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WM M Phmßri^ffr^Idlilkr AilstiUl Tageblatt. Dienstag, de« S« August t»18 4». Jahrgang Rr. l»7 W D» SlchWM« »kW» SM in Jahre l«lZ: Theodor Amr. (Zum 26. August 1913.) Bei einem Streifzug der Lützower gegen eine französische Transportkolonne nahe Wöb belin traf ihn dSe tödliche Kugel, den Dichte» jüngling aus dem Sachsenland. „Es schadet nicht", waren seine letzten Worts. Bald ver schied er. Damit verstummte ein Mund, dem Gott der Herr selten« Kraft über die nrit Tod und täglicher Mühsal ringenden Befrei- ungEmpfer gegeben hatte. Denn ob schon vordem in Wien als dramatischer Dichter an erkannt, wuchs er 1813 über sich selbst empor, schuf er jetzt Lieder ersten Ranges, bei tvel- chen man nicht weiß, ob die wunderbare Form oder der köstliche Inhalt sie so rasch verbreiten und erlernen ließ. Schon 1812 hottte er vor der Büste der Königin Luise bekannt: „Tief führt der Herr durch Nacht und durch Ver derben; so sollen wir im Kampf das Heil er werben", aber seit er am 19. März in Schle sien als Freiwilliger eintraf — aus der ersten Wonne bräutlichen Glücks, aus dem vscsuch- lichen Glanze irdischen Ruhms, ans dem Kreis kosmopolitischer Schöngeister sich losraißend — da werden die Klänge seiner Leier immer vol ler, immer gläubiger: „So betet, daß die alle Kraft erwache!" bittet er die Frauen und Mäd chen im .Ausrufs'. „T^r Herr ist unsre Zu versicht, wie schwer der Kamps auch werde" ruft er den Soldaten zu. Und ob er nun ein keckes Mavschlied oder ein ernstes Schlack" tenlied anstimmt, immer leuchtet derselbe Ge danke durch all die neuen, begeisternden Worte: „Hinter uns im Graun der Nächte liegt die Schande, liegt die Schmach, liegt der Frevel fiemder Knechte, der die deutsche Eiche brach. . . . . Vor uns liegt ein Micklich Hoffen, liegt der Zukunft goldne Zeit. . . . Aber noch gilt es ein gräßliches Wagen, Leben und Mut in die Schanze zu schlagen-, nur in dem Op< sertod reift uns das Glück". Diese selbstlose Opfarsreudigkeit, er hat sie in die Herzen hin- eingesungen, wo sie noch nicht erblüht war, er hat sie veredelt, wo sie ohne Gotteszuver sicht war, er hat sie durch die Tat gelehrt, da er mit 22 Jahven schon auf fernem Schlachtfeld für sein Vaterland das Leben hingab. Kn. Wie und durch>effen Hand fiel vor IVO Jahren der Dichter Theodor Körner? Von Dr. P. Lipsius. Nachdruck verboten. Bekanntlich schwebt über dem Tode des am 26. August 1813 in dem Gefechte bei Gadebusch — an der Straße nach Schwerin — gefallenen Heldensängers Theodor Körner insofern ein gewisses Dunkel, als die Berichte, wie und durch wessen Hand der kühne Strei ter sein junges Leben aushauchte, sehr von einander abweichen, ja, sich sogar teilweise widersprechen. Die landläufige Erzählung ist die, baß die wackocen Lützower — unter de nen sich auch Körner befand — bei Aushebung einer feindlichen Munitions- oder Proviam- kolonne von den in den anliegenden Wald geflüchteten Begleitungsmannschafton aus dem schützenden Unterholze angegriffen wurden, wobei Körner, der, das Trompetensignal zum Sammeln überhörend, mit gezücktem Säbel auf die versteckten Angreifer losstürmte, die To deswunde empfing, mit ihm noch drei andere per vom Feinde so sehr gefürchteten „Schwar zen", die dann gemeinsam unter der Eiche bei Wöbbelin ihre letzte Ruhestätte sanden . . . Zunächst scheint die traurige Gewißheit festzustehen, daß es ein Deutscher war, von dessen Hand unser Held fiel, unb zwar einer von den vielen, die gezwungen in französische Kriegsdienste hatten treten müssen. Diese Am Nähme stützt sich auf folgende, s. Z. veröf fentlichte Urkunden, die wir vier Wichtigkeit wegen 'im Wortlaute folgen lassen. Die eine besagt: „Daß man oft hört, ein Deutscher habe unsern Dichter K. Th. Körner erschossen, mag in Folgendem seinen Grund haben. Der frühere Besitzer von Schloß Dhaun besaß eine Urkunde, in welcher ein Förster, der auf französischer Seite im Freiheitskriege ksimpfte, mitteilt, daß sein Nebenmann, ein Hunsrü'- kcr, wenn ich mich genau besinne, aus B - chenbeuren oder Lützbeuren in der Nähö von Kirchberg, den Dichter erschoß. In der Ur kunde wird geklagt, daß es ein Deutscher sein mutzte. Ja, seiner Gesinnung und Abstam mung nach war es wohl ein Deutscher, aber 1789 bis 1815 waren autzer den Hunsrückern noch mehr Deutsche notgedrungen französisch,." Die Witwe Weimann auf Dhaun, die im Besitze dieser Urkunde war, stammte aus einer Kirchberger Lehversfamilie und mag durch ihre Verwandten zu dem interessanten Schrift stücke gelangt sein,. Eine andere Urkunde freilich behauptet zwar auch,, der, der den Dichter niedevgestreckt labe, sei sin Deutscher gewesen, aber der um glückliche Schütze habe dem Kreise Kreuznach angehört. Den ganzen Vorgang habe er, der Schreiber, aus dem eigenen Munde desjeni gen, der Körner srschotz, gehört. Es war'ein Deutscher, der es voll und ganz bis an sein Ende geblieben sei. Geboren im Kreise Kreuz nach, sei er von Napoleon eingezogen und unter die Grenadiere gesteckt worden. „Am 26. August 1813 wurde er zur Bedeckung einer größeren Proviantkolonne kommandiert. Kör ner, dar davon Kenntnis hatte, lauerte der Kolonne an einer geeigneten Stelle im Walde mit seinen Leuten auf. Als die Franzosen langsam und ahnungslos inmitten dor ihnen auflauernden Deutschen waren, wurden sie von allen Seiten von einem mörderischen Gewehr- feuer beschossen und gleichzeitig mit gefälltem Bajonett und Kolben unter Hurra mächtig angegriffen. Theodor Körner, der, mit er hobenem Säbel seine Leute anführend, vor drang, wollte gerade einen der Vordersten der inzwischen sich verzweifelt verteidigenden Fran zosen niederhauen, der ihm aber mit seiner Waffe zuvorkam, so daß Körner tödlich g/e- troffen vor seinen Füßen niedersank. Der Schütze konnte nicht ahnen, welchem großen Dichter er sein junges, hoffnungsvolles Leben zu seines eigenen Lebens Schutz nahm'. Oft bereute er, daß er es gerade mutzte gewesen sein, den, sein eigenes Leben schützend, diesen tapferen großen Mann tötete. Erst vor weni gen Jahren ist der hochbetagte, sehr gxehxte Veteran in seiner Höimatgemeinde gestorben." Beide Urkunden stimmen darin überein, daß ein Deutscher den verhängnisvollen Schuß ta'l. Belanglos sind die Differenzen im Ein zelnen, z. B. betr. der Herkunft des unglück lichen Schützen — Hunsrücker oder Kreuz- nacher — u. a. Im übrigen stimmt, bis auf eine Abweichung, der letztere Bericht mit der eingangs erwähnten landläufigen Erzählung überein. Diese Abweichung besteht darin, daß Körner nach der letzteren aus dem Gebüsche, also meuchlerisch, nach unserer Urkunde offen von einem verzweifelt um sein Leben kämpf/ew den Gegner erschossen worden sei. Aber das Wie des ganzen Vorganges ist es, was bei weitem größere Schwierigkeiten verursacht als die Frage nach der Herkunft dessen, der die tödliche Kugel abgab. Nach neueren For schungen erhielt ar diese nicht während des Gefechtes, sondern nachher, als die Kolonne mit den Gefangenen und dem erbeuteten Pro viantzug nach Wöbbelin abzog, wo die übri gen Lützower lagerten. Der ganze Vorgang soll sich demnach — nach Fr. Kerst — so abgespielt haben: Körner ritt mit andern an der Spitze des Zuges, neben ihm marschier ten die Gefangenen. Die Lützower befanden sich infolge ihres leichten, schnellen Sieges in etwas übermütiger Laune und lachten und scherzten. Der Ausgelassensten einer war unser jugendlicher Held und Sänger Th. Körner, der, an sich schon feurigen Temperaments, sich in Spottreden über die Gefangenen erging. Unter diesen nun befand sich ein Offizier, der Derlisch verstand — ob er aus Deutschland stammte, bleibt dahingestellt. Diesen verdros sen die spöttischen Bemerkungen des jugend lichen Offiziers derart, daß er ein verborgen gehaltenes Pistot lervorzog und dem neben ihm reitenden Freiheitsdichter eine Kugel in den Unterleib jagte. Wer verbürgt nun diese Aufsehen erregen de, von aller Tradition abweichende Nachricht? Zwei evangelische Geistliche. Superintendent Stiefelhagen in Gummersbach machte als Lützower das Gadebuscher Gefecht mit. Er und die anderen Zeugen haben die Wahrheit aus gutem Grunde lange Jahre verschwiegen. Sie vermochten es nicht über sich zu gewin nen, den schönen Glauben, der sich bald nach Körners Tode durch eine Zeitungsnachricht im Volke verbreitete, mit rpuher Hand zu zer stören, daß nämlich unser Sänger und Held den schönen Tod auf dem Felde der Ehre ge storben ssi, den er so oft begeistert in seinen unsterblichen Liedern gepriesen hatte. Schließ lich hat aber Stiefelhagen doch den wahren Sachverhalt seinem Amtsbruder und .ungen Freunde Jüngst mitgeteilt, der s. Z. in Vier sen amtierte. Dieser veröffentlichte die sen sationelle Nachricht in einer kleinen Provin- zialzeitung, wo sie aber so gut wie unbeach'- tet blieb, bis das „Daheim" näheres darüber ist Siir vVinKZ, EK ish Mr» nivkEZ IrjvlLLiUGMgch, GL- sksh'8 M KÜiM! Bernhard von der Eiehe. Roman von Baronin Gabriele v. Gchlippeabach. 4v. Fortsetzung. (Nachdr. verboten.) Herta hatte sich soweit gesammelt, daß sie ein Lächeln erzwingen konnte. „Sie — Sie kommen wobl nicht direkt aus Ostpreußen, Herr von Thümer?" fragte sie stotternd. „Ich habe mich nur einen Tag in Barlin ausgehalten, gnädige Frau, ick reise jetzt zu meiner verheirateten Tochter nach Wiesbaden, wollte ober vorher meinen alten Freuud hier besuchen. Dars man fragen, wie Sie sich in der schönen Jsarstadt unterhalten!?" „O,' München ist ganz herrlich, die Um gebung besonders." Sie unterhielten sich einige Zeit darüber. Thümer berührte mit keinem Wort den Zweck von Hertas Anwesenheit in München. Sie wartete darauf und fürchtete sich doch davor. Eine Frage brannte ihr aus dem Herzen: Sie hätte gerne gewußt, wann Thümer Randen zuletzt gesehen Hatto, wie er ihn fand und ob er wohl gewesen sei. „Herr von Thümer, wann sahen Sie Friedrich?" Wie aus einer Pistole herausgeschossen sagte es Herta. ^Jm Januar vor seiner Reise." „War er gesund? Wie — wie sieht es in Randenhagen aus?" Gegen ihren Willen, wie dazu getrieben, mußte sie es fragen. „Friedrich ist Wohl und sehr tätig in der Wirtschaft. Er baut eine Sägmühle und muß sehr oft nach Königsberg hinuvtersayren. Jetzt macht er eine geschäftliche Reife nach Nord amerika; er versprach sich viel Abwechslung davon. Was soll der arme Kerl auch apein in dem großen, öden Hause!" Es klang ein leiser Tadel in diesen Wo» ten. Herta fühlte sich davon getroffen und senkte das Haupt. Halb mitleidig, halb ärgerlich blickte Thü mer aus die junge Frau nieder. Er war ihretwegen hergekommen, dar Besuch beim Professor diente nuk als Vorwand. Randen hatte den Onkel gebeten, nach München zu reisen, or sorgte sich um Horta, er möchte wissen, wie es ihr ging, ob sie nicht des Schutzes und Beistandes bedurfte. Und was or zu sehen glaubte, regte in Thümer die Neberzeugung an: „Sie ist nicht glücklich, sie hat das nicht gefunden, was sie hoffte. Viel leicht siebt sie ein, daß sie besser getan hätte, an der Seite des Mannes zu bleiben, der sie auf Händen trug." Andere Gäste kamen in das Zimmer und störten das Alleinfein vor beiden. Herta ent schlüpfte, sie atmete erleichtert auf. Sie be herrschte sich und blieb den ganzen Abend hei ter und belebt. Die Erregung trieb ihr das Blut in die Wangen, sie war bildschön. Mehr als einer dor Anwesenden bewunderte die überschlanke, anmutige Frau, die zu lachen verstand, während ihre große Augen zu wei nen schienen. Am andern Tage fühlte sich Herta so müde, daß sie später als sonst zur Akademie ging. Die meisten Schülerinnen und Schüler Beyer- steins waren schon fort. „Darf ich Sie um eine Unterredung bit ten, Frau Baronin?" fragte der Professor und hielt die Tür zu seinem Privatzimmer offen. Horta folgte ihm gespannt. Ihr Ahnungd vermögen sagte ihr, daß es etwas für ihr Le ben Tiefeinschneidendes sein würde, was sie in der nächsten Viertelstunde zu hören be komme. Nachdem Beyerstein ilr einen Stuhl ange boten, ging er einige Male im Zimmer auf und all. Er schien mit sich zu kämpfen und nach den richtigen Worten zu suchen. Endlich blieb er vor Herta stehen. Ein Ausdruck des Bedauerns malte sich auf seinem Gesicht, als er sagte: „Gnädige Frau, es fällt mir sehr schwer, Ihnen das mitzuteilen, was ich für meine Pflicht halte; ich hätte es schon lange tun müssen, konnte mich nur nicht dazu ent schließen. Eine Ahnung dessen, was sie hören werde, durchzitterte Herta. „Sie wollen mir sagen, daß — daß ich kein Talent habe," brachte sie gepreßt hervov. „Ja, gnädige Frau, es ist schade um Ihren Fleiß," versetzte der Professor. „Sie werden nur Dilettantin bleiben. Es klingt hart, nicht wahr?" „Ich habe es seit einiger Zeit selbst ge fürchtet," murmelte Herta, in sich zusammen sinkend. Ihr war wie dem Schiffbrüchigen zu Mute, der den Abgrund unter sich gähnen sieht. „Sehen Sie, Frau Baronin," ergriff Beyer stein das Wort, „es ist für den Lehrer schwer, mit der Wahrheit hinter dem Berg« zu blei ben. Ihre Begabung liegt nicht in der Lanb- schaftsmalerei, der Baumfchlag gelingt Ihnen nicht, und der Blick für die Perspektive fehlt, da geben Sie es lieber auf." „Aber was soll ich dann?" Traurig kam es von ihren Lippen. „Sie haben meiner Frau ein Blumenstück auf einen Schirm gemalt, dies ist sehr fein und ansprechend'. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich Ihnen rate, in Zukunft nur noch diese Art der Malerei zu betreiben. Sie können allerliebste Sächelchen für ein Geschäft anferti gen, das ich Ihnen nennen werde. Fächer, Schirme, Visitenkarten oder Albums. Es ist wirklich der beste Rat, den ich Ihnen geben kann, alles andelce führt zu nichts." Herta gab sich einen moralischen Ruck, sie suchte ruhig zu erscheinen, und das Zucken ihrer Lippen unter einem Lächeln zu ver bergen. „Ich danke Ihnen, Herr Professor," sagte sie, ausstehend, „ich — ich trete von heute an aus der Akademie aus, sie ist fortan für mich verschlossen." Sie tat ihm so leid, wie sie dastand, einen Zug wehen Entsagens aus dem blassen Gesicht. Dev Professor ergriff die schlaff herabhängende Frauenhand und hielt sie in der eigenen; dann sagte er: „Münster L Strauß, unser erstes Galante riewarengeschäft, kaust solche gemalten Gegen- stände. Ich will mit den Hevren Ihretwegen sprechen, ich glaube, sie nehmen etwas an/." (Fortsetzung folgt.)