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Abg. Dr. Spieß (kons.) verweist aus die Wünsche des konzessionierten Schiffervereins bezüglich des Baues eines Schutzhafens ander sächsischen Landesgrenze. Er bittet die Staats regierung, diesen Bau bald in Angriff nehmen zu lassen. Ferner bittet er um den baldigen Beginn des Baues einer rechten Elbuferstraße von der Landesgrenze bis Pirna. Weiter sprachen noch zu den Kapiteln die Abg. Koch (Vpt.), Barth (kons.) und Brodaus (sortschr. Vp.) Daran schloß sich die allgemeine Vorbe ratung des König!. Dekrets Nr. 48 betr. meh rere Eisenbahnangelegenheiten. Das Dekret wurde nach einer kurzen Begründung des Finanzministers von Seydewitz an die Finanzdeputation B verwiesen. Berichterstatter Abg. Mehnert (Soz.) beantragte: Die Kammer wolle beschließen: den im außerordentlichen Staatshaushaltsetat für die Finanzperiode 1912—13 unter Titel 9 vorgesehenen Aufwand von 881 000 Mark als zweite und letzte Rate zur Erweiterung der Bahnhofsanlagen Niederwiesa nach der Vor lage zu bewilligen. — Diesem Anträge schloß man sich einstimmig an. Weiter beschloß die Kammer auf Antrag desselben Referenten: sich damit einverstanden zu erklären, daß die Er sparnisse von rund 60 000 Mark bei Titel 22 des außerordentlichen Staatshaushalts-Etats aus der Finanzperiode 1908—09 zur Herstel lung der mit 57 400 Mark veranschlagten Fern leitung vom Elektrizitätswerk Chemnitz-Hilbers dorf bis zum Bahnhof Niederwiesa verwendet werden. Ferner bewilligte die Kammer Lit. 19 des außerordentlichen Staatshaushalts-Etats für die Finanzperiode 1912—13 betr. Umbau der Leipziger Bahnhöfe (sechste Rate) nach der Vorlage mit 5 200 000 Mark. (Berichterstatter: Abg. Gleisberg, natl.) Es folgte nun die Schlußberatung über eine große Anzahl von Eisenbahnpetitionen, über die die Abgg. Gleisberg (natl.), Rentsch (kons.), Merkel (fortsch. Vp.) und Nitzschke- Leutzsch (natl.) berichteten. Die Petitionen wurden nach den Beschlüs sen der Deputationen erledigt. Nächste Sitzung: Dienstag, Vorm. ^12 Uhr. Tagesordnung: Etatkapitel, Petitionen. sM—i Treibendes Wrack. Roman von C. Dressel. 42. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Die nächsten Tage blieben warm und wind still. Sie konnte sich beständig im sonnigen Part aufhalten und erholte sich zusehends. Die Herz- kraft hob sich, die schlaff gewordene Haut begann sich zu straffen. lind sie hörte keinen Vorwurf, sah in heitere, zufriedene Mienen, sah Utes leuch tendes Brautglück, Gelas stillselige Gchobcnheit und fragte sich dann wohl: „Sie sind nicht anders zu mir wie sonst, und selbst Herr Hadring trägt sein Leiden mit Fassung, habe ich es denn ge träumt, baß ich das Unheil über die teuren Menschen brachte?" Hier aber tat ihr Herz einen schweren, unruhevollen Schlag, und sie fühlte bang: „Nur einer zürnt unerbittlich. Rolf geht mir aus dem Wege. Es ist nicht nur die an gespannte Arbeit, die ihn fern hält. Er verachtet mich als falsch und wankelmütig. So sehr, daß er nicht einmal fragt, „wie konntest du eine Schul dige werden?" Und ich, ich habe ja nicht das Recht, mich vor ihm zu reinigen, zu verteidigen. Nun, eine kleine Weile und die Versehmte verläßt auf immer den Bannkreis. Lothar wird erwartet, und jetzt soll er entscheiden, raten, was mit mir werden könne." Bald danach kam er. Erschüttert sah er ihre große Veränderung. Wohl hatte die Landluft, die treffliche Pflege, ihr ein wenig Farbe und Rundung gegeben, aber bittere Leiderfahrung blieb wie ein gegraben in ihren feinen Zügen. Das schöne, volle Haar war der Krankheit zum Opfer gefallen. Die schweren Flechten krönten nicht länger die hohe Stirn. Es war ein Tituskopf geworden mit kurzem Gelock. Das stand dem gemmenartigen Rasse- gestcht nicht schlecht, wirkte indes im ersten Augen blick befremdlich auf Lothar. „Mein armes, armes Kind, daß dies alle» über dich kommen mußte. Wie cs überhaupt ge schehen mochte? Ich stehe vor Rätseln, Hedwla." Schwermütig blickte sie ihn an. „Lothar, er innerst du dich, was du mir einst sagtest von den unheilvollen treibenden Wracken? Ein solches kam mir in den Weg. Und wollte auch dich zer schellen. Nun, dich wenigstens konnte ich retten. Ich mußte es." „Um Himmels willen, Hedwig. Du meinst meine unselige Schuld an Wilkening " „In die er dich verstrickte, weil du ihm im Wege warst," nickte sie finster. „Nun weiß ich es. Er selber gedachte um Gela zu werben, da mußte er dich vernichten, dich ihr unmöglich machen." „Und du, Herrgott, noch immer sehe ich nicht klar — dein Telegramm, Hedi, gab keine Auf klärung über deine Flucht, dein gemeinsames Handeln mit dem Schurken. Deine Erkrankung kam, — die Erschütterung der Firma Hadring, die fast ein Zusammenbruch wurde —" „Ja," sagte sie schwer, „das alles habe ich wohl auf dem Gewissen und war dennoch un schuldig schuldig. Von Wilkenings wahrem Charak ter, seinen sträflichen Absichten ahnte ich nichts, so groß auch meine Abneigung gegen seine Per sönlichkeit von Anbeginn war. Und daß ich ihm folgte? Lothar dir darf ich's nun sagen, muh cs wohl, denn gerade du dürftest mich nicht ver urteilen. Er forderte meine Hand. Ich mußte sie geben, mußte deine Zukunft retten. Aus Liebe zu dir und um des Namens willen. Deine Ehre war die meine, Lothar. So hat es mich unser Vater gelehrt." „Um meinetwillen," sagte er dumpf. „Um meiner Schwäche willen dies namenlose Unglück über dich. O du großes, du tapferes Herz!" Er stürzte vor ihr nieder, umfaßte ihre Knie und weinte — weinte, wie er es seit Kinder jahren nie mehr getan. Schwere Mannestrnncn, die ihm in die Seele brannten mit heißer Reue. Ihre blassen Hände glitten liebkosend, be schwichtigend über sein Haar. „Laß, laß doch, nun ist ja alles gut. Und so schön, daß ich nicht mit dein gräßlichen Zweifel an meiner Ehrbarkeit sterben mußt«. Daß ich mich wenigsten» vor dir nun reinigen kann " „2 still, du Heilige, wie bin ich klein vor dir. gaun ich denn dich je diese Seelenpcin, diese iörperlichcn Leiden vergessen machen? Mit Gelas himmli cher Güte, mit ihrer Liebeskrast, die ja auch mich so selig trägt, wird es mir vielleicht gelingen." Er sprang empor, schieß das bebende Mädchen -est in den Arni: „Hedi. L m esierherz, um Gelas willen, die auch dich so innig lieb hat, wirst du all dos Furchtbare überwinden, vergessen! Ver sprich es mir." Ein Lächeln strahlte in ihren erschütterten Zügen auf. „So wäret ihr einig?" Er atmete lies auf. „Ja, sie wird mein. Wenn auch nicht gleich. Wir dürfen bei dieser veränderten Lage, die Herrn Hadring zur Be schränkung zwingt, nichts Unbilliges »erlangen. Er hat zunächst Ute aus'-ultatten, ist Landsberg, seinem nunmelnigen Teilhaber, zu großem Dank verpflichtet, sc ist diese Berücksichtigung selbstver ständlich. Wir lassen darum die Kleine gern vor- augchcn und werden noch zwei Iainc mit ter heirat warten. Dann beziehe ick, Hauvlmmws- gehült erster Klasse, denn ich machte eimn glück lichen, außergewöhnlichen Salto in Perlin — " „Weiß schon, Herr Hauptmann," unterbrach sü ihn mit einem leisen, glücklichen Lachen. „Nun, und bringt dann Gela noch einen Zuschuß in die Ehe, soll er uns freuen, unbedingt nötig wäre er nicht. Wir machen uns beide nicht viel aus dem Ilcbcrfluß. Anständige Behaglichkeit, die zum Gedeihen einer aufspringenden Famiüc erfreulich und fördernd ist, wird uns gcn iccn. Jedenfalls wird es uns so gehen, daß du dich bei Hauptmanns wohl fühlen solbt, Hedi. Bi: da hin, falls du nicht vorher etwa b.iratcst, bUilüt du natürlich in Marienwalde. Das ist längst ausgemacht. Diese großzügigen Menschen d men nicht daran, dir aus der fatalen Willcuing-Epnode einen Vorwurf zu machen, waren sie doch telber die Düpierten seiner schlimmen Ränke. Ich würde ihn auch nicht dulden. Ja, ich werde überdies, zum wenigsten Herrn Hadring, den wahren Be weggrund deiner ihnen noch unverstandenen Flucht, die nur ein anderes Schwesteropfer war, mitteilen. Ich will mich nicht von dieser heroischen Schwester beschämen lassen. Damit verscheuche ich den letzten Schatten, nicht wahr, meine Hedi? Du bist doch gern hier. Das ist mir solche Beruhigung." Sie schwieg. Sich selber aber sagte sie: „Ich bleibe nicht. Ich darf es nichl. Einer ist da, der nicht verzeiht. Ich traf ihn mitten ins Herz. Wie könnte ich da mit den Seinen fröhlich leben wollen? Hiervon kann ich aber auch zu dir nicht sprechen, mein Bruder." Mit Rücksicht auf den kraulen Hausherrn hatte Frau Hadring die englische Diuerzcit aufge geben und des Tages Hauptmahlzeit in die zweite Mittagsstunde verlegt. Eine Einrichtung, die auch Rolf zusagte. Er gönnte sich gern nach emsiger Dormittagstätigkeit, die schon in früher Morgen stunde begann, eine wohlverdiente Pause, ehe er wieder in die Sielen ging. „Jeder Arbeitsgaul muß sich mal ein bissel verschnaufen," meinte er, und Mutti streichelte ihn nach dieser Aeuherung noch mehr wie sonst. Herr Hadring liebte es, wenn die Familie nach Tisch zur Defiliercour antrat, wie Ute es nannte, wenn sie alle nacheinander zu ihm kamen mit dem üblichen Wunsch der .gesegneten Mahlzeit und sich dann um seinen Rollstuhl gruppierten, plau dernd und rauchend bei dem Verdauungsmokka. Das zerstreute und erheiterte den armen 'Leiden den, dessen Lähmung voraussichtlich nie völlig schwinden würde, wie die Aerzte sagten. Auch be hauptete Ute, da die welterschütternden internen Geschehnisse von Villa und Fabrik ja doch nie in den Zeitungen ständen komischerweise, müsse Vati sich schon aus einer lebendigen Chronik auf dem Laufenden halten. (Schluß sollst.)