Volltext Seite (XML)
ÄMM mm HohriiSrii MMiiln Ai;üUk 40. Jahrgang Sonntag, den 5 Jnnuar 1013 Nr. 4 T»g«»r«n. Anturtheaier. Erfahrungen aus der letzten Spielzeit. Ohne Zweifel ist die Naturtheaterbewegnug noch in der Entwicklung begriffen. Zahlreiche Experimente, die teils, recht unglücklicher Art sind, belegen dies. Soviel läßt sich indessen beule schon erkennen, daß wir von dem eigen"- Inden Heima/piel mit am meisten zu erwarten l aten. Soweit es natürlich die Leiter der art ger Somwerspiele verstehen, mit den gc- ge.enen Zuständen und Mitteln zu rechnen und Haus zu Hutten. In hohem Maße trifft die Weisheit, daß sich in der Beschränkung der Meister zeigt, auf die Bolksfpiele im T eater unter freiem Himmel zu. Es sei da an die „Hermann und Dorothea"-Spiole in B ad E l st e r, an die Hsimatspiele im Wald II eater am Oybi n, an Axel Delmars natio- na e Spiele auf dem Potsdamer Brau- I a u s be r g, an die Voiksspiele in O e t i g- !, e i m erinnert, die k ü n st l e r i s ch und wirtschaftlich (!) — trotz des wenig günstigen Sommer 1912 — recht erfreu lich abgeschnitten haben. Dank der regen Propaganda und einer begeisterten Freude am Werk, durste der kunstsinnige Oetigheimer P,arrer Sner, der verdienstvolle Spielleiter, an mir 24 Spieltagen eine Gesamteinnahme von rund 70 (X>0 Mark verzeichnen, von der etwa ein Ueberschuß von 5000 M ark bleibt. Auch im Oybiner Waldtheater l aben sich die weit gespannten Hoffnungen und fronen Erwartungen, womit am diesjährigen ersten Pfingsttage das Oydiner Waldtheater seine zweite Spielzeit begann, zum größten Teil erfüllt. Trotz der wenig günstigen Wit terung konnte die Spielleitung von den Ein- na men des Waldtheaters nach Abzug aller Unkosten und Verdienste immer noch 10 0 0 Mark für wohltätige Zwecke be stimmen. Die deutschen Heimatspiele in Pots dam brachten einen Ueberschuß von 4 0 0> 0 Mark. Nach dem behördlich geprüf ten Geschäftsbericht wurden in dem städtisch subventionierten Naturtheater insgesamt 87 Vorstellungen von dem Festspiel „Der Herr der Erde" von Axel Delmar (ein Napoleondrama I gegeben, nur sieben fielen wegen Regen aus. Eine Vorstellung zum Besten der Nationad flugspende ergab schlechten Wetters wegen nur einen Ueberschuß von 100 Mark, eine zum Besten der Mitglieder ließ an 300 Mark zur Verteilung gelangen. Beamten, Schulen, Ver einen wurden oft bis zu 10 Pfg. Eintritts preise gewährt. Zöglinge von Waisenhäusern, Krüppelasylen u. a. m. genossen freien Ein tritt. Die Einnahmen betrugen nahezu 52 000 Mark, die Ausgaben etwas über 48 000 Mark, also ein Ueberschuß von 4000 Mark. Andrerseits bleibt es zu bedauern, daß die Sagen- und Volksspiele, wie sie etwa Hein rich Schleif und der Rheingauer Herrentum d in Rüdes beim oder Rudolf Lorenz in Bernau in der Mark schufen, in diesem bezw. schon im vorigen Jahre nach einer Reihe gutbesuchter Aufführungen scheitern mußten. Derartige über raschende und unerwartete Erfahrungen sind nor möglich, wenn die Spielleiter von fal schen rechnerischen Voraus setzungen ausgehen, wenn die direk toriale Uebersicht fehlt und — wie in Nüdeshsim z. B. — die K o st e n der Auf führungen in gar keinem Verhältnis zu der Z a h l der Vorstellungen stehen. Die Erfahrung aus Freilicht-Volksspiel- aufführungeu, die mit vernünftigen Mitteln arbeiten, lehrt, daß sich mit einem Budget von 25000 Mark eine a ch t- wöchige Spielzeit im Naturtheater sehr wohl unterhalten läßt. Für die Darstellung sollte die Forderung Wächters gelten, nämlich, daß für die Hauptrollen unter der Lei tung eines tüchtigen Spielordners nur B e- r u f s s ch a u s p i e l e r in Frage kommen. Die Statisterie, die so sehr als möglich eingukchränken ist, sollte mit Leuten aus d e m V olle gebildet werden. Es hat sich da wieder./vlt erwiesen, daß die grundsätzliche Ablehnung aller Dilettanten bei der Mitwir kung an solchen Spielen ein durch nichts ge rechtfertigtes Vorurteil ist. In der Riides- deimer Brömserburg sowohl, als auch in Oetigheim, Bad Elster, am Oybin, am Hohen- twia! und an vielen anderen Spielorten traten mit den Künstlern Leute aus dem Volke aus den Plan, die durchaus in den Rahmen des Volksspieles pißten, und besonders, wo sich Mundartszenrn abspielten, durch ihre Ursprüng lichkeit und Bodenständigkeit nicht zu über bietende Gestalten in prächtiger Holzschnitt manier kreirten. Wilhelm Gtobes. «Aus dan neunen Heft des „Theaters der Henn<u".; Körner-Ausgaben. Das neue Jai r ist herausgezogen, das uns neben so manchen bedeutenden Gedenktagen, die markig in der Geschichte unseres Volkes, ja, der Menschheit ausgezeichnet sind, auch einen 26. August und damit die Erinnerung an den Heldentod Theodor Körners in der Nähe von Gadebusch bringt. Wie die hundertjährigen Geburts- oner Sterbetage oder in neuster Zeit die 50jährigen Geburtstage noch lebender Schriftsteller wird auch dieser Gedenktag zum An Wb genommen werden, näher auf des Dichters Leben und Werke einzugehen, die längst entschwundenen Erinnerungen an feine Schöpfungen wieder auszufrischen. Zwei neue Ausgaben der Werke Körners seien zu diesem Zwecke besonders empfohlen. Die Kür ur-Ausgabe, die der Tempe l- Verlag zu Leipzig seinen bekannten Tempel-KlaMern hinzugefügt hat, ist mehr ewas für einen, der seinen Körner kennt und liebt, ihn öfters zur Hand nimmt, um sich wieder an den Dichtungen des Heldensängers zu erfreuen und Herz und Sinn mit Jugend feuer wieder zu stählen. Es ist schon ein ästhetischer Genuß, die beiden Bände in die Hand zu nehmen. Das wohlgefällige Grün der weichen Einbände, dem sich das verstän dig verteilte Gold des Ausdrucks harmonisch anschiniegt und das blasse Zinnober des Schnit tes organisch verbindet — eine wMdurch- dachte, einheitliche Leistung der Buchtechnik, die leider bei den meisten Büchern vernachläs sigt wird! — erfrischt das von grellen, „wir- kungsvollen" Buchtiteln unästhetisch beeinflußte Auge. Klappt man dann das buchgewerbliche Meisterstück auf, so erquickt wieder jede ein zelne Seite und macht die Lektüre zu einem ausgezeichneten Genuß. Besonderen Anteil daran haben die in den Tempel-Klafsikern ver wendeten Buchstaben, die sog. Weiß-Fraktur, eine stilechte, dem Auge angenehme Druck schrift, d.e der bekannte Pros. Weiß geschaf fen hat. — Die literarische Ariieit hat Dr. Heinrich Spiero geleistet. Er hat eine gute Auswahl getroffen, die Gedichte in treffliche Zusammenstellungen gebracht und nach Abdruck der wichtigsten geschichtlichen Trauerspiele, Lust viele und Erzähllungen eine hübsche Aus- wali von Briefen mit einem warmen Lebens abriß verbunden. So bildet diese Ausgabe der Werke Körners eine durchaus künstlerische Einheit und der Besitz der beiden Bände dürske für den Freund geschmackvoller Buch kunst eine immerwährende Freude sein. Ein zeitlicher Fehler ist mir aufge'allen: >'ebcr dem Liede zur feierlichen Einsegnung des preukrBen Freikorps, gesungen in der Kirckn zu Rogan steht als zeitliche Angabe der 28 Mai 1813, während dies historische Ereig? nis ans den 27. März zu verlegen ist. Die andere Ausgabe, besorgt von Dr. Augusta Weldler-Steinberg, in der Serie der G o l de n e n Klassiker-Biiblio-^ thek des Deutschen Verlagshau- ses Bong L Co., Stuttgart, ist — auch schon im Preis — anspruchsloser. Obwohl sie nur einen Band umhaßt, hat mehr darin Platz gefnnwn als bei der vorigen Ausgabe. Wer sich mit Körners Werken erstmalig bekannt machen will, findet hier alles Wichtige und daneben noch genug, was nicht des „Dichters" Scha fen ist, sondern nur des Gelegenheits- reimers. Besonders wertvoll macht die Aus gabe ein Anbang von 154 Briefen, trefflich zusammengesucht rind allentlalben mit Zeit angabe verselen, wie auch die Gedichte alle den Tag ihrer Geburt führen. Den verschie denen Teilen l-at die Herausgeberin enMH- rende Bemerkungen und dem Ganzen ein flei ßig erarbeitetes Lebensbild vorausgeschickt. So bietet der Band für den billigen Preis von 1.75 Mark nicht nur eine gute Auswahl der Werke Körners, sondern auch eine Menge literarhistorischen und kommentarischen Stoffes, Woll geeignet, das Bild des Heldensängers m t einem neuen Schoin des Ruhmes und der Unsterblichkeit zu umgeben . . . ?k. M. » s Allerlei Kurzweil. « K Denksprüche. Strebe rastlos nach Vollendung, Nur Verdienst ist wert des Lohnes; Für versäumte gute Taten Gibt es keine Wiederkehr. * * * Präg, o H.wz, im Weltgedränge Dir ein goldnes Wort fest ein: Wär dir nie die Welt zu enge, Würde nie der Himmel dein. Rätselecke. Rätsel. Das ganze Wort dir zwei Begriffe eint, Obschon ein jeder „führend" vorzndringcn scheint Das Gold der Sterne, das der „Eine" trägt, Der an der Spitze mutig sich bewegt, Es bracht' dem „Andern", blank in jedem Stück, Vor ein'gen Jahren erst das reichste Glück! So daß sie beide, fern von jedem Sport, Verkürzen einen ganzen Mann in diesem Wort. Homonym. Prunke im Salon der Neichen, Diene dort zum Zeitvertreib. Finde mich zu meinesgleichen; Bin beliebt bei Mann und Weib. Doch bei letzterem Bedingung Jst's, daß ich nicht klassisch sei, Daß das Herzlein kommt in. Schwingung, Daß ich amüsant dabei. Wohl bin ich in enger Kammer Auch recht oft ein lieber Gast, Lind're dort so manchen Jammer, Wenn mich Hand und Geist erfaßt. In mir berget ost sich großes, Doch auch Wunderliches viel. Die Bestimmung meines Loses Fällt oft nur der Mode Spiel. Knüpfe und vereine gerne, Doch zerrissen wird so leicht, Was ich aufgebaut zum Glücke, Was ich mühevoll erreicht. Bin ein Hauch nur, bin ein Wesen, Das aus Herz und Geist gebor'n. Doch werd' ich aus Stoff gefertigt, Bin zu nützen ich erkor'n. Rätselfrage. Was entsteht, wenn man vor eine Wand ein L setzt? Vervollständigungs-Rätsel. Zu vieren bin ich hoch an Rang Und ist mem Glanz auch längst erblaßt, Der Ahnen Name leiht den Glanz Der Nachwelt und den Enkeln noch. — Zu fünfen bin ein Tier ich nur, Unschön zumeist, doch Rasse noch. Zu sechsen findet mich sehr leicht Der Forscher in der Juraformation. Sprichworträtscl. 1. Den Meister ehrt die Kunst. 2. Jeder ist sich selbst der Nächste. 3. Wer immer nach dem Himmel guckt, stößt leicht mit der Nase an. 4. Wer sein Kind lieb hat, der züchtigt es. 5. Wer allen gefallen will, muß früh auf stehen. 6. Der Koch wird vom Geruch satt. 7. Ohne Kreuz kein Kranz. 8. Noch keinen sah ich fröhlich enden . . . Den vorstehenden 8 Sprichwörtern ist je ein Wort zu entnehmen, dieselben ergeben umgestellt ein neues Sprichwort. Bilder-Rätsel. (Auflösungen in nächster Nummer.) UustSsungen aus Nummer S2. Des Rätsels: Neujahr. Der Scharade: Stundenglas. Des Wechsel-Rätsels: Morgen, Sorgen, Borgen. Des Gleichklangs: Winde. Des Scherz-Rätsels: Perücke. Des Zweisilben-Rätsels: Fußbank. Des Bilder-Rätsels: Hermelinmantel. Der Hieroglyphen: Im Tode sind wir alle gleich. Linder-Zeitung Nr. 1. Redaktion, Druck und Verlag von Der Der Winter ist ein rechter Mann, Kernfest und auf die Dauer. Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an Und schaut nicht süß noch sauer. War je ein Mann gesund, ist ers! Er krankt und kränkelt nimmer, Er badet sich am Eis des Meers Und schläft im kalten Zimmer. Er zieht sein Hemd im Freien an Und läßts vorher nicht wärmen, Und braucht sich über Fluß in Zahn Und Glieder nicht zu härmen. Aus Blumen und aus Vogelsang Weiß er sich nichts zu machen; Ein warmes Herz, das ist sein Drang, Sonst haßt er warme Sachen. Winter. Doch wenn die Füchse bellen sehr, Wenns Holz im O^en knistert Und an dem Ofen Knecht und Herr Die Hände reibt und zittert; Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht Und Teich und Seen krachen, Das klingt ihm gut, das haßt er nicht, Dann will er tot sich lachen. Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus Beim Nordpol au dem Strande; Doch hat er auch ein Sommerhaus Im lieben Schweizerlande. Da ist er dann bald dort, bald hier, Gut Regiment zu führen, Und wenn er durchzieht, stehen wir Und sehn ihn an und frieren. Claudius. Die beiden Schwestern Ein Neujahrsmärchen von Grete Doerin Das Christfest mit seinem Glanze und seiner Freude war vorüber, die Lichter an den Tanncnbäumen waren halb heruntergebrannt; die Püppchen, die das Christkind gebracht hatte, hatten sich bei ihren kleinen Mamas schon ganz gut eingewöhnt, und Paulchens große Trommel und Maxcns Harmonika hatten schon das erste Loch. Heute abend aber sollten die Christbäume noch einmal brennen, und cs sollte alles fast so werden wie Weihnachten, aber doch nicht ganz eben so : heute war nämlich Silvesterabend. Ueberall in den Häusern war Besuch; Onkel Heinrich war gekommen und Tante Lina; auf den Tischen standen Weingläser nnd Teller voll Kuchen, denn es sollre alles recht hübsch und gemütlich sein am Silvester abend. Draußen aber war es durchaus nicht schön. Halb zertretener Schnee lag auf den Straßen; kalter Nordwind pfiff, und früh zeitig schon hatte die Dämmerung einen grauen Schleier um alle Gaslaterncn gelegt, aus dem diese nun ganz mißvergnügt ihr g. (Nachdruck verboten.) Licht heroorscheincn ließen. Es reichte nicht sehr weit, noch nicht einmal bis vor das Tor hinaus, wo die lange Straße ins Land hinein führte. Kein Mensch war draußen zu sehen, kein Wagen rollte, keine Peitsche knallte, nur der Mond guckte dann und wann neugierig hinter einer Wolle hervor, ob denn wirklich gar nichts passierte und aar niemand sich blicken ließe. Eben hielt er sein Laternchen so, daß ihr Licht voll auf den Meilenstein siel, der zur Seite am Slraßenrande stand, und da konnte man sehen, daß auf dem Meilenstein doch jemand saß. Ein nettes, frisches Kind war es; Helles blondes Haar krauste sich über seiner Stirn, blaue Augen sahen frisch und fröhlich darunter hervor m die Welt; cs hatte sich fest in ein Helles Tuch gewickelt, und im Arm hielt eS sorglich einen verschlossenen Kasten und eine große Sanduhr, die aber ge rade stillstaud. Das nette Kind kam gewiß von weit her, denn seine Schuhe waren sehr schmutzig, uud seine Stirn war feucht vom