16 P. J. Möbius, niss des irdischen Lebens sehr dürftig, sondern auch die mensch liche Psychologie einer wichtigen Hilfe beraubt. Wir gewinnen nämlich am Thiere wegen der grösseren Einfachheit der Ver hältnisse und der schärferen Ausprägung mancher Züge Ein sichten, die Licht auf unser eigenes Seelenleben zurückwerfen. Insbesondere aber musste bei den Thieren dem Beobachter ein leuchten, dass das seelische Leben auf dem Grunde von Trieben ruht, dass diese das eigentlich Wesentliche sind. Wenn von vergleichender Psychologie die Rede ist, so heisst das Wort Der Tostinct. der Reaction „Instinct“, und thatsächlich ist der Begriff des Triebes oder Instinctes (von instinguere = antreiben) das Cen trum der Thierpsychologie. Ich weiss nicht, wer zuerst das Wort gebraucht hat, aber man darf wohl annehmen, dass damit nur der Gegensatz gegen das menschliche Handeln als ein ver nünftiges ausgedrückt werden sollte. Wir nennen instinctiv jede Bewegung, die gewollt wird, ohne dass der Bewegende weiss, warum, wie er dazu kommt, ohne Kenntniss des Zweckes oder ohne Vernunft. Was Zweck, Ueberlegung, Vernunft sei, das wissen wir natürlich nur aus der inneren Erfahrung, und die Menschen wollen von ihrer Vernünftigkeit ausgehend durch den Begriff des Instinctes deren Negation ausdrücken. Im Anfänge also hiess es, dass das, was beim Menschen die Ver nunft leistet, beim Thiere der Instinct leiste. Es war aber un umgänglich, dass der durch die Thierbeobachtung erworbene Begriff des Triebes mit der Zeit an Bedeutung gewann, dass er schliesslich auch in die menschliche Psychologie eingeführt wurde und diese umwandelte. Auch musste sich bei ernstlicher Betrachtung des Trieblebens der Begriff des Unbewussten auf drängen. Ich weiss, dass sich die kleinen oder unbewussten Vorstellungen zuerst bei Leibniz finden, aber dieser Begriff Leibnizens konnte nicht weit führen; eine Ahnung dessen, was eigentlich das Unbewusste bedeute, kann den Menschen nur gegenüber den Trieben aufgegangen sein, mag es sich historisch nachweisen lassen oder nicht. Die Begriffe des Triebes und des Unbewussten als Erwerb der vergleichenden Psychologie beweisen dieser Werth. Sie aber führen auch zur Zerstörung der anspruchsvollen Menschenpsychologie. Es ist für die Menschen und ihre psychologische Begabung