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Tageblatt für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Lugau, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf rc. Der »Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger" erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Mk. 1.50, bet Abholung in den Geschäfts stellen Mk. 1.25, durch die Post bezogen (außer Bestellgeld) Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Pfg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanstalten und die Landbriesträger entgegen. Ai etlage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das »Illustrierte Sonntagsblatt". — Anzeig enge btt hr für die 6gespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Pfg., für auswärts 15 Pfg.; im Reklameteil die Zeile 30 Pfg. Die Lgespaltene Zeile tm amtlichen Teil 50 Pfg. 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Bisher hat man jedoch davon in den Hauptstädten der Balkanbundstaaten nichts merken lassen, sonst könnte nicht aus Sofia d-e Meldung kommen, in dortiger: amtlichen Kreisen werde behauptet, daß die Großmächte die Forderung einer Kriegsentschädigung an die Türkei imPrirrzip gebilligt Hütten. Natür lich hüben sie diese Billigung nicht ausgeipro» ebcn und werden als Gläubiger der Türkei deren finanziellen Untergang auch nicht dul den. De Lage würde noch schwieriger wer den, wenn Adrianopel und Skutari fallen soll ten. Daher sollen die Großmächte von Wor ten endlich zu Taten übergehen und sich dr- mit beeilen, um nicht zu dem Spott auch noch den Schaden zu erfahren. Die Einigkeit der Großmächte darf bisher noch immer als bestehend gelten. Ebenso entschieden wie die deutsche Regie rung, ja noch« schär'er, läßt auch- die englische erklären, daß die von den Balkanstaaten an die Zustimmung zur Vermittlung geknüpften Bedingungen gänzlich unzulässig sind. Auch die englische Regierung setzt voraus, daß die Balkanverbündeten ihr letztes Wort noch nicht ge brochen und die Aufnahme der Vermitt lungsaktion noch nicht vereitelt haben. Wenn der Balkankrieg auch keine unmittelbare Be- drcßmng des europäischer: Friedens mehr ist, so muß aus seine schleunige Beendigung von der: Mächten doch mit allem Nachdruck hinge arbeitet werden. Diese wie die Darlegungen der deutschen Ro.chsregierung in der »Nordd. Allg. Ztg * beruhen auf Zusicherungen, die der russr'che Botschafter neuerdings der Lon doner Reunion machte, und zwar sind die Mächte auch darüber einig, daß Skutari dem selbständigen Fürstentum Albanien angeghie- dert wird, selbst wenn es von den Montene grinern erobert werden sollte. Der dulgartsch-rsmSnische EutschädigungSstreit, dessen Schlichtung die Botschafter in Peters burg beschäftigen soll, sobüd der neue fran zösische Botschafter Delcassee dort eingetroffen ist, sieht nach der jüngsten Auslassung des bulgarischen Ministarpräsidenten Geschow und des Kammerpräsidenten Danew recht bös aus. Beide erklärte::, daß die Abtretmu; der von Rumänien geforderten Dobrudscha ganz aus- gesck/offen sei, und daß die Großmächte scb von der Nichtbecechtigung der rumänischen Forderungen überzeugen würden (!). Danew reist am heutigen Dienstag nach Petersburg-. Die Kämpfe an -er Tschataldschalinie, die mit dem Eintritt wärmeren Wetters nach langer Pause wieder ausgenommen wurden, haben die Kriegslage nicht verändert. An scheinend wurden die vor einer Woche veraw statteten Scharmützel, in denen, Mer Ge wohnheit treu, wieder Türken und Bulgare:: gleichermaßen gesiegt haben wollen, gar nicht fortgesetzt. Der Grotzwesir Schewlet Pascha erklärte zwar, die Türkei werde den Krieg unerbittlich wsiterführen; diese Erklärung ist jedoch offenbar nur die Folge eines angeblich von 3000 Offizieren der Tschataldschj-Armee unterzeichneten Manifestes, in dem der Sturz der Regierung für den Fall an,gekündigt wird, daß sie sich schwächlich erweisen und den Frie den unter Bedingungen schließen sollte, die gegen die Ehre der Türkei gingen. Meldungen aus Konstanza besagen, daß in Konstantin opel täglich der Ausbruch einer Militär- revolution erwartet wird, und daß meh rere Kriegsschiffe, die es mit den Regierungs gegnern hielten, bereit lägen, um Konstantin opel beim Ausbruch der Revolution zu bom- bardlerenc Ueber A-riauopcl will die bulgarische Regierung zuverlässige Nachrichten erhalten haben, nach denen die Festus in längstens Wochen'»ist kapitulieren müsse. Daraufhin wurde der Plan eines Sturmangriffs endgültig aufgegeben, um un nütze Opfer zu vermeiden. Als am 3. Fe bruar die Feindseligkeiten rwch dem ergebnis losen Verlaus der Londoner Friedensverhand lungen wieder ausgenommen wurden, hieß es in Sofia, Adrianopel würde in wenigen Ta gen erobert und der Krieg in einer Woche beendigt werden. Der türkische Kommandant Schükri Pascha meldete nach Konstantinopel, die Lage in Advianopel sei unverändert und der allgemeine Zustand zufriedenstellend. Albaniens künftiger Herr. Als Fürst des selbständig zu machenden Albanien gilt der jetzt 49jährige Her zog von Urach. Der Herzog, ein hoch- gewachsener, auffallend schlanker Mann, residiert unweit Stuttgart in einem schö nen Verschloß, das im Jahre 1841 auf der Stelle der alten Feste Lichtenstein erbaut wurde, dem Schauplatz von Wilhelm Hauffs prächtigem Roman. Bis zur steilen Felswand reichen die Schloßgärten hinan. Der Vater des Herzogs war in kinderlos gebliebener Ehe mit einer Stiefenkvlin Napoleons I. vermählt. Die zweite Gemahlin des Herzogs und Mrwter des gegenwärtigen Thronanwärters war eine Prinzessin von Monaco. Die Schwiegermutter des Herzogs von Urach ist die verwitwete Herzogin Karl Theodor in Bayern, deren sine Tochter Königin der Belgier ist, während die andere Königin von Bayern geworden wäre, wenn sie nicht ein früher Tod hinweggerafft hätte. Tag-Sgefchicht«. Prinz K-war- von Wales, der englische Thronfolger, hat am Montag seine Deutfchlandreise angetreten, die ihn zu erst an den Rhein führen wird. Wie es heißt, soll der Prinz in Berlin an der Früh jahrsparade auf dem Tempelhofer Feld und an einer Flottenparade in Wilhelmshaven teil- nehmem Zentrum und Militärvorlage. Abg. Trimbon: erklärte auf einer Vensamn^ lung von Zentrumswählern zu Gelsenkirchen, daß zur Deckung der laufenden Ausgaben für die Militärvorlage keine neuen Steuern auf den Massenkonsum gelegt werden dürften, und daß es die Regierungen vermeide:: müßten, durch Aufrollung der Erbanfallsteuer den Streit unter den bürgerlichen Parteien wieder zu entfachen. Für die Bewilligung einer ein maligen Vermögensabgabe würden sich alle Parteien schnell zusammeniinden. Maschinengewehre für Aeppelialnftschiffe. Sämtliche Zeppelinluliffchiffe für Militär und Marine werden fortan mit Maschinen gewehren ausgerüstet werden, nachdem die in der vorigen Woche auf dem neuen »Z. 4" in Friedrichshafen angestellten Schießversuche mit einem Maschinengewehr günstige Ergebnisse geliefert haben. Die im Bau befindlichen Zeppeline erhielten bereits Schießstände. Die Maschinengewehre auf Luftschiffen dienen als Abwehr- und Angriffs Waffe gegen feindliche Flieger. Belgien. Die Gedanken an eine:: Generalstreik hat man in Belgier: noch nicht aufgegeben, trotz dem es kürzlich schien, als wollt« die sozial demokratische Pavteileitung in Anbetracht der zu erwartenden Riesenschäden und der gerin gen Aussicht auf irgendwelchen positiven Er folg davon Abstand nehmen. Wie es jetzt wieder heißt, soll Mitte April der General streik erklärt werden. Ei« Ministerwechsel in Frankreich ist unvermeidlich, wenn es dem Kabinett Bri and nicht gelingt, eine Kammermehrheit für seine Wahlreßorm zu erlangen. Diese sehr komplizierte Reform strebt bekanntlich ein Pro- porttonalwahlrecht an, das auch den Minder heiten zu einer angemessenen politischen Ver tretung im Parlament verhelfen soll. Minister präsident Briand suchte am Montag mit der ganzen ihm zur Verfügung stehenden Bered samkeit die noch schwankenden Deputierten sür seine Wahlreform zu gewinnen. Fällt diese, so wird der Justizminister Barthou, «in inti mer Freund des Herrn Poincaree, mit der Neubildung des Kabinetts und der Herbei führung sines Kompromisses zwischen Kammer und Senat botvwrt werden. Helden der Pflicht. Ein Roman aus dem Lande der Mitternachtssonne. Von Erich Friesen. 2. Fo lsktzung. (Nachdruck vewoten.) Erit antwortet nicht gleich. M itleidig und doch voll geheimen Widerwillens blickt er in das schlau grinsende, rotaufgedunsene Gesicht, dein unverkennbar der Stempel des Trunkes aufgedrückt ist und das in diesem Augenblick eine seltsame Ärmlichkeit mit einem Faun aufwoist. Er verdammt den Armen nicht. Er kennt ich: von der Schule her und weiß, daß er von seinem Vater uud Großvater ein unheimlich reizbares Nervensystem geerbt hat, das sich schon von frühester Jugend an bemerkbar machte. Er weiß auch, daß die schlimmsten Uebel die jenigen sind, die gewöhnlich am wenigsten be- ach'et werden: die vererbten; weiß, daß dieses langsam schleichende Gist noch und nach das ganze Nervensystem zerstört, daß diese Zer störung von Generation zu Generativ:: zu nimmt, Lis sie schließlich Trunksucht, Ver brechen, ja vollkommenen Irrsinn zeitigst. Soll auch dieser Bedauernswerte, dessen her- kubische Gestalt an die sagenhaftem nordischen Recken erinnert, solch furchtbarem Los verfallen sein? Er, der Bruder seiner geliebten Braut, seiner kleinen Gerda? Um ihretwillen schüttelt Erik den Ekel ab, der ihn vorhin beim Anblick der schwankenden Gestalt erfaßte. „Nein, Lorenz, ich werde zu njiemanidem darüber sprechen, daß Du wieder einmal schwach warst," erwidert er nach kurzem Zögern, den Arm des Hünen durch den seinen Flehend. .Komm. iß mit mir zu Mittag! Das wird Dich wieder in Ordnung bringen. Einver standen?" „Natürlich, alter Junge. Bist ein guter KeÄ." Und willig läßt er sich :mch einem kleinen Restaurant auf der Olaf-Terrasse führen. Wirklich — nach dem Essen fühlt Lorenz Jespersen sich wieder ganz nüchtern. Als er eine Stunde später seiner kleinen Junagejsellen- wohnung zusteuert, vermutet niemand mehr in ihm den Gewohnheitstrinker — einen jener Armen, die bereits bei ihrer Geburt dem Ver derben verfallen sind. Der leichte Seenebel, der schm: während des galten Vormittags über den Häusern Chri- stianias gelegen, hat sich inzwischen verdichtet. Erik Niels, der, nachdem ihn sein zukünf tiger Schwager verlassen, mit beschleunigten Schritten weitergeht, beachtet ihn kaum. Als leuchte die Sonne in voller Klarheit vom blauen Himmel herab — so heiter unld wohl gemut eilt er durch die Straßen und Gäßchen, bis er vor einem kleinen Blumenladen in der „Berlinske-gade" steht. Mit zärtlichem Mick umfaßt er das zier lich mit allen möglichen Topfpflanzen und ab geschnittenen Blumen dekorierte Schaufenster, hinter dem von Zeit zu Zeit ein hellblonder Mädchenkopf gleich einer Vision vorbeischwebt. Leise öffnet Erik die Ladentür. „Für eine Krone Rosen!" ruft er übermütig hinein in den Blumenwirrwarr. Mit unterdrücktem Freudenruf springt eine zierliche Mädchengestalt vom Stuhl am Ofen empor. Hastig Wersen die kleinen Hände Rosen, Nelken und Immergrün, sowie den halbferti gen Kranz aus den Tisch. Dann fliegt sie dem Eintretenden entgegen. „Erik! Lieber Evik!" „Meine Gerda?" Er. streicht ihr die widerspenstigen blonden Löckchen aus der erhitzten Stirn; er küßt wie der und wieder die frischen roten Lippen und treibt all jenen harmlosen Unsinn des Verlieb ten, der dem Unbeteiligten oft so lächerlich er scheint. „Ist es nicht Zeit, den Laden zu schließen, Gerda?" fragt er besorgt, indem er seine Braut fester in den weißwollenen Schal hüllt. „Es wird kühl hier." „Der Schließer muß bald kommen. Es ist gleich sieben Uhr . . . Aber mir scheint, Du hast eine leichte Falte auf Deiner Stirn. Habe ich irgend etwas getan? Bist Du mir böse?" „Nein." Ein Lächeln huscht über Eriks Gesicht. Der Gedanke, sein liebes Mädchen könne ihn betrüben, erscheint ihm fast komisch. „Ich habe Dir etwas mitzuteilen, mein Lieb!" „Was? Was?" „Auf dein Heimwege sollst Du alles er fahren." Besorgt blicken die großen, hellblauen Augen zu ihn: aus. „Ist es etwas wichtiges, Erik?" „O ja." „Schulden?" „Keine Schulden, Kleine. Frag nicht wei ter! Dieser niedrige Laden erdrückt mich fast. Wie kannst Du es nur den ganzen Tag hier aushalten?" Gerdas lustiges Gesicht wird ernst. Was hat er nur? Wie seltsam erscheint er ihr heute — — Doch gleich plaudert der kleine Mund wie der flott drauflos. Und auch Erik erzählt allerhand Schnurren und Anekdoten, so daß bald wieder das altgewohnte Grübchenlächeln von dein kindlich! frohen Mädchengesißhit erstrahlt. Als bald danach der Laden geschlossen wird, hü Gerda Jespersen schon fast ver gessen, daß ihr Verlobter ihr etwas Wichtiges mitteilen wollte. Er jedoch zieht ihren Arm durch den seinen. Und während beide gewohnheitsmäßig den Weg nach der Wohnung von Gerdas Mutter einschlagen, erzählt er in knappen Wortei: seine Unterredung mit Konsul Daland und das Re sultat derselben und fügt hinzu, daß der große Gehalt, der ihm zugesichert sei, ihn in den Stand setzen werde, sein Lieb vielleicht schon in einem Jahre heimzuführen und das Heim hübsch und behaglich oinzurichten . . . Das Mädchen ist ganz still geworden. Im mer tiefer sinkt das blonde Köpfchen auf die Brust herab. „Können wir nicht heiraten, ohne daß Du fortgelst, Erik?" murmelt sie leis«, wie zu sich selbst. Er schüttelt den Kopf. „Ich besitze nur noch ein paar Schillinge. Aber beruhige Dich, mein Liebling! Ich hoffe, falls die alte Dame nicht gar zu schroff ist, während des Jahres einmal Ferien zu bekommen, damit ich Dich in Christiania besuchen kann." Ein tiefer Seufzer entringt sich Gerdas Brust. Schweigend schreiten beide nebenein ander her, wobei wiederholt ihr k:unmervoller Blick sein Gesicht streifte, als ob er in den kräftigen, männlichen Zügen lesen wolle. Plötzlich bleibt Gerda stehen. Hastig tastet ihre Hand nach der Brusttasche seines offfenen Ueberröcks. „Dies ist der Brief an Fräulein Arnoldsen, nicht wahr?" zittert es über ihre Lippen, wäh rend die kleinen Finger ein Kuvert hervor ziehen. „Ja, mein Lieb. Zerreiße ihn. Wir wollen nicht mehr daran denken. Ich werde eine andere Stellung' finden — in der Nähe von Christiania. Und dann ist alles gut." Er hat nicht bemerkt, wie Gerda den Brief hinter ihrem Rücken verbarg und sich einige Augenblicke von dem Verlobten entfernte. Jetzt kehrt sie wieder zu ihm zurück, heiß« Röte auf den Wangen. (Fortsetzung folgt.)