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WM M Mrnßein EMUln Aii;ngtt i Tageblatt. Nr. ^S. Sonnabend, den 12 April 1V13, 4V. Jahrgang Deutscher Reichstag. 136. Sitzung vom 10. April. Vor Eintritt in die Tagesordnung mmmt das Wort Baltischer Militärs,^vollmächtiger Generalmajor Wenninger: Meine Her- rm! Ich bitte, Ihnen eine Erklärung abgelen zu dürfen, die ich am liebsten schon gestern vorgebracht Hötte. Leider wurde ich durch den Schluß der Sitzung überrascht. Mit meinen gestrigen Bemerkungen wollte ich lediglich der Meinung Ausdruck geben, daß ich das Maß und die Schärfe der von dem Abg. Häusler an Einrichtungen unseres Heerwesens geübten Kritik bedauere. Es hat mir aber durchaus sornoeliMn, ganz allgemein das Recht des Ab geordneten auf Küitik irgendwie anzutasten. Ebenso lst es mir völlig ferngelegen, mit meinen Bemerkungen hier im Hause der Ehre des Herrn Abg. Häusler in seiner Stellung außerhalb des hoben Hauses irgendwie nahe zu treten. Ich bedauere, wenn meinen Wov ten von gestern eine andere Bedeutung beige legt wurde oder würde. (Beifall.) Abg. Spahn (Zentr.): Die Wahrung der Ehre und Würde des Hauses und der Ehr; eines einzelnen angegriffenen Abgeord neten ist Sache des Herrn Präsidenten. Ich möchte aber doch zu dm Aeußerungen, die gestern dqc General Wenninger gemacht hat, noch folgendes erklären: Der H^rr General Wenn'nger hat zunächst den Abgeordneten nuch seiner Stellung im Privatleben bezeichnet, und als der Präsident dies als ungewöhnlich be zeichnete, hat er ibn als Abgeordneten bezeich net und daran die Bemerkung geknüpft, er werde von nun ab den Redner als Abgeord neten bezeichnen und hinzugefügt, er habe die Bezeichnung „General" aus eigener Wohl anständigkeit gebraucht und es sei ihm nun« me r angenr'm, diese Bezeichnung nicht me'r brauchen zu dürfen. Darin lieat doch eine Miß achtung des Abgeordneten. Ich bitte den Herrn Präsidenten, das Stenogramm einzusehen und sich darüber schlüssig zu werden, ob er diese Bemerkung, wenn sie von einem Abgeordneten gegen einen anderen Abgeordneten gebraucht worden wäre, hätte hingehen lassen. Vizepräsident Dove: Ich möchte gle ch das Wort ergreifen. Ich habe das Wort „Wohl anständigkeit" gehört, habe aber angenommen, daß dar Herr Bundesratsvertreter damit hat dasselbe ausdrücken wollen, was er beute er klärt hat, daß er diesen Ausdruck nicht in be leidigender Absicht gebraucht habe. Daß einem Abgeordneten Wohlanständigkeit zuzuschreiben 'el, darüber dürfte wohl im Hause kein Zwei fel sein. Im übrigen muß ich erklären, daß bei dem Lärm, der im Hau'e herrschte, es mir nicht klar geworden ist, daß etwa gesagt sein sollte, es würde mit dem Ausdruck „Ge neral" e/ne Bezeichnung gegeben, die der Herr Bundesratsvertreter nicht mehr zu brauchen vorzögq, weil er darin etwas Ehrendes für den Abg. Häusler sagen wollte. Ich glaube Helden der Pflicht. Ein Roman aus dem Laude der Mitternachtssonne. Von Erich Friese«. 2!. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Herr Niels, Sie bleiben für ein Jahr der borulaubte Zeichenlehrer meiner Niche. Jeder Mensch hat Lannen; dies ist «ine von den meinigen." „Fräulein Arnoldsen!" Jetzt hat er verstanden. Heiß steigt es ihm in die Augen. Ohne Sigrid anzublicken, führt er ihre Hand an seine Lippen. Dann verläßt er rasch die Bibliothek. Am nächsten Morgen — kaum hat Inge borg sich den Schlaf aus den Augen gerieben — klopft Sigrbd an der Tür zum Schlaf zimmer ihrer Nichte. In heiterster Stimmung öffnet das Mäd chen. Auf die Bemerkung der Tante, sie beide wollten heute nicht zum Frühstück hinunter- geben, sondern den Tee hier oben oinnehmen, zieht Ingeborg ein verwundertes Gesicht. „Warum, liebe Tante?" „Ich möchte etwas mit Dir besprechen, mein Kind." Noch immer scheint Ingeborg nicht zu be greifen. Mit großen erstaunten Augen blickt sie die Tante an. „Denke an Herrn Niels!" sagt diese ernst. Ingeborg errötet lebhaft, während ihre lächelnden Lippen vertschämt flüstern: „Sage, bitte, seinen Vornamen, Tante!" Ist es der Reflex der zartblauen Gardi nen, aus die in diesem Augenblick ein matter Sonnenstrahl fällt? Das ohnehin heute auf fallend bleiche Gesicht der Herrin von Schloß Sandsgaard wird noch um einen Schatten bleicher. „Wozp?" ruft sie mit bei ihr ganz unge wohnter Schärfe. „Ich möchte wissen, wie er aus Deinem nach den Er.lärungen des Herrn bayrischen Militärbevollmächtigten, daß diese Ansicht nicht begründet sei. ,Es ist aber wünschenswert, daß der Herr Vertreter im Bundesrat dieses noch mals ausdrücklich erklärt, denn ich möchte doch vorziehen, daß wir diesen Gegenstand noch heute verlassen. Bayerischer Misitärbevollmächtigter General major Wenninger: Ich bin aus Wunsch des Herrn Präsidenten sehr gern bereit zu erklären, daß die Entschuldigung, die ich hier vorgebracht habe, und die woH im ganzen Hause als durchaus loyal empfunden wurde (sehr richtig!), auch diesen Fall, der mir sehr wohl in Erinnerung war, mit einbegriffen hat. (LebhaKer Beifall.) Darauf wird die Beratung der Deckungs vorlage fortgesetzt. Abg. Südekum (Soz.): Der Kanzler scheint sssine Rede vom Montag, in der er von kommenden Auseinandersetzungen zwischen Sla wen und Germanen sprach, ganz vergessen zu haben, sonst hätte er gestern nicht sagen kön nen, er hätte gerade vor diesem Schlagwort warnen wollen. Abn wir empfinden Genug tuung über den reuigen Sünder und sind bei- roit, Akt von seiner gestrigen Erklärung zu nehmen, nach der er seine völlig unhaltbare Slawentheorie aU'gegeben hat. Die Bemühun gen des Reichskanzlers, zu beweisen, daß die vorgeschlagenen Deckungsentwürfe in unser Meuerfljstem Hineinpassen, waren völlig ver geblich. Die Vorlagen sind der Leistungs fähigkeit des Volkes durchaus nicht angepaßt. Gewiß ist die Lebenshaltung des Volkes ge stiegen, und es wäre traurig, wenn es anders wäre; aber noch mehr gestiegen ist der Abstand zwischen Reichtum und Armut. Von der Re- qienmg gebt die hinterlistige Beeinträchtigung der Reckte dn Mittellosen aus (Zurufe reckts: Unerhört!). Wir fordern, daß die dringende Relorm unteres ganzen Wivtschasts- und Staatslebens jetzt vorgenommen wird. Die Vorlagen zeigen deutlich den Einfluß der 110 sozialdemokratischen Abgeordneten und der 4,5 Millionen sozialdemokratischer Wähler. Es ist unsir Erfolg, daß zum ersten Male der Ver- suck gemacht wird, zu den Rüstungen nur den Besitz hewanzuziehen. Gelingt es nicht, so be weist das nur, daß noch zu wenig Sozial demokraten im Reichstage sitzen. Wir fürchten da^er dis Auflösung des Reichstages nicht. Der bla e Gedanke einer Besitzsteuer hat auf der Rechten wabre Wutausbrüche hervorgeru fen. Die Mehrausgabe von 1300 Millionen in drei Jahren winß alles über den Haufen. An eine Schuldentilgung ist schon gar nicht mebr zu denken. Noch haben wir sine Hoch konjunktur, aber die Rückschläge sind unver meidlich. Dank der jetzt auch' vom Krioas- minister festgestellten Unfähigkeit unserer Di plomatie ist unter Erwerbsleben seit Jahren aus der Unsicherheit nicht herausgekommen. Diese Zustände wirken auf den Geldmarkt. Heute ist es schwerer, 2—3000 Mk. Wochen- Munde klingt, Tante." Sofort ihre Schroffheit bereuend, zieht Sigrid das gesenkte Köpfchen ihrer Nichte an ihre Brust und streichelt liebevoll das gold blonde Haar. Und ganz von selbst kommt es zu der gewünschten Aussprache. Die Angst des armen Mädchens, ob Evik etwas von tAer Neigung zu ihm ahne, ist groß. Doch die Tante sucht sie über dieser'. Punkt zu beruhigen. Nun beginnt Sigrid, zart und rücksichts voll den Seelenzustand ihrer Nichte auszu- forfchen ... Ob Ingeborg es nicht für unwürdig halte, ein Gefühl zu nähren, das der Verheimlichung bedürfe? Ja; aber trotzdem könne sie nicht anders, als ihn lieben . . . Ob sie annehme, daß Herr Niels ihre törichte Neigung er- widere? Nein, das gjlaube sie nicht ... Ob diese Erkenntnis sie unglücklich mache? Nicht gerade unglücklich, höchstens traurig ... Ob sie den Gedanken würde ertragen, Herrn Niels mit einsr anderen verheiratet zu wissen? O ja, wenn diese Heirat ihn glücklich mache! . . Ob sie ihm für immer würde Lebewohl sagen können? Gewiß; wenn es sein Mück gelte! So, Schritt für Schritt, Ingeborgs Kopf an ihre Brust gelehnt und mit ihren Lippen zärtlich, gleich einem Hauch, die kindlich run den Wangen streifend, jedes Wort wohl über legend, damit es ja nicht verletze — so, ge heiligt durch die Kraft reinster Menschenliebe, bereitet die vortrefflich« Frau das arme, welt unerfahrene Kind auf sein Leid vor . . . Sie schließt mit der Mitteilung, Herr Niels habe seine Stellung bei ihnen gekündigt und werde 'schon lin den nächsten Tagen Schloß Sandsgaard verlassen, um sich in Chrisyiania zu — verheiraten. Ingeborgs fvische Wangen sind jäh er- blichen; mich seufzte sie einmal tief auf. Doch der von Sigrid so sehr gefürchtete Schmer- zenHausbruch bleibt aus. „Ich möchte ihn noch einmal sehen, Tante," lohn aufzubringen, als vor einigen Jahren mehrere Millionen Obligationen auszunehmen. Die Fehlbeträge wachsen ins Ungeheure. Die Regierung kommt mit so trügerischen Berech nungen, daß sie für die Luftflotte 79 Millio nen fordert. Ausgerechnet 79; etwa wie ein Warenhaus seine Preise mit 2,85 Mk. aus zeichnet, um den Anschein einer besonders ge nauen Kalkulation zu erwecken. Wie denkt sich die Negierung die Finanzlage nach 1915? Die öffentliche Meinung, die nach dem Zeugnis des Kanzlers eine Macht ist, wird stark genug sein, um die Zollmauern umzuwerfen, die Hab sucht und Grwinngier um Deutschland ge zogen haben. Die mächtige konservative Partei Englands strich an ihrem Programm die Nah rungsmittelzölle und der amerikanische Präsi dent Wilson bringt «ine Zollrevision. Nach 1915 Hörnchen wir eine direkte Reichssteuer. Als solche kommt eine Reichserbischastssteuer zunächst in Betracht. Der Reichskanzler scheint in dem Wehrbeitrag den Loskauf von der all gemeinen Besitzsteuer zu erblicken. Das ist nicht unsere Moinung, auch nicht die der Na tionalliberalen. Die Deckungsvorlagen werden nächt veyrbschiedet werden, wenn sie nicht er gänzt werden durch eine direkte Besteuerung des Besitzes. Für den Erfinder des Wehrbesi trags hielt man zunächst den Reichskanzler, danach den „Vater aller Plötzlichkeiten" (Hei terkeit), gestern bekannte sich Schatzsekretär Kühn dazu. Schon 1907 wurde im Reichstag ein einmaliger Wehrbeitrag vorgeschlagen, nicht vom Kanzler, nicht vom Kaiser, sondern von uns. Es ist also ein sauberer, feiner, netter Gedanke, der der Sozialdemokratie seinen Ur sprung v;rdaM. Jetzt feiert diesir Gedanke in der Regierungsvorlage seine fröhliche Auf erstehung. So wie der Wehrbeitrag vorge schlagen ist, ist er von brutaler Rücksichtslosig keit gegen den Mittelstand. (Präsident Kämpf rügt diesen Ausdruck.) Die Kaufkraft wird abnehmen, Arbeitslosigkeit drobt. Wir verlan gen eine Heraufsetzung der Mind;stgrenze für Vermöoen, eine Kombination von Vermögen und Einkommen, «ine Progression, Ausmer zung der Begünstigung der Agrarier, Ver staatlichung des Militärrüstungsbetriebes. Dann wird die ewige Kriegstreibern aus der Welt geschafft werden. Zu den Aktionären der Waffenbetriebe gehört ein großer Teil des hohen Adels. Die deutschen Waffenfabriken zahlen 32 Prozent Dividende, was Wunder, daß die Aktionäre zu weiteren Rüstungen Hetzen! An den Dillinger Werken soll französisches Kapital beteiligt sein, so daß die französischen Herren des Aufsichtsrats Einblicke in die Be stellungen unserer Landesverteidigung gewin nen und zusammen mit dem Schwiegersohn des Herrn von Stumm die Preise deusicher Panzerplatten auskalkulieren. (Hört, hört!) Nun die Fürsten! Sie sind natürlich steuer pflichtig, da sie nicht besonders ausgenommen sind. (Zuruf links: Wenn sie nur nicht ab wandern! Heiterkeit.) Wenn sie abwandern, dann, ja das wäre ein Gedanke! . . (Große Heiterkeit.) Man soll dis Opfer nicht zu hoch rühmen; das Volk zahlt fiir den Brotwucher auch jährlich «ine Milliarde und erträgt das schweigend. Früher kamen auch die Vertreter der Einzelstaaten zu Wort, jetzt herrscht Preu ßen unumschränkt. Nur die Bayern wagen es noch, hinter der Front ein bischen zu böllern. Die Schatzsekretäre kommen und gehen, keiner hat unsere Fänanzreform zur Gesundung ge bracht, das wird nur durch eine Koalition der Reichstagsparteien erreicht werden. (Präsident Kämpf ruft den Redner nachträglich zur Ordnung wegen des Ausdrucks von der hinter listigen Beeinträchtigung der Minderbemittel ten durch die Regierung.) Abg. Speck (Zentr.): Als wir vor vier Jahren 500 Millionen Steuern bewilligten, hielten wir das für einen unüberbietbaren Re kord. Und jetzt sollen wir schon wieder Steu ern bewilligen, die alles Dagewesene in den Schatten stellen. Der Vorredner scheint ja da mit noch nicht einmal zufrieden zu sein und noch eine besondere Besitzsteuer zu verlangen. Wir werden die Rüstungsvorlagen jedenfalls nicht annehmen, wenn die Deckungsvorlagen von einer anderen Mehrheit angenommen wer den. Deshalb werden wir die Heeresvorlagen nicht genehmigen, wenn nicht gleichzeitig auch die Deckungsvorlagen bewilligt werden. Die Besitzsteuer ist nicht von der Sozialdemokratie, sondern durch den Antrag Erzberger-Bzrsser- mann herbeigefübrt worden. Die einmalige Wehrsteuer ist etwas ganz ungewöhnliches und paßt in unser Steu-r^tzstem nicht hinein. Solche Vermögensabgaben erhebt man doch nur in Kriegszeiten. Der Weg des Wehrb-itrages ist uns um so bedenklicher, als keine Gewähr ge geben ist, daß er nicht bald wieder gegangen wird. Die Sozialdemokratie möchte, daß man hierbei ähren Grundsatz „Eigentum ist Dieb stahl" in die Praxis umsitzte. Es muß die Ungeheuerlichkeit beseitigt werden, daß ein 400 Mark Zinsen abwersindes Vermögen von 10 OOO Mark besteueot wird, während «in Vermögen von 49 000 Mark steuerfrei bleibt. Die oinzel- staatliche Finanzhoheit ist in keiner anderen Vorlage bisher so ramponiert worden wie in dieser. Der ganze Wehrbeitrag ist nur zu lehr geeignet, einer Reichsvermögenssteuer den Weg zu ebnen. Der Mi'ttslstand wird durch die Steuern besonders hart getroffen, obwohl er schon ohnehin schwer um seine Existenz zu kämpfen lat. Der einfachste Weg der Scho nung wäre, die untere Grenze heraufzusetzen und den einmaligen Beitrag vom Vermögen von 50 000 Mk. ab zu erheben. Geht das nicht, so muß man wenigstens erst bei 30 000 Mk. anfangen. Bsi höheren Vermögen muß der Beitrag prozentual erhöht werden, aber nicht über ein Prozent hinaus. Familien mit meh reren Söhnen müssen berücksichtigt werden. Beä der sogenannten Besitzsteuer ist der Umweg über die Einzelstaaten bedenklich und des Rei ches unwürdig. Auch sehlt es an der Kon sagt sie mit unnatürlich ruhiger Stimme. Nichts weiter. Diese Ruhe und scheinbare TeilnahmMosig- k;it halten den ganzen Tag über an. Auch, als Ingeborg beim Mittagessen Erik gegen über sitzt. Sie spricht wenig, benimmt sich jedoch natürlich und ungezwungen. Etwas früher als sonst hebt Sigrid die Tafel auf. Mit leichtem Erröten, aber völlig gefaßt, hält Ingeborg Erik ähre kleine Hand hin. „Tante teilte mir mit, daß Säe uns in den nächsten Tagen verlassen wollen, um sich zu verheiraten. Ich gratulier« Ihnen von ganzem Herzen und wünsche . . . wünsche, daß Sie recht glücklich werden mögen. Leben Sie wohl, Herr Niels!" Leise, aber klar und ruhig kommen die Worte von ihren Lippen; keine Muskel ihres Antlitzes verrät irgend welche Erregung. Lang sam schreitet sie zur Tür hinaus, durch die Halle, die Treppe hinaus, in ihr Zimmer. Dor ihrem Bett sinkt sie in die Knie. Si« versucht zu beten — jedoch nicht das kleinste Gebet fällt ihr ein. Sie birgt den Kopf in die Kissen — aber kein Laut wird hörbar. Immer noch diese unheimliche starre Ruhe. So findet Sigrid das arme Kind, als sie wenige Minuten später das Zimmer betritt. Als sie den blonden Kopf liebevoll zu sich emporhebt, blickt sie in ein Paar todestraurige Augen, aus denen Träne auf Träne langsam die bleiche Wange herabrinnt. Tief erschüttert kniet Sigrid neben dem unglücklichen Geschöpf nieder und schlingt voll unendlicher Zärtlichkeit die Arme um den kindlichen Körper. So verharren beide lange Zeit — schweb gend, einander fest umschlungen haltend, bis Ingeborgs Tränen versiegen und sie sich sanft aus den Armen der Tante befreit. „Ich will ihn nicht mehr sehen," murmelt sie fast unhörbar. „Ich werde mein Zimmer nicht verlassen, bis er fort ist. Aber bitte, bitte, liebe Taute, schicke ihn deshalb nicht früher weg! Ich möchte, daß er fo lange wie möglich hier bleibt. Und laß ihn nie mals argwöhnen, daß ich — — o Gott, ich würde sterben vor Scham! . . . Ach, wie gern möchte ich seine Braut einmal sehen und sie küssen! Liebe gute Taute, frage ihn, nxe sie mit dem Vornamen heißt! Ich möchte zu ihr sprechen wie zu einer Schwester — abends, wenn ich ganz allein bin." — Inzwischen sitzt Erik im Wohnzimmer am halbgeöffneten Fenster und raucht seine Nach mittagszigarre. Während er nachdenklich kleine blaue Rin- getwälkchen seinen gespitzten Lippen entfliegen läßt, tvitt Sigrid Arnoldsen ein. Er springt empor. Traurig lächelnd blicken beide einander an. Dann ersucht sie ihn um eine kurze Unterredung. Die Folg« davon ist, daß Erik noch an demselben Abend an seine Braut schraibt. Der. Brief scheint ihm schwer zu fallen; denn er zerreißt mehrere Bogen, bevor endlich «inet, soine Zufriedenheit erringt. Dieser Brief lautet: „M«ine kleine Gerda! Ich weiß nicht, wirst Du über meine Mitteilung lachen oder weinen. Vielleicht beides. Ich habe mein Engagement über Bord geworfen, reise bereits lallte über acht Tag«, also Freitag früh mit dem „Nordstjernen" nach Drontheim ab und nehme dort gleich nach meiner Ankunft den Morgenzug nach Christiani«. Alles Näher« mündlich! Ich betrachte die Angelegenheit als ein Glück für uns beide. Was meinst Du, wollen wir es wagen und schon jetzt heira ten? Du bist ja mein tapferes kleines Mäd chen; es wird schon gehen, auch ohne groß« Reichtümer. Dein Erik." Nister Lachen und Weinen — wie Erst vermutet, hält Gerda Jespersen am Montag diese unerwartete Botschaft in den Händen, (Fortsetzung folgt.)