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MIM M HohMi» kriWlilrr Aliikizn Tageblatt. Nr L4S Tonntax, den SÄ Juni 1»1S 4«. Jahrgang Deutscher Reichstag. IW. Sitzung vom 20. Juni. Zunächst wird eine kurze. Ansrage erledigt. Abg. Dombeck (Pole) weist darauf hin, das; der Oberschlesische Berg- und Hüttenmän nische Verein zu Kattowitz nach dem letzten Bocgarbeiterstreik über Arbeiter die Aussperrung auf drei Monate verhängt haben soll. Die Königlich Preußische Bergwerksdirektion Zabrze soll sich diesem Beschlusse angeschlossen haben. Ministerialdirektor Caspar erklärt, daß eine Aussperrung von drei Monaten nicht ver hängt worden ist. Später wurde eine Aus sperrung ausgesprochen. Der Handelsminister lat sofort das Erforderliche veranlaßt, um die Aussperrung aufzuheben. Sie hat nur zwei Wochen gedauert. Der Reichskanzler hat da her keine Veranlassung, sich weiter mit der Sache zu befassen. Darauf wird die zweite Lesung der Wehr vorlage fortgesetzt (8. Beratungstag). Zunächst cnt'pinut sich eine lebhafte und ausgedehnte Gcschäftsordnungsdebatte. Präsident K ci m p f : Vor Eintritt in die Tagesordnung will der Abg. Franck ein Tele gramm verlesen, das sich auf die gestrige Boh- lottfrage bezieht. Ich erteile dem Abg. Franck das Wort. Abg. Graf Westarp (kons.): Ich erhebe Widerspruch, da die Debatte über diese Frage gestern geschlossen ist und das Wort nur er teilt werden kann, wenn niemand widerspricht. Präsident Kämpf: Da Widerspruch er hüben ist, muß ich davon Abstand nehmen, dem Abg. Franck das Wort zu erteilen. (Gro ßer Lärm bei den Sozialdemokraten und Zu rufe. Abg. Franck hat bereits das Wort er halten.) Abg. Haase (Soz.): Es ist schon mehr fach gestattet worden, vor Eintritt in die Ta gesordnung eine Erklärung abzugeben, auch wenn die Diskussion bereits geschlossen ist. Abg. Franck hat gestern bereits vom Präsiden ten die Erlaubnis erhallen, das Telegramm zu verlesen. Der Präsident durfte daher dem Abg. Grafen Westarp gar nicht mehr das Wort zur Geschäftsordnung erteilen. Abg. Franck (Soz.): Ich hatte tatsäch lich vom Präsidenten die Erlaubnis erhalten, das Telegramm hier zu verlesen, und ich hatte schon die beiden ersten Worte vorgelesen. Ich habe das Wort erhalten und halte mich für berechtigt, die Depesche vorzulesen. Sie lautet: Präsident Kämpf: Ich habe dem Abg. Franck, als er mich beim Betreten des Saales bat, eine Depesche verlesen zu dürfen, gesagt: Damit wird die Debatte wieder eröffnet. Dar auf hat nun ein Mitglied des Hauses Wider spruch erhoben; das muß ich feststellen. Abg. Graf Westarp (kons.): Die Ver lesung des Telegramms vor Eintritt in die Tagesordnung kommt gar nicht in Frage, da wir schon einen Punkt der Tagesordnung er ledigt hatten. Der Präsident hat ferner er klärt, daß mit der Erklärung die Diskussion wieder eröffnet wird. Das konnte aber nur geschehen, wenn niemand wideripr cht. Da ich widersprochen habe, ist die Vcr esung unzu lässig. Abg. v. Payer (Vpt.): Wir waren tat sächlich bereits in die Tagesordnung eingetre ten, als Abg. Franck seine Depesche verlesen wollte. Da die Wiedereröffnung einer berei.s geschlossenen Debatte nur zulässig ist, wenn niemand widerspricht, so muß es bei dem gu ten Willen des Präsidenten sein Bewenden haben. Abg. Haase (Soz.): Die Zulassungen von Erklärungen vor Eintritt in die Tages ordnung ist in die diskretionäre Gewalt des Präsidenten gestellt. Ein Widerspruch eines Mitgliedes des Hauses ist daher nicht zulässig. Abg. Franck (Soz.): Wenn ich verhin dert wurde, die Depesche zu verlesen, so hat der Präsident nicht im Rahmen seiner Befug nisse gehandelt, wenn er einem anderen Mit- gliede des Hauses das Wort er eilt hat. (Oho- rufe und Unruhe.) Präsident K ä m p , : Dagegen muß ich Verwahrung einlegen. (Beifall.) Ich habe ausdrücklich erklärt, daß durch die Verlesung der zwei Seiten langen Depesche die Diskus sion wieder eröffnet würde, und daß ein Wider spruch diele Verlesung verhindern müßte. Abg. Graf Westarp (kons.): Ich hatte das Recht, vor Dr. Franck zu sprechen. (Wi derspruch bei den Soz.) Ich verbitte mir der artige Bemerkungen. (Großer Lärm bei den Soz., anhaltende Unruhe, Zwischenrufe. Der Präsident erteilt einem sozialdemo.ratischen Ab geordneten einen Ordnungsruf.) Abg. Schultz (Rpt.): Der ganze Reichs tag ist sich einig, daß es nicht angebt, in einem einzelnen solchen Falle die Gebräuche des Hau ses umzustoßen. Abg. Franck (Soz.): Ich lege daher die Depesche auf den Tisch des Hauses nieder. Damit ist diese Angelegenheit erledigt. Darauf wird die Beratung der Wehcvorlage fortgesetzt. Der sozialdemokratische Antrag, der auch gerichtliche Maßnahmen gegen den Mili tärboykott ermöglichen will, wird mit 201 ge gen 127 Stimmen abgelehnt. Die Abstim mung über die Kommissionsresolution erfolgt durch Hammelsprung. Sie wird mit 196 ge gen 100 Stimmen angenommen. Die Reso lution ersucht den Kanzler, dafür zu sorgen, daß seitens der Militärverwaltung den Sol daten der Besuch einer Räumlichkeit nicht ver boten werden darf, weil der Inhaber eine be stimmte politische Ueberzeugung hat oder An gehörigen einer politischen Partei seine Räume zur Verfügung stellt; es sei denn in der Zeit, in der politische Versammlungen in dem An wesen abgehalten werden. Nuumebr wird die Beratung des sozial demokratischen Antrages fortgesetzt, nach dem die Beförderung innerhalb der Armee nur von der persönlichen Tüchtigkeit abhängen soll. Auf die gesellschaftliche Stellung oder die Zuge hörigkeit zu einer Religionsgesellschaft oder politischen Partei soll keine Rücksicht genom men werden. Abg. Werner (Winsch. Vgg.): Mit dem Worte, der Antisemitismus ist eine Schmach des Jahrhunderts, ist gar nichts getan. Ich bin kein unbedingter Lobredner des Offizier- koeps. Es sind da schon oberfgule Sachen vor- gekonnnen. Wir bedauern auch diese Adels wappen-Vergoldungen im Interesse der Rein- crhaltung unserer Rasse. (Gelächter links.) Das verstehen Sie natürlich nicht; es sitzen zu viele Juden unter Ihnen. Wir haben im Deutschen Reichstage 20 Herren jüdischen Namens. Das Judentum eignet sich nicht für den Militär dienst; auch für den Schuldienst ist es wenig tanglich. Aber das ist nebensächlich und liegt im Blute. Wichtig ist, daß sich im Judentum sehr viele revolutionäre Elemente befinden. Den Ausführungen des Abg. Werner tra ten die Abgg. Schöpflin (Soz.), Erz berger (Ztr.), Heinde (Soz.), Wald- st e i n (Vpt.) entgegen. Darauf wurde der sozialdemokratische An trag abgelehnt. Nach einem weiteren sozial demokratischen Antrag dürfen Mannschaften nicht zu polizeilichen Zwecken, »och als Ersatz für streikende oder ausgesperrte Arbeiter ver wendet werden. Kriegsminister von Keeringen be zeichnete Aeußerungen des Abg. Liebknecht un ter großem Lärm der Sozialdemokraten als Klatschgeschichten. Das Heer sei nicht in erster Linie für den inneren Feind da, aber es könne verfassungsgemäß zur Aufrechterhaltung der Ordnung ini Lande herangezogen werden. Im Ruhrrevier wurden durch das Erscheinen des Militärs ernste Unruhen verhüter. Wenn die Truppen Maschinengewehre mitgeführt hätten, so hätten diese zur Ausrüstung der Truppen gehört. Der Antrag wurde abgelehnt. Sonnabend Weiterberatung. Zur Weihe der Vergtheaters Hohenstein-Ernstthal wird uns geschrieben: Ein großer Tag steht unserer Stadt am morgigen Sonntag wieder bevor, ein Tag, wie er in seiner Eigenart und Bedeutung «richt bald wiederkehren wird. Die Eröffnung des Naturtheaters auf dem Pfaffenberg dürfte ein Martstein werden in der Geschichre unserer Heimatstadt. Wir wollen nicht dem Gange der Entwickelung vorgreifen; wird sich jedoch der Plan in der Weise ausgestalten, wie wir wünschen und hoffen, so wird unser Berg- 0 eatcr zu einer Einrichtung werden, an der die Bürger der alten Bergstadt mit stolzer Freude festhalten werden, damit sein Ruhm auch über unserer Stadt Mauern hinauswach'e und der Natnrtbeaterort Hohenstein - Ernstthal das Ziel vieler Fremder aus der Chemnitzer Pflege werde. Das wird unserer Stadt und ilren Bewobnern materiellen Nutzen bringen. Daneben wird durch unsere Naturbühne das natürliche Kunstempfinden der Stadtbewohner verbessert und — was der herrliche Lohn sein wird — die Heimatliebe und Heimarverebrung gestärkt und belebt. Die Weihe des Bergtheaters ist somit nicht allein die Eröffnung eines geschäftlichen Um- ternelmens, sondern es ist Sache jedes Bür gers, der seine Heimatstadt liebt, ihre Frei- Im Labyrinth des Lebens. Roman von M. Kncschle-Schönau. 25. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Das werden die Ellern nicht leiden!" stieß das Kind trotzig hervor. „Doch!" erklärte Gabriele bestimmt. „Die Eltern werden auf meine Wünsche ganz sicher Rücksicht nehmen und Dich nicht fragen." „Mutter, Großmutter!" schrie das Mädchen erregt aufspringend und zu den beiden er schrockenen Frauen eilend. „Sagt Ihr es dem Fräulein Pat', daß Ihr mich nicht fort laßt, und daß Ihr über mich zu befehlen habt, nicht sie." „Km Gotteswillen, Kind, sei doch nur still!" beschwichtigte die Mutter das aufgeregte Kind. „Du weißt doch," fügte sie flüsternd hinzu, „was wir ihr zu danken haben, daß sie uns von Haus und Hof wegjagen kann, wenn wir ihr nicht gehorchen. Mach' Dich und uns nicht unglücklich, Lorchen." Hermine war indessen zu Gabriele getreten und bat ebenfalls flüsternd: „Laß sie jetzt, Ga briete, sie hat Dein aufbrausendes, stolzes Tem perament und der Gedanke, von uns fortzu müssen, macht sie rasend. Wir haben's erfahren." „lind immer nachgegeben, natürlich!" nickte Gabriele. „Doch fürchte nichts, ich weiß ein Mitte, den Trotzkopf gefügig zu machen. Do> torcs!" wandte sie sich laut an das Mädchen, das, der Mütter Hüfte umklammernd, trotzig herüber sal. „Geh' jetzt und ziehe Dich um! In einer Stunde erwarte ich Dich auf meinem Zimmer. Du wirst mir Deine Hefte vorlegen und magst Deine Zeichnung mitbringen. Wenn Du wirklich Talent hast, will ich sehen, was sich tun läßt. Adieu einstweilen!" Mit freundlichem Kopfnicken verließ sie die Stube, Hcrminens Begleitung abwehrend. Sie lannte ja den Weg zu ihren Giebelstübchen, wußte auch, daß sie dieselben in tadelloser Ordnung vorfinden würde. Gedankenvoll stieg sie die knarrende Holztreppe hinauf und trat in das Wohnzimmer ein, dessen Dielen blü tenweiß gescheuert und mit Läufern belegt wa ren. Blinkende Sauberkeit überall. Auf den Fenstersimsen standen blühende Topfgewächse nnd die Kissen auf der Chaiselongue lagen inst so, als ob sie gestern erst darauf geruht, lind doch waren Jahre vergangen, seit sie die ses Stübchen zum letzten Male betreten. Sie öffnete de» Kleiderschrauk und mußte lächelu. Da hing der altmodische hellblaue Schlafrock noch am selben Flecke. Büschel von Motten- kraut und getrockneter Waldmeister hingen an den leeren Nägeln und strömten einen eigen artig herben und doch angenehmen Duft aus. Sie nahm das Kleidungsstück heraus und be trat nun das einfenstrige Schlafstübchen, lieber die gestrickte, weiße Bettdecke, ein Werk Her- minens, war eine graue Leinewauddccke zum Schutze gebreitet, sonst alles gebrauchsfertig; sogar für Wasser in der Waschtoilette Ivar ge sorgt. Ein paar hellblaue, gehäkelte Pantöf felchen standen vor dem Bett. Die waren neu und gewiß eine Arbeit der Kleinen. Bei die sem Anblick regte sich etwas im Herzen Ga- brielens. Sonderbar! Was früher nie der Fall gewesen, heute empfand sie plötzlich Sym pathien für das Kind. Heule, wo sie am wenigsten Ursache dazu gchrbt, wo es lrotzig, auslehnend gegen sie gewesin. War es die Aehnlichkeit des Charakters mit dem ihren? Unwillkürlich mußte sie der Zeiten gedenken, wo sie selbst unter dem Josie der Tame gc schmachtet und ähnliche Szenen sich oft genug abgespielt hatten. Sollte sie ihr eigen Fleisch und Blut in ähnlichen, Peinvolleu Abhängig keitsverhälmisscu au'wachsen lassen, dein Kinde dieselben drückenden Sktavenkctten der Dank barkeit anlegeu, die sie einst so wund ge rieben? Nein, tausendmal nein! Diese Leiden sollte es nicht durchmachen müssen. Sie liebte das Kind nicht, ganz gewiß nicht, aber dennoch wollte sie es vor diesen Seelenkämpfen behüten. Zuerst hatte sie streng und rücksichtslos ihren Willen durchsetzen wollen, jetzt aber entschloß sic sich, durch sanfte Ueberrednug, Liebe und Güte auf die Kleine zu wirken. Während dieser Gedanken hatte sie sich ent kleidet, den alten, weichen Schla'rock angelegt und die Pantoffeln über die Füße gestreift. Dabei war ihr wieder so eigen ums Herz ge worden. Aber energisch unterdrückte sie das weiche Gefühl. Sie wollte, wollte nicht weich werden. Nur das nicht! Das Leben ertrug sich viel leichter, wenn man kühlen Herzens durch die Welt ging. Sie hatte das doch wat r- haftig genugsam erfahren. Sie warf sich aiü die Chaiselongue, zog die leichte Decke über sich und schloß die Augen. Sie war müde, wollte zu schlafen versuchen. Aber die Gedanken arbeiteten rastlos weiter und drehten sich immer nm den einen Punlt — das Kind. So sehr sie den Gedankten auch abwebrte, die Bande des Blutes bestanden doch, das Mnttcrgefühl ließ sich nicht ganz er sticken, lind dieses vom Vater ererbte Zeichen talcut! War's nicht wie ein Gericht Gottes! Was sie damals mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln von sich abwehreu gewollt, hier erstand cs ihr von neuem in dem Kinde, nnd es würde hier ebenso wenig zu unter drücken sein, als bei Cedrik. Wozu also da gegen aukämpfen? Vielleicht würde es zum Glücke des Kindes und führte auch dieses, gleich dem Vater auf die Höhe des Ruhmes. Und der Abglanz dieses Glückes würde auch auf ihren einsamen Lebensweg fallen, ihr Al ter verschönend. Eine Träne stahl sich auf einmal in ihr Auge, ein wehes Gefühl beschlich ihr Herz. Vorhin als das Kind sich so sicher auf das Recht der Eltern, der Großmutter berief, gegen ihr Machtwort sich auflehnend, hatte sie zum ersten Male Reue erfaßt, ihr eigen Fleisch und Blut Fremden abgetreten zu haben. Wie ein Blitzstrahl batte ihre düstere Seele die Ahnung erhellt, daß cs doch etwas Köstliches nm den Besitz eines Kindes sein müsse, und daß es ein Frevel gewesen, dieses Kleinod zu ver schenken. Acußerlich ließ sich nichts mehr dar an ändern, vor drei Jahren hatte die Adop tion stattgefundcn und Dolores trug berechtig terweise den Namen ihrer Adoptiveltern, doch das innere Band, das sic mit ihr verknüpfte, das konnte befestigt werden, das lag in ihrer Hand und das wollte sie mit allem Eifer, aller Hingebung erstreben und wenigstens dar in gutmachen, was sie in ihrem Groll, ihrer Verblendung versäumt. Während Gabriele also grübelnd lag, rann Träne auf, Träne über ihre Wangen. Sie fühlte es wohl, hemmte sie aber nicht, es tat ihr wohl dieses Weinen. An dem Tage, wo ihr das Bild von Cedriks Frau zu Gesicht gekommen, hatte sie die letzte heimliche Träne geweint. Zehn Jahre Hatte sie in starrer Bit terkeit dahingelebt, ihr Herz gleich einer Festung gegen jedes weiche Gefühl verteidigt nnd nun batte das Kind eine Bresche geschlagen, die Eisrinde zum Schmelzen gebracht. Tapp, tapp, kam es die Holztreppe heraus, zögernde Kindersüßchen lrippelten ü^er den Vorplatz, verharrten daun minutenlang an der Tür. Erst als aus dem Hausflur ein leiser Mabnru erfolgte, klopfte die Kinderhand leise an die Tür. Gabriele hatte alles gehört und sich lau schend aufaerichtct. Jehl tilgte sie schnell die Tränenspuren von ihren Wangen, ließ sich in die vorige Lage zurücksinken, dann erst rief sic: „Herein!" Die Tür öffnete sich und das schlanke Fi gürchen des Kindes schob sich durch den Spall und blieb auf der Schwelle stehen. Es sah jetzt ganz anders aus, als vorhin. Ein licht blaues Kattunklcidchen mit einer weißen Schürze darüber, saubere weiße Strümpfe und schwarze, eckvas plumpe Schuhe, sichtlich der Sonntags- staat, ließen das zierliche Kind bei weitem nicht so anmutig erscheinen, als das so streng gerügte „Fericni'ostüm". Die wirren, blonden Löckchen waren mittelst Wasser und Pomade ehrbar binters Ohr gezwungen und zu zwei steifen, sich ausfträubeuden Zöpfchen geflochten. Das rosige Gesichtchen glänzte, vom reichlichen Gebrauch ordinärer Seife, wie mit Sveck- 'cknvmtc eingerieben. Die wunderschönen, licht blauen Augen waren dick verschwollen. Die Kü-iue tzatte wahrend der Toilette herzbrechend geweint und war nur durch die ernstesten Vor stellungen und Drobungen zu dem Gange zum ceitteugen „Fräulein Pat" zu bewegen ge wesen. Scheu kam sie näher und reichte Gabrielen einige Hefte hin. Gabriele war so betrosien von dem veränderten Aussehen und dem ein oeüsiüchlenen, linkischen Wesen des erst so lempcramentvotten Kindes, das sie kaum eine passende Anrede fand. Noch mehr erschrak sic, als das Kind einen Moment die niedergefchla gcncn Augen zu ihr emporhob und ein feind- siligcr Blick sie traf. Mit aller Gewalt sich fassend, richtete sic sich haH auf und sagte freundlich: „Komm näher, Dolores! Setze Dich hier auf diese Fußbank, noch näher, so!" Das Kind tat wie ihm befohlen, faltete die Hände im Schoße und sah halb bang, halb trotzig zu Gabriele aut, welche mit nn bewegtem Gesicht in den gereichten Heften blätterte, die allerding s wenig Er reuliches bo te». Aber ksin Wou des Tadels kam über ihre Lippen, nur ein ernster, aber durchaus nicht unfreundlicher Blick traf die kleine Sün derin, die darunter «nieder bis an die Haar wurzeln errötete. (Fortsetzung folgt.) LrsssIäsrLsikäsnIisus Oksmnilr, Leke?oR- u. X HENRI-.