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VMM W WMiMMM Amngn Nr 76 Freitag, den 4 April 1913 4V. Jahrgang Helden der Pflicht. Ein Roman aus dem Lande der Mitternachtssonne- Voir Erich Friesen. 14. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Also — Sie akzeptieren meinen Vorschlag?" „Nein, Herr Konsul, ich kann Ihr groß mütiges Anerbieten nicht annehmen. Für den Knaben haben Sie gesorgt; der Mann muß sich durch eigene Kraft emporarbeiten." Eriks Blick ist in die Ferne gerichtet; sonst wäre ihm der mißtrauische, fast feindselige Ausdruck in den Augen seines Begleiters auf- «fallen. „Papperlapapp! Sie verscherzen Ihr Glück, 'unger Mann!" „Trotzdem — ich kann nicht anders." Konsul Daland beschleunigt seine Schritte. Er -ist enttäuscht, daß seine List nicht gelingt und versteht es doch meisterhaft, seinen Aerger zu verbergen. „Hm — wenn üh Ihnen nun einige Bil der abkauste und Sie dadurch in den Stand setzte, rascher Ihrem Ziele näher zu kom men —" beginnt er von neuem, ohne den jungen Mann anzublicken. „Wie Sie wissen, habe ich lein einziges Bild vollendet, Herr Konsul." „Sie könnten Sie vollenden — in zwei bis drei Monaten —" „Hior? .... Auf Schloß Sandsgaard?" „Nein. In Christiama." „Und mein Engagement als Zeichenlehrer bei Fräulein Arnoldsen?" „Müßten Sie natürlich aufgeben." „Wie -?" Aills höchste befremdet, bleibt Erik stehen. Täuscht er sich oder färbt wirklich leichte Röte Konsul Dalands Stirn? Ist es die Röte der Verlegenheit? Oder des Aergers? Oder beides zusammen? . . . Was hat das alles zu be- deuten? Vor kurzem noch schien dem Schi^fs- reeder darum zu tun zu sein, ihn nach Schloß Sandsgaard zu bringen und jetzt — „Nochmals — ich danke Ihnen, Herr Kon sul," sagt er höflich, aber bestimmt. „Ich ziehe vor, in moiner jetzigen Stellung zu bleiben." Wieder trifft Erik jener mißtrauische, fast gehässige Blick aus den kalten grauen Augen. „Diese Starrköpfigkeit ist einfach lächer lich!" spöttelt er mit bei ihm fremder Heftig keit. „Mir wäre es auf ein paar lumpige tausend Kronen nicht angekommen. Dach — wie Sie wollen. Genug davon!" Er ist wieder ganz er selbst — der stolze, hochmütige Patrizier, der einem Proletarier sine Gunst erweisen wollte. Ziemlich einsilbig setzen beide den Weg nach Tromsö fort. Als sie den Hafen erreichen, ertönt von der Kommandobrücke bereits das letzte Signal zur Abfahrt des Dampfers. „Ich gebe Ihnen noch Zeit zum Ueber- legen, Mels! Bauen Sie nicht zu fest dar auf, noch ein ganzes Jahr auf Schloß Sands gaard blleiben zu können," wirft Konsul Da ¬ land, schon mit einem Fuße auf der Schiffs brücke, mit gut gespieltem Gleichmut hin. „Es können Verhältnisse eintreten — Sigrid — bm, ich meine, Fräulein Arnabsen könnte heira ten —" „Wirklich? . . . Angenehme Reise, Herr Konsul!" Der Schiffsreeder nimmt von diesem Wun sche keine Notiz. Dem jungen Mann zum Abschied hochmütig zwei Finger seiner ele gant behandschuhten Neckten reichend, fügt er mit kaltem, drohendem Blick hinzu: „Noch in diesem Jabre wird Sigrid Ar- nvldsen Frau Konsul Daland. Adieu, Herr Niels!" Und obne eine Antwort abzuwarten, be gibt er sch an Bord. Eine Weile blickt Erik der eleganten Ge stalt nach. Dann verläßt er langsam, nach denklich den Hafen, um den Rückweg nach Schloß Sandsgaard anzutreten. Das also war der Inhalt der heutigen Unterredung zwischen dem Schiffsreeder und der jungen Schloßherrin! . . . Gewiß ist Kon sul Daland eine gute Partie. Auch gegen seinen Charakter und sein Aeußeres läßt sich nichts einwenden. Trotzdem kann Erik sich Sigrid Arnoldsen nicht als Gattin dieses kal ten, selbstbewußten Ge chäftsmannes vorstel len . . . Und was soll aus Ingeborg wer den? Wird das Paar das arme unglückliche Mädchen zu sich nehmen? . . . Sicherlich: Fräulein Arnoldsen trennt sich nicht von der gelebten Nichte! Und weiter grübelt er . . . Weshalb will Konsul Daland ihn so rasch wie möglich verheiraten? Ja, ihm sogar zur Beschleunigung aufs neue eine recht ansehn liche Summe zur Verfügung stellen? Sieht das nicht beinahe aus, als wolle er ihn so bald wie möglich aus Schloß Sandsgaard entfernen? . . Törichter Gedanke . . . Unmutig schüttelt Erik den Kopf. Was gehen ihn auch dis Schrullen des reichen Schi'fsreeders Sven Da- lrnd an? Wenn er ihm auch viel zu ver danken Hail — kommandieren läßt er sich des!alb doch nicht! Nein, noch lange nicht!! Rascher als sonst steigt er den schmalen Felsenp^ad dahin. Ihm selbst unbewußt treibt es ihn zurück nach Schloß Sandsgaard. Aus der Treppe kommt ihm bereits Sigrid entgegen. „Endlich! Ich erwarte Sie schon lange! Das Mittagessen steht bereit! Und —" „Und —? Was noch, gnädiges Fräulein?" Lächelnd blickt sie ihn an. „Ja, wo haben Sie denn Ihre Gedanken? Ihr Freund —" „Al! Lorenz Jespersen! Wie konnte ich den vergessen! Ist er schon da?" „Er sitzt ini Salon bei Madame Worse." „Wie gefällt er Ihnen?" „Wollen Sie meine offene Meinung hö ren?" „Ich bitte darum." „Er ist der Bruder Ihrer Braut, nicht walr?" „Ja. Doch das macht nichts." „Nun Wohl. Er gefällt mir nicht. Ich halte ihn für keinen Gentleman. Er hat et was Gewöhnliches an sich, trotz seiner gesuch ten Höflichkeit. Es war sehr liebenswürdig von ihm, daß er sich hierher in untere Ein samkeit bemühte; aber ich werde ihm noch dankbarer sein, wenn er uns wieder verlaßen hat. Er paßt nicht hierher . . . Sind Sie mir böse?" „Durckaus nicht Ich bewundere nur Ihre» Scharfblick." In diesem Moment erschallt aus dem Em pfangssalon Helles Lachen. Rcllch legt Erik Hut und Stock ab und tritt an Sigrids Seite ein. Ein ungewohnter Anblick bietet sich ihnen. In der Mitte des Zimmers siebt Lorenz Jespersen. Nach Art der Taschenspieler wirft er zwei Wacksäpfel, die er vom Kaminsims genommen, abwechselnd rasch hintereinander hoch in die Luft und fängt sie geschickt wie der auf. Ingeborg und Madame Worse sitzen auf deni Sofa und begleiten seine clownartigen Be wegungen mit Hellem Auflachen. Beim Eintreten der beiden stellt er sofort sein Spiel ein. Nach einer tiefen Verbouguug vor der Schloßherrin begrüßt er Erik freund schaftlich kordial — etwas zu kordiat, wie es Sigrid dünkt. „Hallo, alter Junge, da bist du ja! loab' dich schon in Tromsö von weitem geselen. Wollt mich zuerst bemerkbar machen. Aber du warst in ein mächtig ernstes Gespräch mit einem Herrn vertieft. Na, schadet nichts. Können das Ver'äumte wrchholen." (Fortsetzung folgt.)