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574 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchbandel. Redaktioneller Teil. 13, 17. Januar 1913. Und unabsehbar ist, was diese Paar Bsginner hier geschaffen haben, ja ich wage zu sagen, daß sie an der Verbesserung des deutschen Kulturbesinnens in den letzten Jahrzehnten mehr Anteil haben, als die Dichter, die eigentlich Produktiven. Diese Persönlichkeiten psychologisch auszudeuten, den Typus dieses neuen Verlegers einmal künstlerisch darzustellen, wäre (ein andermal!» im Ausführlichen verlockend. Ich glaube, es sind meist halbproduktive Menschen, also Männer mit allem Gefühl des Künstlers und nur nicht seiner Schaffenskraft, die sich begnügen müssen, ihre Persönlichkeit durch Auswahl und vermittelnden Geschmack in Erscheinung zu bringen. Denn jeder, der auswählt, der Verleger, der Theaterdirektor, der Kunstsammler, bildet durch seine vorherrschende Neigung sein eigenes Profil heraus, und selbst fremd geschaffene Dinge gewinnen einen Sinn von Persönlichkeit durch den Sinn ihrer Anordnung. Diese paar Leute, die den deutschen Verlag wieder er zogen haben, sollten als Kulturträger, die sie siud, dem deutschen Volke eigentlich nicht ganz fremd bleiben. Ihre Leistung ist zwar da in Tat verwandelt und schwer im Wort wiederauf zugraben, aber doch, ich sehe den einen oder den anderen scharf Umrissen im Lichte seines Verdienstes. Da ist z. B. Eugen Diederichs, dem die Deutschen ein gut Teil Dank schuldig sind. Er hat vor zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren anscheinend mit kleinem Kapital begonnen und schon mit seinen ersten Werken jene Neigung zur ernsten geistigen Weltbildung be tont, die für seinen Verlag so charakteristisch geworden ist. Er stellt im besten Sinne den Typus des humanistischen Deut schen dar, dessen Sinn nach allen Richtungen gleich stark ausspäht, der jene Universalität der Bildung erstrebt, für die uns Goethe der unerreicht höchste Typus geblieben ist. Jedes Gefühl scheint ihm wichtig im Werk verwirklicht zu werden, das irgendwo wieder in das Weltgefühl, in das Religiöse zu rückmündet. Sein Verlag ist ein Männerverlag, die Frauen werden wenig heitere Lektüre, liebliche Ergötzung dort finden, aber alles ist bet ihm in geschmackvollster äußerer Form ver- sammelt, was an geistigen, religiösen Bestrebungen bei allen Nationen produziert wurde, von den Eleaten über die deut schen Mystiker bis Swedenborg und Bergson, in der Dichtung von der Edda bis zu Walt Whitman, im Roman von den byzantinischen Legenden bis zu Tolstoi und der ncureligiösen Jugend. Sein Katalog ist ein kleiner Kosmos der Bildung und zugleich ein Denkmal deutscher Kultur, das Bildnis einer im schönsten Sinne gebauten und schöpferischen Persönlichkeit. Eine erzieherische Leistung, eine nicht minder große, ist die des Insel-Verlags. Er war ursprünglich gegründet als der elfenbeinerne Turm aller Erlesenheiten, als Hüter der unnahbarsten artistischen Literatur und hat als erster (mit Schuster L Loefsler, von dem er abzweigt) begonnen, auch das Äußere, die Herstellung und Ausstattung des Buches wieder als eigene Kunst zu betrachten. Er hat die kostbarsten Bücher in Deutschland geschaffen zu damals noch schreckhaften Preisen (heute kann manchem schon kein Buch mehr teuer ge nug sein) und den Sinn für die Schönheit der Form und des Typographischen mit nicht zu unterschätzenden Opfern er weckt. Bedeutsam aber für die ganze deutsche Literatur ist er erst dadurch geworden, daß er diese wertvollen Errungen schaften nicht nur den kostbaren Werken Vorbehalten, sondern kleingemünzt hat, daß von der Mühe, deren Kosten zuerst die Snobs bezahlt haben, die Resultate heute auch den wohl feileren Ausgaben zuteil werden. Die Zweimark- und Füns- zigPfennig-Bücher der Jnselbllcherei, die eine Abbreviatur seines geistigen Weltbildes geben sotten, tragen die Erkennt nis, daß ein schönes Werk auch schöne Form verlangt, heute in die weitesten Kreise, und selbst die altmodischsten Verleger sind gezwungen, sich in ihrer Ausstattung mehr auf Sorgsam keit zu besinnen, um nicht allzusehr hinter diesen vollendeten Leistungen zurückzublciben. S. Fischer wiederum ist zum Jubiläum seines fünsund- zwanzigstcn Jahres dafür gerühmt worden, daß er im rich tigen Augenblick fast die ganze Moderne in seinen Verlag ge sammelt hat, doch dies war mehr Glück als Leistung, und es ist wichtiger, bei ihm zu sagen, wie dieses Glück sich mit Ver dienst verkettet. Seine wahre vorbildliche Tat scheint mir darin zu liegen, daß er diese seine Autoren nicht sparsam zu rückbehalten, sondern wohlfeil verbreitet hat. Hauptmanns gesammelte Werke sind um zwanzig Mark, alle Dramen Ibsens und die Werke Björnsons in schönen gebundenen Ausgaben für je fünfzehn Mark von ihm — fast sagte man — frei gegeben worden, und in seiner Eine-Mark-Bücherei findet man viele der besten Werke der neueren Literatur. Es ist gar nicht abzusehen, welch ein ungeheurer Gewinn dadurch den lebenden Dichtern erwächst, daß sie noch in der Sekunde ihres Wirkens, in ihrer unmittelbaren Gegenwart schon in die wei testen Kreise mit ihrem ganzen Werk dringen können, und nicht bloß mit dem einen Erfolg, den ihnen gerade ein Zufall geschenkt hat. Ich sehe ein eminentes Moment zeitgenössischer Wirksamkeit darin, daß man alle Gedichte und kleinen Dramen Hofmannsthal zu zwei Mark beim Insel-Verlag haben kann oder den ganzen Arthur Schnitzler für zwanzig Mark bei S. Fischer, daß sie nicht Posthum in ihr Volk, sondern auch in ihre eigene Zeit dringen, und ich glaube, daß dieses schöne Beispiel der Freigabe nach und nach auch die anderen Ver leger zur Nachahmung zwingen wird und wir am besten Wege sind, gerade die Besten am billigsten zu bekommen, indes in früheren Zetten das Verhältnis ein umgekehrtes war. Hinter diesen drei großen Verlegern stehen noch viele andere Tüchtige, von denen ich auf gut Glück nur ein paar nennen kann: Hans b. Weber, Rowohlt, Zeltler, drei Pioniere des schönen Buches, den Kunstwartverlag, der durch den Dürerbund ein breiter Kulturbringer wurde, Rütten L Loening, Erich Reiß, Meyer L Jessen, den leider überemsigen Georg Müller und wieviele andere noch, die durch ihren bloßen Namen Garantien für die literarisch wertvolle und künstlerische Ausstattung ihrer Bücher geben. Am rührendsten aber sind für mich jene ganz kleinen Verleger, die plötzlich auftauchen und bald wieder verschwinden, nachdem sie ein paar schöne Bücher in die Welt gesetzt haben. Das sind fast immer — wie deutlich ich sie doch von der Ferne sehe! — versprengte junge Idealisten, die mit ein bißchen Kapital und sehr viel Liebe in Erscheinung treten und bei denen so schön der Grundgedanke sichtbar ist, nicht reich zu werden an den Büchern, sondern aus diese ihre stille Weise der Kunst zu dienen und irgendwie noch eine Lücke der deutschen Bildung auszufüllen. Sie suchen alles zusammen, was es irgendwie in der Welt literatur an Wertvollem gegeben hat, getreu Goethes Wort: Was in der Zeiten Bildersaal Jemals ist trefflich gewesen. Das wird immer einer einmal Wieder auffrischen und lesen. Sie drucken alles nochmals, was je dagewesen ist und nur irgendeinen Glanz von Kunst oder Wert hat, und geraten dabei schließlich ins Endlose. Aber doch, jeder von ihnen hat seinen Stolz und bringt lieber ein Buch, an dem er sicher sein Geld verliert, statt eines mitunter minderwertigen, an dem er glatt verdienen könnte. Diese Gattung Verlagsidealisten wächst, glaube ich, nur in Deutschland, und sie sind für mich ein Gegenstand immer erneuter Bewunderung. Offen gesagt: Ich sehe in ihnen mehr Idealismus als bei den meisten deutschen Autoren, eine Liebe zur Kunst, die viel inniger ist, als bei vielen, die Bücher und über Bücher schreiben, ein Verhältnis zu den Dichtern, das meist treuer ist als das der Dichter gegen sich selbst. Hinter diesen aber steht noch immer fest und hoch ge türmt jener alte ziegelfarbene Damm gegen die Unbildung, die Reclambibliothek, diese schönste Spezialität Deutschlands. Sie ist noch immer die letzte Möglichkeit des Unbemittelten, sich seinen Brocken täglicher Bildung zu schaffen, beinahe ein Freitisch der Unterhaltung und des Wissens, und überdies eine der schönsten Leistungen deutscher Organisationskraft (wenn gleich wir heute als verwöhnte Herren die typographische Aus stattung und die Einbände schon als minderwertig empfinden). Nicht mit Unrecht ist von den ersten Männern Deutschlands (Fortsetzung n»f Seite kll.s