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Ser And der Landwirte im 17. Reichstagsmahlkreise l-ielt anr gestrigen Sonntag im Meisterhause zu G'ruchau seine diesjährige Kreisversamm- iung ab, an der auch eine Anzahl Mitglieder der hiesigen Gegend teilnahmen. Der Kreisvorsitzende, Herr Gutsbesitzer Pau. S ch u b e r t - F cr I k e n , eröffnete die trotz des schönen Wetters gutbesuchte Versammlung mit einem herzlichen Willkommengruß, gab seiner Freude über den stattlichen Besuch Aus- aruck und leitete dann zu einem kurzen Rück blick auf das Jahr 1912 über. Leider habe man bei den Reichstagswahlen nichts erzielen können, obgleich tapfer gearbeitet worden sei. Verkannt dürfe nicht wavden, daß eine bürger liche Kandidatur im 17. Reichstagswahlereise fast keine Aussichten auf Durchkommen melr l abe, da der Kreis zu sehr industrialisiert sei; w bedauerlich diese Tatsache sei, lasse sich an i r nicht rütteln. Das Jahr 1912 sei aber auch sonst ein Jahr der Trauer für die Land wirtschaft gewesen: alle Hoffnungen auf ein gutes Erntejahr waren berechtigt, doch leider mußten sie unerfüllt zu Grabe getragen wer den. Die beiden schlechten Jahre 1911 und 1912 hätten es nötig, durch ein um so besse res Erntejabr 1913 ersetzt zu werden, durch ein Erntejaht, wie es in den letzten Jahr zehnten zu den Seltenheiten gehörte. 1912 habe man auch wieder oft das alte Lied von dem Landwirt gehört, den seine Gegner, deren es gar viele gibt, stets als nimmcr- :atten Menschen bezeichnen. Auch für das laufende Jahr ständen der Landwirtschaft wieder große Kämpfe bevor. Die neue Heeres norlage, deren Forderungen die Parteifreunde in Stadt und Land gern bewilligen, wälze bei der Dcckungsfrage leider einen großen! Teil der Kosten auf die Landwirtschaft ab; eine ringelende Prüfung müsse da aus jeden Fall noch erfolgen. Vor allen Dingen tue ein immer noch engerer Zusammenschluß not, denn gerüstet sein bedeute heute alles. Redner begrüßte sodann den Geschäftsführer des Bundes der Landwirte im Königreich Sachsen, Herrn LandtagSabgcordneten Schmidt-Freiberg, dem er das Won zu seinem Vortrage über „Die wirt- 'chaftliche Lage" erteilte. Der Herr Referent führte in fesselnder Rede etwa folgendes aus: Wie eng die wirtschaftliche Lage mit der politischen Lage verquickt ist, das haben die letzten Zeiten wieder erneut gezeigt. Die pol' lifchc Selbständigkeit eines Volkes beruht aut seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit. Die wirtschaftliche Lage des ganzen Europa wird beeinträchtigt durch den Krieg auf der Bal kanhalbinsel und seine möglichen Folgen. Das Dichterwort von dem unterhaltsamen Kriegs- gefpräch in Fuiedenszeiten hat schon längst iSne Berechtigung verloren, das „weit hinten in der Türkei" liegt dem ganzen Europa er staunlich nahe. Das Ringen hält nun schon mehrere Monate an, und mehr und mehr stellt sich, trotz der beiderseitigen Siegesmel dringen, heraus, daß die Türkei der unter liegende Teil ist. Es ist auch heute noch nicht sicher, ob der Kriegsbrand sich nicht auch noch über das übrige Europa ergießt, ob der Funken nicht zur loheirden Flamme wird. Dies: immer noch nicht abgewendete Gefahr veranlaßte zu einem Teil mit, daß die Reichs- rcgierung mit einer neuen Heeresvorlage bezw. Erweiterung herauskam. Wir, und das will ich noch besonders hervorheben, verkennen den Ernst der Lage nicht und sind jederzeit gern bereit, alles, was der Staat bedarf, zu ge währen; doch müssen wir noch besonders be tonen, daß es gerade die Landwirtschaft ist, die bei jeder neuen Heeresvorlage die größten Opfer an Gut und Blut zu bringen hat. An Gut, das beweisen die Deckungsvorschläge der Regierung, und an Blut, das beweist der übergroße Prozentsatz der Heerespflichtigen aus der Landwirtschaft, deren letzter Mann bald Soldat ist und dem Heere zugeführt wurde. Bedauerlich ist es, daß die Deckungsfrage eine uns nicht völlig befriedigende ist. Steuern, die demnächst in Fortfall kommen sollten, wie die Zuckersteuer, kommt wieder und wird da durch zu einer ständigen Steuer. So liefe sich noch manches kritisieren, wie die einmalige Abgabe vom Vermögen zur Deckung der ein maligen außerordentlichen Kosten der Heeres vermehrung. Vorgesehen ist hier die Abgabe von fF Prozent von jedem Vermögen über 10 000 Mk. Wir sind, und das erklären wir noch besonders, gern bereit, nach Kräften bei- znsteucrn. Unsere Opferwilftgleit in dieser Frag.' der einmaligen Abgabe steht ohne Zweifel fest, doch hätten wir gewünscht, wenn die großen Vermögen entsprechend stärker heran gezogen würden, denn wer den größeren'Nutzen lat, muß auch die größeren Lasten tragen. Man müßte in diesem Falle die kleinen Ver mögen mit einer Abgabe von höchstens ein Viertel bis ein Drittel Prozent belegen, da gegen aber hie -großen Vermögen eventl. bis zu l und 1j^ Prozent heranziehen. Es gibt Vermögen, die 8, 10 und mehr Prozent im Jahre abwersen, viele kleine, besonders aber landwirtschaftliche, die nur 1 und 2 Prozent Enrägnks haben. Wir sind aber an den poli tischen Fragen der Jetztzeit außerordentlich stark beteiligt, da besonders die Landwirtschaft bei der Deckungsfrage erheblich in Mitleiden schaft gezogen wird; die ganze Decknngs rage ist fast wie eine Verbeugung vor den Sozial demokraten aufzufassen, in denen bürgerliche Linksparteien einen Verbündeten erblicken. Mit der Sozialdemokratie, der geschworenen Feindin unseres Staatswesens, der Monarch e und der ganzen Gesellschaftsordnung, lie'- äugeln nicht nur die liberalen Parteien, son dern auch Reglierungsvertreter und Minister. Unzweifelhaft aber muß der Kampf gegen itre zersetzende Tätigkeit von allen den Kreisen ge führt werden, die an dem weiteren Bestehen der jetzigen Gesellschaftsordnung ein Interesse laben, und das sind alle bürgerlichen Pn- reien. Je weiter letztere aber links stehen, um lo eher sind sie geneigt, Bündnisse mit der Sozialdemokratie abzuschließcn, davon sind auch die sogen. Jungliberalen nicht ausge schlossen Nichts kennzeichnet die Haftung der bürgerlichen Parteien so sehr als ihr Verhal ten im Reichstage bei der Einbringung des konchrvativen Antrags betr. den Schutz der Arbeitswilligen. Dem Telcrorismus der So zialdemokratie sollte durch das Gesetz ein Rie gel vorgeschoben werden, trotzdem waren selbst die Nationalliberalen nicht dafür zu haben. Wir wollten nicht das Recht der Koalitions- reihÄt beschneiden, nur ihre Auswüchse, die wir in dem Koalitionszwange erblicken, be- tämpfen; führt doch der Zwang so weit, daß unter Umständen ein Familienvater seinen Verpflichtungen entzogen wird. In einem Rechtsstaat«: aber darf nicht die rohe Gewalt herrschen; trotzdem stimmten die liberalen Par teien gegen den konservativen Antrag; die In dustrie zu schützen lag ihnen fern. Wenn die Sozialdemokratie jemals in Deutschland zur Herrschaft kommt, dann hat sie es nicht der eigenen Kraft, vielmehr den Verbeugungen der Minister, der Nachgiebigkeit der Regierungen einzelner Bundesstaaten, wie Bayern, Baden und auch Sachsen, vor allem aber der Schlaf mützigkeit der bürgerlichen Linksparteien zu danken. Wenn diese Kreise immer weiter den Kampf nach rechts und gegen rechts führen, dann werden wir aus die schiefe Ebene ge raten, auf den Freihandel und durch ihn auf die Verarmung des Volkes. Solange es Re gierungen gibt, wie Baden mit seinem Mi nister Bodmann, der die Soziatdemokraten nicht misten kann, die das wahre Wesen der Sozialdemokratie nicht erkennen wollen, so lange unsere sächsischen Regierungsvertreter in derart freundschaftlicher Weise mit den So- zialdemokraten verkehren, solange kann man üch der Ansicht nicht verseh ießen, daß es sich bei alldem um Verbeugungen vor der Partei des Umsturzes handelt. Durch derartige Vor gänge ist u. a. auch dem Erzgebirgler, der trüber tou.gstreu bis auf die Kuochen war, das Bewußtsein von der Slaatsgefährlichkeit der Sozialdemokratie genommen worden. Es gi.r Menschen, die die Sozialdemokraten zu versöhnen hoffen, aus ihrer Partei eine Re- 'ormpartci machen wollen, doch lassen diese Verbesserer dabei außer Acht, daß von jener Seite jedes Zeichen von Entgegenkommen als Schwäche ausgeiegt wird. Wir geben schweren Zeiten entgegen, wenn einem solchen Treiben nicht l ud Einhalt geschieht. Erfreulich ist es, das sich iu letzter Zeit die Stimmen mehren, die de große Bedeutung der Landwirtschaft iür das Reich rückhaltlos anerkennen. Zur rechten Zeit noch kam das Kafterwort auf dem Deutschen Laudwirtschastsrat; früher gin gen die Meinungen, ob die deutsche Land Wirtschaft in der Lage sei, das VoW mit ge nügendem Brotgetreide zu versorgen, ziemlich auso nander. Heine ist das anders, seitdem von anderer Seite längst statistisch nachge- roiejcn ist, daß drs wohl der Fall ist. Der Abgeordnete Bebel hat vor Jahren selbst im Reichstag gesagt, daß die deutsche Land Wirtschaft vielleicht noch auf Jahrhunderte hin aus in der Lage ist, den Bedard auch der w Menden Einwohnerzahl vollkommen zu decken. Von den sozialdemokratischen Agita ¬ toren auf dem Lande wurde diese Aeußerung stets bestritten und darum hat man, als Be bel 1907 in Freiberg sprach, ihm diese Aeuße rung vorgehalien. Bebel mußte denn auch das damals Gesagte bestätigen, was cr mit der Einschränkung tat, daß in diesem Falle alle noch vorhandenen Oedländermen der Kul tur zugeführt werden müßten. Vor allen Dingen aber kann diese Frage nur dann be jaht werden, wenn für auskömmliche Preise gesorgt wird, und da müßte es ja eigentlich die Sozialdemokratie sein, die uns in unlferem Bestreben hierin unterstützt, aber nicht, wie das gegenwärtig geschieht und stets geschah, bekämpft. Hierzu aber ist es unbedingt not wendig, daß wir am Schutzzoll sesthalten. Ende der 60er und in den 70er Jahren hat ten wir eine liberale Aera, doch hat dieser wirtschaftliche Liberalismus so gewirtschaftet, daß Ende der 70er Jahre der Ruin vor der Türe stand, daß ein Krach dem andern folgte. Fürst Bismarck ging dann 1879 zur Schutz zollpolitik über, die im Interesse der Industrie dringend geboten war und keineswegs der Landwirtschaft zuliebe erfolgte. Dies wird heute immer noch viel zu wenig anerkannt und berücksichtigt. Die Landwirtschaft brauchte damals den Schutzzoll noch nicht in dem Maße, sie hat ihn nicht gerufen. Lediglich zum Ausgleich der Herstellungskosten schuf Bismarck den Schutzzoll, da die junge deut- 'che Industrie sich ohne ihn nicht zu hallen vermochte. Der alte Grundsatz: Die höhere Kultur eines Volkes erfordert höhere Ge stehungskosten, bewahrheitete sich. Dabei darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die höhere Kultur eines Voltes damals im Entstehen war und die scharfe Konkurrenz des Auslandes in eine Zeit fiel, die für unsere junge Industrie sehr ungünstig war. Der Landwirtschaft gab man zunächst einen ungenügenden Schutzzoll, der mit der Zeil naturgemäß erhöht werden mußte. Dadurch wurde der Glaube im Volke hervorgerufen, daß die Landwinschaft durch Zölle besonders geschützt und bevorzugt werde. Es fehle sich ogar die Ansicht fest: wir haben die Zölle der Landwirtschaft zu verdanken. Da mußte denn ganz bestimmt erklärt werden, daß dies nicht den Tatsachen entspricht, denn zunächst waren sic der Industrie ein Retter :n der Not. Wir gebrauchen den Schutzzoll heute und würde bei einem Wegfall desselben die Landwirtschaft nicht mehr in der Lage 'ein, für die Bedürfnisse des deutschen Volkes in vollem Umfange zu sorgen. Schon eine Abbröckelung würde hier zu schweren Gefah ren führen. Würde aber die Industrie die Zölle wcgschassen, so könnte sie nur weiter eristicren, wenn sie ganz billige Angebote auf dem Weltmarkt herausbringen würde. Die Löhne würden bei einer solchen Maßnahme na.'ürliw ganz bedeutend sinken, denn wenn alles wohstcil wird, ist m erster Linie die Arbeilskraft hierdurch benachteiligt, sie wird ganz billig. Anfang der 90er Jahre, als unter Caprivi ein Teil der Zölle abge'chafst wurde, lat dies zu der Erkenntnis geführt, daß dies ein schwerer Fehler war. Deutsch land darf nicht in Abhängigkeit vom Auslände Helden dee Pflicht Ein Roman aus dein Lande der Mitternachtssonne. Von Erich Friesen. lt. Fortsetzung. (Nachdruck verboten. „Eines Mannes, sagen Sie?" unterbrich! Eruk sic, seine Sümme zur Festigkeit zwin gend. „Ich versichere Luc, es ist niemand im Zimmer, außer einem kleinen einfältigen Mäd chcn und seinem Zeichenlehrer. Und selbst, wenn jemand durchs Fenster hereingekommen wäre, nur Sic zu ängstigen —" „Ja, jaf" so brauchten wir uns doch nicht zu fürchten, nicht wahr? Ihre Hände liegen auf meinen Händen. Fühlen Sic cs? — Ja? . . Lind es die Hände eines Freundes oder eines Feindes?" Langsam erbebt sich Ingeborg vom Stuhl, ohne d.c Augen vom Fenster abzuwmdcn. „Einos Freundes," flüster! sie kaum hör- Var, um gleich darauf wild auszuschreicu: „Es rammt näher! Es kommt näher!! Barmher zigkeit!" Aufs neue mach! Erik sich Vorwürfe, daß er nicht doch Fräulein Arnold'cn geru'en. Was tun, um das zu Tode geängstigte Kind zu beruhigen? . . . Einem plötzlichen Impulse folgend, legt cr laust den Arm um Ingeborgs Taille, wäh rend er teste mit der Rechten über iure Augen streicht. So stehen beide still, fast bewegungslos da — wohl eine l>albe Minute lang. Dann m erfliegt ein Zittern ihre Gl-eder. „Gott lohne cs Ihnen" seufzt sic aus vollem Herzen auf. „Ist es fort?" „ES ist sank!" Erik hat die Empfindung, als atme er wieder frische, gesunde Lust, als sehe das Zimmer noch einmal so bell und freundlich aus, nachdem Ingeborg erklärt hat, daß „es" fort ist. Ingeborg st in den Stuhl znrückgesnnkcn und hat das Gesich: mit den Händen bedeckt. Als sie die Hände nach einiger Zeil fovtzieht, zeigen ibrc Züge keine Spur mehr von der ausgestandenen Todesangst. Nur ihre Wangen sind ausfallend bleich, und die Unterlippe weist eine kleine Wunde aus. „Ich sühle mich wieder ganz wohl," beanr- wonck sie seinen fragenden Blick. „Sehen Sie nur, wie vernünftig ich bin!" Und mi>r triumphierender Miene greift sie in den Fenstcrvorbang und schüttelt ihn hin und her. „Zum achten Male hat mich heute dieses fürchterliche Gesicht gequält," fährt sic in hei terem Tone, der selstam mit ihrer soeben noch in Todesangst bebenden Stimme komraftierft, fort. „Möchten Sie es einma sehen?" „Nein, ich danke lehr —" lächelt Eric ge zwungen. „Ich bolc es Ihnen!" lind ehe er es hindern kann, hat sic die Bib.iollek verlassen. Schon nach kaum einer Minute kehrt sic zurück, in der Hand ein Blatt Papier. „Hier, Herr Niels! Ich habe es aus den« Gedächtnis gezeichnet. Selen Sie es sich an und verbrennen Sie es! Ich bin überzeugt, daß es mich nie mehr verfolgen wird. Sie haben es für immer verbannt!" Voll Jn'ccresse blickt Erik au die Zeichnung. Es ist ein kühn entworfener lebensgroßer gro icsler Kopf. Haar, Zähne und Ohren gehören einem wstden Tiere an; die übrigen Züge sind die eines auffallend häßlichen Mannes. Unwillkürlich streicht Erik sich über die Stirn. Das Bild weckt dunkle Erinnerungen in i'm. Wem sieht diessc scheußlich verzerrte Kopf, halb Mensch, halb Tier, gleich ähnl ch? Er sinnt und sinnt - Und P ötzlich ziehen sich seine Brauen fin ster zusammen, während s.'ine geballte Faust die kleine Zeichnung zerknittert. Mit großen, verwunderten Augen sieht Fngeborg ihm zu. Da zerreißt er bastig das Blatt und wirft die Papiersctzen in die Kaminflamme, daß sic bell auftodert. 6. K a p i t e l. Ein heileroc, sonniger Juli-Nachmittag. Gerda Jespersen sitzt, wie gewöhnlich Sträuße bindend und Kränze windend, hinter ihrem kleinen Ladentisch in der „Berlinske- gade". Während ihre zierlichen Finger emsig her- umhankicren, flattern ihre Gedanken weir, weit sor., hinweg über die Häuicr und Plätze Chri- stiauias, über Felder und Wälder, über Berge und Meere — hin nach dem Norden Nor wegens, wo ihr Bräutigam weilt — hin nach „Schloß Sandsgaard". Zn ihrem Köpfchen malt sich ein ganz eigenes „Schloß sandsgaard". Wo'l erwähnt Erik in seinen Briefen der drei Bewohnerin nen, aber mit so viel Zurückhaltung, haß Gerda sich koin rechtes Bild von ihnen machen lann. Uc'cr Fräulein Arnoldsen berichtet er nur, daß sie eine „stolze, energische Frau", über Madame Wvrfc, daß sic eine „unbedeu tende alte Dame" sei. Seine Schülerin-Inge borg bezeichnet er als ein „eigentümliches, exzentrisches Kind." Es widerstrebt ihm, andere in die internen Verhältnisse seiner neuen Haus- gcnossinnen cinzuweihen — und sei es auch seine gute kleine Gerda. Wie ein Nertrauens- bruch würde es ihm erscheinen . . . Was er verschweigt, denkt sie sich in ihrer Weise hinzu. So hat sich Gerda Jespersen in ihrer Phan tasie ein „Schloß Sandsgaard" zurechtgebaut, das zwar nicht der Wirklichkeit entspricht, das ihr jedoch lieb und wert ist, weil sie zu jeder Zeit den Geliebten dort aufsuchcn kann. So auch heute . . . Da wird sie jäh aus ihren Träumereien auf- geschrlckt. Mit ziemlich viel Geräusch, eine lustige Operettenmelodie pfeifend, taucht ihr Bruder so eben in der Tür des kleinen Ladens auf. „Guten Tag, Erik Niels!" ruft seine dröh nende Stimme neckend herein. Gerda eilt ihm entgegen und schüttelt ihm kräftig die Hand. „O, Lorenz, wie Du mich erschreckt hast! . . Aber warum nennst Du mich Erik Niels?" „Weil er in jedem Deiner Gesichtszüge ge schrieben steht," lacht er mit dem ihm eigenen breiten Lachen. „Ob er in Dingsda ist und Du hier oder umgekehrt — hol mich der Kuckuck, stets seid ihr zwei bei einander . . . Wie geht's der Mutter?" „Danke, gut." „Und was machst Du — oder vielmehr, äh, hm — Erik Niels? Hat er kürzlich wieder was von sich hören lassen?" „Ja, heute. Vier Seiten." „Alles in Ordnung?" „Vorzüglich. Er läßt Dich grüßen." „Danke. Guter Kerl, der Erik! . . Apropos, Gerda, in den nächsten Tagen muß ich verreisen. Zwei unserer braven Agenten haben aus Ver sehen fremder Leute Versicherungsprämien für die ihrigen gehalten. Tomas Petersen und ich, wir sollen ihre Bücher revidieren. Dabei komme ich auch bis hinauf nach Tromsö!" (Fortsetzung folgt.)