Volltext Seite (XML)
MW W HchMkiiEniSthlilkl Aiffign Tageblatt. Nr. 208 Sonntag, den 7 September LOIS 40. Jahrgang Bernhard von der Eiche. Noman von Barontu Gabriele v. Schlippenbach. 51. Fortsetzung. (Nachdr. verboten.! Bernhard war ebenfalls eingetreten. Mit gemischten Gefühlen betrachtete' er den Kna ben. Er hatte seiner Muster den Tod ge bracht und er war ihr Vermächtnis. „Meide bei uns, Ines," sagte er leise, „Luise hat noch kurz vor i'rem Tode darum gebeten." „Ja, Hardy!" Sie sagte es einfach und schlicht. Es war ein Gelöbnis und es kam ihr im Augenblick so selbstverständlich vor. Sie hatte es der Schwägerin versprochen und Ines war ein viel zu ehrlicher Charakter, um wortbrüchig zu werden. Später — später erst, da hatte sie erkannt, wie viel eigenes Glück sie aufgegeben, wie schwer sie es getan. Die Geschwister saßen beieinander und Bernhard erzählte von den letzten Stunden Luisens. Er tat es mechanisch, wie etwas Auswendiggelerntes; seine Augen blieben trok- ken; es lag eine Starrheit über seinem gan zen Wesen. Ines saß, wie sonst so ost, neben ihm auf Barrvs Fell; sie schmiegte sich liebe voll an den Bruder. In dieser Stunde sollte er fühlen, wie nabe sie sich standen. In dent Zimmer sprach noch alles von der Verstorbe nen, die welkenden Blumen, die bunten Astern in der hohen Vase. Sie hatte sie noch ge- ormet; ihr Bild hing über dem Kamin. „Es ist Zeit für Dich, zu Bett zu gehen," sagte die müde Stimme Bernhards von der Eiche, der man ein großes Leid anhörte. Als Ines gegangen war, kehrte der Hoch- vsenchef in das Ziinmer zurück. Er saß am verglimmenden Kamin allein mit seinem Leid, denn es gibt Stunden, in denen auch der l cbstc Mensch nichts vermag, wo die Seele allein sein muß und Zwiesprache mit dem hält, was sic in ihren Grundfesten erschüttert. Endlich erhob sich Eiche. Bleierne Müdig keit senkte sich auf ihn, der die beiden letzten Nächte gewacht hatte. Wie er die Kerze an- z indete, stieß seine Hand zufällig an das Ar- bcitskörbchen seiner Frau. Es fällt zu Boden, sein Inhalt kollerte über den Teppich. Es waren lavier bekannte Gegenstände, die er aufhob, er hatte sie stets in Verbindung mit seinem toten Weibe gesehen. Da ihr silberner Fingerhut, die kleine Schere, die sie benutzte, Garnrollen und hier ein rosiges Kindevstriimpf- chen, noch unvollendet. Sie hatte noch am letzten Tage daran gearbeitet und dabei so glücklich über das Geschenk gesprochen, das Gott ihnen geben würde. Und da stürzten die Tränen aus den bren nenden Augen Bernhards von der Eiche. — Die Gruft über Luisens weißem Sarge hatte sich geschlossen, ihre Eltern und Geschwi ster, die zur Beerdigung gekommen, waren fortae^iahren. Ines und ihr Bruder blieben allein, allein mit dem Kinde, das am Sarge seiner Mutter aus den Namen Herbert Bern hard getauft wortden war. Luise hatte es so gewünscht. — Das Söhnchen der Verstorbenen war ein schönes, kräftiges Kind, das gut ge dieh, dank seiner Amine, der Frau eines Ar beiterls >des Hochofens Dank der Pflege sei ner jungen Tante, die zuerst sebr ängstlich war, aber schnell die nötigen Handgriffe lernte. Es war für Ines eine neue tiefe Freude, das rosige Körperchen Berties, so nannte sie den Knaben, zu baden und zu pflegen, und es half ihr über ihr eigenes Leid hinweg, sich aufopfernd dem Bruder und seinem Sohne zu widmen. Vierzehn Tage nach Luisens Scheiden schrieb Frauenfeld an Fräulein von der Eiche. Er sagte ihr, daß — obgleich jetzt wohl nicht der geeignete Zeitpunkt sei, von seiner Liebe zu sprechen — er es doch nicht unterlassen könne. „Als ich am Abend unserer letzten Zusam menkunft im Walde in die Försterei kam, wolle ich Ihnen sagen, wie sehr ich Sie lieb gewonnen habe, da erfuhr ich von Ihrer plötz- üchen Abreise, und der traurigen Veranlas sung dazu. Ich will warten, bis die erste Zeit vorüber ist, aber geben Sie mir Gewiß heit, beantworten Sie die Frage, von der mein Lebensglück abhängig ist: „Lieben Sie mich, Ines?" „Nein," schrieb sie zurück, „vergessen Sie mich." Was diese Worte sie gekostet, niemand durfte es wissen. Ein und ein halbes Jahr waren seitdem vergangen. Der kleine Herbert war ein stram mes Bübchen geworden, das seiner Tante überall nachließ dessen Iprechverfuche so drol lig waren, daß der ernste Vater über den her zigen Schelm lächeln mußte. Bertie glich den Eiches, hatte aber auch etwas von seiner Mutter. Er war ein reizen des, kleines Menschlein und brachte wieder Licht und Leben in das stille Haus des Hoch- ofenchess. Es ist gut, daß die Zeit jeden Schmerz abtönt, daß die tiefen Wunden heilen, die der Tod schlägt. Bernhard war zu jung; er stand in der Blüte seiner Mannesjahce. Die Arbeit, die er hätte, beanspruchte sein Inter esse, und sie befriedigte ihn immer mehr, seit das Hochofenweck unter seiner Leitung ge- dic'. Die Produktion war groß, der Ruf Röflinoens verbreitete sich und der Name des sen wurde genannt, der die große Arbeits kraft auf seine kraftvollen Schultern genom men hatte. Sonntags wanderten Ines und ihr Bru der oft zum Friedhof im Walde hinaus, wo Luisens Grab unter den hohen Bäumen lag und ein weißes Marmorkveuz in goldenen Buchstaben folgende Inschrift trug: „Lnüe von der Eiche, dreiundzwanzig Jalre alt." Jetzt brachte Ines auch den kleinen Her bert dorthin. Eines Tages iin Mai saß sie wieder mit dem Kinde auf der Bank neben dem stillen Hügel. Sie hatten die ersten Blu men aus den, Garten gebracht: weiße Narzis sen und Hyazinthen. Ines war so tief in Gedanken versunken, daß sie erst aufsah, als Bertie sie am Kleide zupfte. „Da," sagte er und wies mit den kleinen Händen auf eine hohe Frauengestalt, die eben durch die Kirchhofspforte trat und sich zögernd näherte. „Irmgard, wo kommst Du her?" fragte Ines erstaunt. „Ich bin heute früh in Mon Repos ange- kommen," versetzte Frau Gerard, die Freun din umarmend, „willst Du diese Blumen aus dem Grabe — Frau Luisens von der Eiche ordneU?" Sie hielt Ines einen Korb mit auserlesen schönen, schneeweißen Blumen hin. Irmgards Blite ruhten auf dem Marmorkreuz und dem grünumrankten Hügel. Also hier hatte Bern hild von der Eiche sein junges Weib zur Ruhe gebracht, hier hatte der Schmerz um sie sein stolzes Haupt gebeugt. — Eine kleine Hand zupfte Jringard am Kleide. „Oppa," sagte Beckie und streckte ihr zu traulich die Aevmchen entgegen. Sie beugte sich zu ihm nieder und hob ihn auf, ibn, sein Kind! Mit einem hungrigen Blick musterte sie das Gesicht des Knaben. Sie entdeckte die Aehnlichkeit mit dem Vater. Aber auch von der verstorbenen Mutter waren Züge dl. Es war dasselbe braune weiche Haar, das sich in Ringeln lockte, derselbe Zug um den frischen Mund. Wie mußte Bernhard das Kind lieben, welches Glück lag in seinem Besitz! Und sie, die dort in kühler Erde ruhte, sie batbe es ihm schenken ducken, ihr Anden ken lebte in ihrem Sohne weiter. Ines kniete am Hügel und verteilte die Blumen. Irmgard streichelte des Buben Köpf chen und küßte die rein«, Weiße Stirn Ber ties. Ihr war so weh zu Mute und so Wohl. Sticht länger hatte sie es forn von Rößlingen geduldet, es zog sie gewaltsam dorthin zurück, wo sie den Mann wußte, der ihr ein Inter esse eingeflößt hatte, das sich zur Liebe steigerte. Ws Irmgard seinerzeit die Nachricht von Eiches Verlobung erhielt, als sie später durch einen Brief von Ines hörte, daß ihr Bruder und Luise verheiratet und glücklich waren, da vermied die reiche Frau sogar den Gedanken an den Hochofenches. Sie zog einen Strich unter dis Vergangenheit, und preßte ihr blu tendes Herz zusammen. Frau Gerald wan decke von Ort zu Ort. Sie sah die herrlich sten Gegenden, bunte Geselligkeit nahm sie in den Städten in Anspruch, aber eine Siebe blieb immer leer in ihrer Brust. Arinselig und weltfremd lag das kleine Luxemburger Dors da und doch kehrten ihre sehnsüchtigen Träume dorthin zurück, nachdem sie die Trauer kunde ereilte. (Fortsetzung folgt.) -er rrrK As-an/le Är-arr.-m/ecker ie»rK LoKen/o« r/rrrnrer-t. s/vr/ÜM/F/s/r rrrm Hlarr/ rrr »ket/e,,. 8 L § L '2 8^ § 2 8 8 Vs 8 «Z' ob iE » 3 Z Z- c- 8 8 L -S.p /-/ree- M'n-rru/ enorE/ /psten -irr re- Kr cker /mA«. L'/rnrrss/ocko/'/?, -ä/orr/'or/so/? «mk rrr -ockso/e/rck