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KMM mm WHMrill EniWalcr Amnin Tageblatt. Nr. SOI. Sonnabend, den 30. August 1013 40. Jahrgang Ser NiedenspaW im Haag. Die Einweihung des von dein nordunen- kanischen Groh-Jichuistriellen Carnegie unter Mitwirkung aller Staaten errichteteil Friedens- Palastes in der niederländischen Hauptstadt Haag lenkt die Aufmerksamkeit darauf, was denn nun eigentlich die Friedens-Organisa tion, die vom Kaiser Nikolaus ll. von Ru land angeregt wurde, gele stet hat. Wir Haden lange und blutige Kriege seitdem gehabt: Den Burenkrieg, den Feldzug in Ostasien zwi schen Ruhland und Japan, den Tripoliskr.e', die beiden Orientkriege, dazu schwere politi'che Konflikte wie die Mavokkowirren, den Streit zwischen Rußland und Oesterreich-Ungarn, die deutsch-englische Zuspitzung, aber in allen die sen Angelegenheiten ist ein internationales Schiedsgericht oder eine Konferenz nicht zu stande gekommen. Auf die leisen Anregungen, die zu diesem Ziele gemacht wurden, erschol len sofort ablehnende Rufe, in welchen erkl rt wurde, daß es sich hier um Fragen der na tionalen Ehre handele, in die man sich von keiner Seite, möge es fein, welche es wolle, hineinredcn lassen dürfe. So hat denn der Gedanke einer Ausrottung des Krieges durch internationale Friedensbestrebungen auf die großen Aenderungen in der Landkarte, die in den letzten zwanzig Jahren zu verzeichnen Iva ren, keinerlei Einfluß ausüben können. Trotzdem soll aber der Wert dieser Einrick tnngen nicht unterschätzt werden. Konnten sic in großen Dingen noch nichts leisten, so sind doch mancherlei kleinere Fragen geordnet, die Diplomatie ist nicht mehr auf gegenseitige Be sehdungen hingewiesen, sondern kann in vielen Angelegenheiten das letzte Wort freudwillig dem Tribunal im Hmg überlassen. Der Fric- dcnsnotwendigkeit, die heute so oft von den Böllern weniger wie von den Fürsten und i'ren Regierungen begriffen wird, ist mit der Organisation im Haag ein machtvolles Monn ment gegeben, das nach Außen hin durch den Friedenspalast repräsentiert wird. Jede Sitzung, die in ihm abgehalten wird, bedeutet ja nur einen Stein zum Bru eines die Welt über ragenden Friedenstcmpels, aber in einem Jahrhundert mag diese ideale Leistung, die Anerkennung des Friedensbedürfnisses, doch schon eine gewaltige Ausdehnung gewonnen haben. Darum hat die Einweihung des Frie denspalastes einen Anspruch auf die aufrichtige Teilnahme der Völker nnd auf ihren Glück wunsch zu seiner Vollendung. Erinnern wollen wir uns aus diesem An kas. auch daran, daß in der ersten Anregung des russischen Kaisers der Gedanke einer inter nationalen Abrüstung erwogen war. Davon sind wir nun alleMngs in diesem Opferjchr 1913 weiter denn je entfernt, und wenn wir auch König Eduard VIl. von England ganz gewiß nicht den Vorwnrf eines Friedensfein des machen wollen, so hat seine unruhige Po litik doch die Armeeverstärkungen trotz der di plomatischen Vereinbarungen, die er veranlasse, beschleunigt. In London ist allerdings die Möglichkeit einer deutsch-englischen Verständi gung über eine Verminderung der Schiffstzau- ten erörtert, aber von der sympathisch begrüß ten Theorie bis zur praktischen Verwirklichung bleibt teilte selbst noch ein weiter Schritt. Der ernste Wille, den Frieden zu wahren, ist wich tiger. als Tabellen und Zahlen. Das alte Wort, daß sich der Mensch an alles gewöhne, trifft wohl auch bereits zu auf d e Lasten des bewaffneten Friedens. Viel, viel länger ist dieser, auch ohne Friedens-Pa last, schon erhalten geblieben, als je voraus gesagt war. Aber die bittepschwere Mühe, die es im letzten Jahre gekostet hat, den Balkan- krieg nicht in einen europäischen Krieg aus arten zu lassen, hat uns belehrt, wie wir da stehen. Früher galt ein Feldzugsbeginn als eine ernste, feierliche Angelegenheit. In den letzten Kriegen fiel der erste Schuß im Hand umdrehen, ja die Kriegserklärung unterblieb sogar oder wurde so nebensächlich behandelt, daß man merkte, daß sie aus dem Gedanken emporwuchs: „Gewalt geht vor Recht!" Wenn aus dem Friedenspalast im Haag gegen die sen letzten ungemein empfindlichen Zug der Zeit wirksam eingeschritten werden könnte, dann würve dort schon ein gewaltiges Werk geleistet sein. Die Leichtfertigkeit im Kriegs beginn ist die Schülerin des Blutvergießens. Jie Kaisermnijm M3. Die bevorstehenden Kaisermanöver zwischen dem fünfte» und sechsten Armeekorps werde» sich auf einem Boden entwickeln, der vor nunmehr 100 Jabren für alle deutschen Stamm: historische Bedeutung erlangt ha. Lieg', doch der Generalidee eine Auffrsjuug zugrunde, welche unmittelbar an die Lage vor der Schlacht an der Katzbach sich an- el »t. So wird das sechste Armeekorps (Bres lau) sich in die Rolle der Blüchmchen Armee hineinzuver'ehen haben, während dem fünften Auneckorps die Rolle des Angreifers zmglleu wird. Das fünfte Armeekorps, dellen Kaiser Parade am Dienstag in Posen slaügefundeu lat, wird sich in langwierigen schwierige» Märschen über die Oder in seins Anmarfch- stellung zu begeben haben, die westlich und nördlich von Liegnitz zu suchen ist, während die Ostarmee vor Schweidnitz operieren dürfte. Man wird also in dem gebirgigen Terrain, das an unsere Soldaten zum ersten Mal im Manöver schwierige Anforderungen stellt, auf hockinteressante Momente rechnen können. Das kaiserliche Hauptquartier befindet sich im Grand- Hotel des Bades Salzbrunn. Das großar tige, monumental wirkende Gebäude ist dem Kaiser von dem Fürste» Pleß dieserhalb zur Verfügung gestellt worden. Stand dec Manö- oerleitung ist Freiburg, des Militärkabinetts und des Kriegsministers Schweidnitz. ZiWimusslellW im Garten der GiWnser zu Mm Sonntag, den 7. September 1V13. In letzter Zeit hat die Ziegenzucht bedeu tende Fortschritte gemacht, da die Ziegenmilch vielfach von Aerzten als vorzügliches Nal? rungsmittel für kranke und gesuMe Menschen empfohlen wird. Es haben sich deshalb in vielen Orten die einzelnen Ziegenbesitzer zu Vereinen zusammengeschlossen, um gemeinsam gute Zuchttiere zu halten und bessere Nachzucht dadurch zu erzeugen. Die Ziege ist ein aus gezeichnetes Milchtier, jedoch gibt es unter den Ziegen genau so wie bei den Kühen, gute und schlechte Milchtiere. Man muß deshalb nur von besten Milchziegen die Jungen zur Nach zücht behalten, damit man nach und nach nur milchreiche Tiere erhält. Wenn auch dieses Zuchtziel erst in einer Reihe von Jahren zu erreichen ist, so ist dies doch möglich, sobald diese Züchlungsgrundsätze genau befolgt wer den. Weil die Ziegen mit ihren Hörnern schon oft viel Schaden angerichtet haben, hat man in letzter Zeit die Hörner derselben weggezüH- tet und hat jetzt fast nur noch hornlose Zis gen, entweder von weißer, grauer oder bunterFarbe. Seit einigen Jahren ist in Reichenbrand nnd Umgegend unter der Leitung des Herrn Hausbesitzers Moritz Lange daselbst die Zie genzucht-Genosscnschaft Reichenbrand und Um gegend gegründet worden, welche die hornlose weiße Ziege züchtet und schon sehr gute Er folge damit zu verzeichnen hat. Um den dor tigen Züchtern Gelegenheit zu bieten, ihre Tiere durch ein Preisgericht beurteilen zu lassen und andere Interessenten diese Tiere zur Schau zu stellen, veranstaltet das Direktorium des Land wirtschaftlichen Kreisvereins zu Chemnitz Sonn tag, den 7. September d. I. im Garten des Gasthauses zu Grüna, in der Nähe des Bahn- Hofes, eine Preis-Ziegenschau. Zu derselben sind vom Landw. Kreisverein Staatspreise er beten worden und sei hierbei bemerkt, daß nicht nur Mitglieder der genannten Ziegen zucht-Genossenschaft, sondern anch andere Zie- genzücbter ausstellen können, jedoch müssen sie dazu ihre Tiere spätestens bis 1. September d. I. beim Landw. Kreisverein zu Chemnitz, Sonnenstraße 27, mit Angabe des Geschlechts, des Akters, der Farbe und der Abstammung der Tiere anmelden. Der Auftrieb der Tiere hat vormittags 8 Ubr zu erfolgen, um 11 Uhr wird die Aus stellung eröffnet werden. Nachmittags von 2 Ubr ab findet Konzert und Vorführung der prämiierten Tiere statt. Um den Züchtern auch die Möglichkeit zu bieten, ihre Melkferticp keit zu zeigen, denn vom richtigen Melken bängt die Milchergiebigkeit der Tiere mit ab, wird nachmittags 4 Ubr ein Preismelken mit Prämiierung stattfinden. Um 5 Uhr erfolgt dann die Bekanntgabe der zucrkannten Preise. Das Eintrittsgeld beträgt für erwachsene Personen 30 Pfg., für Kinder 10 Pfg. Bernhard von der Eiche. Roman von Baronin Gabriele v. Schlippcnbach. ! 44. Iorisctzung. (Nachdr. verböte''. > Bern'ard von der Eiche fuhr in seltsamer Erregung von Mon Rcpos fort. Das ilm von seinem Vater anvertrante Geheim» s schic» irgend Ivie mit dem Olaitte» Irmgards in Verbindung zu sein. Daß der Name Ger ard nicht der eigentliche des Millionärs war, ahnte der Hochofenchef. Ein dichter Schleier hüllte alles ein, ohne sicheren Anhalt war er nicht zu heben. Und wie sollte es Eiche tun? War das Original des Oelgemäldes mit d.r verblichenen Photographie im Album seiner Mutter, der Majorin von der Eiche, identisch?" „Vielleicht enthüllt die Zeit, was so ver worren scheint, daß niemand die krausen Fä den ordne» kann," dachte Bernhard. Die beiden neuen Hochöfen brachte» so viel Arbeit mit sich, daß dem jungen Chef keine Zeit zum Grübeln blieb. Luise und Ines hatten jetzt einige Male in der Woche Verabredungen. Sie lasen zu jammen, besuchten ihre Armen und nähten für sie. Die Frau Amtsrichter mußte noch länger fortbleiben und bat Fräulein Krause, sic zu vertrcteu. Luise blieb nur zu gern. Sie Hütte Rößliugcn lieb gewonnen. Das Hochofenwerk, der ganze Betrieb, die Arbei ter, alles interessiere sie, und dieses Interesse ging von dem aus, der die verschlungenen Fäden in den kraftvollen Händen hielt, der in rastloser Tätigkeit an der Spitze des großen, schwierigen Unternehmens stand. War es ein Wunder, daß das Mädchenhcrz deujenige i liebte, dem sie bewundernd gegenübcrstand? Und etwas von dieser geheimen Liebe war Bern hard im Laufe der Zeit bewußt geworden. Etwas sprach auch in seinem Herzen für Luise, in der ev- die Fran sah, die treu durch Stürme und lichie Tage mit dem Manne i - rcr Wall gehen würde. Hertas Briefe an die Geschwister klangen in dieser Zeit schon, viel weniger siegeSgewü . Bernhard und Ines waren ihrsNvegen unruhig und beschlösse», ihre Reise zuersl »ach Mün chen zu nmcheii, um zu sehen, wie es der Schwester ging. Ende Mai trat Bernhard seinen Urlcnw an, und für drei Wochen sagte er seinen Oese» Lebewcjhl, schüttelte de» Arbeitsstück vo» sich, nm ein freier Mensch zu werde», dem die schöne Gotteswelt entgegenlachte. Sie reiste» mit einem kurzen Au enthalt in Nürnberg weiter und kamen spät abends in der Jsarstadr em. Es hatte Bernhard und Ines befremdet, daß sie ans ihre letzten Brie c von Herta keine Antwort erhalten hatten. Eine große Unruhe bemächtigte sich ihrer, als sie in der Herreustraße bei der Wirtin anfra^ ten, und diese ihnen nickps näheres über den Verbleib ihrer einstigen Mieterin sagen konnte. Professor Beverstein war verreist und die Aku demie geschlossen bis zum Herbst. „O, was sollen wir tun, Hardy?" srape Ines. „Einfach auf der Polizei Nachfragen, Schwesterchen." „Vielleicht ist Herta überhaupt nicht mehr in München. Wo finden wir sie? Am Ende ist ihr etwas zugestoßen." Ines Augen flossen über. Endlich erfuhren die Geschwister, daß eine Frau von Randen in der Arcisstrase in einer Dachkammer lebte. Als die Eiches das hohe häßliche Hans sahen, schlich eine trübe Vorahnung in ihre Herzen. Sie wurde bestätiglt durch die Wirtin, die Herta die Stube vermietet halte. „Die Frau Baronin ist im städtische» Krankenhause, vorgestern hat man sic fortge- bracht," sagte die Frau in ihrem gleichgültigen Ton. „Sie muß schon lange krank gewesen sein, sie schleppte sich nur noch umbcr. Ja, ja, das viele Malen für das Geschäft ist dar an schuld und die schlechte Kost. Na, ich hpbe es ihr gesagt, sie wollte nicht hören." „Ich möchte das Zimmer sehen," flüsterte Ines dem Brüder zu. „Unsere liebe, arme Herta." Die Vermieterin öffnete eine schmale nie dere Tür. Bernhard und Ines standen in dem dürftigen Raum. „Hier lat sie gewohnt." Die Sonne beschien grell seine ganze Arm- dlig'eit, die häßliche, gelbe Tapete mit den roten Blumen, das eiserne Bett mit der dün nen Matratze, die abgcsroßenen, wenigen Mö bel. lind auf dem Tisch einige der gemalten Facher und Visilenkarlentäschchen. Die Vermieterin deutete darauf. „Ich soll sie zu Münster Strauß bringen," sagte sie. „ES ist das Geschäft, für das die Frau Ba ronin arbeitete." Ines Tränen flove» reichlich. „Was fehlt Fr m von Randen?" fragte Bernhard und seine Stimme bebte: war doch auch er tisf ergriffen. „Ich glaube, es ist Gehirnentzündung oder so etwas. Sie batte oft Kopfschmerzen." Die Geschwister fuhren ins Krankenhaus. Sie fanden Herra in dem gemeinschaftlichen Saal, ivo außer dem ihren noch 15 Betten besetzt waren. Sie war ohne Bewußtsein und bis zur Unkenntlichkeit verändert. Fast keine Spur des blühenden, jungen Weibes war übrig geblieben. Während Ines auf dem Stuhl neben dem Lager der Schwester saß, frag e Bernhard den Arzt nach dem Zustande seiner Patientin aus und erfuhr, daß es sehr ernst um sie stehe. Ein Privatzimmer war frei; man brachte Herta dorthin und legte den abgezehrten Körper in ein bequemeres Bett. „Hardy, ich möchte die Pflege übernel? men," sagte Ines. „Wie könnte ich Herta fremden Händen anverlrauen, wenn ich selbst alles verstehe, was sie braucht." „Und Deine Reise, Kleines?" Es zuckte etwas wie Bedauern um den rosigen Mädchenmund. „Die gebe ich natürlich ans, Hardy!" „Du liebes, gutes Kind!" Gerührt schloß der Bruder die kleine Opferwillige in die Arme. Herta redete allerlei wirres Zeug durchein ander; bald sprach sie mit Thea Schönhausen!, bald beschwor sie den Professor, ihr nicht die Hoffnung zu nehmen, daß sie es doch noch zu etwas Großem bringen werde. Dann wieder traten Bilder aus früheren Zeiten in den Vordergrund. Sie wähnte sich in Randenha gen und bat ihren Mann, zu ihr zu kommen, ihr nicht böse zu sein. Wie ein roter Faden zog es sich durch alle ihre Fieberreden. „Ines, ich telegraphiere Randen, er muß Herkommen." „Tue es, Hardy, es ist das Richtige. Ich bleibe die Nacht gleich hier; schicke mir mei nen Renekorb." lind Ines blieb. Sie wachte bei der Schwester; cs wurde immer schlimmer; des Arzres Gesicht verriet es. Die junge Kranken pflegerin betete zum Herrn iiber Tod und Le ben, daß er Genesung sende, nicht allein für den Körper, auch für die kämpfende Seele Hertas. — — — Randen war von seiner weiten Reise hcimgekehrt, als er Bernhards Drahtnachricht bekam. Er eilte an das Krankenbett der noch immer treu geliebten Frau. „Gvtt wende alles zum Guten," dachte er bewegt. Als er in München ankam, stand es ge- rade sehr ernst mit Herta. Die Krisis wurde erwartet und der Arzt gab wenig Hoffnung. (Fortsetzung folgt.)