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DMM W Dchkiki» Snißthiln Aykisn Nr. 33 Sonntag, den » Februar 1V13. 4». Jahrgang Deutscher Reichstag. 106. Sitzung vom 7. Februar. Die zweite Lesung des Etats des Reichs amts des Innern wird mit der Besprechung der Wohnungsfrage fortgesetzt (15. Beratungs tag). Dazu liegen die beiden Resolutionen der Budgokommission vor, von denen die eine erhöhte Summen zur Förderung des Baues von Kleinwohnungen, die andere unter gewis sen Bedingungen die Uebernahme der Bürg- schäft für die zweiten Hypotheken der Klein wohnungsbauten gemeinnütziger Baugesellschas- teu durch den S.aat fordert. Abg. Jäger (Ztr.): Das Reüch darf die Wohnungsfrage nicht aus dem Auge verlieren, denn wir wissen gar nicht, was aus dem preußischen Vorgehen werden wird, und ob die anderen Bundesstaaten nachfolgen werden. Abg Götting (natl.): Wir bedauern, das: Preußen einer reichsgesetzlichen Regelung der Wohnungsfrage Vorgriff, und hoffen, daß die eingelstaatlichen Gesetze schließlich doch durch ein Ruchswohnungsgesetz zusammcnge- saf t werden. Hier gilt das Wort: Dovvelt hilft, wer schnell hilft. Abg. Graf Westarp (kons.): Die Woh nungsfrage, die eine der wichtigsten Ausgaben der Gegenwart ist, mutz unseres Erachtens durch die Einzelstaaten gelöst werden. Mit der Erklärung des Staatssekretärs, datz das Reich eingrri.cn müßte, falls Preußen nicht von ginge, können wir uns nicht einverstanden er klären. Die Neichsgesetzgebung darf nur da eingreifen, wo die Einhei.lichkeit des Reiches nach außen in Frage steht, wo wirtschaftliche oder sonstige Lebensbedürfnisse eine einheitliche Form verlangen. Das Reich darf dagegen fc : c Zuständigkeit nicht lediglich mit der Be gründung erweitern wollen, daß der Inhalt der Landesgefetzgebung den Ansichten oder Ab- sich en der Reichsreg erung nicht entspricht. Ist ein Gebiet den Einzelstaaten überwiesen, so bat das Reich kein Recht, ebne Kontrolle über die Einzelstaaten in Anspruch zu nehmen. (Bravos! rechts.) Auf diesem Standpunkt haveu auch immer die Verbündeten Regierun gen gestanden. Wenn unter Bismarck dir Dinge so glatt verliefen, so geschah das, weil er mit besonderer Vorsicht und Rücksicht die Bedürfnisse der Einzelstaaten achtete. Die Er- tlc rung des Staatsekretärs Delbrück befrem dete auch besonders dadurch, datz sie abge geben wurde, als der preußische Wohnungs- ge.etzentwi'rf schon ferüg war. Der Reichstag macht wirderloü den Versuch, in die Rechte Preußens einzugreisen. Das gill von dem Mißtrauensvotum gegen die Polenpolitik und dem sozialdemokratischen Wah'rechtsantrag. Es >>l immer dasselbe, ein Rütteln an den Grundlagen der Verfassung, des bundesstaat- ästcn Charakters des Reiches. Sie wollen das Deutsche Reich in einen Einheitsstaat verwän de» auf demokratischer Grundlage, daher diese Angriffe auf die Verfassung. (Sehr richtig! rechts, Unruhe links.) Auch das Verhalten des Staatssekretärs Delbrück hat nkcht ganz der Verfassung entsprochen. (Sehr richtig! rechts, Unruhe links.) Das weitere warten wir ab, bis das Gesetz vom preußischen Land tag erledigt ist. Notwendig ist die weitere Ausgestaltung des Erbbaurechts und des Hypo thekenweisens. Staatssekretär Delbrück: Die Mißdeu tumgen und Mißverständnisse meiner Erklärun gen zwingen mich, ausfül-rlicher daraus engu- gehen. Es sind Angriffe außerhalb dieses Haufes erfolgt, von einer Schwere, wie sie eigentlich selten vorgekommen sind, besonders gegen einen Abwesenden, der sich nicht vertei digen kann, und die die Grenzen einer sach lichen Kritik weit überschritten haben. (Zu stimmung.) Die Angriffe wären nicht evfolat, wenn ihr Urheber die Vorgänge in der Bud- getkommifsion wirklich gekannt hätte. Ich erhob schon im Vorjahre Bedenken gegen eine veichs- gesetzliche Regelung des Wohnungswesens, er klärte aber auch, datz, wenn die Bundesstaaten sich nicht zu einer Regelung entschließen könn teil, es vom Reiche versucht werden müsse. Kein Mensch hat an diesen Erklärungen An stoß genommen. (Sehr richtig!) Es sollte da mit nur auf die absolute Dringlichkeit der Frrge hingewiesen werden. Daraus hat der Reichstag die auf das Wohnungswesen bezüg lichen Resolut onen nicht in die Massenabstim mungen hineingcnommen, sondern sie einstim mig an eine besondere Kommission verwiesen. In dieser haben auch die Bundesstaaten mit- gearbeitct, und einstimmig wurde eine Reso lution angenommen, in der die reichsgesetzlichr Regelung aller der Fragen verlangt wurde, die nach dem Grafen Westarp nicht zur Reichs- gesetzgebung gehören. (Hört, hört!) Dbe Kom mission hat über den Staatssekretär hinweg sofort d e reichsgefetzliche Regelung gefordert, oyne das Ergebnis meiner Verhandlungen mit den Bundesstaaten abzuwarten. Diese Reso lution ist einstimmig, auch von der Rechten, airgenommen worden, obwohl sie weit über das hinmsging, was ich als wünschenswert bezeichnet labe. (Hört, hört!) Der Bundes rat will nur die Vorträge des Reichskanzlers abwarten. Man hält ein Eingreifen des Rei ches aber nüh. für zweckmäßig. Als ich in der Kommission immer gefragt wurde, was ich tun würde, wenil die andern Bundesstaaten in der Wohnungsfrage nicht mitmachen würden, I abe ich lediglich mit Rücksicht auf die staats rechtliche Seite der Frage erklärt: wenn ich meine Versprechungen nicht erfüllen kann, dann wird in gegebener Zeit ein anderer Staats sekretär des Innern an dieser Stöbe sieben. Das war für mich die einzige staatsrechtliche Möglichkeit. Von einem Konflikt zwischen dem preußischen Minister des Innern und mir ist leine Rede. Man hat mir vorgeworfen ich hätte eine Verbeugung vor der Sozialdemo kratie gemacht. (Huhn-Ruse links.) Tas ist nicht richtig. Denn wenn ich, falls Preußen versagt hätte, im Reiche vorgegangen wäre, so wäre ich damit nur den Wünschen des Hauses einschließlich der Rechten gefolgt. (Heiterkeit.) Es könnte sich also nur um eine Verbeunung vor dem Reichstag handeln. (Sehr gut!) Man hat die Sache verkuppelt mit meiner Stellung zum Streikpostenantrag. Ich weiß mich eins da mit we ten Kreisen des deut schen Volkes, die Verständnis für Sozialpoli tik haben. (Zustimmung links.) Man hat mir Unentschlossenheit, beinahe Feigheit vorgeworfen. Mut und Entschlossenheit bei einem Staats mann dokumentieren sich im allgemeinen nicht darin, datz er gegen seine Ueberzeugung die Rezepte anderer Leute ausführt, sondern daß er sich von seiner eigenen Ueberzeugung leiten läßt. Nach dieser Ueberzeugung werde ich nach wie vor hier die Geschäfte führen, so lange ich die Ehre habe, an dieser Stelle zu ste'en, auf die Gefahr hin, daß man mir selbst aus den Lagern, in denen ich politisch gestanden habe, den schweren Vorwurf des Mangels an Mut macht. Man darf die Sozialdemokratie nicht mit der Sozialpolitik verwechseln, deren Durchführung eine sittliche Pflicht des Staates ist. Wenn wir durch För derung der Sozialpolitik den bestehenden Schäden zu Leibe gehen, bekämpfen wir aufs wirtsamfle die Sozialdemokratie. Abg. Arendt (Np.) betont, daß die Sozialdemoiratie als politische Umsturzpartei unter allen Umständen und mit allen Mitteln bekämpft wevoen müßte, und nicht nur, wie der Staatssekretär meinte, durch die Sozial politik. Die Abgg. Mumm (Wirtsch. Vrg.) und Werner (Resp.) sprachen gleichfalls gegen die Sozialdemokratie. Abg. Gras Westarp (kons.) hielt seinen Standpunkt aufrecht und beklagte es, daß die Regierung lei den Wahlen die Konservativen im Kampfe gegen die Sozialdemokratie nicht durch Auklärung der Massen unterstützt hätte. Abg. Schu. tz (Np.) schloß sich den Aus führungen des Vorredners an. Abg. Gothe in (forCchr. Bp.) warf den Konservativen vor, in der Wohnungsfrage Plötz lich umge^allen zu sein. Darauf wurde der Etat nebst den beiden Resolutionen angenommen. . Sonnabend 11 Uhr: Justizetat. Quer durch die Gegend. Ein netter Winter das, ein schöner Brudev! Heute eine Kälte, daß einem sämt liche Nasen einzeln abfrieren und morgen mit Schnee untermischter Sonnenschein. Nun, wir können uns schließlich nicht beklagen, von allem etwas! Schnee haben wir ja schon ge- habt, beinahe sogar soviel, daß man hie neu angelegte Rodelbahn auf dem P fas send erg in Betrieb setzen konnte. Zuviel Schnee lag sogar zu jener Zeit und deshalb mußte der Schneepflug kommen. Wie es weiter kam, weiß ich nicht. Entweder pflügte der Schnee oder wurde er geflucht, oder beides zusammen? Kurz und gut, als der Vom Kamps um Mianopel. Bei dein Bombardement auf Adrianopel, das immer noch anhält, richten die Bulgaren ihre Kanonen besonders auf alle Turmspitzen, weil man die AufnahmestationfürdrahtloseTelegramme in der Festung zerstören möchte, um so den Kommandanten der belagerten Stadt auch von dem drahtlosen Verkehr mit Konstantinopel ab zuschneiden. Bei dem Abschießen dieser Türme wurde auch die prächtige Selims-Moschce in Adrianopel durch die bulgarischen Kanonenkugeln zerstört, weil vermutlich hier die Aufnahmestation der Funkentelegramme zu suchen war. Unser Bild zeigt das Innere der prächtigen Moschee, die, im 16. Jahrhundert von Sultan Selim II. erbaut, als Begräbnisstätte der Kalifen bekannt ist. Die Abtretung gerade dieser alten türkischen Kultstätten war die Ursache des neuen Kriegs beginns. Ans dämmernden Nächten. Original-Roman von Anny Mothe. OopxrixIU 1910 bx >VoUie, psiprix. 44. tzoits. ^Nachdruck verboten.^ „Gnädigste sind schlechter Laune," näselte der Fürst Vongbesi, seine lange, hagere Ge stalt ties vor Magna verneigend und indiskret aus seinen kleinen, kohlschwarzen Augen über ihre weißen Schultern blickend, die sich aus o ner kostbaren, von Miltern und Perlen über säten schwarzen Tüllrobe blendend empoo- hoben. „Ich langweile mich nur, Durchlaucht." Der Fürst biß sich auf die dünnen Lip pen. Sen gelbliches, von unzähligen, kleinen Fältchen durchzogenes Gesicht verzog sich zu einem verbindlichen Grinsen, während er näselnd sagte: „Immer roizend, immer originell. Wenn Sie nur wüßten, schönste Frau, wie gut Ihnen a les steht." Magna drehte ihm kurz den Rücken. „Kommen Sie mit in den Spielfaaß Graf?" fragte sie den blonden Offizier. „Ich habe meinem Mann versprochen, ihn abzuhvlen." Uno ohne sich weiter um den Fürsten und um i re Schwiegermutter zu kümmern, nahm sie Rabenhorfts Arm und verschwand mit ihm im Spiolsaal. Fürst Vonghesi und die Baronin Bonato faken sich einen Augenblick betroffen in die Argen. Der Fürst rückte etwas ungeduldig an seiner knallgelben Krawatte mit der blitzen den Brillantnadel und sagte grimmig: „Gnädigste scheinen über den Charakter Jbrer Schwiegertochter doch nicht genügend infor miert." „Durchlaucht, ich bitte!" ries Charlotta Bonato mit theatralisch aufgehobenen Händen. „Sie ist ein gutes, fügsames Kind, sie kühlt sich nur mcht ganz wohl. Sie hat hier so lange vergeblich auf Sie gewartet." „Auf mich?" fragte der alte Geck, wieder an der Krawatte rückend. „Ist das Ernst, meine Gnädigste?" „Vollkommener Ernst, Durchlaucht. Magna liebt Sie wie eine Tochter." „So, so, na, — wie 'ne Tochter, wie 'ne Tochter! Ja, was ich sagen wollte: haben Sie dem Baron, Ihrem Herrn Sohn, schon meinen Vorschlag eröffnet?" „Noch nicht, Durchlaucht, noch wicht. Wir müssen vorsichtig sein. Roman ist sehr heftig; und man weiß nicht, wie er den Vorschlag von Durchlaucht aufnehmen könnte. Ich hoffe aber, daß der günstige Augenblick, wo ich ihm alles jagen kann, nicht mehr fern ist." „Sie sind eine charmante Frau, Baronin," lächelte der Fürst; „und wer weiß, — hätte ich Sie früher gekannt, Sie wären gewiß nicht ganz ungefähMch für so ein altes, unver besserliches Junggosellenherz gewesen. Aber kom men Sie, Teuerste, folgen wir Ihrer schönen Schwiegertochter mit dem kühlen, norwegischen Blm und den leidenschaftlichen Augew. Es liegt ein wunderbarer Reiz für mich darin, sic anzufehen. Finden Sie nicht, daß seit eini gen Tagen dieser preußische Offizier da, der Rabenhorst, ihr bedenklich die Kur schneidet?" „Aber keine Spur. Durchlaucht sehen Ge spenster. Der Graf ist ein ganz harmloser Junge, der nichts weiter will, als hier der Bank sein großes Vermögen opfern." „Kann er ja, kann er ja," kicherte der Fürst. Dann sah er ungeniert em Paar sehr geschmink ten Damen ins Gesicht, die sich mit ihren tief dekolletierten. Kleidern eng an ihm vorbei in den Spielsgil drängten. Ohne der Baronin de» Vortritt zu lassen, schritt er eiligst über die Schwelle. In den weiten Sälen herrschte Dämmer licht. Trotzdem draußen noch goldenes Son nenlicht flimmerte, hatte man doch schon die schweren, seidenen Vorhänge zugezogen, den Sonnenstrahlen den Eingang zu wehrem. Zahlreiche Diener gleiten lautlos durch den Saal. Nichts entgeht ihren beobachtenden Augen, jedes noch so leise geflüsterte Wort fangen sie aus. Um die Spieltische steht dichtgeschart eine bunte Menge. Glücklich derjenige, dor einen Sitzplatz erobert hat. Drei, vier Reihen von Spielenden oder Zuschauern stehen hinter ihm, gierig die Augen auf die rollende Kugel, auf die blanken Goldstücke gerichtet, die so leuch tend iiber die Tischplatte rollen. „dlossiours, krütos I« fou." In die lautlose Stille klingt mechanisch der Ruf der Croupiers. Hier und da ein leises Flüstern, das feine Klirren der Goldstücke, — daun wieder die kalte, leidenschaftslose Stimme: „lls jou ost k»it." Magna ist mit ihrem Kavalier an einen der initiieren Spieltische getreten. Sie ist froh, daß noch nicht die Hunderte von Lampen brennen, die des Abends die Spielsäle mit einem Meer von Lickst und Farbe überfluten. Sie steht etwas abseits und blickt mit star ren, ängstlichen Augen aus ihren Mann, der, den Kopf in die Schultern gezogen, da drüben am Spieltisch sitzt und einen großen Haufen Gold und Banknoten vor sich liegen hcst. „kllsn ns vrr plus." Magna erzittert bei den so gleichmütig er klingenden Worten. Die Harken der Crou ¬ piers fliegen lautlos über dis Tuchplatten. Wieder schieben sie Roman einen Haufen Gold über den Tisch zu. Magna hätte ausschreien mögen, wie sie in Romans Augen blickt. Wo ist ihr samtener Schimmer, der sie immer so entzückte, geblie ben? Mit stierem Glanz blicken sie wie im Wahnsinn auf die rollende Kugel. „dlvssiours, kaitos Io jsu." „Nein, er darf nicht weiterspielen." Den Arm des Grafen fahren lassend, ist die junge Frau dicht hinter de» Stuhl ihres Man nes getreten. Eine sich soeben bildende Lücke macht es ihr leicht, ganz nahe an ihn zu kommen. Sie zittert in dieser Welt des Lasters und Verbünde; sie hat nur den einen Gedanken, Roman Herauszureißen aus diesem Sumpf, in dem er tiefer und tiefer versinkt. „Er wird die Bank sprengen," hört sie es an ihrer Seite flüstern. „Er ist waghalsig! wie keiner." „Ach, Unsinn," gibt ein anderer zurück. „Der Kevl hat nichts zu verlieren." „Aber doch ein Vermögen, das er soeben gewonnen hat," raunt der andere. „Ruhe, Ruhe," mahnt es ungeduldig; und beschämt, die heilige Stille unterbrochen zu haben, schweigen die Flüsternden. Magna beugt ihren blonden Kopf tief zu Roman hernieder, die Federn ihres großen schwarzen Hutes berühren faßt sein Haar. „Ich bitte Dich, Roman, hör auf," flüsterte sie, „rette das Geld und rette Dich! Du bist im Glück. Nur heute hör' auf, Roman." Unwillig, zornsprühend wenden die Augen ihres Mannes sich ihr zu. „Geh fort," knirscht er zwischen den Zähnen. „Du bringst mir Unheil." (Fortsetzung folgth Li-sks16sr-2sissnksus LksmnitL, Leire Lost- U-XroveE --- - . -- .. -h . .. . ' .... - . . ...... ... . .... - -