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Tageblatt für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Lugau, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf re. Der »Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger" erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Mk. 1.50, bei Abholung in den Geschäfts stellen Mk. 1.25, durch die Post bezogen (außer Bestellgeld) Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Pfg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanstalten und die Landbriefträger entgegen. A> eilage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das „Illustrierte Sonntagsblatt'. — Anzeigengebühr für die Sgespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Pfg., für auswärts 15 Pfg.; im Reklameteil die Zeile 30Pfg. Die Lgefpaltene Zeile im amtlichen Teil 50 Pfg. 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Auf eine Revision des Fviedensvertrages, die von Deulfchland von vornherein abgelehnt und auch von Eng land, Frankreich und Italien nie beabsichtigt war, hat nach Rußlands Vorgang erfreulicher weise auch Oesterreich verzichtet. Allerdings wird Oesterreich den Friedensvertrag im Gegen satz zu den übrigen Großmächten nicht aner kennen. Das wird indessen keine politischen Folgen, haben, weil die Nichtanerkennung rein akademisch gedacht ist und nur zum Ausdruck bringen soll, daß Oesterreich den Bukarester Frieden für keine gute und gerechte Sache hält. Laut „Voss. Ztg." liegt eine offizielle Er klärung der russischen Regierung über einen Verzicht auf die Revision des Friedensvoctra- ges noch nicht vor. In allen Wiener poli tischen und militärischen Kreisen glaubt man aber, daß Oesterreich-Ungarn infolge des Ein- greßens des deutschen Kaisers aul der For derung der Überprüfung des Bukarester Ver trages nicht mehr wird beharren können. Mit der begonnenen Abrüstung zeigt Oesterreich auch deutlich, daß es einen militärischen Druck zur Durchsetzung der Revision nicht beab sichtigt. Aus der Rede des englischen Ministers Greg interessieren nach der Erledigung der ^enisionsfrage besonders die Darlegungen über d e TüH. Aus ibnen lat die Konstantino- pe'cr Regierung herausgehört, daß sie einen Angriff der Mächte auch dann nicht zu be fürchten hat, wenn Adcianopel von ihren Truppen besetzt bleibt. Herr Grey sagte aber nicht nur, die Gesamtheit der Großmächte würde sich nicht dazu entschließen, um frem der Interessen willen Opfer an Gut und Mut zu bringen, sondern er fügte auch hinzu, daß unter Umständen eine einzelne Großmacht, wenn sie heransgefordert würde, gegen die Türkei zu den Waffen greifen könnte. Aus dem Briefwechsel des Königs Carol von Rumänien mit den Königen der Balkum staalen ist der Passus aus dein Briese des Königs Ferdinand besonderer Beachtung wert, daß Bulgarien im kräftigenden Frieden und heißer Arbeit sein Leid zu vergessen und eine bessere Zukunft vorzubereiten trachten werde. Aus seinen Revanchegedanken macht König Ferdinand also niemandem gegenüber ein Hebl. Die Meldungen, die bulgarische Königs familie fühle sich in Softa unsicher und beab sichtige, längeren Aufenthalt im Auslande zu nehmen, wurden bisher dementiert. Anglist Bebel f. Zn Passugg bei Graubünden in derSck)twciz verstarb, wie schon gestern gemeldet, am Mitt woch früh im 74. Lebensjahre der Führer der sozialdemokratischen Partei, mid langjäh rige Reichstagsabgeordnete August Bebel. Die Beisetzung findet nicht in Berlin, sondern in Zürich statt, wo Bebel ein kleines Landhaus besäst und sich während der parlamentsfpeien Zeit seit einer Reihe von Jahren auszuhalten pflegte. Von dem sozialdemokratischen Triumvirat, das die Partei in ihren ersten Jahrzehnten leitete, Liebknecht, Singer und Bebel, ist die ser nun als der letzte dahingegangen. Wil- lelm Liebknecht starb schon im August 1900 im Alter von 74 Jrhren. Paul Singer ver starb im November 1910 im Alter von 65 Jabren. Bedeutender für die Partei als diese beiden war August Bebel, und es ist noch ungewiß, wer an seiner Stelle die Führung übernehmen wird. Die Autorität des Verstor benen besitzt kein einziger der Epigonen. August Bebel, der sich schon seit einer Reihe von Jahren eines Herzleidens wegen Schonung auserlegen mußte, war am 22. Fe bruar 1840 in Köln geboren und erlernte das Drechslochandwerk. Als 24jähriger machte er sich in Leipzig selbständig. Schon frühzeitig schloß er sich der Arbeiterbewegung an, deren Fülrer er bald werden sollte. Bereits 1867 wurde er zum Mitglieds des Norddeutschen Reichstags gewählt und gehörte von 1871 an a's Vertreter von Glauchau-Meerane, Dresden-Stadt, Hamburg, Straßburg und wich der Hamburg ununterbrochen der deutschen Volksvertretung an. Bebel war der letzte Ab geordnete nach dem unlängst erfolgten Tode des Zentrumsabgeordneten Lender, der dem Reichstage von 1867 an zugehört. Er war dem Lebensalter nach der Dritte unter sämtlichen Reichstags-rbgeordneten; älter als er sind nur die beiden Polnischen Mitglieder Fürst Radzi will und von Czavlinski. Der alte Bebel ge- lörte trotz seiner radikalen Parteistcllung zu denjenigen Abgeordneten, die stets das Ohr des Hanfes fanden. Im höheren Alter suchte er auch mäßigend auf die Stürmer in seiner Partei einzuwirken, wenn er auch dem Revi sionismus keine Konzessionen machte und den scharfen Parteistandpunkt niemals verließ. In seiner Partei ist der Verstorbene, der selbst des Fürsten Bülow Anerkennung erfuhr, uner setzlich. * Prehstimmen. Die „Tägl. Rundschau" frgt: Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, daß auch die Sozial demokratie ohne ihn nun sterben müsse, denn sie bat schon lange so gut wie ohne ihn ge lebt. Freilich, den stärksten Persönlichkeits wert, den sie zur Verfügung hatte, büßt sie in ibm ein, und so wird denn ihr Tun und Treiben fürderbin immer schablonenhafter wer- dm. Er war ein Mann in Reih und Glied. So manches Mal war er ein Schauspieler. Aber einer, der von seinem Stoff ganz durch drungen war. Er suchte nicht hervorzustechen und zu glänzen, sondern auszufüllen und zu sein. Die konservative „Deutsche Tageszeitung" schreibt: So ist denn nach dem Grafen Kanitz, der vor einigen Wochen das Zeitliche segnete, nunmehr auch das letzte Neichstagsmitglied dah.ngegangen, das noch im Norddeutschen Reichstage von 1867 gesessen hat. Kanitz und Bebel — zwei Männer, deren Lebensanschau ungen und Ueberzeugungen eine ganze Welt von einander trennte, die aber doch beide das gemeinsam hatten, daß auch ihre politischen Gegner die Reinheit ihrer Persönlichkeit aner kennen mußten und anerkannten. Bebel wurde in den letzten Jahren zum reinen Berufspoli tiker, aber es war doch bei ihm etwas ande res, als bei dem heutigen Nachwuchs: Bebel tat — als Deutscher, der er trotz allem war — die Sache um ihrer selbst willen, während die anderen die Sache um des Verdienstes oder um der Stellung willen tun, die dabei für sie heraus'pringt. Der Verstorbene war ein über dem gewöhnlichen Maße stehender Mensch, und gerade deshalb mußte ihm ^ie Unfruchtbarkeit dar alles gleichmachenden So zialdemokratie doch in ihrer ganzen ochädlich- keit klar geworden sein. Ob es ihm nicht auch selbst manches Mal zum Bewußtsein ge kommen ist, daß die politischen Waffen, mit denen er kämpf)«, nicht immer die unanfecht barsten waren? Denn, wenn auch der Mensch Bebel persönlich intakt war, der Politiker Be bel verschmäht.; es nicht, blindlings zuzugrei fen, wo' sich ihm eine Gelegenheit zu bieten schien, dem verhaßten Staatswesen einen Schlag zu ver'etzen. Die fortschrittliche „Voss. Ztg." führt aus: Bebe's Einfluß schildern, heißt die« Geschichte der deutschen Sozialdemokratie seit Gründung des Deutschen Reiches schvriben. Bebel war kein Theoretiker, er war ein Draufgänger auch in weißen Haaren noch, der die Massen ourch sein Temperament fortriß, auch dann, wenn er aus taktischen Gründen, wie in der Frage des Massenstreiks oder'der Beteiligung an den preußisches Landtagswahlen, seine Ansichten von Grund aus änderte und heute verteidigte, was ckr noch vor einem Jahr in Grund und Boden verdammt hatte. Oft genug hat er durch sein Austreten als Diktator auch inner halb seiner Partei scharfen Widerspruch her- vorgerusen. Bebel war dev ausgesprochene Ver treter der revolutionären Taktik, der die Menge zu fesseln wußte durch die Vertröstung auf einen großen Kladderadatsch. Mehr noch denn als politischer Agitator und als parlamenta rischer Führer har Bebel für die Ausbreitung der Sozialdemokratie durch seine Schriften ge wirkt. Die Zahl seiner Broschüren und Flug blätter sind iw Millionen von Exemplaren ver breitet wodden. Deutscher Handwerkr- «ud GewerbekUMertag in Halle. Als am Mittwoch früh der Deutsche Hand werks- und Gewerbckammertag zusammentrat, um seine Arbeiten fordzusetzew und zu beenden, und als der Vorsitzende Herrenhausmitglied Obermeister Plate-Hannover, die Verhandlun gen eröffnen wollte, ereignete sich, Ivie schon kurz gemeldet, ein trauriger Zwischenfall, der zu einer Unterbrechung der Verhandlungen führte. Der Vorsitzende und Vertreter der Handwerkskammer Gera, Hofschlossermeister Perzel, sank plötzlich lautlos von seinem Stuhl zu Boden und hauchle nach wenigen'Minuten seinen Geist aus. Ein Herzschlag hatte den erst iu den fünfziger Jahren stehenden, in sei nem Beruf sehr geschätzten Manne ein jähes Ende bereitet. Der Vorsitzende Obermeister P ate machte der Versammlung von dem trau rigen Begebnis Mitteilung in tiefgefühlten Worten. Die Versammlung hatte sich von ihren Plätzen erhoben, und der Vorsitzende sä lug vor, zum Zeichen der Trauer und der Anteilnahme für den mitten in der Erfüllung seines Beruses verschiedenen Mann die Ver handlungen auf eine Stunde zu vertagen, wo mit sich die Versammlung einverstanden erklärte. Der wichtigste Punkt der Tagesordnung betraf den Schutz der Arbeitswilligen- Hierzu liegen folgende Leitsätze der Hand Werkskammer Hannover vor: „Der 15. Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag zu Halle a. S. richtet an die deutschen Bundesregie rungen und Parlamente die dringende Bitte, einen wirksamen gesetzlichen Schutz gegen den zunehmenden Mißbrauch des' Koalitionsrechts zu schaffen. Dieser Mißbrauch wird besonders dem Handwerk gegenüber durch' willkürliche Arbeitseinstellungen, verbunden mit Tarifbruch durch Koalitionszwang, Bedrohung Arbeits williger, öffentliche Ver eumdung von Arbeit gebern, Ueberwachung der Betriebe, immer bäuttger ansgeübt und führt zu schweren wirt- schaftlichen Schädigungen vieler Handwerks meister. Der 15. Deutsche Handwerks- und Gewerbeüammertag hält es daher für dringend geböten, das mit dem gewerblichen' Arbeits verhältnis verbundene Koalitionsrecht unter ein Sondergesetz zu stellen, ähnlich wie es zum Schutze der Bauforderungen oder des lauteren Wettbewerbs auf anderen Wirtschafts gebieten geschehen ist. Als Handhaben kommen im Interesse des Handwerks in Betracht: 1. Berussvereine für ungerechtfertigte wirtschaftliche Schädigungen materiell haftbar zu machen, 2. das Streik postenstehen zu verbieten, 3. alle öffentlichen Maßnahmen zu verbieten, die, anknüpsend an das gewerbliche Arbeitsverhältnis, dazu die nen, Ansehen oder wirtschaftliches Fortkjommen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern willkür lich zu beeinträchtigen. Zu diesen Matznah»- men gehören besonders Bekanntmachungen durch Flugblätter, Anschläge, Versammlungen usw. 4. Den Handwerkskammern zu gestatten, Arbeitsvereinbarungen nur mit Hilfe der Ge- sellenausschüsse abzuschließen. 5. Den gewerb lichen Korporationen Klage- und Anzeigerecht bei Uebertretung des Gesetzes zu geben. Außer dem steM der Deutsche Handwerker- und Ge werbekammertag den gesetzgebenden Korporativ neu dringend anheim, das Gesetz auch aus Boykottfälle auszudehnen, die mit politischen oder kommunalen Wahlen in Zusammenhang stehen. Der Antrag der Handwerkerkammer Han nover über den Schutz der Arbeitswilligen wurde von Wienberck eingehend begründet. Er erinnerte an die Ablehnung der Vorlage von 1899. Schon damals habe der Handwerker stand der Regierung die Notwendigkeit dar gelegt, daß er unter der herrschenden Aus legung des Arbeitsvertrages schwer leiden müsse. 1913 habe nun der Staatssekretär des Reichsamts des Innern erklärt, er halte die gegebene Gesetzgebung für ausreichend, man könne mit den § ß 152 und 153 der Ge werbeordnung bei richtiger Anwendung wohl auskommen, allenfalls dürfte eine Verschürspng einzelner Bestimmungen des Strafgesetzbuchs bei dessen Revision in Erwägung zu ziehen sein. Aber die Verhältnisse lägen heu'te noch genau so wie 1899, und sie würden in vielen Gegenden Deutschlands heute vom Handwer kerstande wohl noch weit schwerer empfunden. Auch die Großindustrie hat sich für Schutz- maßnahmen ausgesprochen. Der nationallibe rale Reichstagsabgeordnete Böttcher hat die Schikanierung der nichtorganisierten Arbeiter und den Terrorismus gegen die Arbeitswilli gen in der Großindustrie an Beispielen ge schildert, wie da die Mittel der Gewalttätig keit und Bedrohung in Tätigkeit gesetzt wer den. Noch in der letzten Zeit haben die Han delskammern beschlossen, sich an die Parla mente zu wenden und an die Regierung um eine andere Gesetzgebung zum Schutze der Ar beitswilligen zu verlangen. Der Ueberspan- nung des Koalitionsrechtes muß dringend Einhalt getan werden. Die Paragraphen 152 und 153 der Gewerbeordnung treffen ftir die heutigen Arbeitsverhältnisse nicht zu, an ihrer Stelle müssen wir ein Gesetz zum Schutze der Arbeitswilligen haben. Der Tarifvertrag wird häufig als ein soziales Friedensinftrument be zeichnt, und dem Arbeiter kann wohl sein Recht vor dem Gewerbegericht werden, aber wie dem Arbeitgeber der Schaden ersetzt wird, der ihm durch mutwilligen Vertragsbruch er wächst, darüber haben sich diese Personen noch nicht den Kopf zerbrochen. Dieses Friedens instrument hat erst fetzt wieder bei dem Werft- arbeiiterstreik versagt, der auch das Wort von der Disziplin der Gewerkschaften widerlegt hat. Der Redner begründet dann im einzelnen die Forderungen der Resolution, die' nur von de nen bekämpft werden könnten, die ein Inter esse daran haben, die Herrschaft der Gewerk schaften aufrechtzuerhalten. In der Diskussion erkennt Reichs- und Landtagsabgeordnetor Buchdruckereibefitzer Mal- kewitz-Stettin die Richtigkeit der Ausführungen des Redners an. Bäckerobermeister Lampe- Harburg gibt Beispiele von Boykott im Bücker- gewerbe und spricht sich für die Resolution aus. Reichstagsabgeordneter Malermeister Irl- München und Lange-Görlitz sprechen sich auch für den Antrag aus, der dann einstimmig an genommen wurde. Maurer- und Zimmermeister Herzig-Danzig spricht darauf über die Anschlitzung und Beleihung von Grundstücken. Er meint, eine richtige Abschätzung sei nur durch die Einführung staatlich geleiteter Schatz ämter zu erreichen, die in allen Provinzen er-