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5918 Börsenblatt s. d. Dtschn, Buchhandel Nichtamtlicher Teil. 122. 27. Mai 1908. sich von den vorher bekannt gewesenen wesentlich unterscheidet. Sie soll veröffentlicht werden. — Die slawische Kommission der Moskauer Archäologischen Gesellschaft will ein Komitee zur Herausgabe von altslawischen Texten der Heiligen Schrist bilden. — Der Vorsitzende der Schulkommission des Petersburger Stadt amts beantragte, zur Feier des achtzigsten Geburtstags von Leo Tolstoj eine Chrestomathie, ausgewähltc Stellen aus Tolstojs Werken enthaltend, herauszugeben und an zehntausend Schüler der städtischen Schulen zu verteilen. — Der städtische Magistrat von Blagoweschtschensk hat zweitausend Rubel für eine Beschrei bung dieser Stadt in Verbindung mit der Entwicklung des Amur gebiets assigniert. — Die Liga für Volksaufklärung wird eine Bibliothek eröffnen, für die von der Freien ökonomischen Gesell schaft dreizehntausend Bände gestiftet wurden. Auch der Kurator des Tifliser Lehrbezirks hat bereits eine große Büchersammlung für diesen Zweck gespendet. Diese Bibliothek wird auch alle rus sischen Zeitschriften und Zeitungen erhalten. — Am 17. März d. I. waren zweihundert Jahre verflossen, seit in der Moskauer Synodaldruckerei das erste Buch — eine Geometrie — mit den von Peter dem Großen eingeführten neuen, sogenannten bürger lichen Lettern gedruckt wurde. Im Februar 1806 erschien mit Genehmigung der Zensur behörde eine Broschüre unter dem Titel »Dem Volke- in 25 000 Exemplaren, verfaßt vom Wirklichen Staatsrat Lawrow, einem Beamten des Ministeriums des Innern. Darin wurde das rus sische Volk gegen die Fremden überhaupt, namentlich aber gegen die Juden aufgehetzt. Diese Broschüre wurde nachträglich konfis ziert und der Verfasser zu gerichtlicher Verantwortung gezogen. Das Kreisgericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von hundert Rubel oder siebentägiger Gefängnishaft. Das Bezirksgericht, an das Lawrow appellierte, reduzierte die Strafe auf fünfundzwanzig Rubel und der Senat, dem das Urteil schließlich unterbreitet wurde, hob dasselbe auf und übertrug den Entscheid an den Ober gerichtshof, der im Februar dieses Jahres den Verfasser der Broschüre freisprach. — Bischof Hermogen beantragte, dem Professor N. Morosow zu untersagen, Vorträge über die Apokalypse zu halten, und dessen Buch »Die Offenbarung unter Sturm und Donner« zu verbieten. Dem Anträge wurde Folge gegeben und erklärt, daß dieses Buch für die orthodoxe Kirche schädlich sei. — Der Präsident der Duma-Bibliothek teilte in einer Sitzung der Partei für Volksfreiheit mit, daß alle aus dem Auslande an die Duma- Bibliothek eingesandten Bücher von der Zensur stellenweise geschwärzt, d. h. unleserlich gemacht worden seien. — Ende 1908 erschien eine Broschüre »Zur fünfundzwanzigjährigen Feier des 1. März 1881- (worin die Ermordung Kaiser Alexanders II. verherrlicht wurde). Das Vorwort war von L. Deutsch verfaßt, der ins Ausland zog. Es währte fast ein ganzes Jahr, bis diese Broschüre konfisziert und die Herausgeberin, Frau Shukow, zur Verantwortung gezogen wurde. Das Gericht verurteilte sie zur Gefängnishaft von einem Jahr und die Broschüre zur Vernichtung. — Die Kijewer Gesellschaft zur Verbreitung des Volksschuluntcrrichts und mit ihr 186 Volks- schulbibliothskcn, die aus dem Nachlasse des Buchhändlers Pawlen- kow gegründet wurden, sind geschlossen und gegen ihre Leiter das gerichtliche Verfahren eingeleitet worden. — Das Ministerium der Volksaufklärung hat neuerdings eingeschärft, daß außer den Gou vernementszeitungen keine nichtwissenschaftlichen Zeitungen und Zeitschriften für die mittleren Lehranstalten abonniert werden dürfen. In der Petersburger Literarischen Gesellschaft fanden unlängst Beratungen über das literarische Eigentumsrecht statt. W. Wodowosow und P. Mtshujew beantragten, die bestehenden Autorenrechte, die gegenwärtig bis fünfzig Jahre nach dem Tode der Verfasser währen, im Interesse des russischen Volkes auf fünf undzwanzig oder dreißig Jahre zu beschränken. Wodowosow er klärte auch, daß es für die russische Kultur schädlich wäre, wenn man mit andern Ländern Konventionen abschließen würde, wodurch das unbeschränkte Recht, aus fremden Sprachen zu übersetzen, ver klausuliert werde. Anderseits wurde dem widersprochen und schließlich eine Kommission gewählt, die einen hierauf bezüglichen Entwurf eines Gesetzes ausarbeiten solle, das dann dem Ministerium zu unterbreiten wäre. Infolge der letztjährigen Ereignisse in Rußland sind die Ein nahmen der Gesellschaft zur Unterstützung bedürftiger Schriftsteller und Gelehrten (des Literaturfondsl bedeutend geringer geworden. 11m das dadurch entstandene Defizit von ca. 4000 Rubel zu decken, wurde beantragt eine Lotterie zu veranstalten, deren Gewinne aus Kunstgegenständen (Gemälden und Skulpturen), Bildern, Gravüren, Bildnissen und Autographen von Schrift stellern und ähnlichen auf Literatur und Kunst bezüglichen Gegenständen bestehen sollen. Spenden zu diesem Zwecks werden an P. Weinberg, St. Petersburg, Nikolajewskaja 4, erbeten. — Eine Frau Sansinow offerierte dieser Gesellschaft ein Stück Land im Umfange von ca. 2400 Quadratklafter in der Nähe von Ssotschi im Kaukasus, unter der Bedingung, daß dort ein Asyl für solche Schriftsteller hergestellt werde, die in der Schlüsselburger Festung inhaftiert gewesen sind. Auch Steine, Kalk und andere Bau materialien wurden von der Spenderin der Gesellschaft zur Ver fügung gestellt. — Das Eigentumsrecht der sämtlichen Werke des Historikers N. Kostomarow wurde von seiner am 4./l7. Februar d. I. in Kijew verstorbenen Witwe dem Literaturfonds vermacht. Aus dem Erlös dieser Werke sollen an der Charkower Universität zwei Stipenden für Studenten der historisch-philologischen Fakul tät zu je 360 Rubel jährlich gestiftet werden. Die umfangreiche Korrespondenz dieses Historikers wurde an W. Kotelnikow über geben, der sie nicht vor 1910, zwanzig Jahre nach dem Tode Kostomarows, veröffentlichen wird. — In der Gouvernementsstadt Orel werden eifrige Vor bereitungen getroffen, um den fünfundzwanzigjährigen Todestag von Iwan Turgenjew am 22. August (4. September a. St.) d. I. zu feiern. Die städtische Verwaltung hat vorläufig 500 Rubel zu diesem Zweck angewiesen, und die Gelehrte Archivkommission wird Materialien zu einer Biographie des Dichters herausgeben. Leider will der jetzige Besitzer des Turgenjewschen Gutes Spaßkoje- Lutowinowo, Vizegouverneur Galachow, von den ihm übergebenen Papieren und Sachen an diese Kommission nichts verabfolgen. — Auch in den literarischen Kreisen Petersburgs wird an die fünf undzwanzigjährige Wiederkehr von Turgenjews Todestag erinnert. Man hofft, daß M. Stassjulewitsch, der mit dem berühmten Dichter befreundet und bei dessen Tode zugegen war, die Ini tiative zu einer würdigen Feier ergreifen wird. — In Woronesch bildete sich ein kleiner Kreis von Verehrern des berühmten Volksdichters A. Kolzow, um dessen hundert jährigen Geburtstag, den 2./15. Oktober d. I., würdig zu feiern. Kolzow war der Sohn eines Viehhändlers; er lebte, dichtete und starb in Woronesch. — Professor S. Platonow hielt einen höchst interessanten Vor trag über »Iwan der Grause in neuester wissenschaftlicher Be leuchtung-, Er kommt zu dem Ergebnis, daß dieser Zar durch aus nicht der berüchtigte Wüterich war, als den ihn die alten Historiker schilderten. Als Herrscher habe er große, unleugbare Verdienste gehabt. — Eine Anzahl russischer Schriftsteller vereinigte sich, um unter dem Titel »Pantheon- eine Sammlung von guten Übersetzungen aus den Literaturen aller Zeiten und Länder in Bändchen zu zwanzig Kopeken zu veranstalten und herauszugeben. In Tiflis bildete sich eine »Grusinische Gesellschaft für Kunst- litcratur-, die dis grusinische Sprache und Literatur entwickeln und den bedürftigen grusinischen Schriftstellern materielle Unter stützung gewähren will. Die Witwe eines ehemaligen Lektors der kalmykischen Sprache an der St. Petersburger Universität, Dordshi Kutusowa, machte dieser Universität das Geschenk von Materialien zu einem Wörter buch der kalmykischen Sprache mit Übersetzungen ins Russische. Eine Grupps sibirischer Journalisten und anderer im Gesell- schaftslebcn bekannter Männer wandte sich an die Petersburger Gesellschaft zur Unterstützung hilfsbedürftiger Auswanderer mit dem Wunsche, daß man für eine Herausgabe populärer und billiger Bücher über das Auswanderungs- und Übersiedelungs wesen sorgen möchte. Die Gesellschaft des Puschkin-Lyzeums verlieh eine Prämie von 1000 Rubel an N. Lerner für dessen Werk »Puschkins Werke und Tage-. Wassilij Nemirowitsch-Dantschenko, der bekannte Schriftsteller und Publizist hat eine große Reise durch ganz Asten, den fernen Osten, die Philippinen, Sandwichsinseln usw. unternommen. Es soll ein Projekt bestehen, von der Gräfin Sophie Tolstoj das Gut Jasnaja Poljana anzukaufen, um es zum Staats-