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KliM M HohrnIrinEniÜlhiltl Aitsügkt Tage blatt. — Nr L01 Sonntag, den 4. Mai 1»13 4». Jahrgang Ser Balkanwirmarr. Die internationale Spannung besteht noch fort infolge der Unentschlossenheit des Lon doner Botschafterkongresses, der auch am Him melfahrtstage noch zu keiner Entscheidung kam und erst am nächsten Montag die schwierige Frage entscheiden will, ob der Wille Europas oder derjenige Montenegros zur Geltung zu bringen sei. Es geht eben nichts über die Scheuklappenseligkeit der hohen Diplomatie. Oesterreich, das spätestens im Laufe des Frei tag seine Truppen marschieren lassen wollte, scheint mit der entscheidenden Tat gleichfalls bis zum Montag warten zu wollen. Allmäh lich richten sich die Montenegriner in Skutari ein und konstruieren sich auf dessen Besitz ein Gewohnheitsrecht. Hübsch ist es, daß man sich von der „Versöhnlichkeit Montenegros" jetzt eine Besserung der kritischen Lage verspricht. Und in der Tat scheint von dieser Seite die Ret tung aus der Not zu kommen, wenn die vor liegenden Nachrichten den Tatsachen entsprechen und König Nikita seine Meinung nicht noch einmal ändert. Ueber den Verlauf der Himmelfahrtskonfe renz der Londoner Botschafter wurde gerade so wie über den der Freitagssitzung halbamtlich eine Art Stimmungsbild veröffentlicht. Darin wurde als wichtigstes Ergebnis der Konferenz die Anberaumung der nächsten Beratung aus Montag bezeichnet, weil damit der Fortbestand der Reunion bewiesen sei. Ferner wurde dar in von einem sehr starken Beweise versöhn licher Stimmung Montenegros gesprochen, die einen wichtigen Faktor für die Lage bilde. Einige Botschafter wenigstens ständen unter die'em Eindruck und hofften, daß es bis zum Montag möglich sein würde, durch Mittel der Diplomatie den Anschauungen der Mächte we gen der Durchführung ihrer Entscheidung über Skutari zur Hilfe zu kommen und die Wün sche Montenegros in einer alle Beteiligten be friedigenden Weise zu erfüllen. In Berliner diplomatischen Kreisen warnt inan vor voreiligem Optimismus, erkennt aber an, daß günstigere Ausblicke gestattet sind. Montenegro gab seine Bereitwilligkeit zu er kennen, die Skutarifrage im Zusammenhang mit den FriedensVerhaudlungen zu erledigen. Aus der Londoner Botschaftockonferenz am Hiininelfahrtstage wiederholte der montenegri nische Gesandte Potpowitsch diese Bereitwillig keit, zwar nicht in hoch offizieller Form, jedoch so, daß sie allgemein als Willensausdruck der montenegrinischen Regierung aufge'aßt wurde. Alls Grund der Erklärung des Gesandten wird in Cetinje ein erneuter diplomatischer Schritt unternommen werden. Der Beschluß dieses Schrittes verursachte die nochmalige Vertagung der Entscheidung. Die amtlichen Stellen Englands und Jta liens sind gleichfalls von einer Erleichterung der Spannung überzeugt und erwarten eine badige und friedliche Lösung durch Nachgie bigkeit Montenegros. Die amtliche Auffassung Roms sieht den König Nikita bereits auf dem Wege nach Canossa und hofft, daß Oesterreich die den Montenegrinern gesetzte neue vier- lägige Frist abwavten wird, da es nichts zu verlieren habe, wenn es Langmut übe, und ' ei der Entscheidung aus Italien bauen dürfe. Daß Oesterreich durch weitaces Zuwarteu nichts verliere, ist doch unrichtig. Jeder Tag der Kriegspannung kostet ihm große Summen. Rußland will Montenegro auf gütlichem Wege zur Nach giebigkeit bestimmen. Auf diese Erklärung des Petersburger Botschafters hin willigte Oester reichs Vertreter in die Vertagung der Lon doner Konferenz auf Montag. Rußland hat Ne Mitglieder der LondSM MMterkonserenz. Die Botschasterkonferenz, deren wichtigste Auf gabe in der Wahrung des europäischen Friedens besteht, trat auch am Himmelfahrtslage zu einer Sitzung zusammen, in der erreicht wurde, daß alle Mächte weiterhin im „europäischen Konzert" verbleiben wollen. Man hofft zuversichtlich, daß in der nächsten, ani 5. Mai stattfindendeu Sitzung aller Explosivstoff beseitigt ist und militärische Aktionen sich erübrigen werden. Unser Bild zeigt oben die Vertreter des Drei- lundes auf der Konferenz. Von links nach rechts: Graf Meusdorf - Pouilly (Oesterreich- Ungarn), FürstLichnowsky(Deutschland), Marguis Imperioli (Italien). Unten die Mitglieder des Dreiverbandes. Links: Graf Beneckendorf (Ruß land). Rechts: Paul Cambon (Frankreich). In der Mitte der Vorsitzende der Botschafterkonferenz: Sir Edward Grey. sich danach anheischig gemacht, dre Räumung Stutaris durch die Moulcuegriner innerhalb 48 Stunden nach der Aufforderung durchzufetzen. Die russische Negierung fühlt sich zu UMM Schritte bewogen einma durch die deu Mäch teu aus der Londoner Botschafterkorffarenz ge machte Zusage, daß Skutari an Albanien fällt, sodann weil es ein bewaffnetes Einschreiten Oesterreichs und Italiens gegen Montenegro verhüten möchte. Rußland will seinen fried lichen Versuch durch Kompeusationsversprechun gen einlciten; Oesterreich erklärt dagegen, daß von Entschädigungen an Montenegro erst nach der vollständigen Räumung Skutaris die Rede sein könne. Oesterreich, dos an der Montag-Konferenz der Londoner Botschafter teilnehmen wird, setzt seine Vorbe reitungen für die militärische Aktion gegen Montenegro fort, da es nicht recht an den Ernst der Nachgiebigkeit des Königs Nikita g- aubt Die Bedingung einer anderweitigen Gebietsenttchädigung auf Kosten Albaniens, die der König stellt, ist für Oesterreich überdies unannehmbar, do sie den Serben den Zugang zur Adria erschließen würde. Sämtliche in den Häsen von Triest, Spolato und Zara liegen den österreichischen und ungarischen Handels dompser wurden vom Kriegsminister für Trup pentransporte angeworben. Tie Antwort Montenegros an die Großmächte behauptet, die moutenegri uische Regierung hätte von der Erklärung der Mächte, daß Skutari Albanien zu allen solle, nicht Kenntnis nehmen können, da den ver bündeten Balkanstaaten das Recht znstand, auf dem ganzen Kriegsschauplatz nach Maßgabe i rer Stärke zu operieren. Die Abgrenzung Albaniens, das den Balkanstaaten seine Be- lreiung von der Türkei und seine Selbständig- wa dankt, hätte daher erst nach erfolgtem Frie- densschluß mit der Türkei stattfinden dürfen. Die Regierung erk ärt ferner, daß nach ihrer Au Fassung die Kapitulation Skutaris keine Herausforderung war und behauptet, daß die einzielenden Montenegriner mit stürmischem Jubel von der Bevölkerung begrüßt worden seien. Daher halte die Regierung daran fest, die Skutarifrage dann zu regeln, wenn die albanischen Grenzen festgelegt werden. Mit Essad Pascha, der Skutari übergab und sich zum Fürsten Albaniens auswarf, wer den Oesterreich und Italien abrechnen. Helden der Pflicht. Ein Roman aus dem Lande der Mitternachtssonne Von Krich Friesen. 39. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) 19. Kapitel. Lorenz Jespersen hat sich wieder als „ge sund" bei seiner LebenSversichorungsgesellfchaft gemeldet. So nebenbei macht er seinem aufhorchen- den Schreiber „im Vertrauen" die Mitteilung, er gedenke sich demnächst zu verheiraten. Der kleine Schreiber erzählt es „unter dem Siegel der Verschwiegenheit" den Kollegen, und bald weiß es das ganze Bureau. Der Zweck ist erreicht. Als Lorenz am Abend in seine Wohnung am Hafen zurückkehrt, hofft er, eine Nachricht von seinem Komplizen, dem Bettler Jakob, vorzufinden. Anstatt dessen tritt ihm Eriks schlanke Ge stalt, der bereits ans ihn gewartet zu haben scheint, entgegen. Einen Augenblick läuft es ihm siedend heiß über den Rücken. Er hat die Empfin dung, als stände er seinem Richter gegen über. Doch mit der ihm eigenen Selbstbe- henoschung verbirgt er sein wahres Empfinden und drückt herzlich die ihm gereichte Hand. „Na, alter Junge! Glücklich wieder zu- rück? Bist lange geblieben. Konntest Dich Woll von der Braut nicht losreißen, was? Scheint Dir übrigens gut bekommen zu sein, die Reise. Siehst samos aus. Drückst mir wahrhaftig die Hand mit der Kraft eines Athleten, hol's der Kuckuck!" „Hast Du ein paar Minuten Zeit für mich?" fragt Erik in ersichtlicher Erregung, ohne von Lorenzens lachenden Bemerkungen Notiz zu nehmen. „Aber gewiß! Mit Vergnügen!" „Dann komm!" Und hastig zieht Erick den andern ins Zimmer. Wieder überläuft es Lorenz heiß. Aus je der Bewegung, aus jedem Blick Eriks spricht fieberhafte Aufregung. Ahnt er etwas? „Was ist denn los?" versucht er zu spöt teln, während seine Zähne wie im Fiebersrost aneinanderschlagen. „Nachl-er! nachher! Schließ erst die Tür!" Damit eilt Erik ans Fenster und ruft dem unten harrenden Kutscher zu, er möge noch ein wenig warten. Mit unsicheren Händen zündet Lorenz die Lampe an, dabei mißtrauische Blicke auf Erik werfend, der sich tief aufatmend in einen Ses sel hat fallen lassen und aus seinen: Porte feuille ein Blatt Papier nimmt. „Was hast Du denn da, alter Junge? Deine Verlobung scheint Dir zu Kop gestiegen zu sein. Oder Hai Dir Fräulein — wie heißt sie gleich — einen Korb gegeben? Siehst ja ganz verstört aus!" „Ich bitte Dich, spotte nicht!" ruft Erik mißmutig, indem er das Blatt Papier auf den Tisch legt und mit ein paar Strichen die dar- auf bereits angedeutete Zeichnung vervollstän digt. „Ich kann es in diesem Augenblick nicht ertragen." „Aber willst Du mir nicht endlich sagen " „Fräulein Valetti ist verschwunden!!" Mit gut gespielter llcberraschung sinkt Lo renz auf einen Stuhl. „Entflohen?" fragt er wie ungläubig. „Es scheint so." ..Mit wem?" „Das ist eben das Rätsel. Konsul Daland, Du und ich — wir sind außer dem Hausarzt und dem alten Diener die einzigen Männer, die — wie Fräulein Arnoldscn sagt — jemals das Tor von Schloß Sandsgaard passiert ha ben, so lange die Damen dort wohnen. Ich meinerseits glaube nicht daran, daß Liebe bei der Flucht im Spiele ist. Fräulein Ingeborg ist jedenfalls entführt worden." „So, so!" „Ich habe nicht viel Zeit, Lorenz Möch test Du so gut sein und rasch meine Reise tasche umpacken, während ich dieses hier —" er deutet auf die kleine Zeichnung — „vott- snde. Ich bin soeben erst angekommen und will schnell noch an unsere Zeitungen einen Aufruf schicken, in dem eine bedeutende Be lohnung demjenigen zugesichert wird, der ir gend welche Auskunft über den Verbleib der Engen Dame zu geben weiß. lind dann > eht's gleich wieder weiter." Ohne die Augen von der Zeichnung zu er- 'eben, die mehr und mehr die Gestalt eines Aiännergesichts annimmt, erzählt Erik in flie- «mder Eile alle Einzelheiten des Dramas von Schloß sandsgaard. „Hast Du noch keinen Schlüssel?" fragt Lo renz gespannt. „Doch. Ein Individuum, dessen Erzählun- i u inan allerdings sonst keinen Glauben schen- wn kann, hat allerhand ausgeplaudert. Da o. 'er diese Angaben durch eine Tatsache be- sJliot werden, darf man jene Winke doch nicht r anz unbeachtet lassen." Lorenz ist auffallend bleich geworden. Hat . akob seine Rolle schlecht gespielt und irgend e was verraten? „Welche Winke?" fragt er, sich zu harmlos r eichmütigem Ton zwingend. „Ich bade in Erfahrung gebracht, daß "onnabend früh, also an dem Morgen, wel- . er Fräulein Ingeborgs Verschwinden folgte, : .tsächlich ein großer, blonder Herr, wie es schien ein Engländer, der sehr erregt war, sich mit einer schlanken blonden Dame auf der „Göteborg" nach Dronitheim einschiffte, von dort rrster Klasse nach Christiania fuhr, hier im Hotel Metropole abstieg und nach dreitägigem Aufenthalte, also heute früh, nach England metteriiihr." „Sieh da!" Triumphierend blitzt es in Lorenzens Augen auf. Welch herrliche Entdeckung! Freund Iakob scheint seine Sache doch gut gemacht zu haben! Und welch seltsam glück- I cher Zufall, daß an dem fraglichen Morgen euch gerade ein Paar, das auf die Beschrei- lnng des Bettlers Paßte, von Tromsö — — „Was gedenkst Du zu tun?" fragt er mit wiedergewonnener Dreistigkeit. „Den beiden nachreisen — morgen mit dem Frühschiff nach London. Bin ihnen schon ruf der Spur. Fräulein Arnoldfen hak mich gebeten, keine Mühe, keine Kosten zu scheuen." „Hm —! Zeig mal Deine Zeichnung? Du arbeitest ja drauflos, wie für Geld!" „Sie ist mir auch viel wert. Erkennst Du sie?" - Lorenz wirft einen Blick auf das Blatt Papier. Lebenswahr und abschreckend glotzen i w die häßlichen Züge des Bettlers ent gegen. »Ich — ich wiißte nicht —" stottert er. „Du hast den Menschen einmal gesehen damals, als ich Dich bei Deinem Besuche a f Schloß Sandsgaard ein Stück Wegs be gleitete." „Wirklich? . . . Ich entsinne mich nicht. Was willst Du mit der Zeichnung?" „Sie illustrierten Journalen übergeben zur weiteren Verbreitung." „Wozu?" „Ich habe ausgekundfchaftet, daß der Mensch ein ganz gefährliches Subjekt ist, reif fürs Zuchthaus. Muß über ihn Genaueres er fuhren. Womöglich hat er bei meiner Sache auch 'eine Hand im Spiel. Leb wohl jetzt! Ich muß eilen." „Leb wohl! — Und — guten Erfolg!" „Danke! Verlaß Dich darauf — ich finde d e beiden: Ingeborg und den Entführer!" Noch ein kräftiger Händedruck — und Erik stürmt mit seiner Reisetasche die Treppe hin an Gleich darauf rollt unten der Wagen mit ihm davon. Nachdenklich zieht Lorenz die Augenbrauen in die Höhe, während ein leiser Pfiff seinen g spitzten Lippen entschlüpft. Er weiß, leine Lage ist eine kritische — wenn auch Erik Niels momentan auf falscher Fährte ist. Am nächsten Morgen bereits erhält er von den: „Idiot" einen Brief. In steifen, tast un leserlichen Schriftzügen teilt der Bettler ihm miF daß alles in Ordnung ist. Die Polizei labe zwar ein wachsames Auge auf ihn; er labe aber bis jetzt alle genasführt. Freilich möchte er so bald wie möglich weg aus Trom sö, da ihm dort der Boden unter den Filmen doch etwas heiß würde. Was Herr Je'pcrsen meine: ob er schon kommen könne? . . . Sofort telegraphiert Lorenz unter der Adresse seines Kumpanen Iakobs: „Erwarte Dich. Aber unter andrer Maske." (Fortsetzung folgt.) LrskslHsrLsicksnIiÄUS Oliemm!?, Keke?08l- u.kpon6N8tp. L'LL