Volltext Seite (XML)
SrUM DU HohkMi-ErsWn APkM Rr. SV. Tonntag, den 2 März IVIS 4V. Jahrgang Ans dem Altar deS Vaterlandes , Nooellette auS dem KriegSjahr 1813. Don P. A. Rohr. (Nachdruck verboten.) Was lang« unter der Asch« geglüht, brach hervor — der FreiheitSsturm in Preußen hatte begonnen. Scharnhorsts Wort an den König: Wenn Majestät länger zaudern, wird es dahin kom men, daß das Bolt sich von selbst erhebt! — sowie Korks kühne Lat — die Konvention, d e er mit dem russischen General Diebitsch geschlossen, und die ihn und sein Korps von den Franzosen unabhängig machte — berei tete Friedrich Wilhelms N. zaudernder Politik endlich ein Ende. Was sein Volk in Jahren der Knechtschaft unter der FranzosenheÄchast erhofft und erflelst, geschah: Der König erließ die Befehle zur Formierung der Truppen und deren Aufmarsch. Am 17. März erfolgte der berühmte „Ausruf an mein Volk*. Der Erlaß wurde mit fanatischer Begeiste rung ausgenommen, Der jahrelang genährte Haß gegen den Welteroberer Napoleon trieb unter dem Volk die wilden Blüten der Rache. Der kühne, leidenschaftliche Geist eines Glaubenskrieges durchwehte die Zeit. Und was die Seelen durchglühte, schaute die Phantasie voraus: Ein einiges, großes Vaterland. Die Frrikeitslieder eines Arndt, Schenken dorf, Körner wurden mit Begeisterung gesun gen. Und aus der Begeisterung wuchs die Aufopferungsfähigkeit zu schönster Blüte — Männer, Frauen und Kinder, alles gab, was es zu geben hatte, dem Staat zu helfen, das zum Kriegführen erforderliche Geld aufzu bringen. Und die flammende Begeisterung beilämpfre auch die Tränen in den Augen der Mütter, der Frauen und Bräute, um geliebte Leben, die in den Krieg zogen. Zu Heldinnen der L»eele machte jene Zeit die Frauen; sie wuch sen iiber sich selbst hinaus; das große Ziel machte groß die Gedanken . . . Auch das alt« Patrizierhaus der Eagebergs war erfüllt von dem Geist der Zeit. Er war schon längst darin heimisch und hatte manches Opfer gefordert, manche Lücke gerissen in den Familienkreis. ' In dem weiten, aber niedrigen Wohn-, gemach spielte sich an diesem Märzläbend eine herzbewegliche Szene ab. Das trübe Licht der braunlackierten Oellampe beleuchtete matt Frau von Eggebergs hohe Matronengestalt. Unge beugt, trotz der Last der Jahre und der Schick salsschlüge, die sie erfahren, und hrs weiße Haupt mit der Schneppenhaube, hocherhoben, die einst so bewunderten Augen lodernd im Seelenaffekt, bot diese Frau ein eigentümlich frappierendes Bild. Mit spitzen Fingern hob sie jetzt das sei dene Kleid, das sie trug, so daß seine Falten mit leisem Knistern sich dehnten — „Seist her — verschlissen ist es, und es ist mein letztes Kleid! Nein, ich habe nichts mehr, das ich opfern könnte — ich habe alles hingeopfert — alles Glück und alles Gut. .* Ein Laut, wie tränenloses Weinen, ging durch das Zimmer. Das Beben, das die stolze Matronengestalt durchrieselte, wirkte erschüt ternd. Die jüngere der beiden Zuhörerinnen, ein siebzehnjähriges Mädchen im blauen Woll kleid« mit schwarzem Sammetstotz und kurzge gürteter Taille, eilte denn auch auf die alte Dame zu und rrmfing sie liebevoll. „O Großmutter, verzeih mir und Tekla, daß wir in Dich drangen. Du bist ost so ver schlossen — so glaubten wir, Du hättest noch Wertsachen; wir wollten sie zur Sammelstelle bringen. Nein, Du hast keine mehr. O, Groß mutter, es bewundern Dich ja Alle, die Dich kennen, dch Du kaglos Dein Geschick trägst — sie Alle wissen ja, was Du gelitten und geopfert —" „Fürs Vaterland . . .* vollendete langsam, als rede sie im Traum, die Matrone. Und wie im Traum auch sprach sie weiter, mit dem Blick einer Seherin —: „Mein Fried rich, — Dein Großvater, Henriette, — ein Anhänger von Freiherr von Stein und Ge nossen, ward von Napoleon geächtet und starb in der Verbannung. Mit diesem namenlosen Schmerz kam auch die Verarmung über die Eggebergs. Der Rest fiel den plünd«rnd«n Franzosen zur Beute. O, über die Greuel jener Zeit! — — Mein Aeltester, mein schöner, feuriger Leopold, trat in die preußische Armee und hatte kurz darauf die Bitterkeit der Nieder lage bei Jena mit auszukosten. Er starb wenige Monate später an den Folgen einer Kugel, die er bei Jena erhalten und die ihm die Lunge verletzte. Sein Bruder Philipp —* „Teklas Gatte, —* siel Henriette hier ein und ein inniger Mick traf die junge Frau, die im schwarzen Trauerkleidc war, und deren schöne, blaue Augen umflort durchs Fenster schweiften, hinaus, wo der Märzabend däm merte. Henriette liebte mit der Begeisterungs fähigkeit der Jugend die schöne Witwe ihres Onkels, des Bruders ihrer Mutter. Was Tekla tat, däuchte ihr stets schön und gut, dem eiferte sie nach — „ — ja, Teklas Gatte,* fuhr die Matrone fort, „fand in dem Eisbett der Beresina ein furchtbares Ende. Und nun* — die Stimme der Sprecherin erhob sich, einem Schrei gleich kam es von ihren Lippen — „nun rüstet sich mein Letzter — mein Jüngster, mein August, die Schmach des Vaterlandes zu rächen!* Jugendliche Stimmen, die sich dem Hause nährten, fielen in die schier pathetisch gespro chenen Worte ein. An der Haustür ging der Klopier. Man vernahm den schlurfenden Schritt der alten Dienerin, die öffnete. Und nun wurden im Flur zwei junge Männerstimmen laut, in die sich Mädchenlachen mischte. „Das ist Berthas Stimme!* ries Henriette und eilte zur Türe. „Ist nicht auch August gekommen?* fragte Frau von Eggeberg. „Ja, liebe Mutter, August und sein Freund, Karl von Hütten,* erwiderte Frau Tekla. Henriette zuckte hierbei so zusammen, daß der Türdrücker, darauf ihre Rechte lag, ge räuschvoll zurückschnappte. Indessen scholl es vom Flur herauf: „Sie sind den „Freiwilli gen Jägern* beigetreten, nicht wahr, Mosjö von Eggeberg?* — „Ja. Und mein Freund hier auch, Dcmoiselle Hartmann. Das Korps steht unter dem Befebl des Majors von Lützow.* „O, Mosjös, dan» werden Sie ja Kame raden von Meonore Prohaska und Ilse Horn- borstel! Diese beiden Mädchen haben sich ja unter Mannesnamen bei den Üützowern ein reihen lassen! Ich bewundere solchen Wage mut! — Wann rücken Sie denn aus?* Morgen —* Die Stimmen entfernten sich. Ein leichter Fuß eilte die Treppen hinan. Als die Tür aufflog und die beiden Freundinnen, Bertha Hartmann und Henriette von Eggeberg, sich in die Arme fielen, ertönte aus einem ent fernten Gemach August von Eggebergs schmet ternder Gesang: „Freiheit, die ich meine, Die mein Herz erfüllt . .* Demoiselle Bertha, ein sehr lebhaftes und gsfül lswarmes Mädchen, begrüßte die Matrone ehrerbietig, Frau Tekla herzlich, löste die Bind« bänder ihres grünseidenen Stürmsrhuties ein wenig und 'ließ sich mit ihrem Pompadour auf einem der steiflehnigen Stühle nieder. „Ich war in der Sammelstell«,* erzählte sie, während Henriette liebevoll den Arm um sie schlang. „Mutter hat nämlich ihren Brautschmuck hergegeben —* „Den schönen goldenen mit den Türkisen?* fiel Henriette in voller Bewunde rung ein. Demoiselle Bertha nickte. „Mutter wollte es ja durchaus. „Mir bleibt ja die Er innerung an das Einst,* sagte sie, aber in ihren Augen standen Tränen. — — — „Aber Meters Opfer ist noch klein zu nennen gegen das anderer. O, ihr glaubt gor nicht, welch rührende Szenen ich in der Sammelstell« mit angesehen habe! Ein kleiner Junge im faden scheinigen Röckchen und mit großen, hungri gen Augen brachte sein Tonbüchschen mit den Patenschillingen!* „Wenn ich doch auch etwas zu geben Hütte, — ich möchte so gern, so leidenschaftlich gern —* ries Henriette. „Aber ich besitze selbst keine Patenschillinge mehr — wir sind ja arm geworden durch Napoleons Schuld!* „Denkt euch nur, zwei Frauen waren da, die opferten ihren Trauring.* „Ihren Trauring . . .?* flüstert« Frau » » Allerlei Kurzweil. » » Le«ksprüche. Da» Höchste bleibt ein freier Dille, Der, unverwirrt von Fleisch und Blut, Fest und getreu in Cturm und Stille Da» Gute, weil es gut ist, tut. * * * Der Qualgedanke , wär' ich rein geblieben! Verfinstert ihnen jeden holden Stern, Vergällt der Freude innerlichsten Kern, Hat manchen schon in frühen Tod getrieben. Rätselecke. «u«ki. Sie ging mit eins und zwei, Ich gab ihr das Geleite. Drauf bat ich sie um ein», Und sie gab mir daS zweite. Ber»a»dl«»ß»-RStsel. Mit d ein Baum; ins Wasser rankt Die Wurzel vieloerzweigt. Mit f ihm gern die Hausfrau dankt, Da eS sich nützlich zeigt. Mit l mahnt's an ein Sprichwort dich, Denk' dran zur rechten Zeit. Mit s? Zwei Sinne bergen sich Darin. Und weit und breit Ehrt man die Eine. Doch erfreut Die Andere durch guten Klang. Mit h ost bindet und erneut Eß für ein Leben lang Durch Priestermund. Doch zieht Es in ein Herz hinein Ganz heimlich auch: kein Auge sieht Den stillen reinen Schein. «»I »rchh 12845678 — 45678 Gin junges weinendes Weibchen, Da» sitzt alltäglich am Meer, Und hoffet und wünscht das erste Mit bangender Sehnsucht hex. Das zweite soll eS ihr bringen, . Drum sieht sic mit düsterem Blick, Denn ohne den teuren Geliebten Ist für sie im Leben kein Glück. V»chßt<ch«tt-Utfel. Du kannst mit a an manchem Holz mich finden, Mit e muß ich so manchen Schmerz verwinden. Gcharadeu. 1. Es pflegt als Ruhestätte sich Die Zweite wohl der Mensch zu kaufen, Die Erste braucht sie lediglich, Um unaufhörlich drin zu laufen. Für Menschen ist die Zweite klein, Gering an Länge wie an Breite, Doch meilenlang kanns Ganze sein, Das einer Ersten dient als Zweite. 2. DaS Ganze ist ein Ding, wie ihr wißt, Das aber schon längst aus der Mode ist, Man lächelt jetz^ über dies Wunderding, Und findet es dumm von Vornehm und Gering! Doch find' ich des Ganze, in Silben getrennt, Jetzt bei ihr, die mein Liebchen sich nennt: In ihren Augen daS erste Paar Droht' meinem Herzen Fcuersgefahr, — Von ihrer Hand nur das letzte Wort, I Es nähm' meinen Gram mit einemmal fort! Bilder-Rätsel. (Auflösungen in nächster Nummer.) A«stAs««ge» Rümmer 8. Des Verkürzungs-Rätsels: Ratte — Rate — Rat. Der Scharade: Altar. DeS Anagramms. Rahel Lehar. DeS Buchstaben-RätselS: Thon, Lohn, Hohn, Ton, Mohn, Sohn, Schon. De» Bilder-RätselS: Gemüsekonserven. De» Vexierbildes: lieber den Gebäuden rechts oben im Hintergrund. Man betrachte das Bild von rechts, Lindcr-Zeitllug. HM MchR M »M DchmM» WchM Nr. 9. ! Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, HohwftriN'SrvstthLl. I 1918 To Ein lleines dickes Spatzenkind, Frech, — wie ja alle Spatzen sind, — Entfloh einst von der Mutter Hand, Es klettert auf des Schornsteins Rand Und macht ganz dreist: „Piep, piep." Der warme Rauch stieg hoch empor, Er kam dem Spätzlein grad an's Ohr, Behaglich mollig war ihm das, Es hüpft herum vor Freud und Spaß Und machte laut: „Piep, piep." Da unten würd' gebraten nun Zum Mittagsmahl ein junges Huhn. Wie war das appetitlich doch, Der Spatz am Schornstein roch und roch Und schmunzelte: „Piep, piep." geht'S Er bucht' in seinem Sinn sich dann: Wie man wohl da hinunter kann? Zu gerne möcht ich doch mal seh'n, Woher's da unten riecht so schön. Ach, könnt ich hin! Piep, piep." Er trippelte nun hin und her, Beugt weit sich vor, das war nicht schwer, Schaut in den Schornstein tief hinab Und plötzlich fiel er rein, schwipp, schwapp, Und schrie voll Angst: „Piep, piep." Er fiel gerad in die Pfann' zum Huhn, DaS halt' er von der Neugier nun; Er starb sofort, — war schwarz verbrannt, Man hat den Spatz kaum mehr erkannt. Nie macht er mehr: «Piep, piep!" Hermann. Erzählung von O. Paul. Am ersten WeihnachtStage saß Harnings Familie am Nachmittage gemütlich und ver gnügt beisammen, als an die Tür geklopft ward. Emmy öffnete, und herein trat mit freundlichem Gruß zu aller Erstaunen der Direktor Helbert. Froh überrascht ob der Ehre dieses Besuches empfingen ihn der Unterförster und seine Frau. Nach einigen gleichgültigen Gesprächen, und als die Kinder aus dem Zimmer gegangen waren, begann der Besuchende: „Herr Harning, ich komnie Ihres Hermanns wegen. Ostern verläßt er die Schule. Wie ich höre, soll er dann ein Handwerk erlernen; bei seinen Geistesanlagen finde ich dies eben nicht paffend, der Junge hat einen tüchtigen Kopf, es könnte einst etwas aus ihm werden!" — „Bester Herr Direktor," entgegnete der Förster, „was soll der Junge? Zu meinem Geschäfte hat er keine Lust, und meine Meinung ist außer dem: Handwerk hat goldenen Boden." — „Wohl," sagte Herr Helbert, „so war es in unserer Jugend; aber glauben Sie mir, Lie ber, ein Handwerker, der sich anständig und (Schluß.) redlich ernähren will, kann in seiner Vater stadt jetzt kaum fortkommen. Wie, wenri Hermann nun studierte, lieber Harning?" — „Studieren?" erwiderte dieser, „ja, Herr Direktor, wenn meine Mittel dies gestatteten, gern." — „Wenn Sie damit zufrieden sind," sprach Herr Helbert, „und Ihrem Sohne die Zeit dazu bewilligen, dann will ich für daS Uc^ige wohl sorgen. Solcher Fleiß verdient belohnt, solches Talent unterstützt zu werden." Harning schwieg Doch die Bitten seiner Gattin, die ihren liebsten Wunsch erfüllt sah, und HelbertS Prophezeiung, aus Hei mann würde hoffentlich etwas recht Tüchtiges werden, bestimmten ihn endlich, seine Ein willigung zu geben. Mail denke sich Her manns Freude, als er diesen Beschluß ver nahm! Dankend küßte er seinem Vater und dem gütigen Lehrer die Hand , herzlich um armte er die Mutter. Von der Wahl eines bestimmten Studiums konnte noch nicht die Rede sein; Hermann war jedoch geneigt, Medizin zu studieren, in dem er glaubte, durch dieses Studium den leidenden Neben-