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ÜMM t« Hoßiüki« Enikthilrr A«!NUl T « grblstt. Rr. IS». Sonnabend, den LS Juli L»18 4«. Jahrgang - - Sie MissisnrsMdc zum KaiserjubilSm. Der evangelische Arbeitsausschuß für die Nationalspende zürn Kaiserjubiläum hielt am Mittivoch nachinittag un preußischen Herrenhause eine Sitzung ab, in der die vorläufige» Ab- schlußziffern der von evangelischer Seilte für die Missionsspende bei den verschiedenen Lan des' und Provinzorganis Lione» eingelaufenen Beträge vocgelvgt wurden. Das Komitee ha re die Frist für die Einsammlung der Gaben bis zum 1. Juli d. I. verlängert und die Berichte sind noch nicht aus alle» LandeÄeilen eime- troffen. Eine ziemlich genaue Zusammenrechnung der eingezahlte» und gezeichnete» Beträge von feiten des Komitees ergibt eine Gesamtsumme von 3 207 513 Mk. Hieran sind beteiligt: Preußen mir 1 822 000 Mk., Bayern mit 98 OM Mk., Sachse» mit 367 525 Mk., Württemberg mit 240 OM Mk. Der Nest ver teilt sich auf die kleineren deutschen Bundes staaten. Auf den Kopf der evangelischen Be völkerung umgerechnet, würde sich folgendes Bild ergeben: Preußen 7,4, Bayern 5,5, Sachsen 8,1 und Württemberg 14,0 Pfg. Die katholische Spende beläuft sich bisher auf 1,3 Millionen Mark. Rechnet man, daß auf 10M Einwolmer in Deutschland 6I6 Evangelische und 367 Katholiken kommen, w:e es die Statistik vom 1. Dezember 1910 auf- wies, so gab es bei einer Bevölkerungszabl von rund 66 625 OM Einwohner» am 1. Ja- »uo/t 1912 rund 41,04 Millionen Evangelische und 24,45 Millionen Katholiken. Da die evangelische Spende rund 3 244 OM Mk. ! e- trägt, so ergibt sich pro Kopf ein Beitrag von 7,9 Pfennig, bei einem Gesamtbetrag der la- tholischen Spende von 1 300 MO Mk. ergi st sich pro Kopf der katholischen Bevölkerung ein Beitrag von 5,3 Pfennig. — Bei der oft ' e haupteten größeren Opferwilligkeit für kirchliche Zwecke seitens der Katholiken ist das Ergebnis für die evangelische Bevölkerung immerhin c » erfreuliches. Ei» Perteilungsplan wird dem Kaiser cim gereicht »'erden, der über die Verwendung wr Summe» endgültig entscheidet. Der Arbeitsausschuß der Nationalspcnde hat sich als Komitee konstituiert, welche»' es ob liegt, eine Orga»isation zu schaffen, die dai- ernd die Teilnahme für die deutsch-evangeli sche» Missionen in unserem Volke wecken u id damit die ideale Seite der Aufgaben der Na liouattpcnde forlletzen soll. 12. Deutsches Turnsest. I» Leipzig, wo nun am Sonntag das 12. Deutsche Turntest seine» eigentliche» Anfang nimmt, herrscht festliches Treiben. Leipzig kmckurricrt in diesem Jalne mit Breslau. Hat Breslau die Jahrhundert-Ausstellung, das lei der verunglückte Hauptmannsche Festspiel und die duftende Gartenbau-Ausstellung, so hat Leipzig die Bausach-Ausstellung, das 12. Deut sche Turnfest und im Oktober die Einweihung des Völkerschlachtdenkmals. Häuser und Stra ße» Leipzigs werde» durch Flagge» und Bln- mengewiude reich geschmückt Ein Idealismus hat viele Hunderte von wackere» Männern und Frauen erfüllt, die die um'asscnden Vorarbei ten geleistet haben, so daß es ivohl niemanden mehr geben kann, der nicht durchglüht ist von lokalpatriotischem Stolz darüber, was Leipzigs Bürger, Turner und Turnerinnen für das 12. Deutsche Turnsest schon gekeifter haben. Aber auch überall im Lands rüstet man sich zur Fahrt »ach Leipzig. Vielfach Hal es sich, wie Berichte besage», ermögüchen lassen, daß mehr Turner, als ursprünglich vorgesehen, nach Leipzig reisen können, indem Ehsfs und Arbeitgeber de» nötige» Urlaub gewährten. Tie gewerbliche» Ferien, die sich »lehr und mehr Terrain erobern, sind meist so gelegt worden, daß den Turnern eine freie Woche zur Teilnahme an dem Turnfest zur Ver fügung steht — fürwahr die beste Anwendung des Urlaubs. Auf historischem Boden findet diesmal das Deutsche Turnfest statt. Eine große Fülle ge schichtlicher und persönlicher Erinnerungen ver bindet die deutsche Turnerschaft mit Leipzig. Viele Turnvereranen, die seinerzeit das dritte Deutsche Turnfest, das gleichfalls unter riesi ger Be.eiligung und freudigster Anteilnahme der Bevölkerung in Leipzig 1863 stattfand, mitgemacht haben, wollen diesmal alte Er innerungen auffrischen. Zu de» begeistertste» Schülern- Friedrich Ludwig Jahns gehört auch der „glte Götz", wie der Vorsitzende der Deut schen Turnerschaft, der Geheime Sanitätsrat Dr. Ferdinand Götz-Leipzig, heute in der gan zen Turnerschast genannt wird, und dessen 87. Geburtstag zugleich mit seiner goldenen Hoch zeit fast mit dein diesjährigen Türmest zusam menfiel. Und noch etwas anderes lockt die Deutsche Turnerschast mit ganz besonderer Freude nach Leipzig. Ist doch die Turner schast des Königreichs Sachsen die größte un ter allen deutschen Turnkreisen. Die Stadt Leipzig selbst steht mit ihre» 15 000 Turnern alle» übrige» deutsche» Großstädten, ja alle». Städte» der Welt voran. Erst nach Leipzig wlgen Berlin, München, Hamburg, Nürnberg. Ein origineller Teil des reichhaltigen Fest programms ist das Taubstummenturnen. Zum ersten Mal nehme» die Tauöstummen-Turnver- eine geschlossen am Deutschen Turnfest test. Ihr Programnr schließt sich aber aus erklär lichen Gründen nur teilweise an das allgemcsti gültige Programnr an. Die Taubstummen- Turnvereine beteiligen sich mit am Festzuge, nehmen auch an den allgemeinen Freiübungen teil, führen jedoch das Wetturnen im Zwölf- mrd Sechskampf am Montag vormittag geson dert durch. Am Montag nachmittag finden die allgemeinen Festfreiübungen, die Frei übungen der Turnerinnen vom Leipziger Taub- stummenvocein, sowie allgemeines und Muster riegeiiturnen statt. Für Dienstag früh sind Eftbotenläufe und Turnwettspiele angesetzt. WIHMMWUM im Bezirke der Kgl. AW-Wtmmnschaft Glauchau. Die Tätig eit der Wohnungspflegerin wird sich folgendermaßen gestalten. Nachdem in der zu besuchenden Gemeinde, deren Auswahl zu nächst einmal völlig frei getroffen wird, die aufsichtspflichtigen Wohnungen durch das Ge meindeamt fcstgestellt und angezeigt worden sind, besucht die Wohnungspflegerin die ein zelnen Häuser und Wohnungen in Begleitung des Gcmeindevorstandes oder eines von die- sem abzuordnenden Gemeinderatsmitgliedes. Diese Mitbesichtigungen durch die Gemeinde, die übrigens nur bei den erstmalige» Besuche» vorgeschricbe» sind, finden deshalb statt, weil es auch f st die Gemeinde von Interesse ist, die Wo: nungSverhältnisse genauer als bisher keumn zu lernen. Gegebenenfalls kann der Geweindevorstand auch hierbei zwischen den Hausbesitzern oder Wohnungsinhaber» und der Wo! mmgspflegerin vermitteln. Dst Besichtigung erstreckt sich zunächst ein mal auf das Haus. Festgestellt werden die Zal der bewohnbaren Geschosse und die An zahl der in den einzelnen Geschossen vorhande ne» Wohnungen. Hierauf werde» auch die allen Hausbewohnern gemeinsam zur Verfügung stehende» Räume uiid Einrichtungen, z. B. die Waschküche, die Trockenböden, die Höfe, Ent wässerungsanlagen ftSchlammfängc) einer Prü fung unterzogen und der Befund in den so genannten Hausboge» eingetragen. Lasse» sich etwaige Mißstände, die dabei gefunden werden, nicht sofort beseitigen oder wird deren Beseiti gung nicht zugcsichcrt, so bildet dann der Haus bogen die Grundlage für die etwa im Inter esse der Gesundheit oder Sicherheit der Bewoh ner notwendige Verfügung an den zur Abhilfe Verpflichteten, die von der zuständigen Steile (Gemeindevorstand oder Amrshauptmannschast) aus »ach eingehender Würdigung durch den Bausachverstäudige» und de» Bczirksarzt er gehe» wird. Nach der Besichtigung des Hauses wird in eine solche der einzelne» Wohnungen ringe trete» würde». Von der Wohnung wird eine einfache Grundrißskizze zur späteren Orientierung auge- sertiat. Festgestellt werden der Name und Stand dar Mieter, die Zahl der Familienglie- der, der Teilmieter, Schlafleute, Ziehkinder, Dienstboten, Gewcrbegehilsen, Lehrlinge und Arrciter, die Fahl und Größe der vorhandene» Raume, die Schlafverhältnisse, die Bettcnzahl usw. Aus diesen Angaben kann inan sich ein Bild von einer etwaigen Uebcrfüllung der Räume, der schlechte» Ausnutzung mW. machen. Besondere Feststellungen sind bei de» Dach- wolmuuge» geböte». Ungenügende Jsolierum gen der UmsassungSwände, schlechte Dachciii- deckunge» usw. gebe» gerade i»soweit oft den Anlaß für die Krankheiten der Bewohner. Außndem wird bei den Besuchen auch die Feuchtigkeit der Wohnung, die Lüftung, Durch lüft!, arkeit, Besonnung, Belichtung der Wohn räume, die Reinhaltung usw. beachtet werden. Auch die Abortverhältnisse müssen geprüft und erörtert werden. Daneben können sich »och a» den Treppe», Gängen, Vorplätzen, soweit solche vorhmden, Heizungs-, Beleuchtungs- oder Wasserversorgungsanlage» Mängel zeige», deren Feststellung und Abstellung geboten ist. Auch insoweit wird die Wohnnngspflegcrin zunächst versuche», in» Gute» im Wege, der Aufklärung rmd Ratserteilung auf die Wohnuiigsinhaber einzuwirke». Nütze» alle Belehrimgm nicksts, u»d sind andererseits die Zustände so, daß ihre Beseitigung aus Gründen der Sicherheit, Gesundheit oder Sittlichkeit geboten erscheint, dann erst wird unter Umständen ein Polizei- zwaug ausgeübt werde». Davon soll aber nur, wie nochmals betont werde» wll, in den Fäl len Gebrauch gemacht werde», in denen die Verhältnisse wirklich unhaltbar sind. Daß es sich in erster Linie nur um eine Wohlfahrts einrichtung handelt, möge auch daraus erkannt werden, daß die Wohnungspflegerin auch auf de» Gesundheitszustand der Bewohner zu achten und insbesondere bei Tuberkulosever dacht und bei mangelnder Fürsorge für etwa vorhandene Säuglinge das Erforderliche in die Wege zu leiten hat. Daß sie bei vielen Leute» auf offenen oder versteckte» Widerstand stoßen wird, ist ohne wei teres klar. Sie soll aber auch dann nicht von ihre» Bestrebungen ablasien, nur Verstockcheit oder of'cne Widersetzlichkeit sollen zum Ein greifen der Polizeigewatt de» Anlaß gebe». Da»» ist ein strenges Eingreifen im Interesse der amtlichen Autorität aber auch geboten. Kleine GLjirsnik. * Zwei Leipziger Touristen von der Zugspitze abgestnrzt. Wie aus Eyrwald in Tirol gemeldet wird, sind zwei Leipziger Touristen, die eine Tour auf den Gipfel der Zugspitze, de» höchste» Berg Deutschlands, mtternomme» hatten, abgc- stiirzt. Es handelt sich um de» 19jährigen Drogisten Karl Hecht, den Sohn des Getreide- Händlers Carl Hecht in Paimsdorf, »nd den gleichaltrigen Kaufman» Karl Alfred Müller, den Sohn des Bahnschirrmeisters Wilhelm Müller in Engelsdorf bei Leipzig. Die furchtbar ver stümmelten Leiche» wurden von Bergführern vorläufig »ach Ehrwald gebracht. * Ausbruch von 110 Fürsorgezöglingen! 110 Fürsorgezöglinge der Warsower Anstalten bei Stettin veranstalteten nachts eine Revolte, zerschlugen sämtliche Fensterscheibe», zerschnitten die Bette» u»d brache» daun gemeinschaftlich aus. Das Aufsichtspersonal mußte vor de» sich wie rasend gebärdende» Bursche» flüchte». Eine größere Anzahl der Ausreißer konute bereits wieder cmgefangen werde», aber die Rädelsführer befinden sich noch in Freiheit. Die Zucht in der Anstalt war nicht übermäßig streng, Miß- Bernh^rd von der Eiche. Roman von Baronin Gabriele v. Schlippenbach. 0 (Nachdr. verb) Liebenau im Harz, 10. Aug. 19 . . „Mein lieber Sohn, ich fühle mich sehr krank; mein Gichtlriden nimmt zu und guftt mich Tag und Nacht. Heute hibe ich de» Arzt auf Ehre und Gewissen gefragt, Ivie lange ich noch leben kann. Er wollte nicht recht niit der Sprache leraus, da habe ich ihm gesagt, das: ich endlich Klarheit haben will. Zum Kuckuck, ei» alter Soldat, der, wie ich, im Fa re 1870 die große» Schlachten mitgemacht hat, die Deutschlands Größe befestigten, ei» Mail», der dem Feind Aug in Aug gegen- üverftmd und schwer verwundest wurde, der darf sich nicht vor dem Tode fürchten. Nu», das schien ußserm guten Doktor einzulcuchten, er Hut mir volle Wahrheit gegeben. Sie law tetc so, wie ich eS -glaubte. Meine Tage sind gezählt, mein Junge, bald ruft mich der große Schicksalslenkcr zu sich. Ich fürchte mich nickst, Ivie ich Dir schon sagte, aber mein Herz ist recht sorgenvoll, wenn ich au Deine Schwe ster» denke. Herta steht ja auf eigenen Fü ßen, da sie ihr Lehrorinneneramen machte. Gern hätte sic ihr Talent zum Malen ausge bildet; leider fehlten mir die Mittel dazu. Ich weiß-, daß Deine ältere Schwester sich widerwillig darein fügt, in einem fremden Haufe eine abhängige Stellung einzunehmen. Ihr hochfahrender, unlenksamer Sinn leidet unter der Abhängigkeit. Es wäre mir eine Beruhigung gewesen, sie vor meinem Tode an einen brave» Ma»» verheiratet zu sehen, einen Mann, der ihrer Eigenart gerecht wird. Meine Pension erlischt nach meine»' Tode. Ich hin terlasse Euch nur eine kleine Summe, die sich in drei Teile zersplittert. Du, mein lieber «ohn, bist nach meinem Scheiden der natür liche Beschützer Deiner Schwestern; ich lege sie Dir ans Herz, besonders unsere kleine Ines, die ja uoch im zarten Alter von 16 Jahren steht. Ich habe vielleicht nicht recht an ihr gehandelt, daß ich sie nicht auch in eine grö ßere Stadl schickie, wo sie, wie Herta, ihr Leh rerinnenexamen machen konnte, aber ich konnte mich nicht entschließe», mich vo» meinem Sonmmstra!' zu treimen, der durch seine Ge genwart meine Krankenstube mit Licht und Wärme füllte. Ines hat, so viel es hier zu ermöglichen war, gute Lehrer gehabt. Sie ist ein liebes, selbstloses Wesen, ganz der Mut ter Ebenbild. Du mein geliebter Sohn, list nun Assistent beim Hochofen in H. geworden; Dein Weg liegt vor Dir. Bei Deiner Ener gie und Deinem Ehrgeiz kannst Du es weit rringcn; Du bist mein Stolz, am Dich setze ich meine Hoffnung. Du wirst unserm alten Namm Ehre machen und unser Wappenschild hoch halten. Und nun muß ich schließe»; meine Kräfte sind ar chöpft. Komme bald, es dürste sonst leicht zu spät werden. Ich habe Dir eine wichtige Enthüllung zu mache», Du hast ei» Recht, es zu erfahre», mein Junge. Es erwartet Dich voll Ungeduld Dein al ter treuer Valter Freihcvc Bernhard v. d. E'che, Major a. Dst Der Empfänger dieses Briefes Ivar gerade vom Hochofen nach Hause zurückgekehrt. Es hatte wieder einen heißen Arbeitstag in der Glut der Auguftsonne gegeben. Der junge Assistent hatte überall mit angepackt, wo cs not tat. Er hatte mitten im Tosen, Fauche», Hämmern und Zischen der Oefen gestanden, um nach dem Rechten zu sehen, hatte die Arbeite«: angesporiit, ermutigt, aber oft auch gehörig gescholten. „Kerls, seht Ihr dem' nicht, so muß es gemachst werden. Wenn Ihr die Sache richtig aufaßt, gehst es!" Wie wohltuend wirkte die Ruhe seines be- scheidenen Heims auf den Müde». Er strich sich das dichte, blonde Haar aus der erhitzten Stirn und wechselte den Anzug, säuberte die Hände und trat dann an de» schlichten Bir- kenholzschreibrisch. Da erblickte er de» Brief des Paters und hastig öffnete er ihn. Sein llares, graues Auge war leichst umflort, als er nachdenklich das Blatt zusammenfaltete. „Ich muß zu ihm!" das stand bei dein Assistenten fest. Langsam schritt er in dem Zimmer auf und nieder. Ein Ausdruck von Sorge ließ sein junges Gesicht äktcr erscheinen; denn Bernhard von der Eiche zählte erst 26 Jabre, ein Alter, i» dem die meisten seiner Freunde noch keine selbständige Lebensstellung errungen hatten. Sein heißer Wunsch, sowie Vater und Großvater den Soldatenrock zu tra ge», ward ihm versagt, denn der Major wäre nicht imstande gewesen, dem Sohn eine Zu lage zu geben. So ergriff Bernhard junior ein Brotstudium, schlug sich schlecht und recht auf der Bergakademie in Freiberg in Sachsen durch, war ein beliebter Kamerad und Stu dent und stand seit zwei Jahren auf eigene» Füßen, erst als Chemiker mit nur hundert Mark monatlich, dann seist kurzer Zeit als Assistent des Hochofeuwerkes in H. Auch hier Ivar sei» Gehakt noch bescheiden, aber es er möglichte ihm, die beiden Stübchen zu mieten und sich anspruchslos zu möblieren. Man ches liebe alte Stück aus dem Elsternhause hatte aus dem Harz den weiten Weg nach Mitteldeutschland «-»getreten und immer, wenn Bernhard Eiche über die Schwelle seines Hei mes trat, fühlte er sich glücklich. Verdruß und Aerger, deren es mehr als genug auf dem Werke gab, schwiegen, um einer behaglicheren Ausgeglichenheit Raum zu geben. Wie der junge Mann in seinem Au - und Abgehen inne hält, und an den Schreibtisch tritt, um die Bilder seiner Lieben, eins nach dem andern anzusehen, liegt ein weicher, sehn süchtiger Ausdruck um den fcingeschnittenen Mund, den ein starker, dunkelblonder Schnurr bart beschattete. Das feste, energische Kinn, die gerade, kräftige Nase, und die hohe, breit schulterige Gestalt paßten gut zusammen. Prächtig hätte Bernhard von der Eiche der goldblitzende Küraß der Garde du Corps oder die flotte Ulanenuniform gekleidet, aber auch so im schlichten Nock des Zivilisten kam seine männliche Erscheinung voll zur Geltung. „Ein Mensch, der weiß, was er will und durchführt," so lautete das Ustteil seiner nähe ren Bekannten über ihn. Und doch blieb ihnen das Beste in seinen' Wese» ein Buch mit sie ben Siegeln, den» Bernhard Eiche gehörte zu denen,, die sich nicht leicht ausgeben. Die Tiefe seines Empfindens, der Grund seines stolzen Männerherzens, das waren noch unge hobene Schätze. Nur ein liebendes Weib konnte das: „Sesam, öffne Dich" sprechen, um aus dem reichen Born zu schöpfen. Aber würde e>c diese Zauberin je finden? Bisher war es ihm nicht geglückt. Die flüchtigen Jugsnd- schwärmercie" als Primaner und Student ka men nicht in Betracht, ganz anders müßte es ihn packen, wenn er der Frau begegnete, die ihm als Ideal vorschwebte. Die Bilder der Eltern des Assistenten stan den im Doppelrahmcn auf dem grünen Tisch des Schreibtisches. Das reizende, sonnige Ge sicht der Mutter, das schnauzbärtige kluge Ant litz des Vaters, der in voller Galaunifprm seines Dragonerregiments ausgenommen war, blickten den Sohn an. Selt acht Jabren war Frau von der Eiche tot; plötzlich war die blühende Frau den Ihren nach kurzer Krank heit entrissen worden. Und als der Sohn sie heute im Bilde sieht, geht derselbe heiße Schmerz durch seine Seele, wie ihn damals der sechzehnjährige Jüngling fühlte, als er zu den Ferien heimkehrend die Mutter im Sarge sah. Bald darauf trat Major von der Eiche aus dem Dienst, sein Gichtleiden erlaubte ihm nicht mehr, Offizier zu bleiben. Er zog in das kleine Harzstädtchen. (Fortsetzung folgt.)