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Tageblatt für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Lugau, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf rc. Der,Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger" erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Mk. 1.50, bet Abholung in den Geschäfts stellen Mk. 1.25, durch die Post bezogen (allster Bestellgeld) Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Pfg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanstalten und die Landbriesträger entgegen. A, etlage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das „Illustrierte Sonntagsblatt". — Anzeigengebühr für die 6gespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Pfg., für auswärts 15 Pfg.; im Reklameteil die Zeile 30 Pfg. Die Lgespaltene Zeile im amtlichen Teil 50 Pfg. 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Das Jabr 1812, das mit der Zertrümme rung der Armee Napoleons I. in den Eis- w'ßtcn von Rußland schloß, wir ein Gottes gericht über den Uebermut des Korsen; 1813 ist das Jahr des Volksgerichts, der Rache der geknechteten Nationen für die erlittene Unbill geworden. Soweit war es gekommen, daß überall der Ruf erscholl, lieber tot sein, als so weiter in bitterer Schande und harter Ar mut zu leben! Napoleon verstand es, wo sein Haß und seine Staats'nnst sprachen, volle Arbeit zu wichen. Preußen, das 1806 niederqeworsen W aden war, war bis 1813 ausgesogen bis ailss Mut. Kriegsentschädigungen, Kontribu tionen, Lieferungen, Einquartisrungen entzogen den Bürgern das Mark aus den Knochen; die Hausbesitzer waren vielfach in so übler Lage, daß sie um jeden Preis ihren Besch losschlagen wollten, mir um den endlosen Lasten, die sich daran knüpften, zu entgehen. Die im Rbeinbund vereinten übrigen deutschen Staaten waren Napoleons „Freunde", aber die Blntsteucr, die ilnen in den Soldaten'iefernn gen für die französischen Feldzüge auferlegt wurde, war schier unermeßlich. Ueberall ein heißes Zähneknirschen, wilder Haß, wütender Hunger! Der General von shork hatte am vorletzten Tage von 1812 die Konvention von Taw rogaen abgeschlossen, durch die er sich von den Franzosen loschgtc und somit den Russen die Verfolgung ihrer Feinde ermöglichte. Ost Preußen, Westprenßen, Pommern, Branden burg wurden in den nächsten Wochen die Stät- len russisch-französischer Gefechte. Immer lau ter ward auf dem deutschen Boden der Rnf nach Krieg, noäb immer zaudere indessen König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Da zwangen ibn die Franzosen selbst zu einem ersten Schritt nach vorwärts. Die Königs-Residenz Potsdam, für die die preu ßische Garde die Garnison bildete, sollte von französischen Truppen besetzt werden. Da Friedrich Wilhelm III. damit in eine ganz un- l a tbare Lage gekommen wäre, reiste er Ende Januar 1912 nach Breslau, u. a. begleitet von dem französischen Gesandten Grafen Saint- Marchn. Sowohl Napoleon selbst wie dreier Diplomat wollten nicht an feindliche Absichten Preußens glauben, obgleich der in Berlin kommandierende Stiefsohn Napoleons, Eugen Beau'ernais, eine Warnung nach der anderen zur Seine sandte Der Kaiser rechnete sicher darauf, in einem neuen Frühjal rsfeldzug König Friedrich Wilhelm Ist. wieder als Verbünde ten gegen die Russen zur Seite zu haben. Diete schwere Selbsttäuschung hat Napoleons Geßbick besiegeln belscn. Es war schwer, den unschlüssigen Preußen könig selbst irr Breslau zu einem zweiten Sebritt nach vorwärts zu bewegen. Die Ver- bgudlungm wegen Abschlusses eines Bündnisses mit Rußland schleppten sich langsam hin, der Feucrgeist des ans russischer Seite befindlichen, früleren preußischen Ministers von Stein, neben den Generchen Mork, von Blücher, Scharnlorst der glühendste Gegner Napoleons, >var dem Könige wenig sympathisch. Dann ge lang es aber doch, dem König die Verord nung zur Bildung freiwilliger Jäger-Abtei lungen vom 3. Februar abzubringen. laubel- stürme erbrausten, als erster trat Professor Steffens in Breslau mit zweihundert seiner Studenten als Jäger ein. lind der franzö sische Gesandte glaubte immer noch an Frie den und Freundschaft, nachdem ibm der Staatskanzler von Hardenberg beschwichtigende Worte gesagt hatte, ebenso Napoleon selbst. Während in Breslau noch mehrere Wochen mit allgemeinen militärischen Zurüstungen ver- g.ngen, geschah in der alten ostpreußischen Krönungsstadt Königsberg ein entscheidender Schlag. Ter wackere General Aork und die Präsidenten von Schön und von Auerswald betrieben den Zusammentritt des ostpreußischen Landtages, der am 5. Februar erfolgte; hier wurden die ersten klaren Beschlüsse ohne lange Debat en gesag t: 30 000 Liniensoldaten, 20 000 Mann Landwehr, 10 000 Rekruten, 1000 Man» Kavallerie stellte die ausgesogene Provinz für die Armee rind schoß an Geld zu, was noch aulzutreiben war. Alles eilte jetzt zu den Fahnen, wer eben abkommen konnte, blieb nicht zu Hause. General ?)ork war in den Landtag geladen, der ihm lau. zujubelte und für die bedeutsame Konvention von Tauroggen dankte. Er hielt eine hinreißende Ansprache, die mit den Wor ten schloß: „Ich boße, die Franzosen zu schlagen, wo ich sie finde. Ich rechne auf die kräftige Teilnahme aller. Ist die Uebermacht zu groß, nun so werden wir ruhmvoll zu ster ben wissen." Als die Versammlung ihn mit Hochrufen begrüßte, erwiderte er: „So rißen Sie ans dem Schlachtfelde, meine Herren, nach dem S'ege." Am 12. Februar 1812 tat endlich Fried rich Wilhelm Ist., nachdem die allgemeine Mobilmachung eingeleitet war, einen neuen energischen Schritt; er billigte Aorks Konven tion von Tauroggen und ernannte den Gene ral zugleich zum Oberbefehlshaber in Pom mern, Ost- und Westprenßen. Der VMnkneg. Die Beschießung Adrianopels, die am Mon tag unmittelbar nach dem Ablauf der Waffen ruhe kurz nach 8 Uhr ausgenommen wurde, dauerte bis gegen 1 Uhr nachis, und wurde am Dienstag früh 5 Uhr wieder ausgenom men. Meldungen aus Sofia behaupten, daß nicht nur die Festungswerke, sondern auch die Städt Adrianopel beschoßen wurde, und daß die Stadt brenne. Nach einer Konstantinopeler Drabtnng meldete dagegen der türkische Kom mandant Schiikri Pascha, daß die Besatzungs ¬ truppen kräftigen Widerstand leisteten und in Adrianopel vollkommene Ruhe herrschte. Haben die Bulgaren die Stadt Adrianopel wirklich in Brand schießen können, so müssen sie ihre Geschütze nahe an die Fortlinie heran gebracht haben, da es Unen sonst nicht mög lich wäre, mit ihren Geschoßen die weit hin ter den Forts gelegene Stadt zu erreichen. Der Fall der Festung wäre dann auch in den allernächsten Tagen zu erwarten. D e Bnl- garen haben jedoch schon vor dem Waffenstill stand wiederholt gemeldet, daß sie die Stadt in Brand geschossen hätten, ohne daß sich Ure Angaben bestätigten; daher bleibt auch die Be stätigung ihrer jetzigen Behauptung abzu warten. Der Zivilbevölkerung Adrianopels wurde eine e.nstündige Frist gegeben, die Festung zu verlassen. Die Erlaubnis ist anscheinend jedoch nur den 120 Fremden, nicht auch der muba- medamschen Zivilbevölkerung zuteil geworden. Der bulgarische KriegSplan setzt die Angriße auf Adrianopel an erste Stelle. Frontangrisfe auf die befestigte Tscha- taldschalinie sind zunächst nicht beabsichtigt. Bulgarische Truppen werden vielmehr mit Unterstützung griechischer Regimenter einen Vorstoß gegen d e die Dardanellen beherrschende Halbinsel Gallipoli unternehmen. Gelinat die ser Vorstoß, so kommt der türkische General Fabri Pascha mit seinen 50 000 Soldaten, die zwischen Gallipoli und Maios liegen, in eine äußerst bedrängte Lage. Voraussetzung für das Gelingen dieses bulgarischen Planes ist aller dings die Landung griechischer Truppen an einem Punkte im Westen der Halbinsel Galli- pobi. Ferner muß die Belagerung Adrianopels solche Fortschritte machen, daß Teile der bub gorischen Belagerungsarmee nach Gallipoli ent sandt werden können. Der türkische Ober befehlshaber Izzet Pascha soll durch die Maß nahmen se nes bulgarischen Gegners Sawow gezwungen werden, seine Verteidigungs armee zu schwächen und so den Bulgaren schließlich deren Eroberung zu ermöglichen. Amtliche Meldungen über die Ereignisse am Ba kan trafen von dort Ans dämmernden Nächten Original-Roman von Anny Wothe. Onpxrixkt 191 r dx ^Votke, Veiprij;. 41. Forts. (Nachdruck verboten^ Ethel rang in stummer Pein die feinen Finger ineinander. „Haben Sie Vertrauen zu mir, Ethel?" Tas junge Mädchen nickte. Wie weich und überzeugend die Stimme des Mannes klang, dessen starker Arm sie dem Leben wiedergcgeben. Wieder nahm er beruhigend Ethels zit ternde Hände in die seinen. „Sic dürien sich nicht aufregen. Sie sol len mir nur ganz kurz und sachlich aus meine Fragen antworten. Von woher kamen Sie, als Sie den Namsabof aussuchten?" „Von Christiania." „Und wo waren Sic vorher?" „In Petersburg." „Und ehe Sic nach Petersburg gingen?" „In Berlin." „Und wo wobnten Sic dort?" „Im Savoy-Hotel." „Wo war Ihr ständiges Heim?" „Wir hatten kcins." „Sic hatten keins?" „Nein, wir reiften von Ort zn Ort." „Wie lauge lebten Sie bei Ihren Ver wandten?" „Fast zwei Jahre." „Wo lebten Sie längere Zeit?" „In Paris, in Brüssel, in Spaa, in Ost- , ende, in Monte Carlo." „Spielte der Baron oder seine Mutter?" Gin ängstlicher Ausdruck kam und ging in Eleks Antlitz. ^Jch weiß es nicht; ich habe nie einen Spielsaal betreten." „Na, Gott sei Dank, daß man Sie wenig stens da nicht mlitschleppte. Haben Sie eine Ahnung, ob Ihre Verwandten Vermögen be sitzen?" „Auch das weiß ich nicht. Zuweilen lebten wir im Ueberflnß, zuweilen aber konnte die Baronin übe: jede, anch die kleinste Ausgabe feilschen und zanken." „Wie sind Sie mit der Baronin verwandt?" „Das weis: ich auch nicht. Meine Mutter soll ilre Schwester gewesen sein. Die from men Frauen in dem Kloster bei Brüssel, wo ich erzogen wurde, schwiegen darüber, wenn ich sie fragte." „Liebten Sie die Baronin? War sie gut zn Ihnen?" „Nein, nein!" schrie Ethel auf, „ich fürchte sie viel zu selr. Ich konnte kaum atmen in ihrer Näle. Sie haßt mich auch, das fühlte ich wohl; und doch hielt sie mich mit eiser ner Gewalt an sich gefesselt." „Und der Baron? Fürchteten Sie den auch?" Eln Zittern ging durch Ethels Körper, und ihre blauen Augen sahen voll qualvollen' Un ruhe zu dem großen Manne auf, der forschend sei» Antlitz über das ihre beugte. „Ich liebte ibn," kam es dann leise von Ettels Lippen. „Ich liebte ihn, weil er der einzige gewesen, der gut zu mir war, der mich den Ränken seiner Mutter gegenüber in Schutz nahm." „Er hat versprochen, Sie zu heiraten?" „Mehr als einmal." „Sie lieben ihn noch?" Ethel zuckte zusammen. „So antworten Sie doch!" rief der Eng länder ungeduldig. „Meinen Sie denn, es sei ein Vergnügen für mich, hier den Henker zu spielen?" Und plötzlich ihr Gesichtchen zart zwischen seine warmen Hände nehmend, sagte er mit leicht vibrierender Stimme: „Es tut mir ja selber weh, daß ich Sie so aussragcn muß; aber es geht nicht anders. Magna Skaare mutz zurück in den Ramsahof. Sie darf nicht das Weib dieses Abenteurers werden." — Ethel znckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. „Das tnt weh, mein armes Kind; aber es hilft nichts. Danken Sie Gott, datz Sie von diesen beiden Menschen freigeworden sind. Oder denken Sic daran, sich wieder unter den Schutz dar Baronin zu begeben?" „Nie!" weinte Ethel auf. „Lieber will ich tot sein. Ach helfen Sie mir," bat sie, flehend die Hände zu Mister Illings aufhebend. „Ich zittere ja in dem Gedanken, Tante Charlotta könnte mich zurückfordern." „Die wird sich hüten," tröstete der Eng länder. „Nein, mein liebes Kind, da haben Sie doch eine viel zu gute Meinung von Ihren teuren Verwandten. Wie ich die Bonatos taxiere, werden sie froh sein, daß es ihnen ge lungen, sich Ihrer aus eine so leichte Weise zu entledigen, nachdem sie erkannten, datz Sie ihnen nur hinderlich und nicht das gefügige Werkzeug sein würden, für das man halten. Nein, mein kleines Fräulein, ohne Sorge! Niemand wird Sie fordern, da es ja jetzt Ihren Verwandten darauf ankommt, daß niemand den Aufenthalt der Baronin und ihres Sobnes erfährt. Nun aber noch eine Gewissensfrage: Halten Sie die beiden für ehrliche, gewissenhafte Menschen?" Einen Augenblick zögerte Ethel. „Nein," sagte sie dann kurz. „Sie haben mich beüde betrogen. Aber sonst habe ich nie etwas gesehen oder erfahren, was daraus schließen läßt, daß ihr Leben nicht einwand frei war. Und doch habe ich nie eine geheime Angst «loswerden können, selbst nicht damals, als ich leichtgläubig genug war, Romans Worten zu glauben." „Nun ist es genug, kleines Mädchen," mahnte Mister Illings. Ich weiß, ich habe Sie unverantwortlich gequält; aber es mutzte sein." „Und wenn man die beiden findet?" fragte Ethel zögernd. „Wird man sie bestrafen, weil sie Magna Skaare aus dem Vaterhause ge lockt?" „Das wird von den Umständen abhängen. Jedenfalls werden wir keine Mittel ungenützt lassen, Magna hierher zuruckzubringen." Ethel barg ihr Antlitz laut auswoinend in ihre Hände. „Und hier hat man mich krank zurückge- lassen," schluchzte sie auf. „Hier soll ich blei ben, — auf die Barmherzigkeit der Frau an gewiesen, der meine Verwandten alles genom men! Nein, das ist roh, das ist gemein." Und plötzlich hefdig Mister Illings Arm um klammernd, bat sie herzzerreißend: „Helfen Sie mir, daß ich hier fort kann, datz ich nicht noch länger aus ihre Gastfreund schaft angewiesen bin, die von den Bonatos betrogen. Ich habe noch dreißig Kronen von dem Taschengeld, das mir die Baronin aus- .. Has. Vielleicht kann ich dafür nach Ber gen kommen und dort einige Tage leben, bis ich eine Stelle gefunden. Jede, und wäre es die niedrigste, soll mir recht sein. Nm fort mutz ich aus dem Ramsahof, fort!" Sie fiel ganz erschöpft in die Kissen zu rück, ihre Hände umklammerten zitternd die seinen. „Helfen Sie mir doch! Ich kann Jng>- velde Skaare, die so gut und groh gegen mich handelt, nicht in die Augen sehen, wenn ich daran denke, welches Leid man ihr zugefüqt. Helfen Sie mir. Sie sagten mir, daß Sie heute nach Bergen Zähren. Versuchen Sie, mich dort irgendwo für ein Paar Tage unter zubringen, bis ich mich genug erholt habe, um geeignete Schritte zu tun." (Fortsetzung folgt.)