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SMM W Hihenkiil ErnAlhiilrr KHNgrr Tageblatt. Rr. S08 Sonntag, den 7. September 1»L» 4». Jahrgang Altweibersommer. Tagebuch-Auszeichnungen. Von Clara Weber. Nachdruck verboten. 4. September 1880. Wir haben tüchtig im Garten herumgetollt. Besonderen Spas; machte es uns, uns mit den zähen, in der Luft herumflatternden Fä den zu behängen, die sie Altweibersommer- säden nennen. Dafür ist jetzt gerade die beste Zeit. Und wenn sich das auch für ein fünf zehnjähriges Mädchen just grad nicht so recht mehr schickt, darum lasse ich mir den Spas; doch nicht verleiden, wenn mich gelegentlich auch die ältere Schwester ein wenig ausschilt. Den meisten Spaß aber macht es mir, Hein rich, unseren Nachbarssohn, den frisch gebacke nen Abiturienten, mit Altweiberfäden zu be hängen. Das kann er durchaus und durchum nicht ausstehen. Ueber seine „bösen" Augen aber könnte ich mich scheckig lachen! Nein, was es doch im beginnenden Herbst für viel gearteten Spas; gibt! 6. September 1883. Wieder flattern die Altweiberfommerfäden im berbsllicben Land und Nachbars Heinrich lat es bereits zum Kandidaten der medizini schen Wissenschaft gebracht. Auch ich bin äl ter geworden und — ruhiger. Jetzt treibe ich keine Backfischallotria mehr, sondern benehme mich sehr gesittet und gewissenhaft. Mitunter freilich muß ich über mich selbst lachen. Denn das „Gesetzte" will mir noch immer nicht recht stehen. Und besonders kommt mir drs in die ser Altweibersommerfädenzeit zum Bewußtsein. Denn daun möchte ich, ganz wie damals, mit dem Sturmwind um die Wette lausen, und nach den fliegenden Fäden Haschen . . . Aber ich fürchte immer, Heinrich könnte mich beob achten und dann seine Glossen über die junge Dame machen! Das wäre mir zum mindesten sehr unangenehm. Und Unannehmlichkeiten soll man sich, wenn es irgend angeht, nie mals aussetzen! 5. September 1885. Der Altweibersommer flattert durch die Lüste; in mir aber jubelt ein Helles Jauch- zeu! Schon das ganze letzte Jahr hindurch habe ich mit Heinrich einen heimlichen, dafür aber um so regelrechteren Briefwechsel geführt. Und nun hat er sein Staatsexamen geballt und den Doktortitel in der Tasche. Jetzt will er vor meine Eltern hintceten und laut seine Liebe bekennen. Furcht und Freude wollen mir fcht die Brust zersprengen. Draußen aber segeln die grauen Fäden durch den stillen Herbsttag. Das Glück flattert durch die Welt; wenigstens für mich, die froh und dankbar, in Erwartung kommender Dinge, in den wer denden Tag hineinlebt. 9. September 1885. Seit gestern abend bin ich glückliche Braut. Seligkeit schwelgt in meinem Herzeu. Noch wenige Stunden vor der offiziellen Verlobung schritten wir Arm in Arm durch die herbst lichen Felder und die Altweibersommerfäden trieben um uns ihr neckisches Spiel. Und wir plauderten und gedachten unserer Kindevjahre, Ivie sich alles so wundersam gefügt in Glanz und Seligkeit. Zärtlich preßte er meine Hand und freudig errötend erwiderte ich seinen Hände druck. Schon raschelte das Hsrbstlaub um un sere Schritte, aber in unseren Herzen sang der Lenz jubelnd und hell: der Lenz unserer Liebe . . .! Und nun trage ich den Goldreif am Finger; und trage ihn froh und gern, denn er gab ihn mir, der mir lieber gewor den ist als Eltern und Geschwister, lieber als mein eigenes Leben! . . . 5. September 1886. Die Zeit, da die Herbstfsäden durchs Land fliegen, ist für mich von schicksalsschwerer Be deutung. Jetzt bin ich sein Weib; am Altäre haben wir uns Treue fürs ganze Leben ge lobt. Als ich vom Wagen zur Kicchenpfvrte schritt, flatterten die Altweiberfommerfäden mir uni Schleier und Kranz. Ich will es als Symbol für das ruhige Glück in unserem Eheleben hinnehmen. Noch habe ich mich in das neue, für jede Frau immerhin recht ver- antwortunasreiche Leben nicht so ganz hin eingewöhnt. Ich halte meine Ausgaben für groß und umfassend und will es in keiner Weise au etwas fehlen lassen. Vielleicht bin ich zu streng mit mir. Aber besser zu streng, als zu locker. Die Altweibersommersüden mah nen nur allzu deutlich daran, daß jeder Som mer dahin geht . . . 7. September 1887. Altweibersommerfäden ziehen vor meinem Fenster, und ich halte lächelnd meinen Erst geborenen im Arm. Eine köstliche Ruhe hat in meinem Herzen Einzug gehalten. Mutter glück, wie groß ist doch die Seligkeit, die du zu vergeben hast! Nichts in der Welt kommt diesem erhabenen Gefühle gleich, das ein Mann gar nicht ermessen kann. In Schmerzen habe ich ans Dich gewartet, Du mein kleiner Lieb ling! lind nun bist Du gekommen und hast mich von meinen Schmerzen erlöst, und unge zählte Freuden sind mit Dir gekommen! Nun lat sich der Kreis meiner Pflichten zusehends geweitet. Ist nicht unser Menschentum, und mag es noch so vergänglich sein» ein ewiger Quell rauschender Seligkeiten? Für mich we nigstens war es immer so und wird es immer so sein. Selbst euer herbstliches Symbol, Alt weibersommerfäden, soll mich daran nicht irre machen! 3. September 1899. Wie lanze Zeit habe ich mein liebes Tage buch, den besten Vertrauten meiner früheren am tim ^0tmimi8plrit2 Mustvr nack susv'ärts :: uns Uttllico. :: Amli-DuMiM * Mdkli- u. MolM-MIMung MMSMkffT G IMMM G AMäTNÄGffG ^6jdM80k6 MlMMSkllk MtVMkllK 8l>M8 ^isksrunZ voUslänäiZsr' HsrrSNWSSQllS gsvünsokwn prsislago. Xorsslls LrstLlsssiAS, ksvsbrts Hus.lits.tsn 2U snsrksnnt LilliASQ. I^rsissiL. lob bists oino ^usvakl, vis soloks von sncksrsr Lsits suok niobt annsbsrock srrsiobt vsrcksn ckürkts. K « Allerlei Kurzweil. » » Denkfprüche. Arbeit macht das Leben süß, Macht es nie zur Last; Der nur hat Bekümmernis, Der die Arbeit haßt. * * Nur feste Faust geführt, So bringst du manches zu Ende; Wer Nesseln zart berührt, Verbrennt sich die Hände. Rätselecke. Rätsel. Wie viele Märchen haben schon Seit alten Zeiten mich verklagt, Daß ich mit Schelten und mit Droh'» Die armen Kinder hart geplagt. Und doch grüß ich so freundlich dich, Und bin gar friedlich anzuschau'n, Sobald du triffst verkleinert mich Im Garten, Feld und grünen Au'n. Scharade. Die Erste kann von Holz, von Erz, von Stein, Kann leicht, auch schwer und kaum zu tragen sein. Ein jeder hat sie zwar, doch sagen es nicht alle, Man findet strahlend sie auf manchem Balle. Doch sicherer beinah in jedem Haus, Und wo sie einmal ist, bringt mau fie schwer heraus. Sie ist des größten Bundes edles Siegel, Der reinsten Liebe ewig treuer Spiegel; Dem Sterbenden ist sie ein tröstend Zeichen Im großen Augenblick, wo seine Lippen bleichen. Sie zieht vom Irdischen ihn sanft zurück Und hebt zum Himmel den gebrochnen Blick. Die Zweite nennt ein freundlich Städtchen Dir; Es liegt in einem See, in bergigem Revier. Auch muß das freie Land, in dem cs liegt, vor allen, So wie sein kräftig Volk, Dir wohlgefallen. Das Ganze führt dem kummervollen Blick Des Forschers eine schwere Zeit zurück. Es zeigt, wie weit ein frommer Wahn Erhitzte Köpfe bringen kann, Wenn ein Gedanke mächtig sie ergreift, Den Phantasie erzeugt und Schwärmer-Glaube reift. Palindrom. Vorwärts umschließ ich, rückwärts beiß ich, — Nun, lieber Leser! rat, wie heiß ich? Ziffernrätsel. 1 2 3 4 und 5 Zählt zu den schlimmsten Gaben; Doch in 4 5 und 3 Dir anempfohlen sei, Sie immerdar zu haben. Anagramm. Vier Zeichen nur, doch inhaltstief, Denn eine Stadt und ein Khalif, Ein Gott und Dichter wohnen drinn'; Nun suche nach der Zeichen Sinn. Kapsel-Rätsel. In Irland weiß ich einen Qrt, Der ein Gewässer in sich hat, Denn wirfst du Kopf und Fuß ihm fort, Dann nennt dir einen See das Wort Scherz-Rebus. «nstösungen a«S Rammer 35. Der Rätsel: 1. Hummel — Hummer. 2. Ziegel — Ziege. Des Buchstaben-Rätsels: Tonne — Tanne — Tenne. Der Scharade: Karosse — Rosse. Des Logogriphs: Mann — Manna — Anna. Des Bilder-Rätsels: Extravaganz. Des Vexierbildes: Links oben im Geäst. Füße links, Kopf rechts, 35 mm über dem Kopf des Mannes. Lindcr-Zeitllilg. Allo öllochK Mi pM IchmMm MchaR WoaboMlldm. Nr. 36. I Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. I 1913 Blnmenzeit. Des Jahres ganze Blumenzeit Gleich einem Tag nur ist, Der morgens anhebt mit Geläut, Mit Sternen abends schließt. Kaum will der Frost von dannen ziehn, Kaum daß der Schnee zerrinnt, Da sieht man auch Schneeglöckchen blühn, Der Blumentag beginnt. Und daß die Sonne höher steigt, O schönster Morgentag! Das dilft'ge Maienblümchen zeigt, Mit Glöcklcin tausendfach. Und ist der volle Tag nun da, Stehn Blumen mannigfalt In allen Farben, fern und nah, In jeglicher Gestalt. Ihr Tagewerk nun jede tut, Zur Sonne hingewandt, Mit Tau und Duft und Liebesglut Gefüllt bis au den Rand. Doch wenn der Blumentag sich neigt, Flieht auch der Farben Pracht, Der letzte heitre Glanz erbleicht, Es taut die kühle Nacht. Da blüht die späte Aster auf, Ein stiller Abendstern, Und schließt des Blumentages Lauf. Nun lobet Gott den Herrn! S m e t r. Der falsche König. Mär Es war einmal ein reicher, mächtiger König, der lebte in einem schönen Lande und wurde von allen seinen Untertanen sehr ge liebt. Er besaß einen Zaubergürtel, den er stets trug uud dem er all seine Weisheit verdankte. Doch niemand kannte das Ge heimnis des Gürtels. Der König hatte aber einen Feind, das war ein böser Zauberer, der in einem feuer speienden Berge wohnte und der alles haßte, was gut und weise war. Deshalb haßte er auch den König und beschloß, ihn zu verder ben. Er dachte sich, daß der König irgend einen Talisman haben müsse, der es ihm möglich machte, so gut und so weise zu sein, und bald hatte er herausgcfunden, daß dieser Talisman der juweleubesetzte Gürtel war, den der König nie ablegte, außer im Bade. Der Zauberer nahm daher die Gestalt eines könig lichen Dieners an und bediente den König im Bade, wo eS ihm gelang, sich des Gürtels zu bemächtigen. Sobald er ihn in seinem Besitz chen. hatte, verwandelte er sich äußerlich in den König, kleidete sich in königliche Gewänder und setzte sich auf den Thron. Als der wirkliche König sein Bad beendigt hatte, vermißte er seinen kostbaren Gürtel. Er rief nach seinen Dienern, aber zu seinem großen Erstaunen kam keiner. Da eilte er in das Througemach, aber als der Zauberer ihn kommen sah, rief er: „Dieser Mann ist ein Vcriäwr, er trachtet nach unserm Thron, jagt ihn sofort zur Stadt hinaus." Und wie ost auch dec arme König versuchte, die Sache aufzuklärcn, man gab ihm kein Gehör, und der Befehl ces Zauberers, den die Diener für den wirklichen König hiel ten, wurde ausgeführt. Der arme König aber wanderte jahrelang in der Welt umher und war unglücklich, denn er komue nicht begreifen, warum sein Volk, das ihn doch immer geliebt hatte, plötzlich von einem solchen Haß gegen ihn erfüllt worden war. Inzwischen benahm sich der Zauberer auf