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ZkWk W HcheOiii-KliMiilkr Aiingn Tageblatt. . i SSSMSSSSSS» Nr. SL Sonntag, den 16 März IVIS, 4V. Jahrgang > «E-AMWMSSMSSSSW«»»«««» Der Schritt inS Leben. Novellette von A. Wohl. (Nachdruck verboten.) „Ja, schön ist die Jugendzeit!" sang eine hell« Mädchenstimm«. Und nun kam di« Sängerin, die 15jährige Lulu, „unsere Konfirmandin", wie sie im Fami lienkreise hieß, durch die Zimmerflucht daher. Nicht etwa sidtig und sinnig, wie «S der feierlich« Tag morgen beanspruchte, sondern wie ein Wirbelwind, daß die langen, braunen Hängezöpf« flogen. Wo sollte sie nur die be dächtig« Stimmung kernehmen, wo ihr die Brust doch fast zersprang vor heimlichem Glückserwarten? In ihrem Zimmer lag das schwarzseidene Konhirmattonskleid, sowie Spitzeniaschentuch, Handschuhe und Gesangbuch, und die ganze Wohnung strahlte in festlichem Glanze. Allein Lulus Gebauten galten nicht dem Palmsonn tag und der feierlichen Handlung. Sie eilten weiter, dem leuchtenden Ziele zu, daß sie sich gesteckt. Als am letzten Schultage der Lehrer di« Konfirmandinnen gefragt, ob sie sich schon einen Berus erwählt, da hatte Lulu Gerling das hübsche Köpfchen emporgereckt und stolz erklärt: „Ich will Schauspielerin werden!" Dabei hatte s« so recht milleidig ihre Freundinnen gestreift: Ida, die sich für den Lehrerinneuberuf entschieden, Ella, di« Konto ristin werden wollte, und Sophie, dis arme Schäfchen, die sich die Kindocgärtnereti erwählt. Gottlob! daß sie zu Höherem berufen, als sich mit unartigen Gören zu plagen, oder im Kontor langweilige Frachtbriefe zu schreiben. „Schauspielerin? hatte der Lehrer betroffen gefragt. „Ach so, weil Du in den Deklama tionsstunden Feuer und Empfindung und ein wohlklingendes Organ gezeigt hast, glaubst Du nun, zur Bühne berufen zu sein? Wenige sind auserwählt — das vergiß nicht. Und merke Dir: ein mittelmäßiges Talent bringt nur Enttäuschung und Leid." Weshalb sollte sie nicht zu den Auserwähl ten gehören? Bewunderten nicht Verwandte uird Freunde ihre schauspielerische Befähigung, die si« bei Festaufführungen im Familienkreise bewiesen? Und Papa hatte eingewilligt, daß sie fiir die Bühne ausgebildet wurde! Nur die Mama war dagegen. Weshalb nur? Hatte sie nicht selbst ost mit lebhaftem Interesse von ihr«: Jugendfreundin erzählt, dem Schauspieler kind aus dem Nachbarhaus«? Die schöne Beate hatte schon mit 15 Jahren kleine Rollen ge spielt. Und später war sie in die Welt ge gangen, Lorbeeren zu ernten. Mama hatte nichts wieder von ihr gehört . . . Die Flurkling«!, die eigentümlich zögernd erklang, entriß Lulu ihren Gedanken. „Sieh einmal nach, Kind, wer da ist!" rief die Mutter, die im Eßzimmer, mit Hilfe des Hausmädchens, frische Gardinen auffteckte. Lulu lief und öffnete. Eine tiefverschleierte Dame stand draußen. „Ist Frau Gerling zu Hause? Ja? Bitte, sagen Sie ihr, eine Jugendfreundin läßt bit ten, sie sprechen zu dürfen," sagte si«. Es klang soni>erbair gepreßt. Eine Jugendfreundin? Vergebens versuchte Lulu die Züge der Verschleierten zu erkennen. Rot vor Erregung, nötigte si« die Fremde ins Zimmer und lief dann die Mutter zu holen. „Elisabeth, ich bins — Beate." Hiermit streckte di« Fremde Frau Gerling die Rechte entgegen. Lulu, di« zögernd gefolgt war, blieb wie gebannt stehen. „Willkommen, meine liebe, liebe Beate! Wie lieb von Dir, daß Du Dich meiner er innerst —" Die andere hob die Hand und schlug sich auf die Brust: „O, wenn Du wüßtest. Elisa beth, wie sehnsüchtig ich gewünscht hrbe, mich einmal mit Dir, einem Herzen ohne Falsch, aussprechen zu können!" rief sie mit dem Pathos der Schauspielerin. „Aber ich komme unge legen, gelt? Das hübsche Mädchen dort ist Deine Tochter und wird morgen konfirmiert? Da hast Du freilich andere Interessen —" „Für Dich habe ich immer Zeit, Beate —" „O, Dank, Dank, denn ich bin ein seelisch Verschmachtend« —" „Erleichtere Dich, Beate, — erzähle . . ." Beide waren so völlig von dem Wieder- selM eingenommen, daß sie die Anwesenheit Lulus vergaßen. Diese hatte sich in einen Winkel zurückgezogen. Daß die Fremde die ihr so interessante Beate war, bannte si« an diese Stelle. Was würde sie erzählen? „Du weißt, Elisabeth, daß meine Eltern Schauspieler waren und die Bühn« der Bo den, auL dem ich aufwuchs," hob die Künst lerin jetzt an. Sie sprach ungemein deutlich und scharf akzentuiert. „Schon der Zehnjäh rigen sagte man, daß si« einst sehr schön wer den würde, und die Eltern glaubten an mei nen Stern, und daß er dereinst am Theater- Himmel hell leuchten werde. Sie redeten es mir so oft vor, bis ich selbst glaubte an meirre Berufung zur Bühne. Hatte ich auch bereits kleine Rollen mit leidlichem Geschick gespielt, so sollt« meine eigentliche Ausbil dung nach der Konfirmation beginnen! O, ich erinnere mich noch deutlich den Tag der Einsegnung, den Augenblick, als Du und ich am Altar knieten! Mir war die weihevolle Handlung nur die P'ort«, durch die ich gehen mu te, bevor ich ungehindert dem leuchtenden Ziele zustreben konnte. O, ich arme, verblendete Törin!" klang «S plötzlich wie ein Schrei der Qual. „Könnte ich die Jahre, die folgten, auslöschen, könnte ich noch einmal jenen Palmsonntag zurückha ben, — wie anders würde ich handeln, wie anders würde ich mir mein Leben aufbauen!" „So hat es Dir nicht erfüllt, was Du er hofftest?" fragte Frau Gerling. „Selbstüberschätzung muß stets den Zoll der Enttäuschung tragen. Doch welches junge Menschenkind kennt sich, wenn es den Schritt ins Leben tut, schon aus? Daher möchte ich ihnen allen zurufen: Prüfet euch wieder und wieder, bevor ihr euch für einen Berry' ent scheidet! Ein Stern am Theaterbimmel glaubt« ich zu werden, und blieb nichts als ein kleines, armseliges Licht. Wie bald erkannt« ich dies Dazu der Kamps gegen befähigtere Rivalin nen, welche aber die Selbstliebe nicht aner kennen will. Intrigen und Verleumdungen — ach, nur groß« Geister haben die Kraft, über sie hinivvgzukommen! Die übrigen zer mürbt dieser Kampf!" „Aber Du warst doch schön, Beate, und Schönheit verhilft auch einem kleinen Talent oft zum Erfolg." Di« Schauspielerin lachte nervös in ihr Taschentuch hinein. „Du hast mal die Glocken läuten hören, Elisabeth. O ja, die Blüte der Achtzehnjäh rigen ward mehr als genügend bewundert, nur die Kritiker blieben unbestechlich. Es fan den sich genug galante Tröster . . . Erlass« mir Details. Daß es mir gelungen ist mich diesen Tröstern zu entziehen, ist das einzige Ruhmesreis, das ich mir verdient." Fxau Gerling drückte die Hand der ehe maligen Freundin. „Ist gar kein versöhnlicher Moment in Deinem Leben, Beate? Kam nicht die Lieb« als Verhöhnerin?" Die Schauspielerin, welche den Schleier beharrlich vor dem Gesicht bereit, machte ein« leidenschaftlich« Geste: „Du hast es erraten, Elisabeth! Ja, die Liebe kam zu mir. und mit jener Gewalt, wie Schiller sie seiner Luise, in Kabale und Liebe, eingehaucht hat: Taufend jung« Gefühl« 'Prossen aus meinem Herzen, Wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn es Frühling wird! Der junge Graf Guido von Waltersdorf brachte mir eine leidenschaftliche Verehrung entgegen. Unsere Verbindung scheiterte an dem Machtpruch seines Vaters, von dem der erst Zweiundzwanzigjährig« abhing. Der alte Graf hatte entschieden: „Hättest Du mir ein« Künstlerin von Gottes Gnaden gebracht, so hätte ich vielleicht eingewilligt. Für das mit telmäßige Talent ist kein Raum in Schloß Waltersdorf!" „So scheiterte denn auch das Glück mei- nes Lebens an meiner Mittelmäßigkeit." Wieder drückte Frau Gerling die Hand der Schauspielerin teilnehmend. „Es batte lange gewährt, di» ich über wunden," fuhr diese fort, „da- alte Leben mußte weiter geführt werden. Engagements an kleinen Bübn«n, der Kampf mit den Ri- * * Allerlei Kurzweil. » « Denksprüche. Mele Wege gehn durch den Wald, Wer nicht Bescheid weiß, verirrt sich bald; Viele Wege durchs Leben gehn, Mußt immer den dir ausersehn, Ob mancher auch dich locken möchte, Von dem das Herz sagt: Der ist der rechte. * * Deutsch sei dein Geist/dein Lied, dein Werk, Dein Volk, dein Stolz und höchster Hort! Und deutsch, was drohen und kommen mag, Dein Herz bis zu dem letzten Schlag! Rätselecke. Bachftabeu-Rätsel. Die Worte Eiche, Erpel, Insel, Orgel, Ru der, Seife, Tafle bringt einmal in eine andere Reihenfolge. Habt ihr dies richtig gemacht, müssen die Anfangsbuchstaben zusammenge zogen einen euch wohlbekannten Dolksbrauch 1. Ohne, daß ich Füße hätte, Eil' ich doch im schnellsten Lauf, Höre Tag und Nacht nicht auf, Und bin doch fast stets im Bette. 2. Drei Teile von je einer Silbe. Die erste und dritte Schließt oft die Bitte. Auf zweiter beginnt man mit zweifelndem Schritte. Die Ganzen zappeln, Sie kribbeln, krabbeln, Doch bleiben auch stehen und scheinen zu babbeln. Gcharabe. Als ich so in der Stadt da weilte, Riefen Tret' und Els' und Liesel mich; Und wie ich da nicht eilte, Die Erste nicht schnell verstrich. Denn die Mädchen, ihr könnt's glauben, Haben von der Zweiten wenig nicht, Ob eS gleich, ihr könnt's glauben Leider, anderen daran gebricht. Und wir schwatzten von dem Ganzen, Wie das ja tut Mann, Frau und Kind, Wie es stebt bei Deutschen und den Franzen Und wie die Buren so verlassen sind. Vilder-RStsel. Vexierbild. Wir warten schon so lange! Wo mag nur der Vater sein? (Auflösungen in nächster Nummer.) ««VSsun-eu aus Nummer 10. Der Rätsel: 1. Stricknadeln. 2. Holländer — Hollunder. De« Buchstaben - Rätsels: Horn — Zorn — Born — Dorn. Der zweisilbigen Scharade: Mallwitz. Des Anagramm«: Erbgut — Geburt — Be- trug. DeS Nortumänderungs-Rätsels: Elias, Minne — Einmaleins. DeS Bilder-Rätsels: Weintrauben. Lin-cr-Zeituug. Alle AutzU A» dm Ke^ewUM FuhnEt VW^bützatdeR. Nr. 11. I Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenftein LrnMhal. 1V18. Palmarum. Nun ruft die Pflicht euch bald zum Kampf hinaus, Ihr sollt verwerten eure Kraft sür's Leben; Der Eltern Segen ziehet mit euch aus, Er mög' zum Glück euch das Geleite geben! Zieht stark mit Gott in's neue Leben ein UndlaßtdasHerzfürGottundseineEhreschlagen; Der Friede soll euch stets Begleiter sein Und Hoffnung stärken euch in ernsten Tagen! Die Jahre fliehen und ihr reift heran, Laßt nur von Recht und Pflicht euch immer leiten, Siellt immer, wo es gilt, den rechten Mann! Und lernet auch, wo's nottut, euch bescheiden! Bedenkt, wie hurtig schwindet Jahr um Jahr, Und schnell zu Ende ist das kurze Leben; Doch wart ihr wahre Christen immerdar, Wird Gott euch auch des Sieges Palme geben Der Hase und die Eier. Ein Märchen von L GS war einmal vor langer Zeit, ehe man noch den Osterhasen kannte, ein kleines Häs chen ; dieses Häschen und der Winter mochten einander gar nicht leiden. Einst nun schlug der Winter dem Häschen, um es zu verder ben, eine Wette vor. Er sprach: „Ich werde es drei Nächte hindurch sehr stieren lassen und diese Nächte mußt du in deiner kleinen Grube zubringen, wo du immer schläfst Ver- läflest du die Grube heimlich, so darf ich dich töten. Erfrierst du in einer der Nächte, so hab ich die Wette gewonnen. Ueberstehst du aber die Kälte, so bist du Gewinner. Ich muß dann sofort das Feld räumen und vir noch obendrein ein Geschenk machen." — Dem Häslein gefiel diese Wette gar nicht, aber um nicht für feige zu gelten, willigte es ein. Es war aber kurz vor Ostern. Die Men- scheu warteten schon auf den Frühling, da setzte der Frost noch einmal scharf ein. Das Häschen Überstand die erste schlimme Nacht nur mit Mühe; am Morgen kam der Winter, um nach ihm zu sehen, und als das Häschen ihm spöttisch ein Männchen machte, schwor er ihm gimmig für die zweite Nacht noch ärgere Kälte zu. Nach dieser Nacht war der arme Hase auch wirklich dem Tode nahe. Der Winter lachte in seinen langen bereiften Bart hinein. Er war sicher, daß sein Wettgenossc bi« dritte Nacht nicht überleben «erde. In dieser Nacht fror es, daß die Eisdecken der Flüsse krachten, und daß die Mensch«: in anthilt Germa. (Nachdruck verboten.) ihren Häusern nicht warm werden konnten. Es wohnte aber in einem Dorf ein Bauern paar, das hatte einen siebenjährigen Buben, der derber und mutiger als andere Jungen war. Bei Einbruch dieser dritten Nacht be merkte die Bäuerin zu ihrem Schrecken, daß ihr zwei ihrer besten Legehühner fehlten. Sie erzählte es ihrem Knaben Hans, und sogleich rief dieser, daß er die Tiere suchen wolle. „O nein, mein Junge," sprach die Frau besorgt, „es ist gar zu kalt; heute darfst du mir nicht draußen im Feld herumlaufen. Da will ich schon lieber die Hühner vermissen." Hans aber lachte nur „Mutter, ich friere doch nicht," rief er. Und damit rannte er auch schon vom Gehöft, in den sinkenden Abend hinein. Es war aber der Ostersonnabend. Wun derbar still und feierlich lag die Erde in ihrem weißen Schneetteide da. Tief verschneit war das Dorf, und vom Kirchturm Hec klang Glockengeläut durch die kalte, dunkctkiare Lust. Hans hatte den Kragen hochgetchlagen, die Hände in die Joppentaschen versenkt und ging so suchend durch das dämmerige Feld, auf den nahen Wald zu. Er hatte diesen noch nicht erreicht, als er seiner Mutter Hühner neben einem dick bereiften Hagebplteubusch fand. Sie waren verfroren, ocrängstel, wohl auch schneeblind und ließen sich ruhig auf- nehmen und forttragen. Inzwischen aber war es fast ganz finster