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KlWk M Hchkilftin-EliiAthiiIn Aiikigtt Tageblatt? Nr 117 Sonnabend, de« 24 Mai 1N13 40 Jahrgang Zur Silberhochzeit des PrinzenMres Heinrich om Preußen. Ain gleichen Tage, am 24. Mai, an dem die Prinzeß Viktoria Luise sich vermählt, begeht auch Prinz Heinrich von Preußen, der einzige Bruder Kaiser Wilhelms, das Fest seiner silbernen Hoch zeit. Als Förderer der Reichsflotte, der er seit einem Menschenalter in den verschiedensten Stel lungen seine Kraft opferte, ist Prinz Heinrich zu einer außerordentlichen Volkstümlichkeit gelangt, sodaß die Feier seines 25jährigen Ehejubiläums gleichsam von der ganzen Nation mitbegangeu wird. Prinz Heinrich wurde am 14. August 1862 in Potsdam geboren und trat kurz vor seinem 15. Geburtstage in die Marine ein, deren höchste Stelle als Generalinspektor er heute bekleidet. In der Armeerangliste wird Prinz Heinrich als Generaloberst mit dem Range eines General feldmarschalls geführt. Am 24. Mai 1888 schloß dec damals 26jährige Prinz die Ehe mit der um vier Jahre jüngeren Prinzessin Irene von Hessen. Die Hochzeit wurde wegen der schweren Er krankung Kaiser Friedrichs in aller Stille ge feiert. Der Ehe entsprossen drei Söhne, von denen der eine bereits im Kindesalter verstarb. Unser Bild zeigt das allverehrte Prinzenpaar im Garten des Kieler Schlosses mit seinen Söh nen Prinz Waldemar und Prinz Sigismund. Durch seine Heirat ist Prinz Heinrich nicht nur mit dem Gcoßherzog von Hessen, sondern auch mit dem Zaren von Rußland ver- i schwägert. Neueste Ausnahme von Hosphol. Feed. UrbahnS, Kiel Prinz Heinrich niit seiner Familie im Garten seines Schlosses zu Kiel. Ser LMwittWstliche Kreismein im Erzgebirge hic't am Mittwoch in Herrenhaide bei Barn städt seine 64. Hauptversammlung ab. Es hatten sich dazu 1100 Teilnehmer aus den ver schiedensten Gauen des Erzgebirges eingefun- den, viele Mitglieder des Vereins arrch mit Frauen. Der Vorsitzende des Kreis'oereins, Herr Geh. Oekonomierat Schubart-Euba, rick- tete herzliche Worte des Willkommens an die Erschienenen, darunter eine Anzah Rsgierungs- Vertreter. Er gab im Anschluß daran einen Rückblick und Ausblick über die Zeit vom Ium vorigen Jahres bis mit jetzt. Hoß- nungsvoll habe man am Tage du vorjährigen Hauptversammlung in die Zukunft geblickl. Die Entwicklung der Feld'rüchce war groß artig. Die Ernte stand in jeder Beziehung herrlich im Felde. Die Wiesen gaben gute Erträge; das Einbringen des Heues konnte, begünstigt durch trockene Witterung, zum größ ten Teile vorzüglich geschehen! Manche Zm kuns'tspläne sind ans diese Aussichten hin gc schmiedet worden. Die Roggenernte begann *ast so früh, als wie in dem trockenen Jahre 1911 und wurde auch in den niedrigen Lagen des Kceisvereinsgebiets gut geborgen. Ende Juli begann die Regenzeit, welche bis zum Ende des Jahres eigentlich ununterbrochen anhielt. Wieviel Hoffnungen wurden vernich tet! Nachdem der Redner dann noch erwähnt hatte, daß wohl in keinem Jahre soviel Christ korn gesät werden konnte als 1912, kam er aus die gegenwärtige politische Lage zu spre chen. Er erklärte, daß alles, was man dar über erfahre, darauf hindeute, daß wir Frie den behalten. Dann fuhr der Redner fort: „Die Beschlüsse des Landeskulturrates in sei ner 52. Gesamtsitzung über die Frage der F-leischteuerung haben sich als vollständig rich tig erwiesen. Ich bringe sie deshalb hier nochmals in Erinnerung: Der Landeskulturrat betont, daß eine Aufhebung von ß 12 des Fleischbeschaugesetzes zu den schwersten Schä digungen der heimischen Viehproduktion und zur Durchbrechung des dem Konsumenten ge währten Schutzes vor minderwertigem oder gesundheitsschädlichem Fleisch führen müßte. Die sächsischen Landwirte hoffen, daß die sächsische Staatsregierung energisch und aus giebig für den Schutz der heimischen Land wirtschaft und Viehproduktion eintreten wird. Der Landeskulturrat erklärt sich bereit, Unter nehmungen der Großstädte entweder zum regel mäßigen Bezug von Schlachtvieh zu mäßigen Durchschnittspreisen oder zur Aufzucht von Schweinen in städtischen Mastanstalten in wei testgehendem Maße zu unterstützen. — Die Schweinepreise sind um 20 Prozent gefallen und haben jetzt einen Tiefstand erreicht, wel cher für viele Landwirte die Schweinemast schon wieder unproduktiv macht. Wenn man jetzt die Einrichtungen auf den Schlachthöfen sieht, um das nicht im Konsum unterzubrin gende Fett zu verwerten, so kann man sich nicht wundern, wenn das Fleisch immer teu rer wird und selbst teurer bleibt, wenn die Piehpreise sinken. In den Talgschmelzen der Schlachthöfe wird nicht nur vom Rind das Darm- und Gekrösefett, sondern sogar der beste Lendentalg eingeschmolzen, vom Schwein auch der Bauchschmer, ja sogar die früher viel begehrten Speckseiten. Man kann unter diesen Umständen den Fleischern nicht alle Schuld illr die hohen Fleischpreise in die Schuhe schieben. Es ist notwendig, daß die Konsu menten ibren Ansprüchen Einhalt tun, sonst ist gar nicht abzusehen, wie in alle Zukunft sich die Fleischpreisc noch gestalten werden. Nun teilte der Redner mit, daß sich die Reichsregierung damit beschäftigt, die Flellch- versorgung und Fleischpreise in Bahnen zu lenken, welche für Produzent und Konsument auskömmlich und erträglich sind. Es werden dazu Landwirte, Fleischer, Händler, Gro^- schlächter usw. gehört, auch der Redner ist hierfür bestimmt wordm und hat für den 13. Juni Einladung vom Staatssekretär des In nern zu einer Sitzung erlaben. Nachdem er noch das Viehseuchengesetz erwähnt hatte, über das sich Landestierarzt Geb. Medizinalrat Prof. Dr. Edelmann dahin geäußert hat, daß dadurch die Viehseuchengesetzgebung im Deut schen Reiche zwar einheitlicher, aber nicht über sichtlicher geworden sei, berührte der Redner ferner das Körgesetz vom Jahre 1906, wel ches heute noch Gegenstand vieler unnötiger Aufregung in den Gemeinden sei, bat d e Land wirts, sich zu befleißigen, den Körbonnnü,honen ihre Ausgabe so leicht wie möglich zu machen, und erklärte, daß sich die viel angeseindeten Sammelkörungen besser bewährt hätten, als man angenommen habe. Herr Dr. G. Wilsdorf, Hauptge- Ichästsführer der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde in Berlin, hielt dann den an- gekündiglen Vortrag über zeitgemäße Züch- tungsfragen auf dem Gebiete der Pferdeizucht, Rindvieh- und Schweinezucht, in dem er auf Grund eingehender, sorgfältigster Forschungen überaus wertvolles Material in fesselnder Forni darbot. Ausgehend von dem Ausspruche des größten Tierzüchters im vorigen Jahrhundert, Hermann v. Nathusius: „es scheine, als ob es keine Regelung in der Züchtung gebe", führte der Redner zunächst aus, daß noch heute zahlreiche Landwirte dieser Meinung seien. Der Redner betonte, daß verschiedene Tiere den Typ ändern, gerade wie bei den Men scheu, weil in jeder Zelle des Organismus Erbeinheiten enthalten sind, die sich gegen seitig bekämpfen, und erteilte, wertvolle Rat schläge für die Beurteilung der Ziichtungs- und Vsrerbungsecfolge. Ganz besonders hob er hervor, daß der Zuchtwert eines Tieres von außen nicht zu beurteilen sei. Erfolg in dec Züchtung könne nur durch sorgfältige Aus wahl des Zuchtmaterials erzielt werden An belehrenden Beispielen wies der Redner nach, daß ebensowohl fortwährende Paarung von Vollgeschwistcrn, wie auch anderenteils die stete Zuführung frischen Materials nachteilig sei, und gab den Rat, Vorsicht in der Bewertung der männlichen Tiere walten zu laßen, denn viele gute Eigenßhatten seien auf die Mutter tiere zurückzuführen. Daß eine Zucht allein in sich nicht bestehen könne, wisse man heute ganz genau, es müsse etwas fremdes, wenn auch nicht rgssefremdes Blut hereinkommen. Die Schweinezucht sei das schwierigste Gebiet der Züchtung, weil ein Riesenmaterial vor handen sei. Die Frage: „Was soll der ein zelne Züchter tun?" führte zur Betonung der Notwendigkeit, die einzelnen Tiere genau ken nen zu lernen und ihre Eigenschaften aufzu schreiben-, denn die Niederschrift züchUuißher Beobachtungen, die sorgfältige Aufbewahrung der Niederschriften und die Aufstellung einer Ahnentafel für jedes Tier erweise sich als sehr wertvoll, nicht minder aber auch der fortge setzte Austausch von Erfahrungen und Ver- erbungSnotizen. Es sei schon viel gewonnen, wenn in jeder Gemeinde ein oder zwei Zinb- ter so arbeiten. Nachdem Herr Geh. Oekonomierat Sckm- bart dem Vortragenden gedankt batte, erstattete der Geschäftsführer des KreiSvereinS, Herr Oekonomierat Wilsdorf, den Geschäfts bericht aus das Jähr 1912, ans welchem zu Im Labyrinth des Lebens Roman von M. Kneschle-Tchönau. (Nachdruck verboten.) 1. Kapitel. In dem düsteren, großen Parterresalon eines der vornehmsten Logierhäuser Wiesbadens liegt auf einein niedrigen Ruhebette die Frau Justizrätin Kalcher. Das matte Licht dec grünverschleierten Lampe beleuchtet ein blasses, hageres Gesicht, in das körperliche Leiden tiefe Furchen gegra'en und es um Jahrzehnte älter erscheinen lassen, als es in der Tat ist. Von einem schweren Nervenleiden gequält, führt die arme Frau ein trauriges Daftin. Sie ist ganz auf die H'^'e fremder Menschen angewiesen, denn ihre gelähmten Füße gestatten ihr nicht, auch nur den kleinsten Schritt allein zu tun und wenn sie auf dringendes Anraten des Arztes einmal das Zimmer verläßt, kann es nur im Rollstuhl geschelM. Seit Wochen weilt sie nun hier in Wiesbaden, von den heilkräft tigen, heißen Quellen Linderung ihrer Schmer zen erhoffend. Eine alte Dienerin und ein junges, auft fallend schönes Mädchen begleiten sie überall. Letztere ist die Pflegetochter der alten Dame, eine entfernte Verwandte, die, früh verwaist, in ihrem Hause Aufnahme gefunden. An dem halbgeöffneten Fenster lehnend, tauscht das junge Geschöpf den Klängen dec Kurmusik, die mit der lauen Abendluft ins Zimmer strömen. Sehnsüchtigen Blickes starrt sie auf die dunklen Lmbmasfen des Kurpar kes, der an den Garten ihres Logierhaufes grenzt. Ab und zu flammt ein Heller Licht schein auf und das Knattern von Feuerwerks- körpern ist vernehmbar. Dort drüben ist heute ein großes Gartenfest, und die elegante Welt lustwandelt unter den Bäumen des Parkes. Welcher Glanz, welcher Reichtum wird da ent- faltet. „O, wer dabei sein dürfte!" seufzte heimlich das junge Mädchen. „Schließe das Fenster, Gabriele! Die Abend» luft ist feuchc und könnte mir schaden!" tönt da die Stimme der alten Dame in ihre Sehn suchtsgedanken. „Ach, wie schade, sie spielen gerade den Brautchor aus Lohengrin," erwidert bedauernd das Mädchen, folgt aber gehorsam deni Be fehl und schließt das Fenster. Nachdem Ga briele die rotseidenen Vorhänge zugezogen, tritt sie zu dec Kranken und bittet mit schmei chelnder Stimme: „Tantchen, bestes, einzigstes! Darf ich nicht noch auf einen Husch hinüber? Boni Pavillon aus kann ich den Kurgaöten übersehen. Ach bitte, erlaube es doch!" „Ob Du nicht immer nur an Dein Ver gnügen denkst!" grollte die Kranke und stößt unsanft die liebkosende Hand zurück, die über die ihrige streicht. „Tante, sei nicht ungerecht," erwidert Ga briele mit zuckenden Lippen. „Den ganzen Tag habe ich bei Dir gesessen, Dir vorgelesen und — —" „Deine Pflicht und Schuldigkeit getan, nichts weiter!" unterbricht Frau Kayser sie mit harter Stimme. „Glaubst Dir, daß ich Dich aus dem Elend gerissen, Dich an Tochterstelle angenommen habe, damit Du Deinem Ver gnügen nachlaufend, ein sorgloses, fröhliches Leben führen sollst? Nein, Du weißt es recht gut, zu was ich Dich bestimmt habe. Mich zu pflegen und meine trostlose Einsamkeit zu ver schönern, und wenn Du diese Pflicht nicht er füllen willst, so sage es ungeniert. Hundert junge Mädchen finde ich, die sie willig aus! sich nehmen, wenn sie als Lohn dereinst meine Erbin sein dürfen. Also überlege es Dir, denn meine Geduld mit Deinem oberfläch lichen, lieblosen Charakter ist bald zu Ende." Gabriele sinkt weinend vor der harten Frau in die Knie. „Tante, sei nicht böse!" flehte sie. „Ich will ja alles tun, was Du ver langst, aber hin und wieder ein Stündchen Freiheit könntest Du mir doch gönnen. Ich bin doch noch so jung und — —" „Schweige!" stößt die Kranke heiser aus und richtet sich zornig auf. Doch da mahnt ein stechender Schmerz an die Unbeweglichkeit ihrer kranken Füße und stöhnend sinkt sie zurück. „Fort, hinaus! Hermine soll kommen und bei mir bleiben!" Einen Moment noch zögert Gabriele und sieht bittend zu der Tante hinab, als diese aber mit den Händen nach ihr stößt, gBlt sie gesenkten Hauptes hinaus. Im Vorzimmer sitzt die alte Dienerin mit ihrem Stcickstrumpf am Fenster. Auch sie lauscht den süßen Klängen der Musik und fährt zusammen,, als das junge Mädchen so plötzlich vor ihr steht. „Jesus! Kindchen, hast Du mich erschreckt! Ja aber, was ist Dir denn, weshalb weinst Du?" „Hermine, es ist kaum noch zum Aushal ten mit der Tante. Ich bat, ein wenig in den Gabun gehen zu dürfen und da warf sie mir g eich wieder meine Vergnügungssucht vor und drohte mich fortzujagen. Und ich gehe auch noch, Du wirst es erleben! Ich ertrage es nicht, dieses Leben! Soll ich meine Ju gend hinopfern und mir dennoch immer das Gnadenbrot vorwecfen lassen?" „Pst, Kindchen, nicht so laut!" mahnt die Alte. „Nur Geduld, es kann ja nicht ewig mehr dauern und dann — was brauchst Du ihr denn immer alles auf die Nase zu bin den, was Du gern möchtest. Sei doch ein wenig schlau. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß! das ist ein altes, wahaus Sprichwort. Lauf' doch hinüber und sieh' und hör' Dich satt, wenn sie zu Bott ist. Ich will schon dafür sorgen, das sie nichts davon merkt." „Du Gute, wenn Du nicht wärst! ruft gerührt das weinende Mädchen und schlingt die Arme um die alte Frau. Da ertönt ein schrilles Klingelzeichen und erschreckt fahren beide auseinander. „Himmel! Ich sollte Dich ja zu ihr schicken!" ruft Gabriele ängstlich. „Wie wird sie wieder schelten!" „Aengstige Dich ja nicht um mich, ich habe ein dickes Fell und schüttle mir die Schelte ab, wie ein Pudel das Wasser. Amüsier' Dich gut, ich lalle Dich dann leise herein." Mit diesen im Flüsterton gesprochenen Wor ten verschwindet die gutmütige Alte im Ne benzimmer, aus dem gleich darauf die schrille Stimme der Kranken erschallt, die ihren Zorn nun an der Dienerin ausläßt. Gabriele lauscht noch einige Augenblicke mir ingrimmig geballten Händen, und aus ihren Augen bricht ein Strahl unauslöschlichen Hasies. Dann aber eilt sie in ihr Zimmer- chen, das neben dem Empfangszimmer liegt, aber durch keine Tür mit diesem verbunden ist Es ist ein kleines, einfach möbliertes und gegen den Luxus der anderen Zimmer sehr absteckiendes Gemach. Gewöhnlich wird es von den Zofen der Logiergäste bewohnt. Schnell streift Gabriele ihr schlichtes Haus kleidchen von blauer Leinewand ab und schlüpft in ein weißes Gewand, dessen Stof' auch nur von geringem Wert ist, aber in schönen, weichen Falten die graziöse, gerten schlanke Gestalt des jungen Mädchens umhüllt. Ein blaßblaues Seidenband umßtzling^ die feine Taille, ein gleiches den kleinen weißen Matrosenhut, den Gabriele soeben auf das üppige, wellige Haar setzt, dessen rötlichbrau ner Bronzeglanz an die Farbe der jungen Kastanien erinnert. Ein Paar äuge, weiße Handschuhe werden noch hastig aus dem Kasten gerissen, dann huscht sie wie ein leicht füßiges Reh aus dem Zimmer, den Korridor entlang, die Hintere Freitreppe hinab und durch den Garten bis an die Hecke, die die Grenze zwischen dem Kurgarten bildet. (Fortsetzung folgt.)