Geheimnisse sind noch keine Wunder. Goethe (Sprüche in Prosa) Die ganze Naturgeschichte der Liebe, wie wir sie hier besprechen, ist alles in allem genommen nur erst eine An deutung. Eine Kette von Lichtpünktchen, von denen gar manches erst noch wieder verglimmen mag, ehe die Funkenreihe ein echter Sonnenstreifen wird. Die Naturgeschichte der Wollust ist aber noch einmal wieder nur das Surrogat eines solchen Pünktchens. Sie streift in das vorläufig dunkelste Feld unserer ganzen Weisheit: in das Feld nämlich der Empfindungen. Mit dem „Empfinden" geht es uns Menschenkindern ja höchst drollig. Es ist ein Gebiet, wo jeder von uns die volle Ehre ge nießt, Fachmann zu sein. Wir haben das nicht von Hören sagen: wie es ist, wenn etwas uns gut thut und etwas an deres schlecht, wenn's uns wohl ist und wenn's uns übel ist, wenn eine Rose uns duftet oder ein Dorn uns sticht. Der Dümmste kennt das als Thatsache so gut wie der Philosoph. Das Kind bringt es mit und alle Erziehung durch Lehre und Leben stützt sich auf diese seine Grundweisheit. Aber diese stolze Fachmannschaft erkaufen wir nun durch das gegensätzlich Mißliche, daß wir streng genommen auch bloß unsere eigene Empfindung in der Welt als Maßstab kennen.