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VMM im MrOm-UMM AmnUr Nr. 37. Freitag, de« 14. Februar 1813. 40. Jahrgang AuS dämmernden Nächte«. Original-Roman von Anny Mothe. Oop^iigdt 191 ' Wottie, I^egiriz-. 48. ftoits. (Nachdruck verboten.' „Und das soll ich meiner Schwester fchre.bm?" „Das wirst Tu wohl müssen, mein liebes Kind wenn Du nicht verhungern willst; denn meine Mittel sind längst erschöpft. Dem Fürsten allein schulde ich 150 000 Franken, ohne die heutige von ihm entliehene Summe." „Und für dieses Geld wolltest Du mich dem Fürsten verkaufen," schrie Magna auf. „Lüge nicht, ich sehe es an Deinem verzerrten Gesicht, an Deinen Augen. Darum soll ich freundlich zu diesem alten, entsetzlichen Men schen tun, weil Du vor ihm zitteftt. Pfui über Dich, der Du geschworen hast, mich zu lieben, mich zu schützen, der Du mir alles Glück der Wett an Deinem Herzen versprachst, — und der mich so elend gemacht hat, so grenzenlos elend." „Magna, Ich bitte Dich, übertreibe doch nicht so," schmeichelte Roman. „Ich verlange ja nichts weiter von Dir, als daß Du freundlich mit dem Fürsten bist und ihn ein wenig unter läuft Er hat nun mal die Schwäche für Dich, und ich muß, ich muß ihn gut erhalten." Magna sah mit fast irren Augen zu ihrem Mann hinüber. In ihrem Herzen Ivar der letzte Rest eines Götterbildes zusammengebrochen, und sie fühlte mit grausamer Gewißheit: es gab nichts, was es wieder ausbauen konnte — nichts! Mühsam, sich kaum auf den Füßen hal tend, schwankte sie auf ihren Mann zu. „Du hast Dein ganzes Vermögen verloren?" fragte sie tonlos. Roman winkte abwehrend mit der Hand. „Es war ja nicht viel," fuhr Magna schüch tern fort, „was ich Dir mit in die Ehe brachte. Du wolltest es aufheben als Not pfennig, wie Du mir sagtest, Roman. Ich bitte Dich, nimm das Geld. Bezahle dem Fürsten, was Du ihm schuldig bist; und laß uns mit dem Rest irgendwo ein stilles Leben beginnen. Laß uns arbeiten, um unserem Leben einen Inhalt zu geben, ohne diesen gleißenden Glanz und Luxus, den ich ja früher selbst begehrte, der mich aber erstickte, wenn ich daran denle, daß er vielleicht nicht bezahlt ist." Ein höhnisches Lächeln kam von Romans Lippen. „Du predigst ja fast wie Deine weise Schwester. Sage mal, bist Du wirklich lo töricht, zu glauben, ich besäße noch Deine 100 000 Kronen? Die sind längst verpufft. Ein Tropftn waren sie aus einen heißen Stein." Magna würgte ein Schluchzen in der Keble. „Du sagtest mir einst," murmelte sie ton los, „daß Du reich seiest, daß jeder Wunsch sich Mir erfüllen würde, daß Du mich mit Gold und Schätzen überschüttern würdest." „Ja, das sagte ich. Wie alle Liebenden, die blind und toll sind, glaubte ich das auch." „Es war alles Lüge," murmelte Magna, — „alles Lüge." „Laß das Gewinsel," ries Roman, wütend mit dein Fuße aufstampsend. „Wirst Du Dei ner Schwester, Wie ich Dir sage, schreiben, oder nicht?" „Nein, und tausendmal nein! Lieber in den Tod, als so vor Jngveldc treten. O, sie hat recht gehabt," schluchzte Magna wild auf, „als sie mich vor Dir warnte. Jngveldc, Jngvelde, Du bist gerächt." Langhin schlug das junge Weib auf den Boden. „Elendes, weichnftitigcs Gezücht," murmelte Roman, einen ratlosen Blick auf die Leblose werfend. Dann ging er zur Tür, um seine Mutter herbeizurufen, die, wie er fest überzeugt war, wieder heimlich gehorcht batte. „Mama," rief er in das Ne>enzimmer. Da kam die Baronin schon ganz ausgelöst und kniete neben Magna nieder. „Mein süßes Kind," jammerte sie. „Meine arme, kleine Magna." Ein verächtlicher Blick huschte uni die höh nisch verzogenen Lippen des Barons, aus denen die großen, blanken Zähne hervorblickten. „Schass sie ins Bett," herrschte er feine Mutter an, auf Magna deutend, „und laß nichts unversucht, daß sie uns zu W.llen ist, sonst Seine Augen wurden wild und drohend. Die Baronin nickte ihm beruhigend zu. „Geh nur, Roman, ich stehe dafür," flüsterte sie, und ihre blaßblauen Augen sahen ver heißungsvoll in die seinen. Da stieg eine dunkle Zornesröte in sein Ge sicht; und schmetterns warf er im Hinausschrei- ten d'e Tür ins Schloß. Die Nacht sank auf Monte Carlo, — eine milde, weiche Zaubernacht voll Sternenschein und Mondenglanz über dem blauen Meer. Und in dieser langen, bangen, einsamen Nacht, da ging in Magnas Herzen die Sehn sucht auf nach dem dunklen Fjord im Naerö- dal, im t.esen, fernen Norden, dem Fjord mit dem stillen, dunklen Haus und der ernsten Schwester, von der sie sich selbst auf ewig ge schieden hatte. Magnas Tränen flossen heiß über ihre er blaßten Wangen, und ihre junge Seele schrie verzweiftungsvoll in stummer Qual nach den Dämmernächten der Heimat, wo sie Jngvelde im Arm geruht, wo sie noch rein und schuld» los war und noch nichts von der grausigen Macht und Leidenschaft kannte, die man Liebe nennt. Roman kam diese Nacht nicht nach Hause. Er kostete den Rausch einer Zaubernacht in Monte Carlo voll aus, einer Nacht, die erst beginnt, wenn die Spielsäle sich schließen und sich hier und da eine bunte Gesellschaft zm sammeufindet, um im kleinen oder größeren Kreise wüste Gelage zu feiern. Der Fürst war in diesen Kreisen zu Hause, und Roman war ihm wie in einem Taumel gefolgr. Als er im Morgengrauen in sein Hotel schwankte, sand er Magmas Lager noch unbe rührt. Sie selbst saß am Fenster, mir einem starren Blick auf das Meer und einem barton, unerbittlichen Zug um den jungen Mund. Kühl stand sie aw; sie schien noch gewachsen, als sie, ihn ernst musternd, sagte: „Was ich mich weigerte, zu tun, tat bereits eine andere. Deine Mutter hat, wie sie mir selber mitteil.c, an Jngvelde geschrieben, Geld von ihr zu erbitten. Ist es denn nur mög lich," schrie Magna dann auf, „daß jemand so' schamlos sein kann? Ich werde natürlich noch heute Jngvelde verständigen, daß der Brief Deiner Mutter ohne meine Einwilligung be schrieben wurde und daß ich keinen Teil an dieser Gemeinheit — jawohl Gemeinheit — habe. Ich bin ausgeblieben, Roman, um Dir anheim zu stellen: Entweder Deine Mutter oder ich! Du Has? zu wählen. Ich ertrage ihr falsches, heuchlerisches Wesen, ihre Liebkosun gen, mit denen sie mich überschüttet, obwohl sie der Haß gebiert, nicht mehr. Ich habe es versucht, mit die'er Frau auszukommen, weil sie Deine Mutter ist. Ich habe mir Mühe ge- geben, meinen immer wachsenden Widerwillen zu b^ämpfen; ich kann es nicht mehr. Mein Weg wird nie der Deiner Mutter fein, Roman, nie!" „Das wird sich finden. Geh jetzt gefälligst schlafen. Mit Mama werde ich reden, daß sie Dich in Frieden läßt." „Ist das alles, was Du mir zu sagen hast?" „Verlangst Du vielleicht noch eine Liebes erklärung? Mir ist wahrhaftig die Luft dazu vergangen. Gute Nacht, oder besser, guten Morgen!" Magna antwortete nicht. Sie schritt laut los über den Teppich in den Salon, dessen Tür sie fest hinter sich verschloß. Niemand sah, wie sie dort vollständig ge brochen auf einen Sessel sank, niemand hörte ihr heißes Schluchzen und Weinen. (Fortsetzung folgt.)