Der männliche Paradiesvogel in seiner Schönheit erscheint als das Produkt des Schönheitssinnes seines Weibchens, ge nau. so wie Rafaels Sixtinische Madonna das Produkt von Rafaels künstlerisch erhabenem Schönheitssinn ist. Auch hier erscheint das Schöne auf der vollkommenen Wanderschaft durch den Geist zurück zum Geist. Die Mittel sind gröber, es bedarf gewaltiger Zeit dazu, Vererbung muß in dunkler Arbeit fixieren, was Rafael in der Gunst kurzer Stunden eines kurzen Menschenlebens mit Hand und Pinsel zum Gemälde festigt. Aber in der Grundlage ist der Kreis der Dinge dort geschlossen wie hier. Rafael mit seinem mir verwandten Schönheitssinne schafft die Madonna, und sie wirkt auf mich kraft meines eigenen von ihr geweckten Schönheitssinnes. Das Paradiesvogelweibchen mit seinem mir- verwandten Schönheitssinne schafft die Farbenpracht des männ lichen Paradisiers, und sie wirkt auf mich kraft meines eigenen, von ihr nur geweckten Schönheitssinnes. Es liegt in dem Gedankengange Darwins, wie er hier im Kern wenigstens zu Grunde gelegt ist, eine logische Gewalt ersten Ranges. Alle haben das empfunden, die aus der gang baren älteren'Schulästhetik zum erstenmale vor diese scharfe Schluß kette des Naturforschers gerieten. Zum erstenmale zeigte sich eine Möglichkeit, eine Schönheit wie die des Paradiesvogels wirklich in den Rahmen echter menschlicher Schönheitslehre einzuordnen. Zugleich aber erschien etwas innerlich noch viel bedeut sameres. Der Weg, wie dieses Tier „Schönes" schuf, war ein umständlicher, grober, niederer. Aber die Wurzel auch seines Schaffens war im Grunde genau die gleiche wie bei Rafael: ein geheimnisvolles „Schönfinden" gewisser Dinge in den seelischen Tiefen seines Gehirns. Nie ist das Tier in der neueren Naturforschung seelisch dem Menschen näher ge rückt worden als hier. Die ganze Frage war, das darf nicht vergessen werden, übergespielt in das seelische Gebiet, trotz aller Strenge naturwissenschaftlichen Denkens.