Volltext Seite (XML)
VMM W Kchki-nii-KnlMiilrl AykiUl ^zeNOt«. Nr SS. DienStag, den Ä8 Januar IVIS 4V. Jahrgang Deutscher Reichstag. 98. Sitzung vom 25. Januar. In der fortgesetzten 2. Beratung des Etats des Reichsamts des Innern wird zunächst die Kalidebatte durch Annahme der Resolution dsr Budgetlommission beendet, in der verlangt wird, daß ein neues Kaligesetz, wenn es von der Regierung vorgelegt werden wiirde, mit rückwirkender Kraft für diejenigen Kaliwerk« ausgestattet werden soll, die nach dem 15. Januar in irgend einer Form gegründet werden. Sodann nimmt das Haus die Reso lution Behrens (Wirtsch. Vga.) an, die entgegen dem Anträge der Budgetkommission verlangt, daß die Kali-Propagandagelder um insgesamt 100 000 Mark erhöht werden, da für die Ueberweisung an den Reservefonds um 100 000 Mark verringert wird. Es folgt der Titel Oberseeamt. Beim Kapi tel der Behörden zur Untersuchung von See- Unfällen richtet Abg. Schumann (Soz.) heftige Angrifse gegen die Sluffichtsbehörden, fordert die Schaffung eines Nrichsschiffahrts- amts und knüpft weitere Bemerkungen an die Titanic-Katastrophe im April vorigen Jahres. Ministerialdirektor v. I o n c q u i e r e s: Die Angriffe des Vorredners sind ungerecht fertigt. In der Sozialpolitik auf dem Gebiet der Seeschiffahrt ist keine Paus« eingetreten, lieber ein neues Seeschiffahrtsgesetz, das im Reichsamt des Innern ausgearbeitet ist, schwe ben Verhandlungen mit den beteiligten Regie rungen. Dor Einführung dieses Gesetzes müs sen jedoch erst die hochwichtigen Vorschriften aus Anlaß der Titanic-Katastrophe erlassen werden. Die Fehler, die in England voroe- kommen sind, können nicht einfach auf dis deutsch«!, Schiffe übertragen werden. Die deutsch« Verwaltung hat aus der Katastrophe bereits die nötigen Lehren gezogen. Zu der Schiffahrtskonferenz im Mai v. Js. sind auch die Führer der Seemannsorganisationen hin zugezogen worden, auch der Vorsitzende des sozialdemokratischen Verbandes hat sich mit den Beschlüssen einverstanden erklärt. Für die dem nächsügc internationale Konferenz hat Deutsch land seine Vorbereitungen bereits vollkommen abgeschlossen. Die Kontrolle des Reichsver sicherungsamtes über die Seeberufsgenossen- schaK ist unanfechtbar, daher sind alle An griffe gegen letztere hinfällig. Abg. Heckscher (forffchr. Vp.): Me An griffe -des Abg. Schunrann gegen die Seebe- rufsgenossenscha't waren unberechtigt; denn sic vertritt mit großer Tatkraft die Interessen der Arbeitnehmer. Schiffsunfälle, wie den Unter gang der „Titanic" kann kein Menschenaeist voraus'elgm und vermeiden. Unfälle worden immer vorkommen; aber gerade in der deut schen Schiffahrt sind sie doch seltener als bei anderen Handelsmarinen. Daher erfreut sich die deutsche Schiffahrt auch überall des größ ten Ansehens. Abg. Gras Westarp (konf.) pflichtet dem Vorredner darin bei, daß man aus einer schrecklichen Katastrophe keine Schlüsse auf die Sicherheit der Seeschiffahrt ziehen könne. Die deutschen Seeleute müssen entschieden davor bewahrt bleiben, daß ihr Leben und ihre Sicherheit in die Hände der sozialdemokrati schen Gewerkschaften gegeben wird. Abg. Schumann (Soz.): Die Arbeiter- Vertreter haben gar keine Möglichkeit, Einfluß auf die Entschließungen der Behörden auszu- üben. Aber wir wenden uns dagegen, daß trotz des Vorhandenseins geschulter Arbeits kräfte ungenügend bemannte Fischdampfer hin- ausgesandt werden. Es folgt der Titel „Statistisches Amt." Ab geordneter Bender (Soz.): Im Fuhrwerks betrieb kommen Arbeitszeiten von 16 bis 20 Stunden vor. Das ist entschieden zu lang. Der Beirat für Arbeiterstatist ck hat schon vor Jahren eine Mindestruhezeit von neun Stun den gefordert, aber trotzdem har der Bundes rat bisler noch keine bestimmte Ruhezeit ein geführt. Abg. Wendorff (fortschr. Vp.) wünscht, daß die Regierung das Ergebnis der letzten Viehzählung mit Rücksicht auf die Handelsver träge rnöglichst bald bekannt gebe. Geh. Rat Müller sagt Berücksichtigung der Wünsche zu. Abg. Spiegel (Soz.) bespricht die Ar beitsverhältnisse in der Großindustrie. Beim Titel „Gesundheitsamt" bespricht Ab geordneter Kaeppler (Soz.) die gesund heitsschädlichen Wirkungen der langen Arbeits zeit im Müllergewerbe. Abg. A st o r (Ztr.) fordert Maßnahmen gegen die Säuglingssterblichkeit und eine Reförm des Hebammenwesens. Dienstag 1 Uhr: Kurze Anfragen, Weiter beratung. Oertliches und Sächsische-. * — Erzgebirgischer Sänger- b u n d. In der letzten Sitzung gab Herr Bundesvorsitzender Horst Ludwig bekannt, daß dem Erzgebirgischen Sängerbund die ihm in Nürnberg bei der Gründungsfeier irrtümlich vorenthaltene Jubiläumsmedaille nach ein gehender Prüfung der Akten von feiten des Ausschusses des Deutschen Sängerbundes zu erkannt und ihm bereits übermittelt worden ist, wovon man mit freudiger Genugtuung Kennt nis nalm. Nicht minder angenehm empfun den wurde, daß sowohl aus der Kantor-Em l WinklerStiftung als auch aus der Unter stützungskasse des Erzgebirgischen Sängerbundes recht ansehnliche Beträge zugunsten hilfsbedürs tiger Sairgesbrüder bewilligt werden konnten. Den durch Verschmelzung mit Bruderveroinen oder durch umgünstige Pereinsverhältnisse be dingten Austritt von fünf Brudervereinen mit 74 Sängern stehen erfreulicherweise Neuanm-el- dungen mehrerer Chemnitzer Vereine gegen über, deren Aufnahmen in kürzester Zeit er folgen werden. Das Bundesvereinsverzeichnis für das laufende Geschäftsjahr ist im Druck und wird den Vereinen nach der am 27. Januar im Hotel „Roter Hirsch"-Chemnitz statt findenden Wahlversammlung schnellstens zu gehen. Ueber die geplante Einteilung des Bundes in Gruppen wird den Vereinen in nicht zu ferner Zeit geeignetes Material zugehen, um eine eingehende Aussprache innerhalb der Ver eine zu ermöglichen und später in einer be sonderen Vertretersitzung die Grundlagen für die zur gedeihlichen Weiterentwicklung des Erz gebirgischen Sängerbundes erforderliche und wllnschenstverte Einteilung des Bundes ge meinsam zu beraten. )( Langenberg, 27. Jan. Die^ältesten Nach weise über unsere Schule reichen bis ins Jahr 1613 zurück; damals wurde nach einer Fest stellung im Langenchursdorfer Kirchenbuch der „Lehrer Johann Gunter im Filial Langenberg" von der Pest dahingerafft. Nach dieser Fest stellung könnte die Schule in diesem Jahre auf ein 300jähriges Bestehen zurückblickrn, doch wird angenommen, daß bereits früher Schule gehalten worden ist. * Hohudorf, 26. Jan. Hier trieb ein Gchul- knabe als Dieb insofern sein Unwesen, daß er zum Einkäufen ausgeschickte Kinder um das Geld erleichterte. Jetzt ist es der Polizei ge lungen, diesen Schulknaben, der 12 Jahre alt ist, zu ermitteln. Er steht auch im Verdacht, zwei Einbruchsdiebstähle im Oelsnitzer Bahnhof verübt zu haben. * Adorf i. E., 26. Jan. Freitag mittag ist hier bei dem Gutsbesitzer W. ein frecher Ein bruchsdiebstahl verübt worden. Ein erst 15jäh- riger Bursche aus Neukirchen schlich sich ins Guts- gehöft ein und begab sich nach den Bodenkam mern, woselbst er alles durchstöberte. Es gelang ihm, rund 50 Mk. Bargeld zu erbeuten. Der Diebstahl wurde rechtzeitig entdeckt und eS konnte durch den hiesigen Schutzmann die Verfolgung des Diebes ausgenommen werden. Diesem ge lang es auch, den Burschen bei seinen in Neu kirchen wohnhaften Eltern festzunchmen. Das Geld wurde noch bei ihm vorgefunden. * Dresden, 26. Jan. Im Hause Sidonien- straße 25 ist gestern in den zeitigen Morgenstun den ein dort wohnhafter Bureaudiener Behle auf der Treppe tot aufgeftmden worden. Die Todesursache ist bisher noch nicht festgestellt. — Einen dreifachen komplizierten Armbruch, einen Schädelbruch, einen Nasenbeinbruch und mehrere größere Rißwunden erlitt gestern nachmittag ein Obermaschinist in der Brauerei zum Fcldschlöß- chen dadurch, daß er von einer an der Trans- missionswellc befindlichen Riemenscheibe erfaßt wurde. Ein auf die Hilferufe des Verunglückten herbeieilender Maschinist brachte die Maschine sofort zum Stehen und befreite den mit dem rechten Arme an der Transmissionswelle Hän genden. Der Verunglückte wurde nach Anlegung eines Notverbandes sogleich ins Friedrichstädter Krankenhaus überführt. * Rie-ereula bei Nossen, 26. Jan. Im Schüttoffschen Gehölz wurde der 64 Jahre alte Bäckergeselle Julius Klee auS Wintersdorf in Sachsen-Altenburg tot aufgefunden. Mit dem Kopfe lag er auf Laub gebettet, mit den Füßen aber stak er in einer Wasserlache. Klee zog als Bettler umher und hatte auch noch einige Bettel pfennige bei sich. Nach Aussage des hinzuge- zogeneu Arztes ist er zwei bis drei Tage vor der Auffindung eines natürlichen Todes ge storben. * Riesa, 26. Jan. Bei Okrilla ist Freitag abend gegen 8 Uhr der in den zwanziger Jahren stehende Sohn Erich des Maschinenfabrikbesitzers Winter von hier mit seinem viersitzigen schweren Automobil gegen einen Straßenbaum gefahren. Man fand ihn bewußtlos neben dem Kraftwagen, doch ist die Besinnung noch im Laufe des Abends zurückgekehrt; schwere Verletzungen scheinen nicht vorzulicgen. Das Automobil ist stark beschädigt. Meine Gheenik. * Zwei Brüder als Opfer d«S Flugsports. Mit dem soeben verunglückten Flieger Charles Nieuport, der auf einem Pariser Flugfelde aus einer Höhe von 150 Metern abstllrzte und samt seinem Mechaniker auf der Stelle tot blieb, haben die Nieuportwerke, die zahlreiche Aeroplane für die französische Armee lieferten, ihren Leiter ver loren. Sein Bruder Eduard Nieuport, der Kon strukteur des nach ihm benannten schnellen Flug zeugs, verunglückte während der großen franzö sischen Manöver im September 1911, an denen er als Militärflieger teilnahm. Wenige Minuten bevor er starb, wurde noch das Kreuz der Ehren legion auf seine Brust geheftet. * Der WareuhauSeiusturz i» Mackiuney im nordamerikanischen Staate Texas hat über 40 Todesopfer gefordert. 35 Personen wurden als Leichen aus den Trümmern hervorgezogen. Von den 50 Schwerverletzten sind bereits einige ge storben. Einer der Angestellten lag unter einem riesigen glimmenden Balken festgeklemmt. Seine Füße brannten langsam ab, und unter furcht baren Schmerzen schrie er fortwährend: Tötet mich, tötet mich! Als die Feuerwehrleute end lich zu ihm gelangen konnten, war er bereits tot. * Fünf Personen durch eine eingestürzte Mauer getötet. In Warschau sind durch den Einsturz einer Wand der im Bau befindlichen öffentlichen Bibliothek mehrere Menschen ums Leben gekommen. Bisher wurden fünf Tote geborgen. * Fünf Bergarbeiter verschüttet. Auf dem der Kohlengemerkschaft Eleonoreschacht bei Lado witz in der Nähe von Brüx gehörigen gleich namigen Schacht sind fünf Bergarbeiter durch niedergehende Kohlenmassen und glühende Asche verschüttet worden. Vier Ker Verunglückten konnten noch lebend, aber mit schweren Brand- A«S dämmernden Nächten. Original-Roman von Anny Wothe. >910 dx rVottis, I-shriis. gocts. (Nachdruck verboten.' Eine Wälle weinte Magna an JngveldeS Herzen, dann aber richtete sie sich trotzig aus. Ein finsterer Wille trat in ihre Augen, aus denen sie unmutig die letzten Tropfen trocknete. „Ist es wahr," fragte sie plötzlich ganz tM, „daß Pu Roman Bonato und seine Mutter zur Abreise veranlaßt hast?" „Ja; ich sagte Dir bereits, daß sie bc de den Ramsahof verlassen haben." „Ohne mir Adieu zu sagen, ohne e.n Wort der Aufklärung und Verständigung? O, das ist Dein Werk; Du wolltest nicht, dnß wir uns begegneten, Tu wolltest es nicht." „Du Haft gmcz recht, Kind. Ich tat aber nur, was ich tun mußte. Inc übrigen aber werden wir ja, da Fräulein Ethel hier zurück geblieben ist, in den nächsten Tagen von der Baronin, die ihre Adresse mitteilen wollte, hören; und es steht Dir dann frei, dem Baron jede gewünschte Aufklärung zu geben und Um nochmals mitzuteilen, daß, so lange ich über Tein Woll und Wehe zu bestimmen habe, er sich nicht die geringste Hoffnung aus Deinen Besitz zu machen braucht. Aber nun sei ver nünftig, Kind. D e Mittagsglocke hat bereits geläutet. Soll ich Dir Dein Mittagessen hier oben servieren lassen? Du siehst ganz verweint aus." Magna nickte in finsterem Trotz vor sich hin. „Ja, ich habe nicht die geringste Lust, mit dem gräßlichen Inspektor, der auch immer so scheel auf die Bonatos blickte, zusammen zu sein," grollte sie; und dann sich plötzlich an Jngvelde schnriegend, bat sie schmeichelnd: „Darf ich heute ganz allein bleiben, dars ich? Ich möchte mich niederlegen. Mein Kops schmerzt so; und ich bin außerstande, mich aufrecht zu halten." Unschlüssig sah Jngvelde aus die Schwester. „Natürlich kannst Dn al ein sein, Liebling. Soll ich Dich auskleiden oder soll ich Dir das Mädchen schicken?" „Nein, bitte niemand; doch ja, in einer halben Stunde kann das Mädchen kommen und mir heiße Milch bringen. Mein Hals tut mir so weh." „Ist es schlimm? Soll der Arzt, der nach- m ttags kommt, einmal nachsehen?" „Nein, nein," wehrte Magna; und dann küßte sie Jngvelde stürmisch und heiß. „Sei nur nicht böse," schluchzte sie auf, „daß ich nicht anders kann, daß ich Dir un gehorsam sein mutz, weil ich ihn liebe." Jngvelde streichelte zärtlich die tränenfeuchte Wange. „Man kann natürlich seinem Herzen nicht gebieten, Liebling. Erst die Zeit kann diese Herzenswunden heilen, mein Kind. Sie wird auch Deinen Schmerz in sanfte Wehmut wan deln. Du wirst es lernen, tapfer zu sein, Magna. Du bist doch auch eine Skaare." „Ja, aber nicht mit eurem körten Herzen," gab Magna bitter zurück. Dann küßte sie die Schwester noch einmal flüchtig und schob sie zur Tür hinaus. Jngvelde stand einen Augenblick unschlüssig und blickte mit weitgeöffneten Augen auf die geschlossene Tür, hinter welcher ihr Liebstes jetzt in Tränen mit seiner jungen, Liebe rang. Nein, sie konnte nicht anders, sie mußte fest bleiben. Magna würde vergessen lernen; sie Ivar ja noch so jung, und das ganze Leben lag noch strahlend vor ihr. Auch Jngvelde ging nicht zur Mittags- ta'el in das Speisezimmer. Sie saß längere Zeit an Ethels Lager und hörte zerstreut auf die wirren Worte, die das junge Mädchen im Fieber sprach. Ohne auch nur sm einziges Mal an Ethels Krankenlager zu treten, waren die Bonatos, wie die Dienstleute berichteten, abgereist. * * * Den ganzen Nachmittag trieb eine fieber hafte Unruhe Jngvelde durch das Haus. Immer wieder war sie an Magnas Tür, die von innen vsrschlossen war, um zu lauschen. Immer wieder vernahm sie etwas wie leises Weinen und Schluchzen. Das Herz stand ihr saft stilll über den Jammer des verirrten Kindes. Gegen Abend, verstummte das Schluchzen, und Magna bat durch die Tür, sie nicht mehr zu stören. Sie wollte jetzj schlafen. Etwas beruhigter ging Jngvelde zu Ethel, die jetzt bei vollem Bewußtsein war. Sie lächelte Jngvelde entgegen und sagte matt: „Welche Müle und Sorge l>aben Sie meinet wegen." „Sie dürfen sich jetzt nicht aufregen und nicht so viel sprechen, Fräulein Ethel," mahnte Jngvelde. Ethel ließ die langen, blauschwarzen Flech ten, die sich wie dunkle Schlangen über ihre Schultern ringelten, müde durch die zarten Finger gleiten und flüsterte unruhig: „Ich habe eine so furchtbare Angst, daß sie kommen und mich mit sich nehmen. Ret ten Sie mich, ach, retten Sie mich vor der schrecklichen Frau! Ich kann ja dieses Leben nicht ertragen, ich kann ja nicht!" Jngveldes kühle Hand legte sich beruhigend auf die heiße Stirn der Kranken. „Sie dürfen keine Furcht haben, Ethel. Sie sind hier ganz sicher und geborgen; und wenn es Sie beruhigen kann, so will ich Ihnen sagen, daß der Baron und seine Mut ter bereits heute vormittag abreisten. Die Baronin wollte in den nächsten Tagen eine Adresse angeben, wohin Sie ihr, sobald es Ihr Zustand evlaubt, folgen sollten." Etlel richtete sich plötzlich hastig auf. Die blauen, dunkelbewimperten Augen waren fast schwarz vor Erregung, als sie zitternd sagte: „Abgereift, ohne mich? O Gott, ich danke dir, danke dir aus tiefster Seele!" Und sich über Jngveldes Hand neigend, schluchzte sie auf: „Nicht wahr, Sie schicken mich nicht wie der zu dieser Frau, die mich haßt, die mich quält, — und nicht zu dem, der mit seinen Feuerangen mir die Seele versengt Ich flehe Sie an, helfen Sic mir, gönnen Sie mir nur ein paar Tage Frist, bis ich aufstehen kann. O, ich kann arbeiten, ich bin nicht so zart wie ich scheine. Mehr als die Baronin kann wohl ce n Mensch meine Kräfte ausnützen. Ich will mir eine Stelle suchen, und wäre es dis einer Magd. Nur nicht mehr abhängig sein von diesen Menschen, nur nicht wieder in diese Sklaverei zurück." „Ruhig, ruhig," mahnte Jngvelde, die Er regte wieder auf das Lager zwingend. „Zuerst müssen Sie gesund werden, dann werden wir weiter sehen. Aber jetzt dürfen Sie sich nicht mclr ausrcgen, liebes Kind. Es werden sich gewiß Mfftei und Wege finden, Sie unab- ljängig von der Baronin zu machen, wenn Sie durchaus nicht zu ihr zurückzulehren wünschen." „Unabhängig," lächelte Ethel bitter, sich das dunkle Haar von der feuchten Stirn strei che nd. „Der Baron hat jede Gewalt über mich. Er ist mein Vormund; und wenn er befiehlt, so mutz ich gehorchen." „Vielleicht wird er nicht befehlen," begütigte Jngvelde. „Schlafen Sie jetzt, Ethel, schlafen Sie; und schlafen Sä sich gesund." Sie strich zärtlich abschiednehmend über die verdüsterte Stirn der Kranken. Da haschte Ethejl nach ihrer Hand, und sich ausrichtend, flüsterte sie geheimnisvoll: „Hüten Sie Ihre Schwester vor ihm. Er ist rachsüchtig und gefährlich. Was er will, das setzt er auch durch. Und er will, daß ihn die bände Magna liebt. Auch ich sollte ihn lieben, so wollte er es; und wie die Motte zum Licht, so flatterte meine Seele zu ihm. Ich liebte ihn und ich hasse ihn. Wenn ich ihn nicht sehe, wende ich mich voll Grauen von ihm; und wenn er mir in die Augen blickt, dann zwingt er mich unter seinen Willen." Jngvelde lauschte atemlos. War es recht, daß sie den Worten des Mädchens noch weiter Gehör schenkte, aus der vielleicht noch immer das Fieber sprach? (Fortsetzung folgt.)