen. Seine Frau schlummerte friedlich an seiner Seite, aber er wälzte sich ruhelos hin nnd her und dachte über sein schweres Los nach. Unter diesen Gedanken schlief er endlich ein. Aber auch im Schlaf verließen ihn die Gedanken nicht, die ihn stets im Wachen bewegten. Da hörte er plötzlich eine Stimme, die sprach: „Du findest das Kreuz, das du zu tragen hast, zu schwer? Wohlan, suche dir ein anderes aus!" Und als der Mann erstaunt aufblickte, da sah er sich in einem großen, weiten Saal, der ganz angefüllt war mit Kreuzen aller Art. Und die Stimme ertönte wieder: „Unter allen diesen Kreuzen darfst du wählen, suche dir das aus, das dir am bequemsten ist." Er stand auf und nahm prüfend ein Kreuz nach dem anderen in die Hand und legte es sich auf den Rücken oder auf die Schulter; aber es wollte ihm keines passend erscheinen. Das eine war ihm zu groß, das andere zu breit, ein drittes zu lang, ein viertes drückte ihn mit scharfer Kante in die Schulter, kurz, an jedem Hatto er etwas auszusetzen, und schon war er fast mit allen durch, ohne ein passendes gefunden zu haben. Noch einmal überschaute er den Saal, da erblickte er, halb versteckt zwischen zwei anderen, ein ganz ein faches Kreuz, das ihm leichter und kleiner er- schien als alle übrigen. Er nahm es auf, legte es auf die Schulter, und siehe da, es paßte vortrefflich. Es war weder zu breit, noch zu lang, noch zu schwer. „Dies Kreuz ist das richtige für mich," rief er, „das will ich haben!" Und die Stimme antwortete: „Du Tor, sieh cs dir genau an, es ist dein eigenes Kreuz. Nun hast du dich selbst überzeugen können, daß kein anderes so gut für dich paßt wie dieses." Und von diesem Tage an war der Mann zufrieden mit seinem Los nnd trug infolge dessen viel leichter daran. Der Gerettete. Wild heulte der Sturm um die Fischer hütten an der Nordseebucht. Ein leiser, roter Schimmer im Osten verkündete das Hcran- nahen des nahen Tages, da ertönten die Not schüsse, die die Fischer herbeiriefen. „Ein Schiff in Not." Das bedeuteten sie, und alle, die ein Ruder handhaben konnten, schreckten auf aus dem Schlaf und eilten hinunter nach der Küste, wo das sturmgepeitschte Meer an die Klippen schlug. Schnell waren sie an der Ar beit, denn dort draußen auf dem Riff saß ein Schiff fest, und die Mannschaft hatte sich vor den Wogen, die das Deck überspülten, in die Masten und Raaen gerettet. Schnelle Hilfe tat not, und rasch ertönte der Ruf: „Rettungs boot klar!" Der junge Fischer, der sonst immer das Rettungsboot führte, war nicht anwesend, aber man konnte nicht auf ihn warten, und flink war das Boot bemannt und steuerte auf den Schoner zu. Und trotz Sturm und Wogenprall gelang es ihnen, die Mannschaft zu retten. Freudig wurden sie am Ufer be grüßt, auch ihr Führer war inzwischen aus dem Nachbardorfe zurückgekehrt, und seine erste Frage war: „Habt Ihr alle!" „Alle, bis auf einen," war die Antwort. „Wir hatten keinen Raum mehr im Boot, und er hing auch so hoch am schwankenden Mast, daß wir nicht wagten, ihn herunterzu holen." „Dann fahre ich noch einmal," rief der junge Führer, „wir können den einen nicht des Sturmes Gewalt preisgeben. Wer kommt mit?" Keiner meldete sich. „Wills keiner wagen?" fragte der junge Fischer noch einmal, und als wieder keine Antwort erfolgte, rief er: „Dann muß ich eben allein fahren!" Schon sprang er ins Boot, schon hatte er das Ruder ergriffen, da kam eilends seine alte Mutter daher. „Fahr nicht, fahr nicht," rief sie flehend. „Soll ich Dich denn auch noch verlieren? Deinen Vater schon hat mir das grausame Meer genommen, und auch Dein jüngerer Bruder kam nicht zurück son der weilen Fahrt! Sieh, die alten sturmerprobten Männer wagen die Fahrt nicht, es ist aus sichtslos. Fahr nicht, bleib hier, um Deiner Mutter willen." Aber der Sohn antwortete: „Liebe Mutter, bedenke, der dort draußen am Mast hängt und der die nächste Sekunde, von seinen Kräften verlassen, herunterfallen kann, um ein Opfer des tosenden Meeres zu werden, ist vielleicht der einzige Sohn seiner Mutter. Halt mich nicht zurück, ich muß ver suchen, ihn zu retten!" Die Mutter widersprach nicht mehr, und stumm sprangen noch vier Fischer mit in das Boot. Noch einmal gelang die Fahrt, der kühne Retter erreichte das Schiff, und der junge Führer stieg auf das Deck, kletterte an dem schwankenden Mast in die Höhe, und es gelang ihm, den Gefährdeten herunterzuholen. Sorgfältig wurde er in dem Kahn gebettet, und wieder traten die Retter den Kampf mit den Elementen an und gelangten glücklich ans Ufer, wo die Zurückgebliebenen in angstvoller Erwartung harrten. Aber noch ehe daS Boot den Strand erreicht hatte, hörte man die Stimme des jungen Führers sich über Wind und Wogenbraus erheben: „Mutter," rief er, „der, den ich gerettet, ist mein Bruder, Dein Sohn!" Zufrieden! Bist du die goldne Aehre nicht, Die schwer von Korn sich wiegt, Sei du die blaue Blume nur, Die frisch das Aug vergnügt. Kannst du als stolzer Pfeiler nicht Im hohen Dome ragen, So sei der kleinen Steinchen eins, Die mit die Wölbung tragen. Und schreibt die Welt den Namen dein Einst nicht in Stein und Erz, Begnüge dich, wenn du beglückt Ein warmes Menschenherz!