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Nun aber noch nicht genug! Auch in der Tag es presse macht die Propaganda der Scham losigkeit immer weitere Fortschritte. Die Leser verzeihen, wenn wir an dieser Stelle aus dem Romanfeuilleton eines „Familienblattes“, der „Breslauer Zeitung“ (Nr. 428 vom 21. Juni 1907, Mittagsausgabe) eine Stelle wiedergeben, die wir nur einem ernsten Leserkreis vorzusetzen wagen: „. . . Baruch, begann er heiser, mein Herz ist ein Stein. . . . Ich will dir erzählen, denn du kannst nicht wissen. Was weifst du auch von Mirjam? Du sahst nur ihre Hände, ihr Gesicht, ihr Haar, ich aber hatte ihren ganzen Leib, und wenn sie nackt vor mir tanzte an einem heifsen Sommertag — bei geschlossenen Läden, damit niemand sie sah, und auch ich war nackt — o, da war sie eine weifse Flamme in dem gelblichen Licht, eine weifse Flamme mit goldener Brandkrone, ihrem Haar, das ihr in feurigen Schlangen aufgelöst über den Nacken und über die Brust züngelte. Ich war ganz toll vor Brünstigkeit und schrie, wenn sie mich lockte. . . .“ Und dann weiter: „. . . Ich kam heim und fand sie mit einem anderen. ... Er entsprang und ich verfolgte ihn nicht, sie aber ermordete ich. Baruch, ich stiefs ihr den Dolch gerade zwischen ihre zwei Brüste ins Herz, und ihr Blut quoll auf, noch erhitzt von der Wollust, und wie es mir in die hohle Hand schofs, fafste mich plötzlich die Gier, von ihrem Blute zu trinken. Und ich trank.... Mit ihrem letzten Blick sah sie, wie ich ihr Blut trank, und ein wollüstiges Lächeln zuckte um ihre Lippen. . . .“ Wer hätte noch vor wenigen Jahren ein sol ches Feuilleton, das auf wenig Zeilen so ziemlich alles wiedergibt, was Schamlosigkeit, Gemeinheit und Perversität auf eine Szene zusammendrängen