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hineingefallen ist, u. s. w., kurz, der Trieb ist seine Vorsehung. Der junge Mensch würde, wenn er nicht von Seinesgleichen behütet würde, viel mehr Dummheiten machen. Wenn auch im Allgemeinen der Mensch ein Urtheil über die Gefahr hat, so kommen doch auch bei ihm Fälle vor, in denen die Angst ihn erfasst, ohne dass er weiss, wie er dazu kommt. Wenn der Kreislauf in der Lunge gehemmt wird, so tritt die Angst auf, ebenso, wenn sich das unerfassbare „Unheimliche“ zeigt*), wenn Ahnungen aufsteigen, und so fort. Offenbar ist auch innerhalb des Menschengeschlechtes der Trieb um so „klüger“, je mehr die Lebensbedingungen denen der Thiere gleichen. Bewahrt der Lebenstrieb das Einzelwesen vor dem Tode, so erhält der Geschiechtstrieb die Art. Neulich habe ich in einer gelehrten Arbeit gelesen, von den Trieben der Thiere sei nur der Geschlechtstrieb auch beim Menschen erhalten. Das ist freilich eine naive Auffassung, aber sie zeigt wenig stens, dass bei den Beziehungen der Geschlechter das Instinc- tive besonders deutlich hervortritt. Ein grosser Theil der Lite ratur, der grösste Theil der sogenannten schönen Literatur ist der Schilderung des Geschlechtstriebes gewidmet, und uner müdlich, in immer neuen Variationen wird geschildert, wie der Trieb den Menschen glücklich und unglücklich macht, um wandelt, zu allen möglichen Handlungen zwingt, scheinbar zum Narren hat. Wir wissen, dass der Knabe gegen das andere Geschlecht gleichgiltig ist, die Mädchen wegen ihrer Feigheit und Kraftlosigkeit verachtet, dass er sich aber, wenn seine Organe eine gewisse Reife erlangt haben, verwandelt, wie zuerst räthselhafte Gefühle ihn unruhig machen und das *) Wie ähnlich manchmal das Verhalten der Thiere dem der Kinder ist, ersieht man aus folgender Beobachtung. Vor vielen Jahren hatte ich einen jungen, etwa halbjährigen Pudel. Als ich eines Tages nach Hause kam rind den langen Corridor betrat, befand sich das Thierehen am anderen Ende des Ganges. Ich schlug mir den Mantel ver wogen um den Kopf, beugte die Kniee und humpelte als räthselhafte Figur auf den Pudel zu, jedoch ohne ihn irgendwie zu bedrohen. Erst sah er mich erstaunt an, dann wurde das Gesicht ängstlich, und er zog sich scheu zurück. Endlich brach er in ein verzweifeltes Heulen aus und bebte am ganzen Leibe. Ich gab natürlich den Versuch auf, aber das Zittern hielt noch lange an. Der Geschlechts trieb.