Volltext Seite (XML)
45. 22. Februar 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Das Saargcbiet gehört nicht zu Frankreich. — Aus dem Saar gebiet wird uns geschrieben: Ein führender deutscher Verlag hat unlängst einen Prospekt nach Saarlouis zum Versand gebracht, der die Anschrift trug »Saarlouis/Frankreich«. Man sollte es nicht flir möglich halten, daß es heute noch einen deutschen Verlag gibt, flir den das Saargebiet einen Teil Frankreichs bedeutet. Wenn wir auch unseligerweise zollpolittsch betrachtet als Ausland gelten mlissen, so muß es doch gerade der deutsche Buchhandel an der Saar ganz energisch zurückweisen, daß man das Saargebiet aus Fahrlässigkeit oder Unkenntnis mit französischem Gebiet identifiziert. 'kersonalnacbriclrten. Zu Mitgliedern des RcichSrats wurden gewählt Herr Pfarrer und Verlagsdirektor vr. Waldemar Otte in Firma Bergland-Ge sellschaft für Volksbildung m. b. H. in Schweidnitz, und Herr vr. Walther Jäneckein Hannover, Vorstandsmitglied des Ver eins Deutscher Zsitungsverleger, als stellvertretender Bevoll mächtigter. 70. Geburtstag. — Herr Carl Poltier - Weeber, In haber der gleichnamigen Firma in Lörrach, feiert am 22. Februar den 70. Geburtstag. In Freistadt als Söhn des Sbadtarztes Carl Poltier geboren, verlor er seinen Vater schon als sechsjähriger Knabe im Kriegsjahre 1600. Durch die Ungunst der Verhältnisse waren die Kinder- und Jugendjahre nicht goldig, der gute Kern sah jedoch fest, und unbezwingbar war der Drang nach Fortschritt. Was in den Kinderjahren versäumt wurde, mußte in späteren Jahr zehnten nachgeholt werden. Im Sommer 1875 trat er in die Lehre bei der Firma F. O. Sintenis k. k. Hofbuchhandlung in Wien ein, mußte jedoch die Lehre wegen Änderung des Firmonbesitzers verlassen. Durch Empfehlung des alten Chefs kam er in die Sall- mayer'sche Sortimentsbuchhandlung und nach sechsjähriger Tätig keit in die Wallishauffer'sche k. k. Hofbuchhandlung, beide in Wien. Aus Gesundheitsrücksichten mußte der Jubilar Wien 1888 verlassen und sich für seine Tätigkeit kleinere Städte mit gesünderem Klima suchen. So kamen die Städte: Cannstatt, Dhun und zuletzt Lör rach an die Reihe. Nach fast zehnjähriger Tätigkeit in letzter Stel lung, davon acht Jahre als Prokurist, gründete der Jubilar 1808 sein Geschäft in dem zu diesem Zweck erworbenen Hause in der Turmstrabe 14, wo es sich heute noch befindet. Die Erfahrungen veranlaßten ihn, neben der Buchhandlung, aus welche stets das Hauptaugenmerk gelegt wurde, auch Schreibmaterialien zu führen, um die Existenzmöglichkeit zu sichern. Seit einer Reihe von Jahren wird der Jubilar von seinem Sohn Carl, dem er als Buchhändler ein höheres Studium zuteil werden lassen konnte, im Geschäft kräftig unterstützt. Zum 60. Geburtstag von vr. ü. e. Gustav Kirstein. — Herr vr. Kirstein, der Seniorchef der Firma E. A. Seemann in Leip zig, wurde am 21. Kvbr. 1870 als Sohn eines sehr angesehenen Arztes, des Geh. San.-Rats vr. Moritz Kirstein, in Berlin geboren, besuchte das Gymnasium und trat nach Ablegung des Freiwilligen-Examens 1886 als Lehrling in die am Eingang zum berüchtigten Berliner Scheuneuviertel gelegene Fortuna-Apotheke eiu. Hier herrschte damals wirklich noch etwas von der Spitzwegschen Apothekenromantik. Man kochte und strich noch Pflaster, drohte Pillen und destillierte neben Kräuteressenzen gelegentlich auch stärkere Sachen. 1889 bestand er die Pharmazeutenprüfung und wirkte dann bis Juni 1891 in Mittel walde, einem.schlesischen Gebirgsnest an der böhmischen Grenze, wo er Gelegenheit fand, wahrhaft mittelalterliche Anschauungen und Be zeichnungen der Volksmedizin und des Aberglaubens kennenzulernen und seinen Divinationssinn zu üben. Aber die rechte Befriedigung fand er dabei doch nicht, sah sich vielmehr veranlaßt, umzusatteln. Gustav Kirstein, dessen oft erprobte Menschenkenntnis sich auch auf die eigene Person erstreckt, sah rechtzeitig ein, daß die Welt der Salbentöpfe und Pillenschachteln nicht die seine war. Es zog ihn zur Literatur, besonders zur Kunstliteratur, und da er sich damals noch nicht wie feine dem Apothekerberuf untreu gewordenen »Kollegen« Ludwig Bechstein, Ibsen, Fontane, Stinde und Sudermann berufen fühlte, selbst zur Feder zu greifen, wurde er Buchhändler. Er bestand eine zweijährige Lehrzeit im Sortiment bei Walther L Apolant in Berlin und arbeitete darauf vom 1. Januar 1896 bis 1. April 1890 zunächst als Volontär, dann als Gehilfe- bei E. A. Seemann, wo er sich in Herstellung und Vertrieb betätigte. Nach einem kürzeren Auf enthalt im Kommissionsgeschäft von Karl Schulz in Paris trat er bei Carl Heymanns Verlag in Berlin ein, einer Firma, deren innere ver legerische Organisation zu jener Zeit als die- modernste in Deutschland galt. Nachdem er noch bei Urban L Schwarzenberg in Wien gewesen war und nach Gründung der Berliner Filiale dieser Firma dort als Prokurist gearbeitet hatte,, wurde er am 1. Oktober 1899 Teilhaber bei E. A. Seemann. In diesem Hause, das hauptsächlich die Publikation kunstgeschichtlicher Werke, künstlerisch vollendeter Wiedergaben von Gemälden und moderne Graphik pflegt, war der ideenreiche junge Verleger am rechten Platze. Im Umgang mit den ersten Künstlern und Kunsthistorikern und auf vielen Reisen, die ihn durch alle Galerien Europas führten, erwarb er sich dank seinem erstaunlichen Gedächtnis das universale Wissen, das ihn befähigt, über jedes einiger maßen, bedeutende Werk der Malerei ohne langes Besinnen erschöpfende Auskunft zu geben. Gerade diese Universalität bewahrte Gustav Kirstein vor der einseitigen Bevorzugung bestimmter Kunstperioden und Schulen und prädestinierte ihn zn der überaus fruchtbaren Tätig keit, die er als Herausgeber der »Zeitschrift für bildende Kunst« und der »Kunstchronik« von 1900 bis 1918 entfaltet, und die ihm als An erkennung von berufener Seite den Ehrendoktor eingetragen hat. Da neben fand er noch Muße, die Ergebnisse liebevoll betriebener Spezial studien in zwei selbständigen Werken: »Die Welt Max Klingers« (1916) und »Das Leben Adolf Menzels« (1919) niederzulegen. Auch die Interessen der Allgemeinheit des Buchhandels haben in vr. Kirstein einen allezeit regen Vertreter gefunden. Im Ver lags-Ausschuß des Börsenveroins- der Deutschen, Buchhändler be kleidete er von 1916—1918 das Amt des Schriftführers und von 1918—1926 das des Vorsitzenden, von 1931—1933 war er Mitglied der inzwischen erloschenen Großen Valuta-Kommission, und von 1923—1928 Mitglied des Ausschusses Deutsche Gesellschaft für Aus landbuchhandel. Seit 1928 wirkt er im Ausland-Ausschuß und als Vorsitzender des Ausschusses Kr Urheber- -und Verlagsrecht, zu dessen Mitgliedern er feit 19Ä zählt. Mit Recht gilt vr. Gustav Kirstein als ein Meister des Wortes. Seine Gabe, temperamentvoll, aber in konzilianter Form und mit schlagfertigem Witz die eigene Meinung zu vertreten, hat sich auch in der weiteren Öffentlichkeit — es sei nur an den Streit um die Verlängerung der Schutzfrist erinnert — oft genug bewährt, und die Führerschaft in der Bibliophile-mvelt verdankt er neben seiner Literaturkenntnis und seinem erlesenen Geschmack nicht zum wenigsten der Fähigkeit, mit einem jeden Widerspruch entwaffnenden Humor zwischen- Altem und Neuem zu vermitteln. Denn der nun Sechzig-jährige ist alles andere als ein luuckator tsm-poris aeti: stets bestrebt, den Erscheinungen der gesamten Kulturentwicklung volles Verständnis entgegenzubringen, hat er sich auch mit der so manche Umstellung erfordernden Gegenwart heiter-gelassen abgesunden. Erst vor wenigen Wochen ist er von einer nach New Aork unternommenen Geschäftsreise heimgekehrt, nach seinem eigenen Geständnis um eine Unsumme starker Eindrücke bereichert und mit der ausgesprochenen Absicht, bald eine zweite Amerikafahrt, dies mal jedoch lediglich zu Studienzwecken, zu unternehmen. Mögen ihm noch viele Jahre des Schaffens, des Lernens und des Anregens befchieden sein! Jubiläen. — Herr Walter Schlenzig konnte am 20. Fe bruar das Jubiläum 25jähriger Zugehörigkeit zum Musikverlag Max Brockhaus in Leipzig feiern. Die Wertschätzung seines Chefs kam besonders dadurch zum Ausdruck, daß ihm 1921 Prokura erteilt wurde. An seinem Ehrentage wurde ihm in weiterer Anerkennung das Ehrenzeichen des Buchhandels verliehen. .* Die Galerie Del Vecchio in Leipzig feiert wieder ein Jubiläum. Ihre ältester Mitarbeiter, der Packmeister Albert G o l d st e i n, ist am 26. Februar 50 Jahre, bei ihr tätig, gewiß ein seltenes Zeichen der Treue und Anhänglichkeit. Gestorben: am 17. Februar Herr Hans Hupfer, Verlagsdirektor der Firma Julius Abel, Greifswalder Zeitung, Buchdruckeret und Verlagsgesellschaft m. b. H. in Greifswald. Todesnachrichten aus Wissenschaft, Literatur und Kunst. — Am 13. Februar starb in Charlottenburg im Alter von 68 Jahren Pro fessor Conrad Ansorge, bedeutender Komponist und Virtuose; in Heidelberg am 6. Februar im Alter von 78 Jahren Geh. Rat Prof, vr. FriebrichvonDuhn, emer. Prof, für Altertumswissenschaft; in Wien am 7. Februar im Alter von 54 Jahren Hofrat Prof. vr. Felix Exner, Direktor der Zeniralanstalt für Meteorologie; in Hirschberg im 72. Lebensjahre Geh. Rat Prof. vr. k. e. F e r d t n a n d Friedensburg, bekannter Numismatiker; in Bern am 10. Fe bruar der Philosoph und Kuliurpsychologe JosephMariaHolz- apfel im Alter von 56 Jahren; in Berlin am 18. Februar im Alter von 67 Jahren Geh. San.-Rat Prof. vr. Julius Schwalbe, Herausgeber der Deutschen Medizinischen Wochenschrift; am 7. Fe- 191