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KilM m Whrilrii Ernüthiilrl Apeign Tageblatt. Rr. 178 Dienstag, den F August 1818 40. Jahrgang Ser Krupp-Prozeß. Der dritte Verhau.dlungstag im Berliner Knipp-Prozeß brachte allerlei Ueberraschunge». Die Frau des Zeugen Brandt, des Berliner Vertreters Krupps, die tags zuvor bei allen für ihren Mann verfänglichen Fragen nicht glaubte antworten zu brauchen (ihr Mann ist ja nicht Angeklagter, sondern Zeuge), fehlte am dritten Verhandlungstage ganz. Ein ärztliches Attest besagt, daß sie seelisch vollkommen zusammen- gebrochen nnd fiirs erste nicht vernehmungsfähig ist. Fran Brandts Anssage kommt besonders deshalb in Betracht, weil die Angeklagten Tilian, Schlender nnd Hinst, nachdem die Krupp-Affäre ins Stadium der gerichtlichen Untersuchung ge treten war, ihr ost Besuche gemacht haben, die allem Anschein nach Vereinbarungen über Zeugen aussagen betrafen. Fran Brandt hatte vor Ge richt erklärt, der Rechtsanwalt Dr. Löwenstein habe ihr gesagt, sic brauche nichts ansznsogen, was ihren Mann schädigen könnte. Es wurde ein Schreiben des Rechtsanwalts verlesen, in dem dieser betont, daß er der Fran geraten habe, ansznsogen und sich an die volle Wahr heit zn halten. Der Angeklagte Schleuder gab zu, daß er nnd Hinst Fran Brandt Besuche abgestattet hätten, diese seien aber ganz unverfänglich ge wesen nnd hätten mit der Affäre nicht in Zu sammenhang gestanden. In scharfen Worten hielt darauf der Verhandlungsleiter den Ange klagten vor, daß sic diese Besuche tagszuvor ab- geleuguet hätten. Auch der Anklagevertreter Kricgsgerichtsrat Dr. Welt teilte diese Entrüstung. Wenn die Angeklagten auch im Brustton der Ucberzcugnng erklärt hätten, sic hätten niemals eine Beeinflussung Brandts nnd seiner Fran ver sucht, dann sei cs aber für sie, die Osfizicrsuni- form trügen, Pflicht des Anstandes gewesen, die Besuche nicht zn verschweigen. Verteidiger gegen Angeklagte! Zn einem lebtasten Zwischentall tarn es, als aut diese Acußerung des Aiiklageverlrcters der AngeAagle Schlender erklärte, er Haie über die Bennie bei Frau Brandl auslagen wen I Nm, lein Verteidiger habe ibm aber mit einer ! Handbewegung abgewinkt. Entrüstet erhob sich darauf der Verteidiger und stellte das in Ab rede. Schleuder habe, als in der vorhergehen den Verhandlung die Besuche zur Sprache ka men, eine Handbewegung gemacht, die wahr scheinlich ausdrücken sollte, daß der Verteidiger darüber eine Erklärung abgebc» solle; er, der Verteidiger, habe cs aber für angemessen er achtet, daß Schleuder selber über diese Besuche anssage. Das habe er ihm mit der Hand bewegnng zu verstehen gegeben. Als der Au geklagte Hinst bemerkte, auch er habe seinen Verteidiger durch eine Handbewegung befragt, ob er über die Besuche ansfigen solle, der Verteidiger habe ihm aber ebenfalls abgewinki, erklärte der Verteidiger, daß er von dieser Zcichenlprache nichts wisse. Direktor Eccius als Zeuge. Als Erster der höheren Beamten Krupps wurde nuter allgemeiner Spannung Direktor Eccius vernommen. Er ist ein lojähriger Herr, der sich imolge einer Lähmung nur mühsam am Stork fortbe vegu Er darf aus einem Senil vor dem Richlerlifch Platz nehmen. Di reBor Eccius wurde in öffentlicher Verhand Inna vernommen, trotzdem er den Wunsch ge äußerl Halle, in geheimer Verhandlung aus sage» zu dürfen. Er erklärte, daß er über die Tälig'cil Brandls in Berlin nur mangelhaft orientiert gewesen sei. Ihm habe die Bear oeünng des ausländischen Materials obge legen, er informierte sich über den aculleristi ichen Stand des Anstandes, war deshalb viel im Anstande nnd nur dann in Deutschland, wenn es Verhandlungen mü dem Kriegs- Ministerium zwecks Einführung eines neuen Geschützes galt. — Das sind Aussagen, die zweifellos das Ausland werden aufhorchen lassen! Direktor Eccius erklärte dann, daß Herr von Metzen, derselbe, der nach Aussage der Angeklagten dem Abgeordneten Liebknecht das Matena! zu seinen Enthüllungen gegeben har, nach Essen über Unterredungen und Verband- laugen zu berichten halte, die cr mit behördliche» Persönlichkeiten in Berlin gehabt hatte. Seine Ge- heimbcrichtc stellten Nachrichten dar, die nicht das Ergebnis offiziellere Gespräche mit mililÄischcu Persönlichkeiten waren. Sie enthieken viel mehr Nachrichtenmaterial, das auf andere Weise gesammelt worden war. Darüber, daß Metzen und Brandt das Material zu diesen Geheimberichten sich auf unrecht mäßige Art ge sammelt haben, erklärte Direktor Eccius nich. unterrichtet zu sein. Das Berliner Bureau Krupps lieferte offiziell manchmal noch weit geheimere Sachen als Brandt mitzuteilen wußte. Oft liefen vom Bureau und von Brandt gleiche Berichte über geheime Ange legenheiten ein. Brandts Anstellung war nach Aussage des Direktors Eccius aus folgende Verhältnisse zu- rückzuführen. Im Jahre 1905 fanden im Reichslag Debatten über Krupp statt. Sic wur den eingeleitst durch einen Abgeordneten, der darüber Beschwerde führte, daß die Firma Ehrhardt bei Lieferungen für das Kriegs- minislerium zurückgesetzt würde. An diese Aus führungen schloß sich eine mehrtägige Debatte. Es wurde u. a. erörtert, daß die Preise für das Kriegsmaterial differierten. Man behaup »ne, Krupp lieferte das Material zu höhereu Preilen als z. B. Ehrhardt. Der damalige Kricgsminister v. Einem gab hieraus oine Darstellung, in der cr betonte, daß die Preise insbesondarc für Geschosse, nach einiger Zeit die Tendenz hätten, herunterzugehen. Herr v. Einem erwiderte u. a. aus eine Anfrage aus dem Hause, daß Knipp auch in solchen Fällen feilte Preise herabgesetzt habe, ivo an dere Firmen znr Mitlincrung und Mirbietung gar nicht aujgesordert worden waren. Der Firma Krupp labe man im Anschluß dauan gewissermaßen ein Verbrechen aus ihren Preis fordernngen anzndichten gesucht. Dirc'tor Ec cius lat bei seiner Rückkehr nach Essen ent sprechend darüber berichtet und hinzugesügt, d.tß derartige Angriffe in Zukunft sich wahr scheinlich wiederholen würden. Es ergab sich nun die Notwendigkeit, die informatorische Tätig-eil des damaligen Berliner Vertreters Herrn v. Schütz durch eine Hilfskraft zu er ganzen D rellac Eccins hob nochmals beto »end hervor, daß cr hinter den Geheimberich leit niemals slrafoarc Indiskretionen vermutet habe. Mati habe sich in Essen auch niemals nach den Konkurrenzpreisen gerichtet, sondern zu den Preisen gearbeitet, wie es geboten er schien. Direktor Eccius sagte weiter aus, daß auch die Konkurrenzfirmen Krupps sich aus ähnliche Weise, wie Brandt es getan, Material beschaff len. Für eine Vermutung, daß Konkurrenz firmen bei Krupp selber Spionage trieben, liege kein Grund vor. Brandt sei seinel^eit als Nachfolger des Herrn von Metzen ausersehcn geweicn. Die Angestellten Krupps machten ihre Karriere nicht aus Grund bestimmter Era- mina, sondern auf Grund dessen, Ivas sie tal- lächlich zn leisten imstande sind. Direktor Dr. Dreger sagte aus, daß ihm, der das Ressort der Go schüvkouslruktionen zn bearbeiten hatte, von den militärischen Stellen stets mit größter Be reitwilligkeit alles mitgereill worden sei, was er zu wissen wünschte. Was in den „Korn- w.llzern", den Geheimberichten Brandts, ge standen habe, seien füc ihn Lappalien ge wesen. Ter Zeuge erklärte: die Preise und die Maßnahmen der Konkurrenz erfährt man ans gcug legalem Wege, vielfach laufen die Versuche der verschiedenen Firmen parallel, nnd wer nicht die Augen verschließt, kaun einfach alles seien. Viele Jnsprmaliouen be- rnhtcn auch aus den Berichten der Konstru'- tcurc und Monteure, die offene Augen haben nnd ans den Schießplätzen sehen, welche Ver suche von anderen Firmen angestellt werden, nnd die Hann mit Schadeusreude berichten, wenn die Versuche der Konkurrenz je hl sch lagen. Der Zeuge v. D e w r tz , ebenfalls ein Bc amler Krupps, erklärte gleichfalls, daß die von Brandt abgesandlcn Geheimberichte nur un wichtige Dinge berührten, denen man jeden falls nicht anseben tonnte, daß sie geleim ge halten werden sollten. Die Firma Krupp habe auch in keinem einzigen Falle auf Grund der Brandtichen Geheimberichte ihre Preise geändert, trotzdem manchmal Unterschiede von 50 -100 Prozent in ihren Preisen und denen der Kon kurrenz zu verzeichnen waren. Materielle Vor- /.wM /kch/W,M'M Bernhard von der (Siche Roman von Baronin Gabriele v. Schlippenbach. e I > tAachdr. verb ) Als Müller nach kurzer Abwesenheit zurück kam, sagte er: „Gcstpllen Sic, gnädige Fran, das ich Ihnen Baron von der Eiche vorstelle, unseren H ochoscnches." Irmgard stand dem Mann im grauen An zug gegenüber. Und fetzt, als er den Hut ziehend, eine tadellose Verbeugung voe ihr machte, tauchte das Gesicht des Touristen vor ihr auß jenes Mannes, der ihr schon zwei mal wichtige Dienste leistete. Sollte sie ilm ! ier sagen, dass sic ihn erkannte? Er schien ii r ein ganz mderer. Vielleicht lag es an dem spitzen Kinnbart, den sein Gesicht zierte, an pem ernsten saft düsteren Ausdruck der enec aischen Züge. „Nein," dachte sic, „ich tue lieber, als säte ick; ihn zum ersten Male. Ich mÜ! te ilm danlen und kann es hier vor Müller nicht. E ne Erläuterung wäre die Folge nnd wozu i ronck t er zu wissen, daß nur uns kennen." Shne daß sie es wollte, siel die kaum wert' lalle Neigung ihres Kopfes steifer aus; sie iah sehr hochmütig und abweisend aus ist die sein Moment. Alan wechselte nur einige sonn Uche Worte, dann fuhr Frau Gerard davon. „Ich weiß nicht, Ivas beute mit ihr ist," sagte Müller zu Eiche, „fo habe ich sic noch nie gesehen." „Eingebildet, hochmütig, beschränkt." Dieses Urte l bildete fick, in Bernhards Kopf, a'er er schwieg und widmete sich wie der seiner Arbeit. „Mir kann cs gleich sein, mir ist es ganz eaal." Das dachte er mit leisem Ingrimm, sie hatte ihn rrerlengne't. Nun wohl, so wollte auch er mit keiner Silbe an ihre kurze Begegnung rühren. Er war ja nur der Hochofenchef sie die reiche Fran, die den Löwenanteil der Aktien besaß. Er arbeitete in ihrem Interesse, nicht in ilpem Dienste, da- durfte sie nicht denken. Jeden Tag konnte ec eine andere Stelle bekommen, lein Rm war ja begründet. Trotz nnd ver letzte Eitelkeit sprachen so. Eine an dar bessere Stimme laubele: „Jetzt liegt mir noch mehr daran, zu tu weisen, das ich aus dem rechten Platz stehe. Diese Geldaristokralin soll seien, Ivas ich leisten kann. Welch stolzes Gefühl wäre cs, wenn sie mir verpflichtet sein müßte, wenn ich das Werk hoch bringe und ihren Reichtum verdoppele. Darum frisch an die Arbeit, Bernhard von der Eiche!" A s der Hvchvsenchef zn Mittag nach -Hanse kam, »'artete Ines schon ungeduldig auf ihn. Sie eilte dem Bruder entgegen und rief: „Denke Dir, Hardh, ich habe Fran Gerard kennen gelernt. Sic ist reizend. Ich glaube, ich habe noch nie ein so schönes Gesicht ge sehen." Ws Bernhard schwieg, erzählte Ines weiter: „Durch Barr» haben wir Bckannischafl ge macht. Ich ivar nach Röstlingen gegangen, nm frische Hühnereier zu lausen. Wie ich eben ans der Hütte der Mutter Antoine trete, die mir immer die schönsten Eier ihrer Cochin chincien verkauft, fährt eine allerliebste Egui pace, mit zwei gelben Ponnys bespannt, vor bei. Barrh springt laut bellend darauf zu. Da hält die Dame, die in dein Korbwägel chen sitzl, die Pferde au, und sich zu mir wendend, fragt sie: „Ge'ätft Ihnen dieser prachtvolle Hund?" Ich war näher getreten nnd erwider-e: „Barn, gehört meinem Bruder, gnädige Frau." Die Dame streichelte den Kopf des Hundes, der es sich, ohne zu knurren, ge -allen lies:. „Ich bin eine große Tierfreundin", tagve sie, „ich besaß früher jelvst einen ähn Uchen Bernhardiner." - „O, aber Barry ist kein gewöhnliches Eremplar seiner Rasse", entgeg nete ich „Er lat seinen Stammbaum und ist ein Großsohn jenes tapferen Barry, der so viele auf dem St. GoühaLd rettete und zuletzt selbst dabei varunglückte." Ines bielr inne nnd schöpfte Atem. Ihre Worte über'prudeltcn sich. Sic merkte nicht, Ivie aukmeAsom ilr Bruder zuhörtc. „Leben Sie weit von l ier?" fragte Frau Gerald. „Ja, bcinabe zwei Kilometer. Das Haus mcinos Bruders, des Hochofenchefs von Ros' Ungen, ist am anderen Ende des Ortes. Jeb wei>- nicht, ob ich mich täuschte, aber das Gesicht der Frau Gerard wechselte leicht die Farbe. Sic rückte zur Seite. „So steigen Sic ein, mein Fräulein", versetzte sic. „Ich glaube, richUg erraten zu haben, Sie heißen Ines und sind die Schwester des hm" hier räu- sperte sie sich, dann fuhr sie fort: „die Schwe ster des neuen Hocho'enchess. Müllers haben »Ur schon von Ihnen erzählt." „lind Sic sind Fran Gerard!" rief ich. „O, ick, balle es gllüch gedacht." „Wir lachten beide über diese Bekanntschaft ans der Dorfstraße. Im nächsten Augenblick las ich neben der Lenkerin der Pounyegui page, nnd im mimiercn Trabe ging es da von. Ich bedauerte, daß die Fabri so schnell zu Ende ging, denn sie war furchlbatc nett und Frau Gerard sagte, daß ich sic bald bc suchen müsse nnd —" Ines unterbrach sich und blickte verwundert in das Gesichb des Bruders. „Wäre es Dir nicht recht, Hardh?" sra-gte sie etwas zaghaft. „Du siehst so aus, als ob Du mit mir unzufrieden bist." „Das nicht, Kleines, aber man mu-st doch die Menschen etwas näher kennen lernen, esc man sich mit ibneu befreundet. Dock» nun lassen wir dieses Thema satten. Ich hoffe, Du tail etwas Gutes z» Mittag Ich bi» hungrig >vie ein Werwolf." Ines eilte geschäftig von d innen. Ihr Bruder blieb nachdenklich zurück. Wie sattle er sich das Benehmen Fran Gerards deinen? Wölbe sie durch dieses lic- benswürdige Entgegenkommen der Schwester gegenüber das scheinbare Verleugnen des Brn bcrs gut machen? Fran Gerard durfte nicht glanken, Las er irgendwie einpsindlich war. Mochte Ines, so oft sie wölke, nach Mon Nepos geben; er gönnte es ibr von Herzen. Sie balle sowieso nur ältere Mcmchen zum Umgang. Selbst Fräulein El riedc war viel älter. Wie a!t mochte wohl Frau Gerard sein? Bacnhard ertappte sich dabei, über diese Frage zu grübeln. „Höchstens dreiundzwan zig", dichte cr. „Ach, da erinnere ich mich, Müller sagte, sie sei seit zwei Jahren Witwe und habe jung geheiratet. Ja, ja, er er wähnte, daß sic gerade so all ist, wie ich sie tariere." „Ich hoffe, Du erlaubst mir, die Entladung nach Mon Repos auzunü men, Hardy," bat Ines mit der Zuversicht eines geliebten, ver wöhnten Kindes, dem selten etwas vecsag' wird. „Frau Gerard bat mich, morgen zu lammen: wir wollen einen Spaziergang durch den Walo nach Unlerkorn mache». Sie bal sehr bedauert, »nS bei »ilserer Visite nicht ge scheu zu haben." „Gewiß, geh mir ti», Kleines." Es kam so sclt'am lästig heraus, so, als 'urchtcle Bernhard sich, seine Erlaubnis zu widerrufen. „Kannst Du nicht wilkommen?" Und r s er den Kopf schütlelle, setzte Ines hinzn: „Oder hole mich wenigstens ab, es wäre zu nett. Weißt Du, fü Hai schöne An fichten aus Rußland und aus ihrer livländi scheu Heimat, die sie sei r liebt." (Fortsetzung folgt.)