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KlWk W HohMii-EriUliln Anssis» Nr 87 Donnerstag, den 17 April I»l3 40. Jahrgang Helden der Pflicht. Ein Roman aus dem Lande der Mitternachtssonne. Von Erich Friese». 25 Fortsetzung. (Nachdruck verboten., Sigrid Arno dsen ist in dieser Schmer- zcnsstunde vergessen. Sein ganzes Herz gehört w eder der kiemen Gerda Jespersen — seinem „Sonnenschein", wie er sie so oft nannte. Er ist wieder der Jüngling von ehedem, der lie (ende Jüngling, dessen Herz am Sterbelager der geliebten Braut zu brechen droht. In dieser heiligen Stunde hat er nicht nötig, sich zu verstellen; er gibt nur sich selbst. Mil einem überirdischen Lächeln schlingt Gerda matt den Arin um 'einen Hals rind zielt so seinen Kopf näher zu sich heran -- so nahe, das; ihr Mund sein Ohr berührt. „Hat es sich nicht — erfüllt, was ich da- ma.s sagte?" lispelt sie kaum hörbar. „Wenn irgend jemand fortgehl und sei es — auch nur auf kurze Zeit, so (lindert sich — immer irgend etwas . . . Anne Mutter, arnver klei ner Gasofen-, armer Blumenladen — ich muh nun — von euch gehen. Ich bin nicht ge rade traurig darüber — o nein! Da oben ist cs jedenfalls noch viel schöner . . . Als ich vorhin so fürchterlich litt, da hatte icb einen eigentümlichen Gedanken, Enk. Ich dachte daran, daß ich vor Schmerz - wahr scheinlich ein solches Gesicht machte — Du meist, worüber Du stets lachtest. Entsinnst Du Dich — die kleinen Fältchen ans der Stirn —" Tiefes Stöhnen entringt sich seiner Brust. Er kann es nicht mehr zurückhallen. Und wieder evscheinen zwischen ihren Augen brauen jene beiden horizontalen Linien, die ihr eine schwache Aehnlichkeit mit ihrem Bru der verleihen. Da nähert er seine Lippen ihrer Stirn und küßt die beiden Fältchen. „S'iehsl Du " murmelt sie zufrieden „gerade dachte ich an Dich." Sie seufzt ein wenig und legt sich MI in den Kissen zurecht, während ihre zierlichen Fin ger mir seinen Locken zu spielen versuchen. Als sie gleich wieder darauf zu sprechen anfängt, klingt ihre Stimme noch matter; der Glanz ihrer Augen ist getrübt. „Ich möchte — mein Testament mausen, Liebster —" flüstert sie mit Anstrengung. „Ich bin reich — ich besitze Deine Liebe. Ich ivill - diese Liebe — einer andern vermachen — die Deiner Liebe wort, die — besser ist, als ich. Freilich, mehr lieben — kann Dich keine. Gott ist gnädig, daß er — mich sterben läßt mit — mit meiner Hand in der Deinen . . Erik, Du mußt es der armen Mutter scho nend mitteilen; sie lat mich sehr lieb. Und auch Lorenz er ist nicht schlecht — nur das böse Trinken, weißt Du . . . Und mein liebes Christiania, grüße cs — auch von mir, hörst Du? . . . Laß mich dorthin brin gen! Ich denke — dort ist es in der Erde, nicht — so kalt!" Tränenlos starrt Erik auf das immer bleicher werdende liebe Gesichtchen. Jedes leise klagende Wort sticht ihm in die Seele. Und ruhig daneben sitzen zu müssen, nichts 'uir zu können, um das rasch entfliehende Le ben festzuhalten! ... Er fühlt, wie der, Druck ihres Arines nach läßt, wie ilr Atem schwächer geht. Sonst, ganz sanft löst er den zarten Arm von seinem Hals und legst den blonden Mädchenkopf in die Kissen. . . Sie schließt die Augen. Ihre Hände fal ten sich Ivie zum Gebet. Fast unmeriklich be wegen sich ihre bleichen Lippen. Kein Laut wird vernehmbar; aber er liest von ihnen die so osh gehörten Worte ab: „Gott segne Dich, Erik!" Noch einmal öffnet sie die Augen; unstäl irren sie durchs Zimmer. Dann lächelt sie wie der. Ihre Hände tasten nach den seinen und lchließen sich darüber. So liegt sie kurze Zeil still da. ^ener Gei t der Zufriedenheit, jenes heitere Glucksgesuht, die stets ein Teil der kleinen Gerda Jeipersen warm,, sind nicht so leicht zu verscheuchen selbst nicht im Tode. Noch einmal rasst sie sich auf. Ohne sich zu rühmen, murmelt sie: „Ich möchte — wissen, ob sie auch - da hin ist, gerade wie ich! Du weißt — dort —. Er verstehe. Ueber dem Stuhl hängt ihr Kleid. Er greift in die Tasche und reicht ihr die kleine goldene Uhr. Das Glas ist zerbrochen, und von dem weißen Zifferblatt hebt sich grell ein roter Blutstropfen ab. Glückselig lächelnd drückt sie die Hand mit der kleinen Uhr an ihre Brust, als wolle sie ei>r lates Bögelchen wieder zum Leben sr- weckm -- gerade wie damals, als sie auf dem Bahnhöf, von dem Geliebten Abschied nahm. Jetzt — ein zitternder Seufzer: „Erik, leb — woh — —" Die Worte ersterben in einem leisen Hauch. Kraftlos sinkt die Hand mit der Uhr herab. „Gerda! Meine Gerda!" schreit er verzwei felt auf, die Arme um die stille Gestalt schlingend. Dann sinkt sein Kopf nieder aus die Bett decke — — Das treue, fröhliche Herzchen der kleinen Gerda hat aufgehört zu schlagen. 13. Kapitel. Gerda Jespersen ruht seit einigen „vagen m der kühlen Erde. Ihrem Wunsche gemäß !olte EM die Leiche nach Christiani« über führen lassen. Jetzt erst enrpfindet er so ganz, was er an dem lieben Mädchen verloren hat. Ihr strah lendes Gesichtchen, ihr frisches Lachen, ihre zärtliche Sorgfalt für ihn - alles dahin, vor bei für immer! Die laute Sympathie, das aufdringliche Beileid, die ihn, von allen Seiten entgegen- gebrachi werden, belästigen ihn. Ach, niemand oersteht ihn — nun, da seine Gerda tot ist. „Jetzt stehe ich ganz allein auf der Welt! Jetzt liebt mich niemand mehr!" schluchzt sefne Seele. An d,ie Neigung seiner kleinen Schülerin, die sie ihm auf solch 'eltsame Weise gestan den, denkt er kaum mehr; er sieht in Inge borg Valetü nur die bedauernswerte Kranke. Und Sigrid Arnoldson? . . . Der plötz üche Tod seiner Braut hat seine teidrrilschaft- liche, himmelstünnende Liebe zu der schönen Henin von Schloß Sandsgaard in ru'.igere Bahnen gelenkt. Noch immer sieht er in ihr das vollkommenste Geschöpf der Well; aber sie erscheint ihm jetzt noch ferner gerückt, gewisser maßen unirdischer, erhabener. Mit wenig Zeilen hat er ihr den Verlust, der ihn betro fen, mitgeteilt und erwartet mit Sehnsucht ihre Antwort, weil er davon Lin dcrung für seinen tiefen Schmerz erhofft. Dieser übertriebene Schmerz, verbunden mit bitteren Selbstank agen, werfen ihn aufs Kran kcnlager. Ein hitz.ges Fieber stellt sich ein. Lorenz Jespersen, der dem Freunde in seiner Weise zugeam ist, hat ihn ganz zu sich genommen, und Dr. N.colas widmet sich mit Hingebung seiner Pflege. Dr. Jens Nicolas ist ein stiller, ernster Mann in dar Mitte der Dreißiger — eine ^rt Sonderling, dessen Bekanntschaft Lorenz vor etwa einem halben Jahr auf einer Bootpavlie gemacht hatte. Durch eine unvorsichtige Be wcgung fiel damals der Gelehrte ins Wasser und wäre unfehlbar ertrunken, wenn nicht Lo rcnz ihm ohne Zögern nachgesprungen wäre. (Fortsetzung folgt.) die siic fül'kinöen uns Marike