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ßnlM W HcheißrinErnSthiiln Anikigtt Lsgrblstt. Nr 1«1 Dienstag, den 15 Juli 1»1S 4». Jahrgang Vulgtlkiws SevütiWS. Als vor efiva Jahresfrist unter Rußlands Mitwissen der Bund der vier Balkanstaaten gegründet wurde, nahm Bulgarien in ihm die unbestrittene Führevrolle ein. Und als drei Monate später der Krieg der Viere gegen die Türkei begann, da waren sich die Kundigen darin einig, daß man Bulgariens militärische Stoßkraft zwar unter-, aber nicht überschätzen könnte. Das schienen in stolzer Reihe die Siege von Kirkilisse, Lüle Burgas, Bunar Hissar usw. zu beweisen. Im stürmischen Siegeslauf ging es bis zu der stark befestigten Lschata/ldfchalinie, wo ein höherer Wille den rühm- und beutedürftigen Siegern ein Halt gebot. Griechen, Montenegriner und besonders die Serben taten gleichfalls ihre Schuldigkeit; mit Bulgariens Siegeslorbeeren aber konnte keiner der drei anderen Verbündeten konkurrie ren. Auffallend war es allerdings, daß die Sofioter Regierung mit jeder genaueren Aw gäbe über die Höhe der Opfer zurückhielt, die sie bis zur Eroberung Adrianopels und der vollen Befriedigung ihres Ehrgeizes gebracht hattö. Es fehlte nicht an Stimmen, die be haupteten, Bulgarien habe sich über seine Kräfte angespannt, und Augenzeugen berichteten von dem Elend unter der bulgarischen Bauernbe völkerung und dem allgemeinen Friedensver- langen. Ohne Frankreichs reiche finanzielle Unterstützung hätte Bulgarien den Krieg nicht durchguhalten vermocht. In Belgrad und Athen hat man offenbar um Bulgariens Erschöpfung gewußt, als man mit der Forderung nach einer Revision des ursprünglichen Abkommens über die Beutever tcilung unter der Begründung hervortrat, Ser bien uüd Griechen'and hätten in dem gcmein- schast'ichen Kriege gegen die Türkei weit mehr geleistet, als in dem Bündnisverträge vorge sehen war, und hätten demzufolge auch An spruch auf höheren materiellen Lohn. Da der Bcutestreit mit Worten kein Ende nahm, ent schlossen sich die bulgarischen Heerführer, mit Rücksicht auf das ungestüme Drängen ihrer Leute, endlich wieder in die Heimat zu kom men, sowie im Vertrauen auf ihre Erfolge ge gen die Türken aus eigene Faust schnellen Schluß zu machen. Sie griffen ohne die er forderlichen Vorbereitungen Serben wie Grie chen an — und wurden geschlagen. Der Re gierung des Königs Ferdinand darf man es glauben, daß sie den Bruderkrieg nicht gewollt und nicht angefangen habe. Den König zeich nete von jeher das richtige Augenmaß aus, er wußte stets, was er wagen durste und was er unterlassen mußte. Aber natürlich haben jetzt der König, die Regierung und das Volk die Fensterscheiben zu bezahlen, die militärische Draufgängernaturen einwasten. Bulgariens Glück und Ende braucht man aus Anlaß der jüngsten Ereignisse das Kapitel der bulgarischen Geschichte vom Jahre 1878 bis zum heutigen Tage noch nicht zu über schreiben; aber eine Demütigung hat das Kö nigreich erfahren, deren Spuren sich auf lange Jahre hinaus bemerkbar machen werden. Kla rer als je ist es heute zutage getreten, daß Rumänien unter der weisen Leitung des Für sten aus Zollerngeschlecht, des Königs Karol, am Balkan das unbedingte Uebergewicht vor Bulgarien besitzt, dessen Grundfesten der hoch strebende Wagemut des Koburgers erschüttert hat. König Ferdinand, der 1887 von den Bulgaren zum Fürsten erkoren ward und im Oktober 1908 sich die bulgarische Königskrone aufs Haupt setzte, der Bulgarien nach den: Kriege mit der Türkei zu einer ungeahnten Machthöhe erhob, dec den Balkanstaaten ein Ansehen schuf, daß die Großmächte Europas dem neuen Machts,aktor am Balkan gegenüber sich zu einer Revision ihrer Rüstungen gezwun gen sahen, erscheint wie der Held einer Tra gödie, der durch die Fehler seiner Vorzüge lullt. Ohne jeden Akt der Gegenwehr läßt das siegreiche Bulgarien Mazedonien wie Silistria mit Umgegend fahren und vertraut sich der Gerechtigkeit der Mächte an. Der zähe Kobur- ger aber verzweifelt nicht und ist gewiß, das: Bulgarien sich aus dem Zusammenbruch von heute wie der Phönix aus der Asche wieder erheben wird. Auch nach Abtretungen im Nordosten und Südwesten ist sein Gewinn an Landcrwerb noch schr bedeutend und geeignet, darauf Zukunftspläne aufzubauen. Sächsisches. *— Warnung! Die Zeit der Reife unserer Beerenfrüchte ist nun da. Obschon nun alle unsere Beerenfrüchte derartig saftreich sind, daß sie ein Gefühl des Durstes nicht auf kommen lassen, gibt es doch viele, namentlich Kinder, die es nicht unterlassen können, nach dem Genüsse frischen Obstes sogleich Wasser zu trinken. Solches Beginnen kann aber nicht nur die schwersten Magen- und Darmerkran kungen, sondern sogar plötzlichen Tod herbei- ßißren. Ja der Tod gefolgte des öftern schon bei jugendlichen Personen, die auf reichlichen Genuß von Stachelbeeren sogleich reichlichen Genuß von Wasser folgen ließen. Kinder sind daher in erster Linie zu warnen, daß sie unter keinen Umständen sofort nach Genuß von Beerenobst Wasser zu sich nehmen. Zu warnen sind die Kinder auch gang besonders vor dem Genuß unreifen Obstes, denn so wertvoll rei fes Obst, so schädlich ist unreifes für den menschlichen Organismus, und gar manche schwere Erkrankung des Verdauungsapparats eines Kindes ist nur allein auf den Genuß unreifen Obstes zurückzuführen. g. Mittelbach, 14. Juli. Der Gemeindever band zur Errichtung eines Gaswerkes, dem außer der hiesigen Gemeinde die Ortschaften WUsteubrand, Grüna, Siegmar usw. angehören, hat in der letztgenannten Gemeinde von der Bank für Grundbesitz in Chemnitz ein hinter der Glasfabrik liegendes Grundstück erworben, auf dem die projektierte Gasanstalt errichtet wer den soll. * Niederplanitz, 13. Juli. Die seit einiger Zeit wieder anfgenommenen Verhandlungen über eine Verschmelzung von Ober- und Niederplanitz sind wieder gescheitert, da sich der Gemeinderat in seiner vorgestrigen Sitzung über die finanzielle Seite der Verschmelzung nicht einigen konnte. * Frankenberg, 13. Juli. Eine Ehrung des sozialistischen Propheten Lassalle beabsichtigte ein Einwohner im benachbarten Ebersdorf. Er gab seiner neugeborenen Tochter neben dem Vorna men Erna noch den Namen Lassalinc. An die sem Vornamen nahmen die Behörden Anstoß und auf Antrag der König!. Amtshauptmannschaft Flöha hat das König!. Amtsgericht verfügt, daß der Vorname Lassaline im Geburtenregister des Standesamtes als ungültig wieder gelöscht werdet * Leipzig, 13. Jnli. Aufnahme in einem Kinderheim fand das fünfjährige Kind des Notendruckers Hofmann in Volkmarsdorf. Das Kind, das an der englischen Krankheit leidet, ist nach dem polizeiärzllichen Gutachten in höchstem Grade dürftig genährt und zeigt fast überall Spuren schwerer körperlicher Züchtigung. Be sonders auffallend sind die Folgen der Züch tigung an beiden Händen zu sehen, deren Rücken und sämtliche Finger tiefblau verfärbt und ver schwollen sind. Das linke Auge weist ebenfalls blaue Verfärbung auf, und der untere Teil des Rückens ist bis zu den Kniekehlen hinunter in folge der vielen Schläge wund und verfärbt. Der Vater des Kindes wurde in Haft genom men. — Vermißt werden seit Anfang dieses Monats der Fleischerlehrling Fritz Christian Petri und die Eisendreherlehrlinge Max Stengel und Arno Walter Kupper. Die Angehörigen vermuten, daß die drei Burschen ins Ausland gegangen oder Werbern für die französische Fremdenlegion in die Hände gefallen sind. Kleine Ghronik. * Vom Wetter. Während im größten Teil Deutschlands sich langsam ein Umschlag zu besserem und wärmerem Wetter vorbereitet, hält das Winterwetter im Schwarzwald, in Ober bayern und in der Schweiz an. Besonders empfindlich ist die winterliche Kälte in der Schweiz. Gegenwärtig fällt Schnee bis unter 2000 Meter. Als besonders bedeutendes Wetter- zcichen berichtet man, daß die Schneehöhe beim Observatorium auf dem Saentis 245 Zentimeter beträgt, ein Fall, der seit dem bald dreißigjährigen Bestände der Station noch nie zn verzeichnen war. Die Hotels für den Wintersport wurden wieder eröffnet. * Die Hochwasserkatastrophe in Ungarn. In Szegedin steigt der Thcitzfluß rapide. Die Hexcn- insel ist unter Wasser. Bei Nagyszoelloes über flutete der Strom zwölf Ortschaften und alle Felder. In Tiszaujlak sind 110 Häuser einge- stürzts und die Brücken fortgeriffen. Drei Per- Bernhard von der Eiche. Roman von Baronin Gabriele v. Lchlippenbach. L) (Nachdr. verb.) So schreiten sic schweigend nebeneinander ler. Es war Abend. Die Sonne warf rote Reflexe auf den Waid und den im Grunde dahinhüpfendcn Fluß. Neber eine Brück-.- schreitend, erreichten die Geschwister ihr Heim. Bernhards Befürchtungen bewahrheiteten sich. Er war erschreckt über den Zustand des Kran kcn. Der Todesengel hatte an die Morte des Hauses gepocht; nicht mehr lange dauerte es, und er trat über die Schwelle. — — Als Ines zur Ruhe gegangen war, blieben die Männer allein. Bernhard Wutzke, daß der Vater ihm jetzt die Enthüllung machen würde, auf die er in seinem Briefe anspielte. Ein schwerer Kampf maste sich auf den verfallenen Zügen, endlich sagte er: Schließe die Lür, mein Junge, komm hier an meinen Schreib tisch, rolle einen Stuhl dahin. Was ich Dir zu sagen habe, darf niemand hören." * „Sic müssen es seit langem erraten haben, Fräulein von der Eiche, daß ich Sie liebe. O, geben Sie mir heute, ehe Sic vielleicht auf lange verreisen, eine Antwort. Haben Sie mit mir gespielt? Haben Sie einen wärmeren Schlag Ihres Herzens für den Mann, der Sie als sein kostbares Eigentum auf den Händen tragen will?" Der, welcher diese Worte mit dem Ton tiefster Leidenschaft hervorstieß, war ein unter setzter, nicht mehr junger Herr, dessen Aeußc- res nichts Bemerkenswertes an sich hatte, es seien denn die dunklen Augen, die in flehen der Bitte auf Horta von der Eiche gerichtet waren. Sie stand hochaufgerichtet da in ihrer königlichen Schönheit, im Zauber ihrer Jugend und Anmut; ein loises, triumphierendes Lü- cheln zuckt um ihren roten Mundt „Also doch," dachte sic, „die beste Partie in der Gegend, der Besitzer des schönen Schlosses R-audcnhagen, er fielst vor mir Ivie ein Bett ler, ein Wort von mir macht ihn glücklich. Wenn er nur nicht so häßlich wäre und so alt." Friedrich von Randenhagen war erst Mitte der Dreißig, wenn er auch älter aussah durch seine wenig jugendliche Gestalt und das bereits an den Schläfen gelichtete Haar. Allerdings war der erste Eindruck, den er hervorrief, der jenige eines häßlichen Menschen; wer ibn aber aufmenksam betrachtete, sand, daß er einer je ner Menschen sein mußte, die treu und fest das umfassen, was fie lieben. Als Herta noch immer schwieg im Vollge fühl ihrer Macht über ihn, ergriff er die Hand des jungen Mädchens und wiederholte seine Bitte. Kühl und regungslos ruhte die schmale, weiße Hand in der gebräunten des Mannes; wie ein Marmorbild stand sie da, so schön und eisig. — Es fröstelte ihn unwillkürlich und er gab sie frei. „Verzeihen Sie, ich habe also nichts zn hoffen,," sagte er und kämpfte die Erregung gewaltsam zurück. Wie ec sich gemessen vor ihr neigte und im Begriff war, zu gehen, kam Leben in Herta. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und mit leiser, aber unentwegter Stimme fggtc sie: „Bleiben Sie, Boron Randen. Ich kann Ihnen heute noch nicht die Antwort geben, ein Brief meiner Schwester ruft mich zu meinem kranken Vater — Sic begreifen, ich werde Ihnen schreiben." Soin Blick leuchtete hell auf. „So nehmen Sie mir nicht jede Hoffnung," rief er, und ehe sie es hindern konnte, drückte er die bärtigen Lippen auf ihre Hand. — Und wieder duldete sie es. Nicht einmal leises Rot färbte ihr bleiches Gesicht. Als er gegangen war, warf sic die Arme Ivie erlöst empor, ihre maßlose Eitelkeit war befriedigt. Ihr .Herz schlug in ruhigem Takt und doch war eben eine ernste Lebensfrage an sie her angetreten, sie stand am Wendepunkt ihres Frauenschicksals. Was würden die Wellmers sagen, bei denen sie Lehrerin war, wenn sie sich ihnen als die Braut Randens vorstellte, der in dem reichen Kaufmannshause als ge ehrter Gast und entfernter Verwandter ver- kehvte. Der Gedanke, daß die arme, abhängige Herta von dor Eiche, die Kusine der reichen Frau Kommcrzienrätin würde, daß sie eine gleichberechtigte, wenn nicht höhere gcsellschast liche Stellung als Gattin Randens einnehmen würde, entlockte Herta ein Lächeln. Gewiß, man war recht rücksichtsvoll gegen die junge Lehrerin, aber man ließ es ihr doch gelegent lich fühlen, daß man sie engagiert hatte, daß man sie nach Gefallen entlassen konnte. Und Herta liebte das Wohlleben, den Komfort des reichen Hauses, ihn zu entbehren, wäre ihr schrecklich gewesen. Wenn sie an die beschei dene Häuslichkeit des Vaters dachte, fühlte sie einen gelinden Schauer. Ines war solch haus backenes, anders geartetes Wesen, für die war alles gut. Randen war im Ostpreußischen begütert. Er kam nur ab und zu nach Königsberg, wo Wellmer ein großes Nktienunternehmen leitete, bei dem Randen mit einem Teile seines Ver mögens beteiligt war. In letzter Zeit war der Gutsbesitzer ost hergereist und unter dem Vor- wände, Geschäfte zu erledigen, aber Herta Wutzke, daß er jede Gelegenheit suchte, um sie wiederzufehen. Evst nach drei Tagen sollte sie nach Liebe nau reisen. Sehr höflich ober bestimmt hatte es die Frau Kommcrzienrätin gewünscht, da sie einige gesellschaftliche Verpflichtungen erledi gen mußte und die Kinder dann ohne Auf sicht blieben. „Ja, das ist das Mitgefühl der Abhängig, leit," dachte Herta, „unfrei sein, ist bitter, dar um will ich ein Ende machen, so oder so." Der Augenblick Ivar für Randen treff,'ich gewählt, um seine Werbung anzubringen. Sie war entschlossen ja zu sagen, nur wollte sie cs ihm nicht zu leicht machen. Er muffle füh len, daß sie ihren Wert kannte, daß sie sich der Hufd voll bewußt war, die sie ihm erwies. Herta reiste abends ab. Sie hatte einen wei ten Weg und konnte erst am anderen Morgen in Liebenau ankommen. Randen mußte von Hertas Abreise erfahren haben. Er war auf dem Bahnhof, nahm für sie das Billet und besorgte das Gepäck und brachte ihr einen Strauß köstlicher Nolen. Es war ihr lieb, so als Königin behandelt zu werden, und dock) mischte sich etwas wie leise Ungeduld in die ses Gefühl. Konnte er denn nicht warten, bis sie ihm ihre Antwort gab. In der JagdjoPPc, mit der Kappe erschien er ihr noch häßlicher, als im Gesellschaftsanzuge. Nein, nein, sie hatte sich ihren Lebensgefährten ganz anders gedacht; er glich in nichts Friedrich Randen. „Ich hoffe, Sic finden zu Hause Ihren Herrn Vater nicht allzu krank," sagte Randen kurz, ehe der Zug abging. „Jedenfalls er innern Sie sich, daß ich Ihnen tief ergeben bin. Ein Wink von Ihnen und ich eile dort hin, wo Sie sind, wo Sie wallen, Gott segne Sie." Die Worte waren sehr warm gesprochen. Noch einmal ruhten die Hände ineinander, Randen lüftete die Kappe und der Zug setzte sich in Bewegung. Herta dachte: „Er ist ein guter Mensch, ich müßte wirklich versuchen, ihn zu lieben." Sic seufzte und lehnte sich in die Polster zurück, (Fortsetzung folgt.) . . ' st- l