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Wllgk IW MkOiMnWln AmüM Tsgeblstt. Nr 12V SSWMMMWWMMMMI^' ll I»«« «0 Mittwoch, den 28. Mai 1013 40. Jahrgang Im Labyrinth des Lebens. Roman von M. Kneschke-Schönau. n. Forlschmig. (Nachdruck verboten. Eine Viertelstunde später klopft es leise an die Tür. Hermine ist es. Sie Hit Gabriele kommen hören und ist erstaunt, eine verriegelte Tur zu finden. Das ist doch sonst nicht Ael ias Gewohnt eit. Noch einmal klopft sie, aber das junge Mädchen tut, als schliefe es bereits uno leise entfernte sich die Aste. Wie gern hätte Gabriele noch mit der treuen Dienerin geplaudert, aber sie fürchtet, sich zu verraten und nicht umsonst hat ihr Cedrik tiefstes Schweigen geboten. Sie will Lem Ge liebten geborchen, ihm vertrauen. Noch bebt ihre jungfräuliche Seele vor dem Gedanken einer heimlichen Ehe, wie vor einer Sünde zurück und sie beschließt, erst im alleräußer sten Notfälle diesen Weg zu betreten. Vorher wist sie noch einen Sturm aus das Herz der Tante wagen, vielleicht ist sie doch grotzmüti. ger, als sie denkt, und gM ihre Erlaubnis zu der Trauung. Wenn sie die Tante beerbt, braucht Cedrik das Erbe seines Onkels nicht, ihre Zukunft ist dann gesichert und die Ehe !ann o sen und vor aller Welt geschlossen werden. Von diesem Gs danken ermutigt, entschlum- mert sie und liebliche Träume führen sie einer glücklichen, sonnigen Zukunft entgegen. — 2. Kapitel. Die Justizvätin Kayser hat eine sHr schlechte Nacht verbracht und schon am frühen Morgen muß Hermine einen Noten zum Hosrat Lieb mann schicken, um ihn ans Krankenbett ihrer Gebieterin zu rmen. Eine Stunde darauf er scheint der Vielbeschäftigte. Im Hausflur trifft er mit Gabriele zusammen, die eine Morgen- vromenade im Garten gemacht hat, weil Her mine il,r flüsternd berichtete, daß die Tante sehr elend sei und sie nicht zu sehen wünsche. Die frische Morgenluft hat ihre Wangen mit einem zarten Rot überzogen und hell strah len die großen, bräunen Augen dem Hofrat entgegen, der höflich den Hut vom kahlen Schädel ziehend, mit bewundernden Blicken das schöne Mädchen betrachtet. „Habe die Ehre, mein gnädiges Fräu lein!" näselt er, Gabrielens Hand erfassend und sie tätschelnd. „Wie ist der gestrige Abend bekommen? Aber was frage ich denn — gut natürlich! den strahlenden Augen und rosigen Wangen nach zu schließen." Das Rot auf ihren Wangen vertieft sich noch und verlegen stottert sie: „Ich weiß nicht was Sie meinen, Herr Hofrat!" „Haha! Das ist gut!" lacht er. „Sie wol len doch nicht etwa leugnen, daß Sie gestern dem Gartenfest im Kurpark beiwohnten? Kind chen, das können Sie unmöglich, denn alle Welt bat Sie gesehen und — bewundert. Es war ein exquisites Bild, das Sie da unter der Buche darstellten. Faust und Gretchen oder Romeo und Julia? Wer war denn der Glück liche an Ihrer Seite?" Gabriele starrt ganz entgeistert auf das lächelnde Gesicht des Hofrats, der den Ruf eines argen Don Juans genießt. „Ach, Herr Hofrat, bitte verraten Sie mich nicht!" siebt sie ängstlich. „I wo werde ich denn!" entgegnet er jo vial, um gleich darauf zögernd und jedes Wort pointierend fortzufahren: „Das heißt aber unter der Bedingung, daß Sie mir auch ein mal solch ein reizendes Schäferstündchen unter der Buche gewähren." Leise, kaum merklich umfaßt er dabei ihre schlanke Taille und nähert sein rotes, etwas gedunsenes Gesicht dem ihrigen. Gabriele weicht entsetzt zurück und als sie in seine flackernden Augen sieht, läuft ihr ein Schänder durch die Glieder. Mit einer Ge bärde des Ekels schleudert sie seine ausgestreckte Hand zurück. Wie von einem Peitschenhieb getroffen zuckt er auf. Ein tückischer Bäck trifft das erblaßte Mädchen. Stolz aufgerichtet, eine wilde Droh ung murmelnd, schreitet er an ihr vorüber, in das Zimmer der Justizrätin. Minutenlang starrt ihm Nella nach und ein eisiges Gefühl beschleicht ihr Herz. Nun ist alles verloren. Dieser Don Juan ist ihr Todfeind geworden und wird sicher nichts eiligeres zu tun haben, als der Tante ihr gestriges Rendezvous zu verraten. In ge beugter Haltung und müden Schrittes schleicht sie in ihr Stübchen. — Indessen sitzt der Hofrat am Bett der Kranken und höot zerstreut aus ihren Bericht von der qualvollen Nacht, mit ihren Schmer zen und beängstigenden Hevzerscheinungen. In ihm kocht noch der Grimm über die erlittene Zurückweisung und als seine Patientin von Aufregungen spricht, die sie am Abend gehabt, greift er mit teuflischer Schadenfreude dieses Thema auf, um es zur Rache gegen die spröde Schöne zu gebrauchen. „Wenn ich nur in aller Welt wüßte, über was Sie sich aufzuregen haben, verehrteste Frau", sagt er ungeduldig. „Sie wissen, wie schädlich Ihnen jedes Echauffement ist und daß es Ihre Pflicht ist, sich davor zu hüten. Meine ganze ärztliche Kunst ist nutzlos verschwendet, wenn der Grund zu diesen ewigen Aufregungen nicht beseitigt wird. Um was handelt es sich denn immer? Jst's Ihre alte Hermine, die sie ärgert, so jagen Sie sie einfach zum Teufel. Sie be kommen zu jeder Stunde einen Ersatz. Ihre Gesundheit ist mehr wert, als solch alter Drachen und wie gesagt, ich stehe für nichts, wenn das so weiter geht." Der alte Fuchs weiß genau, daß dies der wunde Punkt bei der Justizrätin ist. Trotzdem ihr das Leben absolut nichts mehr zu bieten ver mag, hängt sie doch mit allen Fasern des Herzens daran und empfindet eine fast kindische Furcht vor dem Tode. Mit angstvoller Miene forscht sie in den Zügen des Arztes und ihre bleichen Lippen murmeln bebend: „Steht es so schlecht mit mir, Doktor?" Schweigend zuckt er die Achseln. „Die Wahrheit, Doktor!" fleht sie keuchend. „Ich kann nur wiederholen, was ich Ihnen schon immer sagte. Bei ruhigem, gleichmäßigem Leben können Sie ein hohes Alter erreichen. Jede Aufregung aber birgt den Tod in sich. Ihr Herz ist schwach und das ist das bedenk liche. Vertrauen Sie mir doch an, was die Ur sache Ihres Kummers, Ihrer Sorgen ist. Viel leicht kann ich Wandel schaffen." Die Kranke atmet mühsam, als ringe sie mit einem Entschluß, dann stößt sie kurz, wie atemlos, hervor: „Hermine ist's nicht, aber die andere!" Dar Hosrat hat keine andere Antwort er wartet, dennoch stellt er sich erstaunt. „Wie, Ihre Pflegetochter wäre es? Das Mädchen, das Sie mit Wohltaten überschütten?" Frau Kaiser nickt und ballt grimmig die fleischlosen Hände. „Ei, ei! Wie man sich täuschen kann!" meint der Hofrat und wiegt bedächtig das Haupt. „Das Mädchen mit dem Engelsnamen und Engelsgesichtchen scheint also das ganze Gegenteil von dem zu sein, was sie vorstellt. Nun kann ich mir auch den gestrigen, pein lichen Vorfall erklären. Doch sprechen wir jetzt nicht darüber," unterbricht er sich selbst und beugt sich orglich über die Kranke, die in atemloser Spannung aufhorcht. Er will ihren Puls zählen, sie aber schiebt heftig seine Hand zurück und fragt dringend: „Von welchem peinlichen Vorfall sprechen Sie? Ich will es wissen! Machen Sie keine Ausflüchte. Reden Sie, ich bestehe darauf." (Fortsetzung folgt.)