Was lelnte Jesus?! Der Stifter der christlichen Religion hat, nach allgemeiner Ansicht, leider nicht, wie andere Religionsbegründer, eigene Auf zeichnungen und Niederschriften seiner Lehre hinterlassen. Sein früher Tod und vielleicht auch eine Abneigung gegen das todte, geschriebene Wort haben ihn verhindert mitten in einer hochgebildeten Zeit, welche jede Kunst des schriftlichen Ausdruckes, auf Grund einer schon alten litterarischen Kultur, beherrschte, seine Heilslehren selbst niederzuschreiben. Um zu erfahren, mit welchen Gedanken und Lehren Jesus von Nazareth eine so große Aufregung unter den Bewohnern Judäas und Galiläas hervorbrachte, sind wir auf die Berichte von vier griechischen, legendarischen Schriftstellern ange wiesen. Liest man ihre sogenannten „Evangelien", so drängt sich ja schon jedem Laien, jedem theologisch nicht Gebildeten eine Fülle von Widersprüchen, von sagenhaften Beimischungen auf, daß es kein Wunder ist, wenn sich im Lause des vergangenen Jahrhunderts eine ganze Wissenschaft der Kritik dieser Berichte vom Leben und von der Lehre Jesu entwickeln mußte. Die Schwierigkeit zu er fahren, was Jesus lehrte, scheint dadurch gesteigert, daß außer diesen Schriften noch eine Reihe geistreicher Religionsbriefe vor handen ist, als deren Verfasser sich ein Schüler der neuen Lehre bekennt, der nicht bei Lebzeiten Jesu mit diesem verkehrt hat, aber ohne Zweifel einige Gedanken des nazarenischen Weisen von Männern vernommen hat, die nicht unmittelbar mit diesem gelebt hatten: Paulus. Er hat diese einzelnen Gedanken als ein oft tief denkender Mann aufgefaßt und nach einer geistigen Methode ver- Kirchbach. 1