Volltext Seite (XML)
SMM im HopiiIInii-EiMAlrr Amtier 40. Jahrgang Rr. 18» Sonnabend, den 16 August 1»16 Km»t ei» NMtrl? lieber der brstgarischen Hauptstadl Sofia kästet eine un-heimliche Schwüle, die trotz des FNedeusschlusses von Bukarest den Ausbruch eines nahen Gewitters als nicht unmöglich erscheinen läßt. Es feilt nicht an Stimmen, die das energisch bestreiten, aber wir haben die Ereignisse von 1886 als Zeichen dafür, was dort zu Lande möglich ist. Damals wurde FOrst Alexander von denselben Osfi zieren verraten, mit denen er ein Jahr vor her bei Sliwnitza und bei Pirot die Serben geschlagen hatte; er wurde gefangen genom men, zwar wieder befreit, dankte absr dennoch ab, obwohl er von seinem Volke vergöttert wurde. Seine Stellung war eben unhaltbar geworden. Sein Nachfolger König Ferdinand hat sein silbernes Regierungsjubitäum gefeiert; aber obwohl er drs frühere Vasalleufürstentmn Bulgarien von der Türkei unabhängig gemacht und zum Königreich erhoben hatte, ist er doch nickst wirklich vollst mlich, und durch den zwci'.eu Balkankricg und dessen blutige Ver tust: ist er persönlich in eine schwere Lage gekommen; Unter den heutigen bulgarischen aktiven Generalen befindet sich auch derjenige Haupt mann, der 1886 dem Fürsten Alexander die Abdankungsurkunde vo-rgelegt unk ihn, einen Revolver unter gemeinen Schimpfworleu an die Stirne gesetzt hatte, worauf der Först un terzeichnete. Schon das Avancement dieses Mannes zeigt, daß die bulgarische Armee sich als den wichtigsten Faktor im Lande betrach tct und i» der Tat hat sie mit der Regie rnng manche acnstc Meinungsverschiedenheit ausgekochten. In den beiden Balkankricgcn Hal sie furchtbare Verluste erlitten und, was für il.re Führer am meisten ins Gewich. fäll-, am Ende doch keine Erfolge gehabt. Die Ge nerale machen für das Mißgeschick, das sie nm allen Sicgeslohn gebracht hat, den König Ferdinand verantwortlich, obwohl die Schuld dem Ministerium Danew zuzuschrcibeu ist. Klar ist aber noch keineswegs, ob die Armee oder das Ministerium den Krieg begonnen hat. Mau mutz daran denken, datz Ferdinand »voll seinem Ministerium, aber kaum seiner Armee in den Weg treten konnte, sodatz den Führern der letzteren zum mindesten ein Teil der Schuld zugeschriel en werden mutz. Bei solchen Katastrophen, die ein ganzes Volk auf das furchtbarste erschüttern, wird immer nach einem Sündenbock gesucht. Die Franzosen machten 1870 den Marschall Ba zaiue verautwottlich, die Engländer im Bu renkrieg den im Vorjahr verstorbenen General Buller, die Russen im Japankriege den Ober- lefellsl aber Kuropalkin. Die bulgarische A» mee erhebt nun Anklage gegen ihren König, obwohl dieser in seinem jüngsten Heerbesehl erklärt hat, die Truppen seien nicht besiegt, sondern nur erschöpft. Aber die Erbitterung, datz trotz alter Menschenopfer nicht das Er hoffte erreicht, datz den Serben und Griechen im Verhältnis weit mehr zugefallen ist wie den Bulgaren, obwohl dieselben eine weit härtere Der in Bukarest geschlossene Friede und die von Rußland und Oesterreich ang>strebte Rcvi- siousfrage hat in den letzten Tagen zu Heftiglu Erörterungen Anlaß gegeben, nm so mehr, als auf Seilen des Dreibundes Deutschland und Italien ebenso wenig Neigung zu einer Inter vention der unter den Balkanvölkcru getroffenen Vereinbarungen zeigten, wie auf Seiten der Triplcentente England und Frankreich. Im Kampfesarbeit geleistet haben, ist so groß, das; darüber die Tatsachen vergessen werden. Man sagt, König Ferdinand mutzte ein Mittel fin den, feinem Staate den Siegespreis zu sichern. Wofür ist er König? So stehen die Dinge. Der Gekantengang der Bulgaren ist wmig logisch, aber — ein Sündenbock mutz sein! Vielleicht wird eine neue Genialität vertp tet; aber datz König Ferdinand gehl, wenn er mit guter Manier zugunsten seines ältesten Sohnes abdanken kann, das wird immer wahrschein licher. Interesse des Friedens kann es daher nur bc grüßt werden, wcnn die europäische Diplomatie cs ablchnte, sich in das Balkanabenteucr zu stürzen und neuen Konfliktstoff zu schaffen. Unser Bild zeigt die verantwortlichen Leiter der auswärtigen Politik des Dreibundes. Von links nach rechts: San Giuliano (Italien), Graf Berchtold (Lesterreich - Ungarn), Staatssekretär v. Jagow (Deutschland). Kleine Thronet * Die Hitze in Amerika. Während ans dem ganzen Deutschen Reiche und aus der Schweiz Kälte gemeldet wird, dauert iu den Vereinigten Staaten von Kansas bis Texas die Hitze von 38 Grad Celsius au. Die Flüsse sind cinge- trvcknet, die Ernte ist durch Negenmangel ver nichtet. * Die deutsch-dänische Grünland-Expedition, die der deutsche Meteorologe N. Wagner und der dänische Polarforscher Hauptmann Koch lei teten, ist mit reicher wissenschaftlicher Ausbeute heimgekehrt. Die Expedition war die erste, die ihre sämtlichen Laudrciseu mit Jsland-Ponies ausgeführt hat. Sonst werden Polar-Hunde als Zugtiere verwandt, die sehr genügsam und aus dauernd sind. * Ans dem Ostprcußischcn Rundflng, au dem besonders deutsche Flieger-Offiziere tcilgeuvuuucn haben, sind tüchtige Leistungen vollbracht worden, denn das Weiter war besonders während der letzten Tage das denkbar ungünstigste. Es goß manchmal iu Strömen und wegen des nebligen Wetters mußten die meisten Strecken nach dem Kompaß geflogen werden. Ein Zwischenfall ereignete sich insofern, als das Flugzeug des Leutnants Pretzell in der Nähe der russischen Grenze von einem russischen Grenzsoldaten be schossen wurde. Eine Kugel durchschlug, wie schon gestern gemeldet, den linken Flügel des Flug apparates. Die Durchlöcherung der Leinwand schadete glücklicherweise dem Apparat nichts. Hätte die Kugel deu Flieger getroffen, wäre er getötet worden. * Eine seltene Naturerscheinung, ein Kugel blitz, wurde bci Berlin beobachtet. Man bemerkte eine sreischwebende Helle Wvlkenscheibe, die sich etwa 2 Meter über dem Erdboden befand und eirren Durchmesser von etwa 25 Zentimetern hatte. Plötzlich explodierte diese Scheibe mit außerordentlich heftigem Knall, nud Blitze schossen aus der Scheibe heraus. Einer dieser Blitze zer störte eine Fernsprcch-Anlage. Zur Zeit der Erscheinung war der Himmel bedeckt, und es siel ein leichter Regen. * Explosion in einem Bergwerk. Auf der Zeche „Ludwig" in Essen-Rellinghausen explodierte beim Abteufcn eines neuen Schachtes ein durch Bohrarbeiten bloßgclegtcr, bci früheren Spreng arbeiten nicht lvsgegangener Sprcngschuß. Durch umherfliegende Gcstcinsmassen wurde ein Berg mann getötet; ein anderer wurde schwer und drei leicht verletzt. * Begnadigte Offiziere. Der in Lemberg im Dezember wegen überwiesener Ausspähung zu viereinhalb Jahren Kerker verurteilte russische Die Leiter der auswärtigen Politik des Dreibundes. Bernhard von der Eiche Romau von Baronin Gabriele v. Schlippenbach. N2) (Nachdr. verb.) Während sic eifrig über die Chancen dis kotierten, stieg Herta langsam die Treppe zur Mansarde hinauf. Sie satt« den öden Raum nach und nach cnvas wohnlicher zn gestalten versucht. Ein kleiner Teppich lag auf dem Fußboden, neue Gardinen wrren angebracht, ein besseres Waschgeschirr war anstelle des brüchigen gesetzt und über das eiserne Bett eine wcitzc WoKdeckc gebreitet. Trotzdem iah es noch dürftig genug ans in dem schmalen Raum mit den schräg abfallenden Wänden. Von der eleganten Erscheinung der Baronin Randen war auch vieles abgesgllen. Ihre Kleider waren vertragen, sie sah angegriffen aus und ein Zug der Sorge lag nm ihren scingeschnittenen Mund und in den übernatm lub groß gewordenen Augen, die etwas Su chendes halten. Was suchte sie? Den Ruhm, der beiß umworben wie ein wesenloser Schäf ten vor ilr gaukelte. Sie streckte die Hände nach ihm aus, zitternde, fiebernde Hände, aber sic erhaschte iln nübt. Sie sagte sich, daß die Zeil zu kurz war, datz sie noch ans keinen Er sog rechnen durste. Und sic spannte alle ihre Krätze an, sie arbeitete mit eisernem Fleiß. Galt es doch zu beweisen, das; sie. nicht recht gehandelt, als sie sich frei machte, daß sic zu etwas Höherem als bloß zur einfachen Guts- besitzersftau geboren war. Sie hatte nicht die Mikel, ein eigenes Atelier zu mieten, und mutzte daher Thea S hön ausens Anerbieten, bei ihr zu malen, danl'bar an nehmen, denn sic arbeitete auch außer' alb der Kurse und ver suchte das in der Akademie Gelernte zu ver wertem Tie burschikose Art Theas stieß Herch ab. Lie fühlte sich überhaupt in dem Kreise fremd, in den sic durch die Schönhausen hin- cingezogen wurde. Es waren Elemente dar in, die bisher der Baronin Randen fern ge blieben waren. Sie fühlte und dachte anders, wie dieses leichtlebige, frei urteilende PöKchen. Herta war schwerblütig, und mau fand sie stolz und unnahbar. Am meisten fühlte es Mandel. Er hatte vergeblich »ersucht, sich der jungen Frau zu nähern; seine Bewunderung ärgerte Thea und stieß Herta ab. Sic zeigte es ihm unumwunden. Zuerst blieb sic still arbeitend im Atelier, wenn Alfredo dort war und seine Modelle ihm standen. Schweigend vmttcftc sich Herta in ihre Malerei, aber sic konnte >itr Ohr nicht verschliefen. Sie »ins le die Witze des kleinen Porträtmalers mit an hören; Theas ungezwungener Vcr.elr mil ibm, ilr abwechselndes Zanken und Verlranlsein, waren von Randen io nnangcnclm, datz sie nach inw nach das Atelier nnr noch dann benutzte, wenn Mandel fort war. Einige Male batte Thea sie nm größere oder Heinere Geld summen gebeten, die sie wiederzngebcn ver 'prach. Aber sie mutzte es wohl vergessen hä ben, cs war nie mehr die Rede davon. So lparsam Herta zu leben glaubte, so schmolz doch ihre Bar'chaft erschreckend schnell znstim men. Sic aß zu Mittag in einem Rcsianrant in dar Nähe der Akademie, wo noch mehrcre Schülcr Bepersteins einkebnen. Olt berührte HeKa kaum die Speisen, die ihrem verwöhn ten Geschmack widerslreblen. Am Abend Holle sic sich kalten Außchnilt nnd Brol, dazu gab cs Bier oder Tee. Nie eine Abwechslung in der Kost. Ihr fester Schlaf war ihr treulos geworden. Sie lag o t die Ha-Den Nächte hin durch tu ilrem harten, schmalen Bett wach mm au, leisen Soblcn schlich ein graues Ge spenst heran. Fran Sorge las an ihrem La ger, Frau Sarge ging mit ihr durch den ar Nimrcichen Tag. Wenn Herta sich gelänscht ; alm, wenn sic wirklich nichts erreichte, was sch'bc sie tun? Brennende Schani ttieb ibv das Blnt in die blap gewordenen Wangen, Scham vor dein Mann, den sie so herzlos verlassen, vor den Geschwistern, denen sie so siegesgewiß gestl rieben, Scham vor der Tante, die ihr das Geld mir geliclen, nickt geschenkt hatte. Professor' Beyerstein war aus die schöne, vornehme Schülerin aufmerksam geworden. Er vermutete, daß sie viele Stürme durchlebt, ehe sie nach München kam und er erzählte seiner Fran von Herta. „Hat sie Talent?" jragte d>e alte Dame. „In gewissem Grade ja, aber sie wird nie Bedeutendes leisten," sagte der Professor. „Schade, sic Hw einen eisernen Fleiß, ich fürchte ans Kosten ihrer Gesundheit, lind sie mutz sich nicht glücklich fühlen, sic ist gewiß an andere LebenSverhättnisse gewöhnt. Wir sollten uns ihrer etwas anuehmen." Trotz der outen "Absicht blieb es vvoläufig noch dabei. Herta wußte die Billigkeit der Mansarde bei Fran Huber zu schätzen. Sie wäre trotz des rücken Unangenehmen noch länger daselbst wohnen geölte en, aber vor zwei Tagen ivar Alftedo Mandel ihr auf der Treppe begegnet, Ivar mit ihr hinaufgesliegen und hatte ihr eine halbe Liebeserklärung gemacht. Herta schnitt sie kurz ab, indem sie i! m mit scharfen Wor teu das Ungeziemliche seines Betragens denr sich inactte. Sie Ivar dann bebend vor Ent- r. slung in it re elende Mansarde geeilt und ivar in Tränen rusgebrochen. Sie kam sich ganz nnd ga-r schuldlos vor. Und plötzlich dachte sie an ihren Mann, sie sehnte sich nach seinem Sebuu, narb dem starben treuen Arm, den üe von sich gestoßen hatte. Wie freundlich und notzüchtig ivar er gewesen, immer be- m ft :, sic zn erfreuen, ihre Launen ertragend, für jede noch so kleine Aufmerksamkeit dank bar. Emma- lalle sie iln» Blumen auf den Schreibtisch gestellt. Er halte cs wie etwas Großes ausgesaßl, ilr wie hör ein wertvolles Geschenk gedankt. Und sie hatte seine zahl losen Rücksichten ivie etwas selbstverständliches mit der Herablassung einer Fürstin hinge- nommen. Nein, fort mit diesen Erinnerungen. Sic durfte nicht an sic dcnten, sie wollte es nicht! lind sic schloß die Angen. Heiße Tränen gnolien unter den Wimpern hervor. Wie auf Hellem Goldgründe tauchte Schlaf: Randen lagen in ihrer Erinnerung auf. Durch die Allee, die dm-.hin führte, tcabte ein Reiter auf seurigem Pftrde. Es ivar Randen. Er sah un Sattel sehr gut aus, als früherer Kaval- lerieo'ßiziae ri.l er schneidig. Warum war Herta i' m nicht entgcgengccitt, als sein Ange nutzend, wie erwartungsvoll zu ihrem Fenster empvrschwcisle. Sic bedauer.c cs setzt zuwei len. Ganz leise sprach die ehrliche Stimme in ßr, die nicht zn betäuben war: „Du hast nicht recht an dem Manne gchandell, der Dir seine golducue Liebe schenkte, der vergeblich um Deine lyegenliebe warb." Herta hatte in der Nähe der Akademie ein Zimmer gemietet. Es ivar viel größer und besser möbliert als dm Mansarde, allerdings ivar es auch Doppelt so teuer. Aber dafür ivar sie setzt frei und konnte an dem einen der grasen Fensler ihre Staffelei aufstellen. Es ivar Hertas Absicht gewesen, sich der Land ahaftsmalerei zn widmen, aber der Baum chlag beretzele ilr große Schwierigkeiten, und alt lies: sie den Pinsel muckos sinken. Nach einer etwas angeregten Auseinandersetzung mit Tlea Schönhausen verlies Fran von Randen das l ol e, düstere Hans, in dem sie so viele Monate gewohnt hatte. Sie ttmelc auf, als sie dic schwere Tür Himer sich zusollen hörte, und dock) überkam sie es wie eine große Var lassenheit. Nun hatte sie niemand in der gro ßen Stadt, der ihr näher stand, der ein In tercsse an il r nal m. „Ich mutz meinen Weg allein gehen, ich habe es selbst gewollt," das darbte Hm.a, als sie in der Droschke mit ilrem Reisekorb ihrer neuen Wolnnng in der Herrenstras e Zufuhr. Die Zeil verging Immer mutloser sank die Hand der jungen Malerin herab, es ka men Tage, an denen sic nicht arbeiten konnte. Tann suchte sie der Stadt zn culfliehew, sie ettte ins Freie Hinans. Der Lenz ivar gekommen. Es sproßte und trieb an allen Enden. Bunke, zarte Blumen ichlngen die Augen au', und dic grünen Schleier der Birken wetzten. Herta hatte ihr Slizzeubuch mitgenommen; sie saß auf einem Baumstumpf und zeichnete. Heute ivar es keine Landschaft, sie entwarf ein Blumenmärchen. Schlanke, zaftbelaubu Weidenzweige, mit den wolligen .gäbet en daran, darunter die Maß liebchen und sinnigen Glockenblumen. Ein Fal ter wiegte sich Darüber. Wie wohkgelungen das harmlose Bildchen ivar. Herta führte es zu Haine in Agrarellfarhen aus; diele neue "Art zu malen, machte ilr Freude. Sie leche das Bildchen in ihre Mappe, die sie zur Akademie mklzunchncn pflegte, ater sie vergaß cs iß er den Sorgen, dem fieberhaften Ringen mutz dem hohen Ziel, dem sie nachjagt, ohne es zu Haschen. (Fortsetzung folgt.)