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Die Hoffnungslosigkeit aller Psychologie. 53 lieh. Immerhin ist das Wort Bewusstsein so eingebürgert, dass wir uns mit ihm behelfen müssen. Ferner ergiebt sich bei genauerem Zusehen, dass unter „unbewusst“ Vorgänge zusammengefasst werden, die in gewissem Grade verschieden sind, denn man könnte relativ Unbewusstes und absolut Unbewusstes unterscheiden. Es giebt nämlich viele Vorgänge, die bald bewusst, bald unbewusst verlaufen. Hierher gehören die „automatisirten" Thätigkeiten, reden, schreiben, clavierspielen, tanzen u. s. w., während die Auf merksamkeit anderswohin gerichtet ist, das Handeln in der Zer streutheit, Selbsttäuschung durch Unterschieben falscher Motive und Anderes mehr. Hier können wir, wenn wir wollen, den Vorgang in das Bewusstsein heben, wie man sagt. Ist er vor über, so können wir uns durch angespannte Aufmerksamkeit wenigstens auf Theile von ihm besinnen. Auch gehört hier her, wenigstens in der Hauptsache, die sogenannte Spaltung der Persönlichkeit, die durch krankhafte Zustände oder durch Suggestion eines Anderen bewirkt wird. Da wird, bildlich gesprochen, eine Schranke errichtet, die dem Ich zeitweise einen Theil seines Inhaltes unzugänglich macht. Aber die Schranke kann niedergelegt werden, die Erinnerung kann zurückkehren oder zurückgerufen wei den. Dagegen ist absolut unbewusst das, was nie dem Ich angehört hat, das, zu dem kein Weg aus dem Bewusstsein führt, das nie gewusst, nur erschlossen werden kann. Hierher gehören die Triebe, die Vorgänge vor der Wahrnehmung und nach dem Willen zur Bewegung, die Vorgänge, die unser bewusstes Leben durch brechen, und die durch ihre relative Zeitlosigkeit und andere Züge ihre Verschiedenheit von der uns vertrauten seelischen Thätigkeit darthun. Natürlich ist das absolut Unbewusste die Hauptsache, das relativ Unbewusste die Nebensache. Man muss der Trennung eingedenk sein, aber es ist nicht zu ver kennen, dass da und dort Uebergänge vorhanden sind, wie solche auch das relativ Unbewusste mit dem Bewussten verknüpfen. Mein werthgeschätzter College Bleuler hat vor kurzem einen anregenden Aufsatz über das Unbewusste geschrieben*), *) Bewusstsein und Association. Journal für Psychologie und Neu rologie VI, 3/4, S. 126. 1905.