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45, 22, Februar lS30. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dischli Buchhandel. steiler auch in französischer oder portugiesischer Übersetzung ge lesen. Englisch wird nach "dem Krieg fleißig gelernt, doch hat es noch nicht das Französische eingeholt. Me in Deutschland geltenden Ladenpreise bekommen in Brasilien einen Zuschlag. Die Bücher (in Zwei-Kilo-Paketen) kommen per »Einschreiben«, da sonst das Risiko zu groß wäre, auch MnsikaRen und fast alle Zeitschriften. Das einfache Porto auf Bücher ist ermäßigt. Die kurze Reise einer Sendung vom Dampfer vomRio-Hafen durchsZollamt zur Buchhandlung kostet —.50 bis 1.— RM. pro Kilo. Darin sind Zollbehandlung, Stempelmarken, Briefmarken und Fracht vom Zollamt zur Buchhandlung eingeschlossen. Freilich wird im Zollamt nicht nach Kilo berechnet. Diese Berechnung ist Sache der Buchhand lung und erfolgt, indem von Zeit zu Zeit die Sendungen gewogen werden und das Gesamtgewicht mit dem Gesamtbetrag der jeder Sendung beigefügten Zollrechnung verglichen wird. Außer dem müssen ja die Zollbeamten, die mit der »Beförderung« der Pakete besonders beschäftigt sind, zu weiterer Arbeit ab und zu ermuntert werden, um nicht ganz und gar das Interesse daran zu verlieren. Alle diese Spesen müssen nun auf Bücher und Zeitschriften verteilt werden. Der Aufschlag beträgt ungefähr 10?? für Bücher. Noch mehr Zoll wird bezahlt für Kunstwerke, Bildermappen, Luxusbände, Postkarten und Bilderbücher auf Pappe, überhaupt auf Bücher mit mehr Bildern als Text. Hier steigen die Spesen auf 50 bis 70?? des deutschen Ladenpreises. Man hat sich an die Handclsabteilung der Deutschen Gesandt schaft gewandt mit der Anfrage, ob etwas gegen diese Zoll- bestimmung gemacht werden könnte, bis vor kurzem jedoch war die Frage unentschieden. Der deutsche Zeitungsbetrisb muß in Brasilien ein ganz anderes Gepräge bekommen als im Heimatland. Selten nimmt die Reise einer Zeitung weniger als drei Wochen, oft mehr, in Anspruch, und dazu kommen sie sehr unregelmäßig, manchmal für zwei Wochen auf einmal an. Von der »"Berliner Jllustrirten«, »Hamburger Illustrierten« und anderen wöchentlichen Zeitun gen sind sogar schon drei Nummern auf einmal eingetroffcn, wenn auch nicht die ganzen Sendungen. Einige Pakete bleiben anscheinend manchmal irgendwo hängen und gehen erst mit dem nächsten Dampfer. Werden sie nun noch ein paar Tage im Zoll amt" zurückgehaltcn, so hat die Geduld des Kunden wie des Buch händlers eine ernste Probe zu bestehen. Man mache sich hier einen Begriff von der Rolle der heimatlichen Tageszeitung! In Deutschland muß diese frisch, noch halb feucht, aus der Druck maschine in die Hände des Lesers kommen, nach Brasilien kommt sic erst drei Wochen später und dann oft für 2—3 Wochen auf einmal. Die Neuigkeiten sind kaum mehr als solche zu be trachten, man hat schon längst Telegramme und Berichte dar über gelesen; was noch interessieren kann ist wohl eher, wie diese Neuigkeiten damals die Gemüter in Deutschland bewegten, und was die Journalisten daraus zu machen verstanden. Die Leit artikel, die Börsennotierungen, die Anzeigen haben aber teilweise noch ihren Wert, und deshalb wird die Tageszeitung doch ver langt, wenn auch nicht in dem Maße, wie es Wohl der Fall sein wird, wenn sie erst einmal aller Paar Tage mit Flugzeug kommen wird. Dadurch, daß die Zeitung nicht als eine Selbstverständlich keit wie der Morgenkaffee auf den Tisch kommt, wird sie vielleicht sogar mehr geschätzt. Man hat auf sie warten müssen. Endlich muß sie doch da sein! Die »Cap Polonio- oder ein anderer großer Dampfer ist ja eben gekommen. Jawohl, einige Zeitungs pakete sind schon direkt durch die Post gekommen, die meisten aber sind mit den Bücherpakctcn nach dem Zollamt gegangen. Der Angestellte, ein taktvoller Brasilianer, auf dessen Schultern die Verständigung mit den Zollbehörden in erster Linie ruht, begibt sich schnellstens dorthin, um die Verhandlungen einzulciten. Oft wird er ein oder zwei Tage mit der höflichen Bitte, morgen wiedcrzukommen, abgefertigt. f»L mankä« (-- morgen) ist ein sehr beliebtes Wort in Brasilien. »Tue nie etwas heute, was Du auf morgen verschieben kannst!«) Schließlich kommt er doch an die Reihe. Me Urkunden haben sich in einer Hand gesammelt, und nun fängt die Kontrolle an. Biele Pakete werden geöffnet und auf ihren Inhalt untersucht, dann bekommen die Dokumente einen Vermerk und gehen in eine andere Abteilung. Die letzten Marken werden darauf geklebt, es wird bezahlt und unterzeich net, die Formalitäten sind zu Ende. Am Eingang finden sich Männer, die auf Beförderung jeder Art von Waren warten, und nun werden die Pakete schnell nach der Buchhandlung gebracht. Es können 80 bis 80 Pakete sein, es können auch 500 bis 800 sein, vor Weihnachten vielleicht noch mehr. Von dem Kom missionär in Leipzig und direkt von Verlegern in ganz Deutsch land und auch Österreich sind sie auf den Weg gebracht worden. Schnell werden die Zeitungspakete von den andern getrennt und geöffnet. Zeitungen und Zeitschriften werden gezählt und auf die Listen notiert, ein Teil wird für die Kunden zurückgelegt, die, ohne Abonnement zu haben, einige Zeitschriften für sich reserviert zu sehen wünschen. Bei dem Auspacken erlebt man immer Überraschungen. Von Nr. 20 einer wöchentlichen Zeitschrift kommen von 10 erwarteten Paketen z. B. nur 3 und von Nr. 21 die ganze Zahl, was auf die Kunden nicht erfreulich wirkt. Oder man findet verschiedene Pakete zerrissen, Ne Zeitungen beschmutzt und durchnäßt, sei es, daß der Dampfer von Sturzseen ganz überspült worden ist oder es kommt von einem Platzregen beim Ein- oder Ausladen. Die Köpfe der unverkauften Zeitungen werden abgeschnitten und als Remittenden zurückgeschickt. Wegen unsicherer Postver bindungen gehen diese als eingeschriebene Drucksachen. Damit das Porto nicht den Wert der Remittenden übersteigt, werden sie nur zwei- bis dreimonatlich geschickt. Nun hat ein Verleger lange Zeit keine Remittenden gesehen und entschließt sich, statt 5 Tageszeitungen 10 zu schicken. Der Mitarbeiter in Rio merkt zwar die Verdoppelung, denkt aber, es handelt sich um ein Ver sehen und legt die zu vielen Zeitungen beiseite. Die Sache wie derholt sich aber in ein paar Wochen. Eventuell ist inzwischen eine Mitteilung vom Verlag gekommen, jedenfalls wird jetzt da hin geschrieben, die Extralieferung möchte doch eingestellt wer den. Von der Zeit der Abscndung der ersten Zeitungen bis zum Augenblick des Eintreffens der Reklamation in Berlin oder Wien können aber 8 bis 9 Wochen vergangen sein, und nun liegen 250 bis 300 Zeitungen da, die erhebliches Zollgcld gekostet haben, und von denen nun die Köpfe geschnitten werden müssen, damit diese als Remittenden die Rückreise antreten können. Die Kunden, die Zeitungsabonnement haben, wohnen manchmal von Rio und der Buchhandlung so weit entfernt wie Stockholm von Leipzig, die Zeitungen werden ihnen also direkt vom Verlag zugeschickt. Das Abonnement wird in Deutschland nie fortlaufend bestellt, sondern auf bestimmte Zeit z. B. vom 1. Januar bis zum 30. Juni. Mancher Verleger hat aber die Gepflogenheit, trotzdem weiter zu liefern und meint, es müsse noch extra eine Abbestellung eingehen, ohne daran zu denken, daß dieses Verfahren für Übersee praktisch ganz undurchführbar ist. Auf die Bestellformulare wurde deshalb gedruckt, daß man für unbestellte Zeitungslieferungen nicht aufkomme, und mit dem Kommissionär wurde vereinbart, daß Vorauszahlungen für Monnements nur dann zu leisten sind, wenn der Bestellzettel der Vcrlagsrechnung bcigcfügt ist. Daß viele Verleger an verständ nisvoller und genauer Lieferung nichts zu wünschen übrig lassen, muß hier auch festgestellt werden. Nun noch ein paar Worte über den Laden. Das Fehlen der Schaufenster in verschiedenen Buchhandlungen in Brasilien ist schon jungen Buchhändlern aus Deutschland ausgefallen. Was wird nicht alles einem Brasilianer auffallrn, wenn er erst nach Deutschland kommt! Wenn ich nun verrate, daß auch die Tür manchmal fehlt, und daß der Laden doch einen netten Eindruck machen kann! Ein eiserner Vorhang, fast so breit wie das Haus, wird morgens hochgezogen und bleibt so bis abends. Damit ist der Zutritt von der Straße frei. Zum Hinterhof ist auch offen, sodaß die Luft durch das ganze, ziemlich tiefe, über oft etwas schmale Haus strömen kann, was besonders bei einer Temperatur von -i- 30" bis 37" 0. im Schatten ganz angenehm, ja sogar not wendig ist. Das Licht kommt durch das Glasdach. Gleich am Eingang steht ein Glasschrank mit Büchern, der das Schaufenster ersetzen soll, und der auch, wegen der Breite des Einganges, 187