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KlIM M Kchkißkiii-Euißtliiilkl AilnUl Tageblatt. Nr S4 Freitag, den 7. März 1»l!t 4«. Jahrgang Die BermSgens-Mgabe. Im Reichstage ist, soweit sich übersehen lässt, eine Mehrheit für den Plan des Reichs kanzlers vorhanden, die einmaligen Ausgaben der neuen Militärvorlage durch eine elinmalige prozentuale Vermögenssteuer zu decken. Es tauchten dabei indessen praktische Schwierig keiten auf, die nicht ohne Prüfung, bleiben dürfen. Ale Gewerbetreibenden, die Bücher f hren müssen, werden ihren Besitz aus Grund der zi ernmätzigen Angaben bis auf den letz ten Pfennig besteuern; wie aber steht es nun mit den Einlagen in Sparkassen, bei Vor- schu':- und Kreditgenossenschaften und Ban kiers? Die Einlagen in den Sparkassen waren früher nur solche von höchstens einigen Hun dert Mark, sic sind aber erheblich gestiegen, seitdem nicht wenige Stadtverwaltungen zur Aufleserung ihrer Finanzen einen Bankierbe trieb eingerichtet und für die Einzahler lau sende Konten eröffnet haben. Noch weit melr ist das bei den Genossenschaften der Fall, und daß die Depots bei Bank ers, die wohl nicht alle Male der Steuer bekannt sind, erhebliche Posten ausweisen, unterliegt keinem Zweifel. Es kann über diese Dinge nicht leicht hin weg gegangen werden, denn man mühte mit einer Abwanderung des deutschen Kapitals ins Ausland rechnen, wenn die bisherige Ver schwiegenheit ein Ende haben sollte. Und wie ohne eine Dek aration diese, insgesamt doch er ebüchen Summen zur Besteuerung heran- gezogen werden sollen, ist nicht recht zu erken nen. Es bleibt ferner zu erörtern, wie die Besteuerung der Akkengesellschasten, der Gesell schaften mit beschränkter Härtung und der son stigen Betriebe Platz greifen soll. Denn man kann doch wohl kaum nur das Vermöaen der einzelnen Personen besteuern, die viel bedeuren- deren Kapitalien der Gesellschaften usw. aber ganz anher Betracht lassen,. Das würde von dem grölen Publikum doch unliebsam emp funden werden. Wie fe'r die Angelegenheit alle Gemüter beschäftigt, ergibt sich daraus, das' schon Vor schläge laut werden, die Steuer durch sre-wi- lige Beiträge zu ersetzen. So schön dieser Ge danke ist, so groß auch die Oplerwilligkeit sein mag, es ist doch gewagt, die Probe darauf zu machen. Jedenfalls ist es unmöglich, auf die sem Wege eine gleichwertige Besteuerung des Vermögens ler.ciznführcn, denn es ist ke ne sichere Aussicht vor! ander., das jeder den vor- geschlagencn Teil auf dem Altar des Vater landes niederlcgcn wird. Ohne ein Gesetz, das einen leilsamcn Zwang ausübt, geht cs bei solchen Ge egenl eiten nicht ab, und an sich ist ein Prozent f tz von fünf Mark Steuer für jedes Tausend Mark Vermögen nicht zu hoch. Wollte man diesen Prozentsatz bedeutend er- oöhen, es wurde von zwei Prozent bei einem Besitz von 100 000 Mark gesprochen, so könnte das schon Bedenken erwecken; denn die Ab gabe von zweitausend Mark bei einem jähr lichen Zinsgenutz von 4000 Mark ist doch nicht ohne weiteres, selbst bei gutem Willen nicht, zu ermöglichen,. Das Rad ist ins Nollen gebracht, und so muß die Entscheidung getroffen werden. Die Beschlußfassung über die Vermögens-Abgabe ist aber doch nicht die einzige, welche bevorsteht, denn di; neue Heeresvoclage erfordert ja jähr lich außerdem 150 Millionen Mark, die wei tere Steuern nötig machen. Es wird bereits eierlich versichert, daß diese neuen Lasten kei nen Abgaben entnommen werden sollen, die d'e breiten Bevölkerungskreise treffen. Aber ge wiß ist, daß sie doch irgend jemanden treffen werden, und dicker jemand wird sich nach dem Prinzip der schon oft geübten Abwälzung be mühen, an seinen neuen Ausgaben, wenn nicht direkt, so doch indirekt andere teilnehmen zu lassen. Die'e praktischen Möglichkeiten müssen bei den neuen Bewilligungen im Auge behal ten werden, denn auch sie werden, wie die internationalen Verhältnisse nun einmal lie gen, nicht die letzten sein. Im Balkanwirrwarr hat sich nichts Wesentliches geändert. Auf die Anfrage der fremden Gesandten in Athen und Belgrad wurde geantwortet, man müsse sich erst mit den beiden anderen Balkanstaatcn über die zu stellenden Friedensbcdingungcn in Verbindung setzen. Entgegen der Meldung, Rumänien drohe mit dem Kriege, wurde später von Bukarest aus erklärt, die Verzögerung in der Beilegung des Streitfalles mit Bulgarien hätte keine ungünstigen Folgen für Rumänien, dessen Sache die Mehr zahl der Großmächte wohlwollend gegentiber- stchc. Aus dem Gersdorser SWberW. ! i. Unsere Schule besuchten am 27. Februar 1913 148.'! Kinder. Tas sind 6H weniger als , norm Jahre, verursacht durch die Wegzüge j nach dem Bergarbe terausstande. 34 sind katho-- ! lisch. Ostern 1912 wurde» 199 Kinder auf- genommen. Zugezogen sind 42, weg gingen ill. (Bis 27. 2. 13.) Ostern verlassen unsere Schule 201 Kinder. (Knaben 98, Mädcbcn 103.) Für Oilern sind 18 l Kinder angemcst dct worden. Von den 1183 Schülern am 1. Dezember 1912 standen im Schuljahr Vlll 201, VII 18<h VI 201, V 189, IV 179, IIl 177, II 176, I 180. i. Kurzsichtig: 22 Kn., 28 M., schwerhörig: 15 K»., 18 M. Boni Turnen sind 8 Kn. und 8 M. befreit. Zensuren wurden erteilt: III l Ib II IV V Sitten: 1421 35 16 2 1 6 Fleiß: 884 457 138 2 —— — Leistungen: 8 521 946 15 1 Versäumnisse Ostern 1912: 1549 Kinder fehlten 4205 ein Sechstel Tag gerechtfertigt, also 2,07 Tag im Durchschnitt. Hiervon ent- fallen 793 Tage aus 19 Kinder wegen Krank heit an je 35 bis 103 Tagen. — Ungerecht- ertugt fehlten 21 Kinder 33^ Tage (0,22 im Durchschnitt von der Gesamtschülerzahl). Nie mals fehlten Heuer 721 Kinder, niemals wäh rend ihrer 8jährigen Schulzeit Hilma Bonitz (1 gem.), Mar FasZtropP (Ila Kn.ß Milda Gärtner (Aa M.), Martin Hübner (AI), Hans Erba (3 gem.). Beschwerden über ungezoge nes Betragen von Kindern außerhalb der Schu e liefen 14 ein. Grober Unfug, Dieb stahl waren die Ursachen. Zu den Diszipli naralten mußten 17 Knaben und 4 Mädchen genommen werden, und zwar 12 Kn., 1 M. wegen Diebstahl, 3 Knaben und 3 Mädchen wegen schweren Sittlichkeitsvergehen, 1 M. wegen Uebertretung der Schulordnung, 1 Kn. wegen Unfug, 1 Kn. wegen Unterschlagung von 32 und 17 Mark, 1 Kn. beraubte eine Ladenlaße und unsere Missionsbüchsen von den Klassen IVb Kn. u. 6b M. Gerichtliche Bestrafung erfolgte eine: Ein Knabe erhielt wegen schweren Diebstahls 3 Wochen Gefängnis, doch erfolgte Strafaufschub. Gegen einige Knaben und Mädchen schweben gerichtliche Verhandlungen wegen Sittlichkeits vergehen, gegen einen Knaben weoen Einbruch und Diebstahl. Für einen Knaben beantragte der Schulvorstand wegen Unterschlagung und Unfittlichkeit Fürsorgeerziehung. Prämien aus der Lutherstistung des Mili- täcvereins „Kronprinz Albert" und aus der Fürst-Bismarckstiftung erhielten die Schulersten Emil Ernst Brunner und Klara Rasa Schulze aus I Selekta, Alwin Hugo Müller aus I Kn. und Frida Klara Drescher aus I M. Außer dem wurden zahlreiche Prämien aus der letzt genannten Stiftung für gute Leistungen in einzelnen Unterrichtsfächern erteilt. Der Schön- burgischen Marien- und Alfredstiftung gehören 3 Kinder an. Die Pastor-Zöfselstiftung und der .Kirchenvorstand beschenkten am Reforma- nonsseste 23 Kinder mit Bibeln. Die Kon- firmandensparkasss zahlte an 96 Einleger 9987 Mank 62 Pfg. aus. Die Ortsarmenkasse be stritt für 21 Kinder den Schulaufwand. Im Bctli'e^emsti't fanden 4 Kinder Kräftigung ih rer Gesundheit. Die Missionssammlungen ein zelner Schulklassen haben für das Kinder- krüppclleim in Zwickau einen Ertrag von 22 Mark 30 Pfg. erbracht. 313 Kinder lesen die „Kleine Missionsglocke" (Frl. von Harleßem), 40 Knaben die lehrreiche Jugendzeitung „Jung- siegfried", 76 Mädchen die Mädchen-Ausgabe „Treuhilde" (Herr Brunner). Tierschutzkalen der wurden 304 gekauft (Schulhausmann). Bericht des Schularztes Herrn Dr. Schmidt: Untersuchungen in der 8. Klasse: 3 Mädchen wurden zurückgewiesen, 1 wegen Kinderlähi- mung, 2 wegen KöiPerschwäche. Das ge lähmte Kind wurde einer orthopädischen An- stalt überwiesen. Gefunden wurden 3 mal Po lypen, 1 Sprachfehler, 2 Herzfehler, 1 Kind mit veralteter Hüftgelenksverrenkung, 2 Kna ben waren tuberkulosevrrdächtig. In der 4. Klasse: Mehrere Kinder wegen Herzfehler, Körperschwüche und vorgeschrittener Entwick lung vom Turnen befreit. Alle Dispensa tionsgesuche kann en nicht genehmigt werden, da bei den meisten kein genügender Grund vorlag. Ferner wurde in diesen Klassen fest gestellt: 1 Mädchen ausgewachsen, 2 Herz fehler, 3mal Mittelohrkatarrh, 1 Kropf, 1mal Kurzsichtigkeit, 1mal Schwerhörigkeit, 6mal Polypen, 3mal vergrößerte Rachenmandeln, 1mal Furunculose, 1mal Bruch. Konfirman den wegen Berufswahl: Es konnten keine beson deren Ratschläge gegeben werden, da sich die Kna ben für ihren gewählten Beruf eigneten. Unter den Konfirmanden: 5 Kurzsichtige, 1 Bruch. In besonderer Untersuchung wurde 1 Knabe wegen hochgradiger Kurzsichtigkeit dem Augen arzt überwiesen, 1 Mädchen hatte Augenbinde- Hautentzündung, 2 Knaben Tuberkulose, von denen einer bereits in einer Lungenheilanstalt war, der andere in eine solche kommen soll. Besucht wurden in der Schule: 1 Knabe, durch Unfall am Bein verletzt, Verband an gelegt, 1 Knabe, beim Turnen leichte Quet schung des Oberarmes, 1 Mädchen, Häkelnadel in den Arm gestoßen. In der Wohnung wur den besucht: 1 Mädchen wegen Gelenkrheuma tismus, 3 Mädchen wegen Veitstanz» 1 Knabe wegen Epilepsie dispensiert und der Fürsorge überwiesen, 1 Knabe wegen angeblicher Miß handlung. 1 Knabe wegen Tuberkulose der Lungenfürsorge überwiesen. Es mußte wie der viel Blutarmut und allgemeine Körper schwäche, sowie Scrophulose sestgestellt werden Dringend wäre zu wünschen, daß die Eltern Schule und Arzt dadurch mehr unterstützten, daß sie den Anordnungen nachkommen. Es handelt sich hier meist um die Ueberweisungen an Spezialärzte bei Nasenpolypen und Er krankungen in Hals und Ohren. Ich habe leider feststellen müssen, daß bei den Nach untersuchungen sehr oft Kinder noch genau in dem Zustand waren, viele noch schlimmer, als bei den ersten Untersuchungen. Das Schul baden ist zu begrüßen und es wäre wün schenswert, wenn auch im Sommer gebadet würde. Dispensiert vom Baden wurde nur bei Hautausschlägen, bei Erkrankungen des Herzens und der Lunge. Von der Haushal- tungssckiule mußte ich zwei Mädchen dis pensieren, die sehr blutarm und schwächlich waren und den angeblich großen Anforderungen desKochunterrichtsnichtgewachsen zuseiuglaubten Ans dämmernden Nächten. Original-Roman von Anny Wothc. OopxkixtU. I9t - Wotlie, Vehri-l. k-oits (Nachdruck vrrdoteii. Mister Jll'ngs, der in Begleitung von Raßmussen die Schwestern heimge estel, Ivar wieder in, Stallleim. Er kam öfter in den Ramsahof. und Jngvelde dachte mit Beben daran daß er vom A äschiednehm.'n gesprochen-. Sic würde dann ganz einsam sein, sie und Mrgna. Rasmussen war wieder in feiner Heimat. Er stand in Ostfriesland in Unter handlungen wegen eines Gutsankaufes. Er schrieb zuweilen launige und auch ernste Briefe, die Jngvelde Magna vorlas. Magna höre dann mit weitgeöffneten Augen zu, und cs war, als irre ihre Seele in weite Fernen. Jngvelde hatte noch immer nicht den rech ten Ton mit Magna finden können. Auf der ganzen langen Reise nach dem Norden war cs eiaentüch Raßmusseu gewesen, der Magna uiu egst und aufgerichtet hatte, nicht si;. Magna wich Er aus. Ein -Zittern war in den jungen Augen, wenn Jngvelde sich ihr nur nal te; und Jngvelde, die wohl verstand, was in der zermarterten Seele der Schwester Vorzug, wollte sich ihr nicht aufdrängen. Und dabei dünkte es ihr, als rücke Magna täglich einen Schritt weiter von ihrem Herzen. Rasmusten war es, an dem sich Magna m ihrer Herzensangst und Nol klnnmertc Er, der immer voll Güte und Nachsicht und da'.ei so treu und fest, dem die Ehrlichkeit, das frische Wollen so leuchtend aus den blauen Augen brach, der war für sie wie ein Hort in ihrer Widerstreitenden Haltlosigkeit. Mister Illings, der sich so eingehend mit Jngvelde unterhielt und immer in eineni fast zärtlichen Ton mit Jngvelde redete, betrachtete Maaua mit leindscligen Blicken. Er war es, der all Er Gluck zertrümmert, wie sie meinte. Und wenn si; sich auch selber tausend Mal sagte, baß es ja nur ein Scheinglück war, dessen Jammer und Elend sie ja bereits so grauen- laft gespürt, so konnte sie doch einen leisen Groll gegen Mister Illings nicht bannen. Viel ¬ leicht kam es auch daher, weil Illings sich so ausschließlich um Jngvelde bemühte. Zu- woilen stieg in Magna eine wahnsinnige Anost aus, dieser große, robuste Engländer könne ihr Jngvelde ne-men. Das Herz drohte Magna lei die ein Gedanken still zu stehen. Das ein zige, letzte, was sie noch besaß! Denn wenn cs auch scheinbar dunkel und grau wie eine Mauer zwischen de» Schwestern stand, so lauschte doch eine ängstlich auf jeden Herz- schlag der anderen, bereit, den ganzen Liebes reichtum ihrer Herzen übereinander auszu schütten. Jngvelde hatte es seufzend geschehen las sen, daß Rasmussen sich last unentbehrlich bei Magna machte. Er war der einzige, der zuweilen ein klei nes, wehes Lächeln um ihren Mund zaubern konnte, wenn er in immer gleichbleibender Güte und zarter Sorge ihr blutendes Herz ganz langsam wieder zum Leben ermutigte. „Er liebt sie", sagte dann oft Jngvelde mit zuckendem Munde.' „So sorgt nur die Liebe." Wie Glücksjubel stieg es dann in ihrem Herzen auf, wenn sie daran dachte, daß ihrem armen, verirrten Liebling vielleicht doch hier nach Jahr und Tag ein neues, zartes Glück erblühen könnte. Sie sorgte sich nicht mehr darum, daß Raßmusseu einst ihr Angestellter gewesen, über den sie hochmütig hünwegge- selen; sie dachte nur an Magnas Mück, und wie sich auf den Trümmern vielleicht doch noch ein letztes Nestchen für ihr Herzenskind erhaschen ließe. So trostlos, so jammervoll durste ja das Leben dieses holden, geliebten Kindes nicht abschließen. Was tat es, wenn sie selber dieses Glück mit ihrem Herzblut zahlte? Eines Tages halte ihr Raßmussen eine stanzösisobe Zeitung gesandt. Eine rot ange- strichcne Notiz darin hatte Jngvelde so er schüttert, daß sie Tage brauchte, ele sie den Mut fand, Magna den Inhalt mitzuteilew. Die Zeitung berichtete, daß die Leiche des schon lange steckbrieflich verfolgten Roman Bo- nato, der unter hochtönendem Namen schon lauge ein Abenteurerleben führte, von den Wellen bei Nizza an den Strand gespült sei, nachdem er in Monte Carlo erst Tags zuvor die Bank gesprengt, um am andern Tage wie der alles zu verlieren. Es sei unbestimmt, ob dieser geniale Abenteurer, dem viele schöne Frauen nachweiu.te», freiwillig in den Tod gegangen, oder ob er in der Dunkelheit nur vom rechten Wege abgekommeu und ins Was ser gestürzt sei. Magna batte mit keiner Miene gezuckt, als Jngvelde ihr die Nachricht so schonend wie möglich mitteilte. Nach einer Weile lastenden Schweigens hatte sie nur gesagt, während in ihren grünen Märchenaugen ein scheuer Tropfen stand: „Ich will für seine Seele beten " Und als dann das Kind kam, das kleine, zarte, gebrechliche Wesen, da hatte sich Magna stumm abgewandt von dem kleinen Geschöpf. Jngvelde aber hatte das Kind, wie einst Magna, in erbarmender Liebe fest an ihr Herz genommen. Aber der Lebenstrieb der kleinen Jngvelde war nur zu schwach. Die Strahlenaugen des Kindes schlossen sich bald für immer. Da fand Magna die ersten, erlösenden Tränen, die strömten über das verblichene Kindergesichjt, und ein qualvolles Schluchzen erschütterte den zarten Frauenloib. Jngvelde wollte ihr das tote Kind ans den Annen nehmen, aber Magna bat so herz bewegend: „Laß es mich noch halten-, Jngvelde. Sieh, es ist das letzte Liebe von einem Wunder traum, der so bald zerstob. Ich glaube,: mein armes, kleines Kind mußte sterben, weil ich es nicht lieb genug hatte, weil mir graute vor seinem Dasein, weil ich so schwach, so elend war und nicht den Mut hatte, die Konsequen zen meiner Handlungsweise zu tragen Einen Veebrecher, nein, einen Verirrten hatte ich geliebt, und ich fürchtete, daß sein Kind das schreckliche Erbe durchs Leben schleppen müßte. Ich schauerte, wenn ich daran dachte, daß ich alles vielleicht noch einmal erleben müßte, was mich so elend gemacht. Nun hat ein gütiger Gott das Kind zu sich genommen, und es ist mir, Jngvelde, als müßte ich es halten, immer und ewig, — als könnte ich es nimmer lassen. Sieh nur, wie süß sein Mund noch im Tode lächelt, und w'e winzig die Händchen, die nie nach den meinen grei sen werden, nie mehr!" Und Magnas bebende Hände hatten das kleine Kruzifix von dem Nachttischchen genom men, das einzige, was sie damals mit hin- ausgcleitete in die bunte Welt, und das der Engländer für sie gerettet; und wie ihre ster bende Mutter einst mit ihr, so legte sie das heilige Zeichen auf ihres toten Kindes Bvust und auf die kleine, weiße, marmorbleiche Stirn. „Es soll das Kreuz mit meinem Senen mit sich nehmen in sein Grab," flüsterte sie noch Jngvelde zu. Dann nahm eine tiefe Ohnmacht sie gefangen. Und nun blühten schon Blumen auf dem kleinen Hügel; und Magna wurde alle Tage stiller und bleicher, und in ihren tiefliegenden großen Augen glomm etwas wie Sehnsucht auf nach fernen Weiten. Jngvelde sah es voll geheimer Angst und Verzweiflung. Und der Gedanke kam ihr, daß Magna vielleicht Freude haben würde, wenn Raß- mussen käme und in seiner sanften, ireuen Weise zu ihr reden würde, um die Schatten ihres Herzens zu bannen, gegen welche Jng velde vergebens kämpfte. Magna sah die Schwester erst ganz ver ständnislos an, als Jngvelde sie fragte, ob sic gern Raßmussen Wiedersehen möchte. Magna ahnte ja nicht, wie schwer es Jngvelde wurde, die Frage zu tun, sie sollte es auch nicht ahnen, welche Opfer ihr Jng velde brachte. Magna sollte nur glücklich sein. Und als Jngvelde ihre Frage wiederholte, da nickte Magna, den Blick in die Ferns ge richtet, keife, und ein wehes Lächeln zitterte um ihre Lippen. „Es müßte aber bald sein, Jngvelde, sagte sie dann- still, „sehr bald!" (Fortsetzung folgt.)