Volltext Seite (XML)
VMM W HMMmErMliln Anirizn Cage blatt. Rr. LOS Sonnabend, den IS Juli ISIS 40. Jahrgang VerMtM drs„6GNt-Lm'-L«Wiffes. Sturmkatastrophc, die leider, Ivie schon gestern gemeldet, auch den Tod eines Soldaten und die lebensgefährliche Verletzung eines anderen im Gefolge hatte, hat das Mist- tärluifkschiff „Schütte-Lanz 1" bei Schneidemühl in Westpreußen völlig vernichtet. Der Vorfall erinnert in manchen Einzelheiten an die Sturm katastroph-c des Zeppelinluftschiffes „Deutsch land" im Teutoburger Walde während der JournaUstenfahrt. Der Schütte-Lanz-Ballon wurde durch einen heftigen Nordwestfturm von feinen Ankertrossen losgerissen und in Windes eile entführt. Die Soldaten, die zur Hilfe leistung bei der Landung hinzugezogen wor den waren, konnten das Luftschiff nicht hal ten und mußten es fahren lassen. Zwei So- daten wurden dabei jedoch mit in die Höhe gerissen. Der eine stürzte aus 30 Meter Hö.e ab und wurde in hoffnungslosem Zustande ins Krankenl-aus gebracht, der andere hielt sich krampfhaft an dem Tau fest, verlor aber in 300 Meter Höhe anscheinend das Bewußtsein und stürzte ab. Es war ein grausi ger Anblick, den Unglücklichen herniedev sausen zu sehen. Die Zeugen der traurigen Szene wandten sich ab, als der Körper dumpf auf dem Boden aufschlug. Die Leiche bildete eine formlose, blutige Masse. Zweifellos war der Soldat während des Sturzes ohne jede Besinnung und ist sofort, ohne daß auch nur das geringste Bewußtsein zurückgekehrt wäre, getötet worden. Das Luftschiff Web sich nun noch etwa eine Stunde lang führerlos in der Luft umher, bis es durch Gasverlust nieder ging. Es wurde in vollkommen zerstörtem Zu stande aufgesunden und mußte abmontiert wer den. Auf seiner Fahrt hatte das Lustschi s noch viel Schaden angerichtet, Telegraphen- slangen gebrochen, Bäume ausgerissen, in deren Kronen sich die Halteseile vergangen hatten, Bäume geknickt usw. Aehnliche Unglücksfpllc, deren keiner aber die Schwere des Schneidemühler erreicht, ha ben deutsche Luftschiffe schon öfters zu- verzeiü- nen'gehabt. Die Gefährlichkeit der Landung: und Verankerungsmanöver erklärt sich daraus, daß der Auftrieb des Luftschiffes uninittelbar über der Erdoberfläche ein ungleich gewalt samerer ist als in höheren Luftschichten. Die Gasvenlile helfen bei diesem ungestümen Auf trieb auch nicht viel. Eine Ausnahme machen vier wieder infolge ihrer wunderbaren Kon slrnktio» und insbesondere der geistvoll erson nenen Selbstventilation der einzelnen Gaszellen die Zcppelinlustschiffc. Der Schütte-Lanz-Bvt Ion hat sich als brauchbares Luftschiff erwic scn, es ist bedauerlich, daß dem ersten Mili tärballon dieses Systems gleich auf einer der ersten Fabrte» ein so schweres Unglück Passiv ren mußte. «leine «Hr-«N * Die Hochwasserkatastrophe in Graz wurde durch einen Wolkenbruch verursacht, der bei einem Gewitter niederging. Die sonst harmlosen Zuflüsse der Mur wurden in reißende Ströme verwandelt. Vier Personen sollen den Tod ge funden haben. In Sttftingthal stürzte ein Haus zusammen. Zwölf Personen, die nicht rechtzeitig ans den oberen Stockwerken die Straße hatten erreichen können, entgingen mit knapper Not dem Tode. Die Fluten ergossen sich Uber den Weidenweg und rissen die Umfassungsmauer der Kavalleriekaserne nieder. Zweihundert Pferde, die in den Stallungen der Kaserne untergebracht waren, rissen sich los. Einige Tiere wurden von den Fluten mitgerissen, kvnnien aber ge rettet werden. Die übrigen Pferde rasten durch die Straßen und vergrößerten die Panik unter der Bevölkerung. Sie mußten einzeln wieder eingcfangen werden. Auch die Umfassungs mauern des Urselinerinnenklosters sind einge stürzt, der Klostergarten ist überflutet. ' Wolkenbruch in Oesterr.-Schlesien. Ein gewaltiger Wolkenbruch verwandelte gestern abend die Bäche in der Umgegend Teschens in reißende Ströme und setzte die Vorstädte Brand eis und Ellgoth unter Wasser. In Karwin rich tete der Wolkenbruch einen Schaden von 1^ Millionen an. Die Ortschaften Andersdorf und Steinau sind überschwemmt. In Steinau stebt die Kirche 25 Zentimeter unter Wasser. Die Ernte ist vollständig vernichtet. * Bei einem Bootsunglück drei Arbeiter ertrunken. In Zantoch a. d. Warthe schlug ein Kahn um. Drei Arbeiter ertranken. * Schwere Grubenunfälle. Auf der Braun- kohlengrube Humboldt bei Göritz a. d. O. brach infolge Entzündung von Gasen ein Brand aus. Der jungoerheiratete Bergmann Gille und der Bergmann Schnabel, Vater von acht Kindern, erstickten. Fünf bewußtlos ausgefundcne Berg leute konnten durch den Sauerstoffapparat ins Leben zurückgerufen werden. Der Brand in der Grube dauert noch an. — Auf der Zeche „Concordia" bei Oberhausen (Rheinland) wurden zwei Bergarbeiter verschüttet und getötet. — In Eving bei Dortmund wurden am Donnerstag auf der Zeche „Adolf von Hansemann" zwei Bergleute von hereinbrechenden Gesteins- und Kohlenmassen getroffen. Der eine war sofort tot, der andere erlitt schwere Verletzungen. * Schweres Brandunglück — fünf Tote. In Oberkamnitz (Böhmen) brannte nachts das Haus einer Frau Krause ab. Fünf Personen, der Schlosser Peißig und seine Kinder, der Schuh macher Sicher und sein Sohn, sind in den Flammen umgekommen. Frau Peißig erlitt lebensgefährliche Brandwunden. * Vom Blitze erschlagen. Während eines schweren Gewitters wurde in Jacewo in Posen der frühcrcPolizeisergeantAst vom Blitz erschlagen. * Der Tod in der Sandgrube. Im Dünen sand erstickten zwei Kinder des Fischers Hinrichs auf Juist. Sic hatten im Sande eine Grube geschaufelt und waren hineingestiegen, als der Sand nachstürzte und die beiden Kinder ver schüttete. * Ei« Feuerwehrwagen in eine Trinkbude hineingefahrea. Ein Autowagen der Pariser Feuerwehr wollte am Jnvalidenbahnhof einer Kraftdroschke ausweichen und fuhr in eine Trink bude, die vollständig zerstört wurde. Ein Hand lungsgehilfe wurde getötet, der Pächter und dessen Frau, sowie zwei Feuerwehrleute schwer verletzt. * Bom Propeller erschlagen. Bei der Lan dung eines Militäräroplans bei Brandenburg an der Havel lief die 8 Jahre alte Tochter eines Arbeiters direkt vor das bereits auf dem Boden rollende Fahrzeug. Das Kind wurde von dem noch wirbelnden Propeller getroffen, trug schwere Kopfwunden und einen Bruch der Wirbelsäule davon und starb nach wenigen Augenblicken. * Beim Schlachten tödlich verunglückt. In Kreuz (Posen) stürzte im Schlachthause der Fleischergeselle Karl Tarin beim Schlachten eines Hammels ins Messer und starb bald darauf. * (erkrankt durch verseuchtes Trinkwasser. Auf dem Steinbergschen Gute in Brüggen in der Provinz Hannover erkrankten infolge Genusses von verseuchtem Wasser 13 Arbeiter und Ar beiterinnen sowie 3 Kinder. Sämtliche Erkrankte wurden nach dem Krankenhaus geschafft. Aerzt- liche Feststellung ergab, daß Typhusbazillen im Trinkwasser waren. * Selbstmord zweier Brüder. Die beiden Inhaber der bekannten Nutzholzhandlung Ge- brüder Ebeling in Berlin, die Brüder Emil und Hugo Ebeling, haben gestern Selbstmord began gen. Sie wurden tot in ihrer Wohnung aufgc- funden. Die Brüder hatten sich nach vorheriger Vereinbarung vergiftet. Finanzielle Schwierig keiten sollen die Ursache zn dem Selbstmord ge wesen sein. * Raubmord. Bei Adlerkosteletz in Böhmen wurde die Leiche des verschollenen Gitschiner Kaufmannes Jppen in einen Sack genäht aus der Adler gezogen. Die Barschaft von 6000 Kronen fehlte. Es liegt Raubmord vor. * Ein ISjähriger Mörder ? Ein seit Mitt woch abend in Bärenbrück bei Kottbus ver mißtes 8jähriges Mädchen namens Hensgen wurde gestern morgen in einem Kornfeld in der Nähe des Dorfes ermordet aufgefundcn. Die Leiche weist zahlreiche Stiche in der Brust und im Gesicht auf. Die Schädeldeckc ist durch Art- I hiebe zertrümmert. Der Tat verdächtig ist der 13jährige Stiefbruder Richard, Sohn des Schuh machermeisters Hensgen in Bärenbrück. Die Tat wurde in der Zeit ausgeführt, als die Eltern auf dem Felde mit Erntearbeiten beschäftigt waren. Der Junge, der hartnäckig leugnet, den Mord begangen zu haben, wurde in das Gerichts gefängnis zu Peitz eingeliefert. * Ein sensationeller Juwelendiebstahl wurde in Paris entdeckt. Während des Transports von Paris nach London wurde ein Perlenkollier im Werte von 3125 000 Franken gestohlen. Das Kollier war in einem versiegelten Paket von Paris an die Adresse eines bekannten Juwelen händlers in London geschickt worden. Als der Postbote das Paket ablieferte, waren die Siegel unversehrt, aber die Kiste selbst enthielt nur Zuckerstücke. Als bemerkenswertes Moment wird angesehen, daß das Paket bei seiner Ankunft in London einen Siegel mehr aufwies als bei sei nem Abgänge in Paris. * Eine seltene Familienfeier fand im Hanse eines Stabsveterinärs zu Thale im Harz statt. Fünf Generationen waren versammelt: Ururgroß mutter, Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Kind, es handelte sich um die Taufe des letzteren. Die älteren Damen erfreuen sich bester Gesundheit. * Verzicht aus den Fürstentitel. Der baye rische Prinzregent hat dem Prinzen Nikolaus von Thurn und Taxis gestattet, Namen und Titel eines „Freiherrn v. Hochstadt" erblicherweise anzunehmen. Die Niederlegung des Ranges und Titels geschieht, weil er eine Sängerin des Münchener Gärtnerplatz-Theaters, namens Carola Rechbert, ehelichen will. * Die drittreichste Krau der Welt gestorben. In ihrem Palais zu Valparaiso starb Dona Juana Roß de Edwards, die drittreichste, allein stehende Frau der Welt. (Die Reichsten sind Frau Hetty Green-Neuyork und Mrs. Astor.) Misia Juana hinterläßt ein Barvermögen von 100 Millionen Peso, von dem 25 Millionen Peso an die Armen fallen. Ihr Besitz an Land und städtischem Terrain ist unschätzbar. * Mord im Gerichtssaal. Im spanischen Ort Carreos bei Oviedo stand der Viehhändler Aurelio Bustos unter der Anklage vor Gericht, einem Landmann im Streite schwere Körperver letzungen zugefügt zu haben. Während der Ver handlung stürzte sich plötzlich der Angeklagte auf den Kläger und stieß ihn: ein großes Messer dreimal in die Brust. Als cs den entsetzten Richtern und den Gerichtsdicnern endlich gelang, den tobenden Bustos festzuhalten, war sein Opfer bereits verblutet. * Dit Streiche des Fürsorgezöglings. Jin Grunewald bei Berlin wurde ein mangelhaft bekleideter junger Mensch an einem Baum ge fesselt vorgefunden. Er gab an, ein Baron von Elm zu sein, der nach einer durchzechten Nacht von seinen Kumpanen im Auto nach dem Grune wald entführt, beraubt und an dcn Baum ge bunden worden sei. Der Baron wurde als ein entlaufener Fürsorgezögling Willy Schwarz er kannt, der bereits mehrere Straftaten aus dem Kerbholz hat. * Unterirdische Gänge in Mainz. In Mainz sind weite Strecken unterirdischer Gänge durch Zufall, indem ein Pferd an einer wenig betre tenen Stelle 6 Meter tief einbrach, entdeckt wor den. Ueber den Gängen, deren Mauerwerk wohl erhalten ist, erhebt sich heute ein ganzes Stadt viertel; eine baupolizeiliche Untersuchung hat je doch ergeben, daß die Gänge gefahrlos für die Bauten sind. Möglich ist, daß die Gänge noch aus der Römerzeit stammen. Mainz wurde 13 v. Chr. von Drusus als römisches Kastell Mo- guntiacum gegründet und ivar von da ab stets befestigter Platz. * Der größte Ttraßcnbahnhof der Welt ist der neue Bahnhof der Großen Berliner Straßen bahn, der soeben in Betrieb genommen wurde. 500 Straßenbahnwagen können in ihm aufge fahren werden. Weder in Europa noch in Amerika ist ein ähnliches Bauwerk anzutreffen. Man würde jedoch fehlgehen, wenn man sich diesen reinen Nutzbau in seinem Aussehen nüchtern oder Bernhard von der Eiche Roman von Baronin Gabriele v. Schlippenbach. 7) (Nachdr. verb.) Sie seuszle schwer. O, Ivie lang ivar ein Jahr. Wie würde sie die Trennung ertragen? Gewiß liebte sie auch die Schwester, aber das ließ sich nicht mit dem tiefen, warmen Gefühl vergleichen, das sie für ihren Hardy hegte. „Nun, Kleines, Du bist so still und ge- seuszt hast Du muh," sagte er. Sie brach in Tränen aus und umarm:e ihn. Dann sagte sie ihm ihren Kummer; er suchte sie zu trösten. „Kopf hoch, Kleines," ermahnt Bernhard. Ein Jahr vergeht bald; wir werden uns oft schreiben; siehst Du, wenn ich 1. Assistent werde, dann mieten wir ein nettes Häuschen, das möblieren wir mit den lieben alten Sa chen der Eltern. Ein Gärtchen müssen wir auch haben. Wir pflegen es zusammen, und wen» ich abends müde von der Arbeit hcim- tehre, erwartest Du mich. Wir wollen zusam men lesen, alles teilen und zwei treue Kame raden sein." „Ja, ja, das wollen wir Hardy!" ries Ines. Aber plötzlich verdunkelte sich ihr Ge sicht; stockend fügte sic hinzu: „Bis Du heira test, dann tritt Deine Frau an meine Stelle." „Unsinn," sagte er, „ich denke gar nicht daran. Mir gefällt nicht so leicht ein Mäd chen. Du weißt, ich bin keine verliebte Natur." „Wenn Du schon durchaus heiraten willst, dann weiß ich eine Frau für Dich, Hardy," neckte Ines. „So, nun da bin ich wirklich neugierig!, Kleines, wer ist es denn?" Sie hob sich auf die Fußspitzen zu sei nem Ohr. „Oberförsters Luise," flüsterte sie ein dringlich. Bernhard lachte. „Du bist klassisch, Klei nes. Weil sie Dir gefällt, Ivas?" „Weil sie das liebste, beste Mädchen ist," rief Ines. „Wenn Du sie nur genauer kennen erntest, sie müßte Dir gefallen." „Dazu ist wenig Aussicht. Ich bin in H. und der Harz ist weit. Ich bekomme lange keinen Urlaub, meine Arbeit erfordert die An spannung aller meiner Kräfte. Ein Hoch ofenwerk ist wie ein künstliches Uhrwerk. Stockt eines der vielen Räder, so steht die ganze Ge schichte still. Wenn Du bei mir bist, will ich Dir mein Arbeitsfeld zeigen. Du wirst dann erst eine Vorstellung von der Verantwortlich keit haben, die den leitenden Ingenieuren ob liegt." Bewundernd blickte Ines aus den Bruder. „Kennst Du das schöne Oelgemälde von Menzel: der Hochofen?" Ines bejahte. Sie hatte seine Wiedergabe in einer Zeitschrift gesehen und war davon ergriffen worden. „Siehst Dir, dann hast Du eine schwache Vorstellung," sagte Bernhard. „Traurig ist ec-, daß noch so oft UnglücksMe vorkommen; die Arbeiter sind allzu unvorsichtig. Neulich legte sich einer, ein Italiener, in der Nacht direkt auf die Schienen schlafen — er hatte einen Rausch — da fährt ihm die Lokomotive beide Beine ab. Die Schlacken werden nämlich aus einem schmalen Gleise auf dcn Schlackenberg gefahren und dort in rotglühendem Zustande ausgeschüttet. Verbrennungen kommen häufig vor unter den Leuten." „Hardy, wie traurig das ist. Weißt Du, ich möchte, ehe ich zu Dir komme, einen Kur sus in der Krankenpflege nehmen, dann könnte ich vielleicht etwas nützen." Er sah bewundernd aus das zarte, junge Geschöpf. Ja, der Vater hatte recht gehabt, als er sagte, daß sein Liebling selbstlos und hilfsbereit wäre. Wie anders war doch Herta in ihrer Eitelkeit, ihrer Sucht, zu glänzen. „Du liebes, tapferes Kleines," sagte Bern hard gerührt, „aber wirst Du es wirklich kön nen? Es gkbt viel Widerwärtiges dabei." „Daran will ich mich nicht stoßen. Es gilt ja Schmerzen zu lindern, armen Menschen bei zustchen." Sie verabredeten, daß Ines, nachdem sie in der Försterei ein Jahr die Haushaltung erlernt hatte, nach Stettin ins Stadtkranken haus gehen sollte. Die Oberin war mir Eiches verwandt uud würde sich gewiß gern des jun gen Mädchens annehmen. Die Geschwister waren im Gespräch am Ziel ihrer Wanderung angekommen. Das ty pische Bild eines Forsthauses bot sich ihren Blicken dar. Vor der Tür stand der Förster Krauße in hohen Stieseln, grünem Jäger - anzuge, die kurze Pfeife im Munde, eine Flinte auf dem Rücken. Er ivar ein stattlicher Fünf ziger. Sein braunes Gesicht war von einem mächtigen Barte umrahmt, fröhliche, blaue Augen blitzten unter den starken Brauen. Breitschulterig und behäbig stand er da und musterte einen prächtigen Hirsch, den ein Jä gerbursche auf einem kleinen Handwagen her- beigebracht hatte. Neben dem Förster stand eine rundlicke Frau in der weißen Latzschürze und im Hellen Waschkleid, ein Häubchen auf dem vollen, schon leicht ergrauten Haar. „Mattschuß, Alte!" rief der Förster stolz, „der Kerl hat es mir sauer genug gemacht. Seit acht Tagen pirschte ich mich heran; erst heute habe ich ihn zur Strecke gebracht." lieber das weinumranktc Geländer der Treppe bog sich ein brauner Mädchenkopf. Es war Luise, des Ehepaares Tochter; sie er blickte auch zuerst die Nahenden. Sogleich eilte sie die Treppe hinunter und sagte es der Mutter. Bernhard und Ines wurden in herzlicher Weise willkommen geheißen. Schnell war das Geschäftliche erledigt. „Tante Emma" in ihrer mütterlichen Art gefiel Bernhard sehr. Er fühlte sich beruhigt; diesen freundlichen, warm herzigen Menschen konnte er sein Schwesterchen anvertrauen. Die beiden jungen Mädchen stan den Hand in Hand dabei. Sie bildeten einen hübschen Gegensatz. Ines sah sehr zart neben der Freundin aus, sie war kleiner; ihr blondes Köpfchen stach gegen Luises dunkles Haar ab. Die Tochter des Försters glich dem Vater. Etwas Gemeinsames hatten beide Mädchen: den Zug von Herzensgüte und echt weiblichem Empfinden, der ein Frauengesicht so anziehend macht. Einmal blickte Bernhard zu Luise hinüber. Ihre Augen trafen sich, doch errötend senkten sich die Wimpern über die braunen Augen. Luise wandte den Kopf zur Seite und zog Ines mit sich ins Haus. Unwillkürlich fielen die Worte der Schwester dem jungen Assisten ten ein, die Luise von ihm geäußert hatte. „Ines, ich bin froh, daß du bei uns bleibst," sagte die Tochter Tante Emmas, so bald sie mit der Freundin allein war. Sie umarmten sich zärtlich nach Mäd chenart. „Mein Lnischen, nichts Lieberes könnte mir nach unserem schweren Verlust geschehen," ent gegnete Ines, und ihre Augen trübten sich. „Ich freue mich, daß Bernhard meinen Wunsch billigt. Gefällt er Dir?" Luise schien die Frage zu überhören. „Ich werde die Mutter bitten, daß Du mein Zimmer teilst," sagte sie, „ich denke, cs wird Dir lieber sein, als mit einer Fremden zusammen zu wohnen. Augenblicklich haben unsere Pensionärinnen noch Ferien. In einer Woche kehren sic zurück, dann fängt die Herbst- arbeit an." (Fortsetzung folgt.)