Grase liegt und sich von der Goldsomie wieder durchwärmen läßt, sieht er nicht nach Alter aus. Dein Geist mit seinem Grübeln scheint dir eher schon etwas grau. Und doch ist es genau umgekehrt. Dein Geist ist in Wahrheit nur die paar Jahre alt. Einsam, jung, frisch, naiv steht er da. Wie ein ganz unbeschriebenes Blatt ist er plötzlich aufgetaucht. Jetzt ist einiges wohl auch auf dieses Blatt schon geschrieben: die Erfahrungen von ein paar Jahren, etwas erlernte Geschichte, die einen kleinen Hori zont weiter rückwärts giebt. Aber im Grunde ist's doch ein Jüngling, ja ein Kind. Vielleicht ist es das Geheimnis unserer menschlichen Bewußtheit und wachsenden Individualität, daß der Geist immer naiv und frei wieder geboren wird als dieses unbeschriebene Blatt, als das ewige Weltenkind. Vielleicht ist die weiße Fläche dieses Blattes die wahre Fläche der Ent wickelung, die immer wieder weiß sein muß in dem Gesamt organismus Mensch, damit sich auf ihr wirklich Neues ab präge. Auf alle Fälle aber: gegen diesen deinen Geist ist dein Leib uralt. Ein eisgrauer Heiliger, in dem das Erinnern an Urältestes nie erstorben ist. Bedenke, was dieser Leib alles schon vollbracht hatte, ehe auch nur die erste winzigste Erinnerungsschrift auf jenes weiße Bewußtseinsfeld bei dir kam. Im Leibe deiner Mutter hat er sich selber aufgebaut. Die wunderbarsten Leistungen waren dazu nötig. Zuerst mußten die beiden Grundsteine seines Baues dort überhaupt zusammen kommen: Samenzelle und Ei zelle. Sie waren ja ursprünglich über zwei andere Menschen wesen verteilt: die Samenzelle bei dem Vater, die Eizelle bei der Mutter. So mußten sie erst dort, jeder für sich, eine Rolle spielen. Durch höchst geheimnisvolle, aber unbedingt vorhandene Wirkungen mußten sie in den beiden Körpern dort das hervorbringen, was wir geschlechtliche Erregung nennen. In einem höchsten Steigerungsmoment, da jene beiden Körper ausschließlich sich dieser Erregung Hingaben — also gradezu 45