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6662 Amtlicher Teil. Hs 269, 19. November 1895. Gebiete der Behandlung rein technischer Angelegenheiten heraus, beschränk! sie sich in Streitfragen nicht nur auf die Aufnahme ihr gewordener Einsendungen, beginnt sie in solchen Streitfragen eine eigene Meinung zu äußern, so begiebt sie sich damit auf einen sehr gefährlichen Boden. Was der einen Partei recht erscheint, ist der andern unrecht, und keinem Redakteur der Welt wird es gelingen, eine Haltung einzunehmen, welche alle Teile befriedigt. Will er nicht das Börsenblatt zum Kampfplatz der Parteien machen, sich selbst fort währenden Beschwerden über seine Person aussetzen und möglicher weise seine Stellung unhaltbar machen, so ist der Redakteur, er möge sein, wer er wolle, genötigt, seine persönliche Mei nung möglichst zurückzudrängen. Die Richtigkeit dieser Ausführungen dürfte besonders klar werden in einer Angelegenheit, die von den Urhebern der Ein gabe als Stütze ihrer Ausführungen benutzt wird, in der Be kämpfung des Kolportagehandels. Zu dieser Angelegenheit haben sich bekanntlich diejenigen Vereine, in denen die vorliegende Beschwerde entstanden ist, in schroffen Gegensatz zu dem Vor stande des Börsenvereins gestellt; hätte also der Redak teur des Börsenblattes in dieser Frage Partei ergreifen wollen, so mußte er entweder den Standpunkt seiner obersten Behörde, des Börsenvereinsvorstandes, be kämpfen oder die Anschauungen der genannten Vereine. Das Erste ist durchaus unzulässig, und mit dem Zweiten würde sich der Redakteur den Dank der Beschwerdeführer gewiß nicht ver dient haben. Zur Widerlegung der falschen Behauptung, daß die Kolpor- tageangelenheit nur »einseitig« behandelt worden, und der Ramsch handel nur durch zwei Einsendungen (des Hamburg - Altonaer Buchhändler-Vereinsund der Berichte des Verbandsvorstandes) »ge streift« worden sei, genügt der Hinweis auf folgende amtliche Aufstellung. Es erschienen im Börsenblatt vom Jahre 1893: Für den Kolportagebuchhandel: 2 Artikel. (In No. 193, 270 und 4 weiteren Nummern.) 31 Berichte, Beschlüsse, Eingaben und Mitteilungen. (In den No. 21, 30, 39, 45 (2), 51, 68, 78, 84, 101, 166, 169, 172, 187, 193, 196, 202, 205, 211, 214, 217, 264, 270, 272, 275, 284, 293 (2), 300 (3) Gegen den Kolportagehandel: 2 Artikel. (In No. 181. 196.) Neutral: 2 Artikel. (In No. 4. 250.) Im Börsenblatt vom Jahre 1894: Für den Kolportagehandel: 1 Artikel. (In No. 8.) 17 Berichte, Bereinseingaben, Beschlüsse, Mitteilungen rc. (In No. 3 (3), 5 (3), 8, 11, 14 (2). 17, 23 (3), 26. 44, 93. Gegen den Kolportagehandel: 1 Artikel. (In No. 11.) 7 Vereinseingaben, Beschlüsse rc. (In No. 1, 6, 8, 14, 17, 77, 280.) Neutral: 3 Preßstimmen, Vereinsbeschlüsse rc. (In No. 5, II, 123.) Ferner im Börsenblatt vom Jahre 1894: Gegen ganze und teilweise RlNilschverkäufe (Zeitungsprämien rc.) 8 größere Artikel. (In No. 147, 210, 243, 280, 284, 290, 295. 298.) 10 kleinere Mitteilungen, Vereinsbeschlüsse rc. (In No. 93, 101, 103, 123,126,171, 231, 234, 243, 259.) Außerdem eine große Anzahl Zustimmungserklärungen. Es stehen im Buchhandel große Interessengruppen einander gegenüber. Wollte der Redakteur des Börsenblattes, der doch nur eine Ansicht haben kann, dieser im Börsenblatt Ausdruck geben, so würde sich die Interessengruppe, deren Ansicht er> nicht vertritt, offenbar auf das erheblichste beeinträchtigt sehen So wird auch der, ebenfalls von den Beschwerdeführern erwähnte Restbuchhandel oder Rani sch Handel, von verschiedenen gleich berechtigten Standpunkten aus sehr verschieden beurteilt. Wir glauben also nicht, daß die Wünsche der Beschwerde führer erfüllbar sind, meinen vielmehr, daß jeder von der Redak tion ausgehende Versuch, in den Zeitschriften des Börsenvereins eine bestimmte Ansicht zur Geltung zu bringen, scheitern wird. Wenn die Beschwerdeführer aber glauben, der Redakteur habe dafür zu sorgen, daß in Parteifragen jede Partei zu Worte komme und er habe also nötigenfalls selbst Erwiderungen zu veranlassen, so wird ihm unseres Erachtens eine Zumutung gestellt, deren Erfüllung den Parteien selbst obliegt. In der Kolportageangelegenheit würden sachlich gehaltene Angriffe auf den Standpunkt, der z. B. in den Eingaben des Vorstandes an den Reichstag zum Ausdruck gekommen ist, ohne weiteres ange nommen worden sein. Von dem Redakteur aber zu verlangen, daß er Entgegnungen veranlasse, vielleicht gegen seine persön liche Ansicht, das geht zu weit. Wollte man wirklich, daß regel mäßig im Börsenblatte Rede und Gegenrede sich folgen, so müßte man einen Gegenredakteur anstellen, mit dem ausdrück lichen Aufträge, regelmäßig eine andere Ansicht zu haben und zu vertreten, als sein Kollege. Als bestimmten Beweis, wie »außerordentlich gering« das Verpflichtungsgefühl seitens des Börsenblattes (!) gegen seine »Leser« sei, glaubt das Beschwerdeschreiben ansühren zu können, daß eine Zeitungsnotiz in Betreff des angeblichen Vorgehens der Kieler Staatsanwaltschaft gegen den Vorsteher des Börsenvereins nicht sofort im Börsenblatt berücksichtigt worden sei. Darauf ist zu erwidern, daß von einem amtlichen Organe des Börsenvereins vor allem verlangt werden kann, daß die von ihm veröffentlichten thatsächlichen Nachrichten richtig seien, zumal, wenn sie sich auf eine für den Verein so wichtige Angelegen heiten beziehen. Die Redaktion des Börsenblattes hatte Bedenken getragen, von der Nachricht eher Notiz zu nehmen, als bis der angekün digte Strafantrag bei dem Herrn Vorsteher des Börsenvereins wirklich eingegangen sei. Diese Rücksichtnahme war aus nahe liegenden Gründen geboten. Diejenigen Leser des Börsenblattes, welche die Zeitungsnotiz wohl kannten, sie aber in dem Börsen blatte vermißten, konnten ohne viel Nachdenken die richtige Schluß folgerung ziehen, daß nämlich jene Notiz noch keine Bestätigung gesunden habe. Es hat sich später herausgestellt, daß sie wirklich unbegründet war. Sobald darüber Gewißheit erlangt war, hat das Börsenblatt die entsprechende Mitteilung gebracht. Das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel hat doch nicht, wie die politischen Tageszeitungen, die Aufgabe, lediglich um »interessant« zn sein, unverbürgte Sensationsnachrichten zu veröffentlichen, die sich möglicherweise schon am nächsten Tage als unrichtig Herausstellen. Wir können uns nicht versagen, hier auf einen stark in die Augen fallenden Widerspruch hinzuweisen, der sich in den Aus führungen der Beschwerdeschrift findet: während ihre Verfasser im Eingang darüber Klage führen, daß der-Ausschuß einen unberechtigten Einfluß auf die Redaktion ausübe und sich Ein griffe in die »redaktionellen Befugnisse« erlaube, wird gelegent lich der Notiz, betr. die Kieler Staatsanwaltschaft, das Nicht eingreifen »der für die Leitung des Börsenblattes verantwort lichen Personen« getadelt! Unter den »verantwortlichen Personen« kann aber, dem ganzen Inhalte der Beschwerdeschrift nach, nur der Ausschuß ge meint sein. Endlich befürworten die Herren Beschwerdeführer, daß das Börsenblatt weniger als Erwerbsquelle angesehen und daß die Verfolgung materieller Zwecke mehr hintangesetzt werden solle; sie wünschen deshalb eine erhebliche Erweiterung des Börsen blattes dahin, daß an historischen und litterarischen Bei trügen mehr Interessantes geboten werde.