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Sonntag, de« 6 Juli IVIS 4«. Jahrgang KniGk mm HohrißmEniWIn Amnsn Lagrblatl? Ei« Märchen von heute. Eine Sommevabendgeschichte von A. Htnzie. Nachdruck verboten. Kaum ein Halm regle sich auf den Fel dern, so still und schwül »var die Luft. Voll der Höhe blinkten die Lichter des grälichen Schlosses durch die Dämmerung, die immer schwärzere Schatten um die ländliche Einsamkeit wob. Tief neigten die Weiden am Bach ihre Laubarme in das Wasser hinein. Im Unter- tzoiz raschelte es: die erste Grille zirpte; ge spenstisch erschienen in dem Düster die Umrisse der Teufelsruine, die im Hintergründe der Landschaft ragte. Wenige Minuten vom Schlosse entfernt lag hart am Wiesenrain ein kleines Haus im Schweizerstil — die Amtswohnung des gräf lichen Sekretärs, Herrn Johannes Goltermann. Kein Lichtstrahl war hinter den- grünen Fensterläden sichtbar; kein Laut schien sich im Hache zu regen. Auch als sich jetzt dessen Tür öffnete, geschah es geräuschlos. Und geräusch los auch war der leichte Mädchentritt, der jetzt durch das Garienpförtchen huschte und nun draußen in der dunklen dufterftillten Einsam keit untertauchte. So leicht wie ihr Schritt, so schwer war es der Besitzerin dieser leichten Fiißchen ums Herz. Es war Liselotte Soltermann, die hier heimlich den Weg zur Teufelsruine nahm — zum letzten Stelldichein. Dem alten romantischen Gemäuer haftete Sagenspuk an. Hier sollten einst die Grafen von Teufelseck gehaust haben, drei Brüder und wilde Kumpane. Die Sage ging, alle drei seien in heißer Liebe zu ein und demselben Mädchen entbrannt. Da keiner hatte vernichten wollen auf die schöne Konstanza, so sollte ein Dreikampf entscheiden, in dem zwei auf dem Felde bleiben sollten. Während dieses Bruderkampfes ober war ein GewMer niedergegangen, dessen erster hes- tiger Blitz die drei Brüder getötet und das Schloß' zur Ruine gemacht. Dieses Strafgericht des Himmels hatte die Teufelsruine zu einen, gemiedenen Ort ge macht. Sie war den, Ort unheimlich; bei Duntke heil getränte sich niemand dorthin. Liselotte Soltermann, ein Kind der moder nen Zeit, aber verachtete das Geschwätz. Ihr deuchte der gemiedene Ort der unge störteste zum Abschiednelmen von Erich Lenge feld. Ihr Herz ging aus diesem Wege nur einen Takt: verzichten — verzichten — verzichten . . . Sie elbst wollte Erich sein Wort zurück- geben, ihn entbinden von einer Pflicht, die zu lösen ihm sein Ehrgefühl verbot. Nicht auch feine Liebe zu ihr? Da war sie wieder angelangt, bei dem doch ihre Gedanken nicht ausruhen durften, damit sie nicht weich wurde, nicht weich und schwan kend in ihrem Entschluß. Wie heiß sie auch litt unter dem Verzich ten, so sträubte fiel) doch ihr Stolz, ihr ganzes Sein dagegen, jetzt, nachdem Schmach an ihres Vaters Namen hing, und damit auch an ihrem, noch Erichs Frau zu werden. Eine Kette sei nem Streben, ein Hindernis seinem Borwärts- kommen. Er würde seiner Hauslehrerstelle beim Gra fen verlustig werden, und dies das erste Glied sein in der Folge von Enttäusch mögen und Kränkungen, welche ihm seine Verbindung mit der Tochter eines — Liselotte stöhnte auf. Allmächtiger, es konnte ja nicht wahr sein, das Entsetzliche! Wie sehr auch der Schein gegen den Vater war — ev, so gut, so treu ein ganzes Leben lang, sollte nun plötzlich seine Hand nach fremdem Eigentum ausgestreckt, die Gelder sei nes Herrn, des Grafen Dahlberg, veruntreut haben? Und weshalb? Weil — weil — Vor dem Geiste des gequälten Mädchens stieg eine Unglücksstunde auf. Die Stunde, als vor jetzt vier Wochen ein Brief von Bru der Hans an den Vater angelangt war mit der Nachricht, die einem Verzweislungsschrei glich: Ich habe eine Wechselschuld von 5000 Mk., die ich in vier Wochen einlösen' muß. Kannst Du mir dazu verhelfen, lieber, bester Vater? Ich verspreche Dir heilig, fortan meine Aus gaben nach meinem Einkommen zu bemessen, nie wieder Schulden zu machen. Hilf mir dies erste und einzige Mal, Vater, und wenn Du es nicht kannst, so vielleicht durch Freundes hand. — — Sonst — Finster und wortkarg war der Vater seit dem gewesen. Und dann? Bei einer unlängst vom Grafen vorgenom menen Revision hatte es sich herausgestellt, daß just 5000 Mk. fehlten. Zerknirrscht, ein Bild stummen Entsetzens, war der Vater he im gelehrt — ein von seinem Herrn entlassener Mann. Gut nur, daß die Mutter dies nicht mehr erlebt Halle. „Glaubst Du an meine Schuld, Liselotte?" war das einzige, Ivas Johannes Soltermann gesprochen. Sic hatte sich an seine Brust werfen, hatte ihn mit zärtlichen Worten des Gegenteils ver sichern »vollen. Da war des Bruders Notschrei ihr ins Gedächtnis zurückgelommen, des Bakers finsteres Wesen seitdem. — Ihre Arme waren herabgcsunlen. Scheu »var es von ihren Lippen gekommen: „Wenn Du mir sagen kannst, Vater, wie Du mit Hans verfahren bist." Bitteren Tones war er eingefallen: „Ich habe an meinen alten Universitätsfreund, den reichen Kommerzienrat Gerhard geschrieben und ihn gebeten, mir die 5000 Mk. als Darlehen zu geben. Hier Gerhards Antwort —" Zitternd vor Aufregung hatte sie gelesen: „Hiermit erfülle ich Deine Bitte, aber nur unter der Bedingung, daß Du das Geld als ein Geschenk von Freundeshand annimmst. ." Da waren ihr die Tränen hervorgestürzt. In stummer Abbitte hatte sie des Vaters Hand geküßt. Aber der dumpfe Druck, der auf den Ge mütern, dem Hause lastete, war geblieben. Die Koffer standen gepackt — übermorgen mufften sie dieses traute Fleckchen Erde ver- lrssen. Sie wollten nach der Hauptstadt; der Vater hoffte dort eine Stellung zu finden; dort würde niemand wissen von dem „Flecken auf der Ehre". Den Feldern und Wiesen entströmte Heu- und Kräuterduft und mischte sich in den wür zigen Hauch der Lindenblüten. Unermüdlich zirpten die Grillen im Grase. Eine süß-träu merische Stimmung lag über dem Abend; aber der Himmel hatte sich bezogen; sein dunkles Zelt verstärkte noch die schwarzen Schatten um Baum und Strauch. Liselottens Gestalt unterschied sich kaum in dem Schattenlicht. Denn ein leichter dunkler Mantel verhüllte sie und das weiße Kleid, das sie trug. Es sollte niemand sie erkennen, der ihr etwa begegnen würde. Als jetzt ein feiner Regen zu fallen begann, zog sie das seidene Kapuchon über den Kopf. So eilte sie wie ein dunkler Schatten dahin. Jetzt am Bach entlang, aus dessen Wasser fläche der Regen mit leisem Aufschlag nieder sank. Die feuchtschwüle, duftschwere Lust erhitzte ihr junges Blut und löste in Liselotte ein Gefühl heißer Lebenssehnsucht aus. Und fie wollte doch verzichten. Verzichten auf den Mann, dem ihre erste starke Liebe galt, verzichten ans junges Liebesglück! Die ganze Trostlosigkeit ihrer Lage, des Vaters Unglück, kam ihr so recht zum Be wußtsein. Und sie war jung, und sie liebte, und das Leben kann so schön sein . . . Herr des Himmels, gab es denn keinen, gor keinen versöhnenden Ausklang — konnte denn nicht des Vaters Unschuld noch ans Licht kommen, der wahre Dieb noch gefunden werden? Sie harte den Weg am Bach zurückgelegt und schrat jetzr den Pfad aufwärts, der zur Teufelsruine führte. Ob Erich, den sie durch ein Billet dorthin bestellt, schon da lein würde? Während fie die Augen auf die Ruine rich tete, sich anstrengte, die Dunkelheit zu durxh- dringen, blieb sie plötzlich betrafen stehen. — Dort, wo die Ruine lag, zuckte ein Licht auf und erlosch dann wieder. Wie kam das Licht dorthin? « » Allerlei Kurzweil. « « De»kfprüche. Jeder Tag, er ist vergebens, Ist im Buche dieses Lebens Nichts, ein unbeschrieb'nes Blatt; Wohl, wenn morgen, sowie heute, Steht darin auf jeder Seite Von dir eine gute Tat! * * Sei anderer Glück, sei anderer Wonne, Sei Müden der Stab, sei Blinden die Sonne, So wird dein Leben weiter und breiter Und segensvoll, heiter! Rätselecke. Rastlos in dem Strom der Zeiten Meß' ich seine Wellen euch, Wie sie unaufhaltsam gleiten, Mach ich sie einander gleich. So den Morgengruß der Musen, Und die Ruhe bringe ich Und doch wohnt im eignen Busen Mir die Unruh' ewiglich. U«ftell-RStsel. Wenn du vorwärts mich beherrschst, Darfst du fröhlich lachen. Rückwärts kann dir alles sein, WaS die Gegner machen. Logogriph. Mit i bestraft es manchmal hart, Mit e ist'S immer seine Art, Mit ji wird dann das böse Wort, Das sich mit ü falsch breitet fort. Homonym. Schmeicheln und Streicheln Lieblicher Kinder. Nenn' das Gelindeste, Ich bin gelinder. Tausche den Mtttellaut — Ueber den Steg. Geh ich zur Seite dir, Sichre den Weg. Scharade. Schwerfällig das Erste, voll zäher Kraft, Wenn d'rauS der Mensch das Zweite schafft. Schnell trägt das ganze dich meilenweit Und kürzet siegreich Raum und Zeit. Rätsel-Sonett. Ob Eins und Zwei auch immer schweigen, So bringen als der Fluren Zier Sie dennoch holde Grüße dir Durch ihrer Köpfchen lieblich Neigen. Als höchster Vorzug ward zu eigen Allein dem Menschen Drei und Vier, Ob freilich sich auch manches Tier Dafür empfänglich scheint zu zeigen. Doch wo dem Munde frei zu sprechen Entgegentritt ein streng Verbot, Hilft wohl das Ganze aus der Not. Geschickt die Auren zu bestechen, Verspricht es Treue bis zum Tod Und läßt die Herzen nimmer brechen. Hieroglyphen. Bon jedem Bild gilt der Anfangsbuchstabe. Die Vokale sind zu ergänzen. (Auflösungen in nächster Nummer.) Trennungs-Rätsel. Vereint macht man's beim Würfelspiel, auch Skate; Getrennt ist cs ein Satz; — nun rate! AllflSsnnge« aus Nnmmer 2«. DeS Rätsels: Der. Des Buchstaben-NätselS: Erica. Des Homonums: Strauß. Des Scherzrätsels: Der Keller. Des Bilder-Rätsels: Tornister. Des Vexierbildes: Im Geäst des Baumes rechts. Kopf unten. Linder-Zcilvilg. Nr. 27. I Redaktion, Druck und Vertag von Horn L Lehmann, Hohenstein-Ernstthal. 1913. Kind nnd Ihr Blumen, sagt, wo kauft ihr Den Samt und die Seide, Die Farbenpracht und Farbenzier Zu eurem Sommerklcide? Sag', Röslein hold, wo ließest du Dein schönes Nöcklein weben? Du brauchtest wohl viel Geld dazu, Wer hat es dir gegeben? Blumen. Mein Kind, der dort am Himmelszelt Die Wolkenschäfchen weidet, Der ist's, der in der ganzen Welt Die Blumen alle kleidet. Er schmückt auch dir die Wangen rot, Du darfst ihn Vater nennen; Er gibt dir auch dein täglich Brot, Du mußt ihn ja wohl kennen. I. Stäub Eine Blumcnsage. Frau Sonne hatte die Erde wirklich herr lich geschmückt, ganz so, wie der Elfenkönig es sich für sein Hochzeitsfest wünschte. Dieser kleine, feine Mann, der aussieht wie ein Licht strahl und in einer großen Glockenblume wohnt, war nämlich des Alleinseins müde ge worden. Er sehnte sich nach einem teilneh menden Herzen, nach einem trauten Wesen, das die Glockenblumenwohnung mit ihm teilte und ihm zur Seite schritt, wenn er zur Wald wiese Hinabstieg, zum Reigen seines Elfen- völkchens. Sollte er eines dieser Clfenkindcr als Gattin wählen? Ach nein, diese waren doch seine Untertanen und er wünschte sich eine Prinzessin zur Frau, eine wirkliche Prin zessin. Und eine solche kannte er auch. Es war die Blumenfeeprinzessin, die allmorgend lich durch den Wald dahinschwebte und in jedes Blümchen einen kleinen Wasserdemant warf, an jedes Gräslein einen hing und auch in des Elfenkönigs dunkelblauen Blumen pavillon solch wunderfunkelndes Perlchen schob, wobei sie neckisch lachte. Da legte ihr der kleine, feine König eines Morgens sein kleines, feines Herz zu Füßen. Und das Prinzeßchen hob es lächelnd auf. Nun also sollte die Hochzeit sein. Nein, wie hatte Frau Sonne ihre Sache doch gut gemacht! Der Festsaal, Wald und Wiese prangte im Schmuck unzähliger neu erblühter Blumen, die alle in erster Morgenfrühe ihr (Nachdruck verboten.) Kuß erweckt hatte. Und gar die Beleuchtung! Die war ein einziger breiter Strom vom fein sten Funkelgoldc. Die herbeiströmende Hoch zeitsgesellschaft war denn auch ganz entzückt. Die eitlen kleinen Schmetterlinge konnten sich nicht genug in all dem Lichte drehen und wenden, um ihre prunkvollen Farbenkleider ja recht zur Geltung zu bringen. Die Käfer krabbelten voll Behagen einher, ganz hoch hüpfte die Grille und zirpte dann laut vor Schreck über ihre eigene Tollkühnheit, aber ein paar Bienen meinten, das sei schon das Geigenvorspiel zur Tanzmusik; so reichten sie sich denn die zarten Vorderbeinchen und schwebten in würdevollem Großmutterreigen um die Köpfchen der Wiesenblumen, wobei sic ehrbar brummten, bis die alte dicke Hummel kam und sie dröhnend auslachte. Da krochen die Bienchen schleunigst in die Blumen hinein und behauvteten, sie hätten noch gar nicht ge tanzt, sondern nur Honig speisen wollen. Doch die Hummel glaubte ihnen nicht. Indes begann nun wirklich die Festmusik. Und zwar waren es die Waldsänger, die Vögel, welche sie aufführten. O, du lieber Lenz, war das ein herrlicher Chor! Hummel und Bienen vergaßen ihren Streit. ? ftr Gäste einten sich zum Hochzcitszuge. «Gvgar die Schmetterlinge versäumten über das Zuhören ihr eitles Gaukelspiel. Freilich nicht für lange. Die Königskerze. Nacherzählt vonEva-Marie Stosch.