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öriWk jim Hihnßkl« Enßlhlilkr Amnger Tageblatt. Nv. 106. Sonnabend, den 10. Mai 1013 40. Jahrgang Ser Sängerkrieg in Frankfurt. Einen Mißklang des Sängerfestes hatte der Kaiser in Freude und Harmonie zu wandeln verstanden, wir meinen die Ermöglichung der Teilnahme des Gelsenkirchener Gesangvereins. Der Verein hatte seinen Extrazug in letzter Stunde absagen müssen, weil die Stadt einen Zuschuß zu den Kosten verweigerte. Da es sich um einen Verein von Arbeitern und klei nen Leuten handelte, so verstimmte die Ab sage den Kaiser sehr. Der Monarch nahm dann auch Gelegenheit, dafür zu sorgen, daß dem Verein der Extrazug doch zur Verfügung gestellt wurde, so daß er am Preissingen teil nehmen konnte. Auf dem Wettsingen, wo es auf tatsächliche künstlerische Leistungen ankam, wo die ge strengen Preisrichter den Mantel christlicher Nächstenliebe nicht entfalteten, kam es oft vor, daß sich der Sänger beim Auftreten eine nervöse Unruhe bemächtigte, die sie zu Ton schwankungen verleitete. Das Wetter während des ganzen Sänger- festes war nicht sehr schön, es war trüb und kalt und regnerisch. Man befolgte denn auch nach Kräften die Sängerregeln, die manche Vereine ihren Mitgliedern großgedruckt mit auf den Weg gegeben haben: „Man hüte sich vor kalten Getränken", „man gehe früh zu Bett", „man rauche möglichst wenig", „man kaue Gummischuhe" und „versehe sich gehörig mit Emser Pastillen". Der Frankfurter Volkswitz hatte sogar eine Ursache des ewigen Regens gefunden: „De Sänger hawwe 's Blaue vum Himmel runner gesunge." Der Kölner Männergesangvercin wurde schon am Tage vor der Preisverteilung als glücklicher Sieger betrachtet, der die Kaiserkette zum dritten Male, und damit für alle Zeiten, sich holte. Dor Musikkritiker der „Tägh. Rdfch." urteilt folgendermaßen über dm Verein: „In telligenz, Technik und Disziplin, alle diese drei Eigensck)aften waren in hervorragendem Ma e vorhanden und errangen dem Verein einen Sieg auf der ganzen Linie. Die bemerkens werte Schulung ließ vergessen, daß das Mate rial vielleicht nicht dem gleichkam, das andere Vereine geboten hatten. Der weiche Mittelätz des Preischors klang wunderbar aus. Am Schluß brachte der Verein trotz aller Anstren gungen noch ein herrliches crescendo. Das Volkslied „Reiters Morgenlied' a/s Wahlchor kann nicht schöner im Ton gesungen werden. Außerdem war die Aussprache unübertrefflich. Eine ganz prächtige Leistung war auch der zweite Wahlchor „Halt!" aus den Müllerliedern von Karl Zöllner. Der alte Zöllner hat hier ein schwer zu bewältigendes Werk geschasen, das infolge seiner Intonation Schwierigkeiten bietet, die an die Kräfte der Sänger die größ ten Anforderungen stellen. Dabei im Ton vor nehm. in der Aussprache edel und in der In tonation rein zu bleiben ist eine Kunst, die aber dem Verein vortrefflich gelang." Die zum engeren Wettbewerb gelangten Verein: waren folgende: 1. Sanssouci-Essen, 2. Berliner Sängerverein, 3. Männsrgesang- verein Concordia-Aachen, 4. Wiesbadener Män- nergesangverein, 5. Barmer Säugerchor, 6. Con- ccrdia-Essen, 7. Potsdamer Männergesangver ¬ ein, 8. Schlegel und Eisen-Bochum, 9. Lieder tafel München-Gladbach, 10. Magdeburger Männerchor, 11. Posener Lehrergesangverein, 12. Kölner Männergesangverein, 13. Essener Männergesangverein und 14. Berliner Lehrer- geängverein. Langanhaltenden stürmischen Beifall erweckte der Vortrag des Berliner Leh rergesangverein, der bekanntlich schon einmal Besitzer der Kaiserkette war. Kleine Chronik. * Schlechtes Wetter. Der Nordsturm der letzten Tage hat an den deutschen Küsten, zumal an der mecklenburgischen, großen Schaden ange richtet. Mele Segler werden vermißt. Der schwe dische Schuner „New Sealand" meldete, daß er unweit Darßer Ort einen mit Holz beladenen Schuner kentern gesehen habe. Wegen des Orkans habe er die Mannschaft nicht retten können. Sie sei insgesamt ertrunken. "Eine Schreckens-UeVung'hatte ein Schweizer Rekrutenbataillon auf dem Rigi zu bestehen, in dem es in einen Schneesturm geriet, der jede Aussicht versperrte. Zwei Rekruten stürzten zu Tode. Mehrere andere Soldaten werden ver mißt, sie haben wahrscheinlich auf gleiche Art den Tod gefunden. * Das Schicksal des Usedomer Bürgermeisters Troemel, der im Dämmerzustand in die franzö sische Fremdenlegion in Algier eingetreten ist, hat allgemeine Teilnahme erweckt. Man er wartet bestimmt, daß Frankreich auf Ersuchen des deutschen Auswärtigen Amtes den schwer kranken Mann ausliefern wird. Troemel, der 32 Jahre alt ist, hat seiner Familie geschrieben, daß er sich nicht erinnern könne, wie er sich der Fremdenlegion habe verschreiben können, er fleht, man möge ihn aus seiner entsetzlichen Lage be freien. Dem Arzt sind derartige Dämmerzustände wohl bekannt. Die Kranken leiden unter Angst anfällen, die sie planlos umherirren lassen. Sie machen dann meist weite Reisen, ohne überhaupt ein bestimmtes Ziel im Auge zu haben. Aeußer- lich erscheinen ihre Taten vernünftig und zu sammenhängend, in Wirklichkeit herrscht ein voll kommenes Durcheinander aller Gedanken. Auch daß die Kranken in solchem Zustand ihren Namen, Wohnort, Stand rc. vergessen, ist häufig beobachtet worden. * Explosion in einer Pulverfabrik. Ans Brüssel wird berichtet: Durch die Unvorsichtigkeit eines Arbeiters kam es in der staatlichen Pulver fabrik in Wetteren (Provinz Ostflandern) zu einer starken Explosion. Die Detonation war auf Meilen zu hören, in mehreren Orten der Umge bung und in Wetteren selbst wurden viele Fen sterscheiben zertrümmert. Drei Arbeiter sind tot, einer schwer verletzt. Der Materialschaden ist enorm. * Kroßes Schadenfeuer. In dem russischen Dorfe Tschapuni brannten infolge unvorsichtigen Umgehens mit Feuer 82 Wohn-'und 307 andere Gebäude nieder. * Ermordung eines Millionärs. In New- york wurde der Millionär Vincer in seiner Wohnung ermordet aufgefuuden. Vincer hatte einmal die Aufforderung einer Verbrecherbande erhalten, eine größere Summe zu zahlen, hatte aber den Brief der Polizei übergeben. Er scheint das Opfer der Rache der Bande geworden zu sein. * Zwei Raubmörder hingerichtet. Wie aus Beuthen gemeldet wird, sind am Donnerstag- Morgen die Raubmörder Kudalko und Wieczorek aus Königshütte, welche am 2. Juli in Klimsa- wiese den Gastwirt Kohn niedergeschossen und beraubt hatten, hingerichtet worden. * Selbstmord eines Fünfzehnjährigen. In Berlin erhängte sich ein 15jähriger Lehrling aus Gram darüber, daß ihm auf der Straße, wäh rend er eine Besorgung erledigte, der Handwagen gestohlen worden war. Der junge Mensch galt als fleißiger und williger Arbeiter. * Ein vielversprechendes Mädchen. In Bamberg wurde die 13jährige Tochter eines Nürnberger Eisenbahnbediensteten aufgegriffen, die von zu Hause unter Mitnahme von 750 Mark durchgebrannt war, um sich die Welt an zuschauen. In Bamberg hatte sie sich einen Knabenanzug gekauft und in einem Hotel logiert. * Eine blinde Studentin. Die erste blinde Studentin Deutschlands wird an der Universität Göttingen immatrikuliert werden. Es handelt sich um die Tochter Hilde des Barmer Kommer zienrats Mittelsten-Scheid, deren gleichfalls blinder Bruder in Göttingen schon dem Studium der Mathematik obliegt. Das junge Mädchen ge denkt, Volkswirtschaft zu studieren. * Was alles gestohlen wird. In Hamburg wurden in einer Federgroßhandlung von Ein brechern füc 11000 Mark Reiherfedern und Vogel bälge gestohlen. Die Diebe wissen, was sich leicht verkaufen läßt! Kircheunachrichte«. M«ochleS1. Ehristophovi z« Koyenlleiu-Kruktyas. Vom 3. bi» 9. Mat 1S18. Getraut: Der Strumpfwirker Paul Richard Jung und Johanne Hedwig Claus. Getauft: Erich Paul, S. d. Schmied? Paul Richard Walther. Klara Helene, T. d. GLlosserS Max Paul Wolf. Jobannes Richard, E. d. Handlungsgehilfen Max Richard Schulze. Kurt Max, S. d. Bäcker« Otto Bruno Uhlmann. Charlotte Marianne, T. d. Handlungsgehilfen Erst Paul Quinger. Paul Hermann, S. d. Liddy Alma Garbe. Johanne Elfriede, T. d. Anna Helene Werner. Agne- Dora, T. d. AgneS Emilie Preuß. Begraben: Karoline Ernestine, Ehcfr. d. Privatmann» Paul Bernhard W-ruer, SS I. 9 M. S Tg. Karoline, Ehesr. d. WcberS Wilhelm Loui« Nürnberger, 62 I. 4 M. S Tg. Kurt Herbert, S. d. Maler« Paul Oskar Paßler, 4 M. 17 Tg. Der Söneldermcistcr Konrad Friedrich Struve, 79 I. 5 M. 18 Tg. Johanne« Kurt, S d. HilfSmontcur« Friedrich Artur Hösselbarth, 6 Tg. Kurt Walter, S. d. Maurer« Friedlich Otto Keller, 4 M. 6 Tg. Helene Frieda, T. d. Emma Frieda Pohler«, 6 T. Am. l. heil. Pfingüfeiertage, vorm. 9 Uhr Haup tgotte«- dienst. Predigt über Apoftelgesch. 2, 1—13, Herr P sarrer Albrecht. Kirchenmusik: Fest-Kantate für Solo, gem. Cbor mit Occhesterdegleitung (neu) „Jauchzet Gott alle Lande" von F. Nagler. Vorm. 9 Uhr Predigtgotte«dicnst im Hüttengrundbetsaale. Am S. heil. Pfingstseiertagc, früh 7 Uhr Beichte und Kommunion. Vorm. 9 Uhr HauptgotteSdienst. Predigt über Apostel- gesch. 2, 14—18. Hr Pastor Dybeck. Kirchenmusik: Chor au» „Paulus": „Wie lieblich sino Boten, die den Frieden verkünden", von Mendelssohn-Bartholdy. Nachmittags halb 8 Uhr Kindergottesdienst. An beiden Feiertagen nach allen Goltc-dicnsten Kollekte für den LandeSkirchcnsond«. Ev.-luth. Jungfrauenvcrein: Am 1. Feiertage, abend» 8 Uhr im Vercinslokal. Ev. luth. Jünglingsvercin: Am 2. Feiertage, abends 8 Ubr im Vercinslokal. Landcskirchliche Gemeinschaft: Am 1 Feiertage, abends halb 9 Uhr im Vercinslokal (Sreitestraße 3l). Mo« Höerlnagwitz. Getauft: Erich Fritz, T. d. Ztrump Wirkers Karl Moritz Petzold. Ebregott Paul, S. d. Hanaschuhsabritanten Fried rich Emil Schmidt. Kurt Bruno Max, S. d. Expedienten Max Paul Linus Schlosser. Gertrud Hilde, T. d. Berg arbeiters Emil Auguu Keil. Richard Rudolf, T. d. Mau rers Otto LouiS Irmscher. Frieda Ella, T d. Maurer» Fried i ich Kurt Hempel. Marie Margarete, T. d. unver- ehel. Martha Marte Müller Begraben: Der Strumpfwirker Oswald Robert Bauch, 48 I 9 M. 26 Tg. Am 1. Pfingstfeiertag, den l7. Mai, vormittag» S Uhr Gottesdienst mit Predigt über Apouelgesch. 2, 1—13. Hr. Pastor Schödel. Kirchenmusik: „Schiffe in mir, Gott, ein reine» Herzl" Motette für dreistimmigen Fcauenchor von Srein. Kollekte für den allgemeinen Landekkirchenfond». Vormittag» halb 11 Uhr Beichte und Feier de» heiligen Abendmahles. Herr Pastor Schöoel. Nachmittag? dalb 8 Uhr TaufgatteSdienst. Wochenamt: Herr Pfarrer von Doeky. Am 2. Psingstseiertag, den 12. Mai, ») Hauptkirche, vor mittag« 9 Uhr Gottesdienst mit Predigt über Spottelgefch. 2, 14—18. Hr. Psarrer von DoSky Kirchenmusik: „Auch zu deine» Throne» höhen!" Kantate für gemischten Chor, Quartett und Orchester von Gast. Kollekte für den allgemeinen Landeskirchenfonds. Nachm. halb 3 Uar LaufgotteSdienst. d) Nebcnkirche: Vormittag» 9 Uhr Gottesdienst mit Predigt. Herr Pastor Schödel. Kollekte für den allgemeinen LandeSkirchenfond». Ms« -ersdsrf. Vom 1. bi» 7. Mai. Getauft: Max Friedrich, S. d. Schlosser» Ernst Brun» Heinze. Begraben: Auguste Wilhelmine Junghan», geb. Schind ler, Ehesr., dl I. 11 M. 8 Tg. Lotgeb. T. d. B. Karl Rudolf Habur. Am 1. Pfingstfeierlag, vorm. 9 Uhr Gottesdienst. Herr Pastor Böttger. Danach Beichte und heilige» Abendmahl. Kirchenmusik: Komm heiliger Geist. Motette für gemischten Chor von Bortninnsky. Nachm. halb 2 Uhr Kindergotte»dienst. AbcndS halb 8 Uhr Jungfrauenverein. Am 2. Pfingstfeiertag, vorm. 9 Uhr Gottesdienst. Herr Pastor Hildebrand. Kirchenmusik: Schmückt da» Fest mit Maien. Geistl. Lied für zweistimmigen Knabenchor. Taufen um 2 Uhr. An beiden Festlagen Kollekte für den Sächsischen Lande»- kirchenfond». Dienstag keine Bibelstunde. Die Woche für Taufen und Trauungen hat Herr Pastor Hildebrand, für Hanskommunionen und Begräbnisse Herr Pastor Böttger. cta«ze«»er- mit Mei»»»»rf. Am 1. heil. Pfingstfeiertag, früh halb 9 Uhr Beichte. Vormittags S Uhr FestgotteSdicnst mit Predigt und an schließender AbendmahlSfeter. ThorgesaM. Kollekte für den allgemeinen LandeMHenfond». Am 2. Pfingstfeterlag, vorm. S Uhr Kestg»tte»dt«nst mit Predigt. Kollekte für den allgemeinen LandeSkirchenfond». <L»«ge«ch«r»dsrf mit A«l»e«. Sm 1. heiligen Pfingstfeiertag, früh halb 9 Uhr Beichte. Vormittag» 9 Uhr Gottesdienst mit Predigt und heilige» Abendmahl. Nachmittags 2 Uhr Kindergottesdienst. Kollekte für den Allg Kirchcnsoud». Nm 2. heiligen Pfingstfeiertag, vormittag» 9 Uhr Gottei dienst mit P'Soigt. Kollekte fS» den Allg. Airchenfond». Ms« MSKe«tr«»». Am 1. Pfingstfeiertag, den 11. Mat 1913, »ormittag» halb 9 Uhr Beichte. Um 9 Uhr Predigt- uud Abendmahl»gotte«dienst. Am 2. Pfingstfeiertag, den 12. Mai, vormittaa« 9 Uhr Predigtgott»«dienst. Musik: „Die Liebe Gotte« ist au»ge- gosscn" — 3 stimmig. Frauenchor von Fr. Nagler. An beiden Feiertagen Kollekte für den Allgemeinen Kirchcnfond«. Donner«tag, den 18. Mai, abend» V»9 Uhr Bibelstundr der landeskirchlichen Gemeinschaft im Pfarrhause. Helden der Pflicht. Ein Roman ans dem Lande dec Mitternachtssonne Von Erich Friesen. 44 Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Schon ganz mit seinen Reisevorbereitungcn bffchäftigt, nimmt Dr. Seehus nur eine ganz obuflächliche Untersuchung der Patientin vor. Er konstatiert Herzschwäche und verordnet Rntze und eine anregende Arznei. „Leider bin ich morgen schon auf dem Wege nach Rom," bemerkt er zerstreut zu dem scheinbar tiefbetrübten Gatten; „aber ich hoff.', cs wird bald besser werden." „Und wenn nicht, Herr DMoü?" „So rufen Sie einen anderen Arzt! Adieu!" Lorenz fährt sich mit der Hand über die Augen, wie um au'guelleude Tränen wegzu mischen. Daun wendet er sich zu der mist be sorgter Miene neben ihm stehenden Haus hälterin. „Schläft sie?" „Jo, Herr Jespersen. Sie hat sich kaum gerührt, seit sie vor einer Stunde ihre Bouil lon erhielt." „Dann will ich sie nicht stören, das arme, liebe Herz. Wollen Sie so gut sein uud bei ihr Wachen?" „Natürlich, Herr Jespersen." „Und wenn irgend etwas passieren spüle „Es wird doch nicht!" Lorenz macht eine ungeduldige Bewegung. „Sie scheinen mich nicht zu verstehen, Frau Wiborg. Meine arme Frau ist kränker, als Sie glauben. Ihr Leiden ist durchaus nicht unbedenklich. Vielleicht kann sie morgen im stande sein, das Bett zu verlassen, ebenso leicht aber auch —" „Was, Herr Jespersen? Großer Gott —" „Ebenso leicht aber auch kann sie ieoen Augenblick —" „Sterben?" „Sterben," wiederholt Lorenz wie resigniert. Stützefuchend greift die alte Haushälterin um sich. Ihr ist, als könne sie sich nicht mehr auf den Beinen halten vor Schreck. „Wenn es — wenn es — wirklich so schlimm steht —" stammelte sie fassungslos — „sollten wir nicht lieber noch einen anderen Arzt -" „Nein. Die Nähe eines Arztes beunruhigt meine Frau stets und verschlimmert ihren Zu- stmd. Geben Sie ihr die Arznei, die Doktor Seehus ihr verschrieben Hot, nach Vorschrift! Seien Sie sehr vorsichtig und rufen Sie mich, sobald Sie die geringste Veränderung bemer ken. Auch wenn es mitten in der Nacht sein sollte! . . . Sorgen Sie für sie, als wäre sie Ihre leibhaftige Tochter, Frau Wiborg!" „Ganz gewiß, Herr Jespersen!" Uud mit dem Schürzenzipfel sich dis Augen trocknend, geht die alte Frau hinaus. — Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hat, läßt Lorenz sich in einen Armsessel in der Nähe des Fensters fallen, streckt die Beine von sich und beginnt, einen Gassenhauer zu pfei fen, um auch den letzten Rest von Unbehagen los zu werden. Er weiß ganz genau, daß Ingeborg die Nacht gut zubringen wird, da die schwächende Wirkung seiner Tropfen nicht lange Vorhalt. Deshalb macht er gerade jetzt die Haushälterin auf die Gefahr aufmerksam, in der das Leben ihrer jungen Herrin schwebt. Sie wird dann nicht allzu verwundert sein, wenn später einmal plötzlich — — Da tritt Jakob ein, in der Hand eine dick bauchige Flasch«. Er setzt sie aus den Tisch, versichert sich, daß die Tür fest geschlossen ist und geht rasch auf Lorenz zu, der vergebens bemüht ist, eine gleichmütige Miene zur Schau zu tragen. „He, Herr! Sie fehen verflixt schlecht aus," knurrt er sarkastisch. „Haben wohl Angst ge kriegt, was?" Aergerlich fährt Lorenz empor. „Ich — Angst? Dummer Kerl! Denk' nicht drau!" Hastig steht er auf, nimmt die Flasche vom Tisch, entkorkt sie und füllt mit unsicherer Hand zwei Mäser. Inzwischen zielst Jakob ein Medizinfläsch chen aus der Tasche. „Da!" grinst er vergnügt. „Die ganzen Morphiumreste und verschiedenes andere aus all den Flaschen zufammengegossen. 's wird gerade reichen." Ec stürzt ein Glas Brandy hinunter, wäh rend Lorenz schweigend vor sich hin starrt. „Hab' noch was gemacht, Herr!" fährt Ia kob pfiffig fort, nachdem er sich mit der um gekehrten Hand die letzten Tropfen Schnaps von seinem struppigen Bart wegtzewischt hat. „Ich war bei Dr. Seehus." „Blödsinn! Der ist ja eben abgereist." „Eben deshalb! Ich wollte fragen, wann er zurückkommt." „So —? Na, wann denn?" „Erst in sechs Wochen — 's geht alles- nach Wunsch." Und Jakob stellt sein leeres Glasaufeinen kleinen viereckigen Tisch, dessen Platte ein Schachbrett bildet. Sein stets wachsames Ange bemerkt sofort, daß die Platte, gleich einem Klavierstuhl, auf ihrem geschnörkelten Fuße drehbar ist. Er zieht einen Stuhl neben das Tischchen und setzt sich, Lorenz immer scharf im Auge behaltend. Kleine Pause. „Haben Sie Frau Wiborg vorbereitet?" fragt Jakob plötzlich. „Wann soll's losgehen?" „Hm — wollen wir nicht noch ein paar Tage warten?" Jakob zieht die Stirn kraus. „Wozu? Wollen Sie warten, bis Ihr vor Moral und Edelmut triefender Freund, der Herr Niels, wieder da ist? . . . Wenn Sie Angst haben, will i ch es tun." Große Schweißtropfen perlen von Loren zens Stirn. Eine Zeitlang starrt er unent- schlossen auf die Platte des Tischchens. Dann wischt er sich mit einer energischen Bewegung den Schweiß von den feuchtkalten Schläfen. „Bah! . . . Was meinst Du, Jakob? Soll es geschehen, wenn sie außer Bett ist?" „Natürlich." „Wann?" „Hm —! Gedenken Sie morgen zu Hause zu Abend zu essen oder draußen?" „Zu Haufe." „Um wieviel Uhr?" „Wie gewöhnlich, um halb acht." „Dann wollen wir die Zeit für drsiviertel neun ^estsetzen. Was?" „Meinethalben. Wie soll sie es nehmen?" „Sie trinkt gern Tee, nicht wahr? . . . Gut. Um dreiviertel neun Uhr trinken Sie beide zusammen Tee. Natürlich wind sie gleich danach unwohl. Sie, Herr, eilen zu Ihrem Freund Dr. Nicolas, der weit weg von hier wolmt —" (Fortsetzung folgt.)